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Entscheidung 5 U 84/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 5. Zivilsenat Entscheidungsdatum 20.06.2022
Aktenzeichen 5 U 84/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0620.5U84.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Berufungsverfahrens wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt im Urkundenprozess vom Beklagten die Duldung der Zwangsvollstreckung in das ihm als Miteigentümer zu ½ neben seiner Mutter gehörende Grundstück, eingetragen im Grundbuch von … Blatt … , wegen einer dort am 29. Juli 2005 in Abteilung III Nr. 3 zugunsten der Erblasserin eingetragenen Zwangssicherungshypothek sowie wegen der Zinsen der gesicherten Forderung sowie wegen der Kosten der Zwangsvollstreckung.

Die titulierte Forderung war ein Restkaufpreis aus einem notariellen Kaufvertrag der Erblasserin mit dem Beklagten und dessen Ehefrau über ein anderes Grundstück und in dem diese sich dafür der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwarfen. Ursprünglich waren die Eltern des Beklagten Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks und übertrugen es mit notariellem Vertrag vom 30. März 1993 auf den Beklagten. Zugunsten der Verkäufer vereinbarten die Vertragsparteien ein Rücktrittsrecht für den Fall des Vorversterbens des Beklagten sowie die Sicherung des Rückübertragungsanspruchs durch Vormerkung, die wie die Eigentümerstellung des Beklagten 1994 eingetragen wurde. 1995 übertrug der Beklagte das Grundstück auf seine Ehefrau. Gleichzeitig erweiterten die dortigen Vertragsparteien unter Beteiligung der Eltern des Beklagten deren Rücktrittsrecht u.a. auf Fälle der Zwangsvollstreckung in das Grundstück oder der Eröffnung des Vergleichs- bzw. Konkursverfahrens über das Vermögen des Beklagten bzw. dessen Ehefrau. Auch die Bewilligung der Rückauflassungsvormerkung erfuhr die entsprechende Erweiterung. Diese Eintragung und die der Ehefrau des Beklagten als Eigentümerin erfolgten 1996. Nachdem die Zwangssicherungshypothek zugunsten der Erblasserin eingetragen worden war, erklärten die Eltern des Beklagten den Rücktritt und einigten sich mit der Ehefrau des Beklagten in notarieller Urkunde vom 3. November 2005 über die Rückübertragung nebst Auflassung des streitgegenständlichen Grundstücks. Dem Beklagten erteilten seine Eltern in dieser Urkunde Auftrag und Vollmacht zur Herbeiführung der Löschung der nicht übernommenen Zwangssicherungshypothek, die dieser jedoch nicht verfolgte. Die Eltern wurden am 9. Juni 2006 wieder als Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks eingetragen. Die Eintragung des Beklagten zu ½ Miteigentum erfolgte aufgrund Erbfolge nach seinem 2011 verstorbenen Vater am 6. September 2017.

Der Beklagte hat sich erstinstanzlich u.a. damit verteidigt, ihm stünde gegen die Klägerin ein Anspruch auf Zustimmung zur Löschung der Zwangssicherungshypothek gemäß § 888 Abs. 1 BGB aufgrund der zugunsten seiner Eltern eingetragenen Vormerkung zur Sicherung ihres Rückauflassungsanspruchs zu, so dass aus der Hypothek nicht vorgegangen werden könne. Die Klägerin hat sich auf Verjährung des vormerkungsgesicherten Anspruchs berufen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung wird auf seine Entscheidungsgründe vollumfänglich verwiesen. Gegen dieses Urteil, das ihm am 25. März 2022 zugestellt worden ist, hat der Beklagte mit am 12. April 2022 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Berufungsverfahrens beantragt. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat er nach Hinweis des Senats vom 27. April 2022 mit am 19. Mai 2022 eingegangenem Schriftsatz ergänzt. Für die beabsichtigte Berufung stützt er sich auf die nunmehrige Behauptung, die Ehefrau des Beklagten habe auf die Einrede der Verjährung gegen den vormerkungsgesicherten Rückauflassungsanspruch verzichtet. Der Beklagte ist außerdem der Ansicht, die Verjährung dieses Anspruchs richte sich nicht nach § 196 BGB mit 10 Jahren, wie vom Landgericht angenommen, sondern nach § 438 Abs. 1 Nr. 1b BGB mit 30 Jahren, denn die Ehefrau des Beklagten und seine Eltern hätten bei der Rückübertragung die Abwicklung nach Kaufrecht vereinbart. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass die Eltern das Grundstück ohne die Belastung der Zwangssicherungshypothek zurücknehmen sollten, der Veräußerer also für die diesbezügliche Lastenfreiheit einstehen sollte.

II.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war zurückzuweisen, weil das beabsichtigte Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das ihm als Miteigentümer gehörende Grundstück, eingetragen im Grundbuch von … Blatt … , wegen der zugunsten der Erblasserin in Abteilung III Nr. 2 eingetragenen Zwangssicherungshypothek sowie wegen der Kosten der Zwangsvollstreckung verurteilt. Auch sein Vorbringen im Prozesskostenhilfeantrag für die beabsichtigte Berufung führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung gemäß §§ 886 Abs. 1 ZPO, 1184 Abs. 1, 1147, 1118, 1922 BGB in Verbindung mit § 80 Abs. 1 InsO.

Ohne Erfolg wendet der Beklagte gegen diesen Anspruch ein, ihm stünde aufgrund der vor der Eintragung der Zwangssicherungshypothek bereits eingetragenen Vormerkung seiner Eltern ein Anspruch auf Zustimmung zur Löschung der Hypothek als relativ unwirksame Verfügung gemäß § 888 Abs. 1 BGB zu.

Grundsätzlich lagen die Voraussetzungen dieses Anspruchs zwar vor: Gemäß § 883 Abs. 2 S. 1 BGB ist eine Verfügung, die nach der Eintragung der Vormerkung über das Grundstück oder das Recht getroffen wird, insoweit unwirksam, als sie den Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würde. Gemäß S. 2 dieser Vorschrift gilt dies u.a. auch, wenn die Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt. Die Zwangssicherungshypothek ist 2005 durch Vollstreckung des titulierten Anspruchs der Erblasserin gegen den Beklagten und seine Ehefrau auf restliche Kaufpreiszahlung nach § 867 Abs. 1 ZPO eingetragen worden. Zu diesem Zeitpunkt war die neben dem Beklagten persönlich haftende Ehefrau Alleineigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks und die Vormerkung zugunsten der Eltern des Beklagten in der erweiterten Form bereits seit 1996 eingetragen. Ihr damit gesicherter Anspruch auf insoweit lastenfreie Rückübertragung war beeinträchtigt und somit die Eintragung der Zwangssicherungshypothek ihnen gegenüber, also relativ, unwirksam. Der Beklagte ist auch berechtigt, den Anspruch aus § 888 Abs. 1 BGB hier geltend zu machen. Auf die Frage der Vererblichkeit des vormerkungsgesicherten Anspruchs kommt es dabei nicht an. Die vormerkungsberechtigten Eltern des Beklagten haben den gesicherten Anspruch noch zu ihren Lebzeiten 2005 geltend gemacht, indem sie die Rückauflassung von der allein als Eigentümerin eingetragenen Ehefrau des Beklagten verlangt haben. Sie haben den Beklagten außerdem bevollmächtigt, die Löschung der Zwangssicherungshypothek herbeizuführen, also auch ihren Anspruch nach § 888 Abs. 1 BGB in ihrem Namen durchzusetzen. Dass diese Vollmacht mit dem Tod der Vormerkungsberechtigten erlöschen sollte, ist weder aus den vorgelegten Urkunden noch sonst ersichtlich. Der Vollzug des ausgeübten gesicherten Rechts kann im Übrigen auch vom Erben wegen § 1922 BGB geltend gemacht werden.

Der mit der Vormerkung gesicherte Anspruch auf Rückauflassung ist, wie das Landgericht zutreffend ausführt, nicht mit der notariellen Vereinbarung vom 3. November 2005 und der Eintragung der Eltern des Beklagten als Eigentümer erloschen. Erlöschen durch Erfüllung tritt erst ein, wenn vormerkungswidrige Zwischenrechte gelöscht sind (Jauernig/Berger, 18. Aufl. 2021, BGB § 886 Rn. 1; BGH, Urteil vom 15. Dezember 1972 – V ZR 76/71 – Rn. 16 a.E., juris). Vorliegend bestand zugunsten der Vormerkungsberechtigten auch aus vertraglicher Vereinbarung von 1993 (mit dem Beklagten) und 1995 (mit der Ehefrau des Beklagten) der Anspruch auf lastenfreien Rückerwerb des Grundstücks.

Der Anspruch auf Zustimmung zur Löschung der Zwangssicherungshypothek nach § 888 Abs. 1 BGB ist jedoch dauerhaft nicht durchsetzbar, weil die Klägerin wegen Verjährung des vormerkungsgesicherten Anspruchs die Zustimmung verweigern kann. § 888 Abs. 1 BGB begründet einen unselbständigen Hilfsanspruch, der allein der Verwirklichung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs dient (BGH, Urteil vom 2. Juli 2010 – V ZR 240/09 –, Rn. 10 m.w.N.). InAnalogie zu §§ 768, 1137, 1211 BGB kann die Klägerin als Schuldnerin eines Anspruchs aus § 888 Abs. 1 BGB grundsätzlich alle Einreden entgegensetzen, die dem Schuldner gegenüber dem gesicherten Anspruch zustehen, auch die Einrede der Verjährung (BGH, Urteil vom 14. Januar 2022 – V ZR 245/20 –, Rn. 14, juris; Staudinger/Kesseler (2020) BGB § 888, Rn. 63 m.w.N.). Wie im Fall der zitierten Entscheidung des BGH bedarf es auch hier keiner Klärung, ob die Klägerin die Einrede der Verjährung erheben kann, wenn der Schuldner des gesicherten Anspruchs darauf verzichtet hat. Zwar behauptet der Beklagte in seiner Begründung des PKH-Antrags für die beabsichtigte Berufung erstmals, die Ehefrau des Beklagten habe auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Doch selbst bei Annahme, dass dieser Vortrag schlüssig wäre, so ist er bereits aus prozessualen Gründen unbeachtlich. Gründe für die Zulassung dieses neuen Vortrags im Sinne des § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO sind vom Beklagten weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dabei bedarf es hier nicht einmal der Prüfung, ob die Einwendung gemäß § 598 ZPO als im Urkundenprozess unzulässig zurückzuweisen wäre.

Der gesicherte Anspruch auf lastenfreien Rückerwerb des Grundstücks ist verjährt. Die Verjährungsfrist richtet hier nach § 196 BGB und betrug 10 Jahre. Der Rückauflassungsanspruch ist auf die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück im Sinne dieser Vorschrift gerichtet. Es handelte sich um einen aufschiebend bedingten Anspruch (mit der Bedingung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück), der erst mit Eintritt der Bedingung und Ausübung des Rücktritts im Jahr 2005 entstanden ist, so dass jedenfalls die Verjährungsregelungen nach dem Wirksamwerden des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 Anwendung finden (vgl. Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB). Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die 30-jährige Verjährungsfrist gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 1b) BGB hier nicht einschlägig. Abgesehen davon, dass weder der Übertragung des Grundstücks auf den Beklagten aufgrund Vertrages von 1993 noch der vom Beklagten auf seine Ehefrau 1995 ein Kaufvertrag zugrunde lag, so dass bereits auf diese Rechtsverhältnisse das Gewährleistungsrecht nach §§ 434 ff. BGB nicht anwendbar ist, gilt dies erst recht für die schuldrechtliche Grundlage der Rückübertragung auf die Eltern des Beklagten. Aus der Vereinbarung, dass die Rückübertragung lastenfrei von vormerkungswidrigen Verfügungen erfolgen sollte, die – anders als der Beklagte meint – bereits in dem notariellen Vertrag von 1993 (mit dem Beklagten) auf Seite 7 (Bl. 79 GA) enthalten war, ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass damit dieses Rechtsgeschäft kaufvertraglichen Charakter haben sollte. Es fehlt an den Kaufvertrag prägenden Elementen, insbesondere an der Entgeltlichkeit in Form der Einigung auf einen Kaufpreis. Daran ändert auch der im notariellen Vertrag vom 3. November 2005 vereinbarte Gewährleistungsausschluss nichts. Gewährleistungsrechte gibt es nicht nur im Kaufvertrag, sondern auch im Miet- und Werkvertrag, ohne dass sich der Beklagte auf das Vorliegen eines der beiden letztgenannten Schuldverhältnisse beriefe, zumal die Urkunde im Übrigen lediglich Absprachen zum dinglichen Rechtsgeschäft der Rückauflassung enthält. Allein die Behauptung des Beklagten, dass die Parteien der Vereinbarung vom 3. November 2005 die Rückabwicklung „nach dem Regime des Kaufrechts abgewickelt“ haben wollten, verhilft dem Vertrag nicht zur Zuordnung zum Kaufrecht oder zur Anwendbarkeit des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts. Die von den Parteien gewählte Bezeichnung eines Vertrages bestimmt, selbst wenn sie mit „Kaufvertrag“ erfolgt wäre, nicht dessen rechtliche Einordnung. Diese richtet sich vielmehr nach dem Charakter der sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten. Diese waren, bezogen auf die Rückauflassung, wie bereits ausgeführt, nicht die eines Kaufvertrags.

Eine von der gesetzlichen Regelung des § 196 BGB abweichende Vereinbarung zur Verjährungsfrist der an der Vormerkung beteiligten Parteien, die im Rahmen des § 202 BGB möglich gewesen wäre, liegt nicht vor, so dass es bei der Frist des gesetzlich einschlägigen § 196 BGB bleibt.

Der Anspruch entstand mit Ausübung des Rücktritts durch die Eltern des Beklagten im Jahr 2005. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB begann die Verjährung des vormerkungsgesicherten Rückauflassungsanspruchs mit dem Schluss des Jahres und war mit Ablauf des 31. Dezember 2015 vollendet.

Gemäß § 1118 BGB haftet das Grundstück wegen der darauf lastenden Zwangssicherungshypothek auch für die Zinsen der gesicherten Forderung (Restkaufpreis) sowie für die Kosten der Rechtsverfolgung im Sicherungsfall, wegen der die Klägerin hier die Duldung der Zwangsvollstreckung neben dem für die Hypothek eingetragenen Geldbetrag geltend macht.