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Entscheidung 2 K 157/21


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 2. Kammer Entscheidungsdatum 05.10.2022
Aktenzeichen 2 K 157/21 ECLI ECLI:DE:VGFRANK:2022:1005.2K157.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen Art 3 Abs 1 GG, § 6 Abs 1 Nr 1 Halbs 2 SGB 5, § 21 Abs 2 SUrlV

Leitsatz

Der Familienzuschlag bleibt bei § 21 Abs. 2 SUrlV unberücksichtigt (Übertragung vom BSG, Urteil vom 29. Juli 2003 - B 12 KR 16/02 - R -).

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr, R..., S..., vom 17. Juni 2020 und des Widerspruchsbescheids des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr, R..., S..., vom 12. Januar 2021 verpflichtet, dem Kläger auf seinen Antrag vom 16. März 2020 Sonderurlaub für den 10. und 11. März 2020 gemäß § 21 Abs. 2 SUrlV zu gewähren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Beamter im Dienste der Beklagten. Nachdem ihm bereits im Jahr 2020 drei Tage Sonderurlaub gewährt worden waren, beantragte er unter dem 16. März 2020 gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 4 Sonderurlaubsverordnung (SUrlV) wegen der ärztlich bescheinigten Notwendigkeit der Betreuung seines erkrankten achtjährigen Kindes nochmals Sonderurlaub vom 9. bis 11. März 2020. Dem Kläger wurde Sonderurlaub lediglich für den 9. März 2020 gewährt. Der Sonderurlaub für den 10. und 11. März 2020 wurde mit Bescheid der Beklagten, vertreten durch das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr, R..., S... vom 17. Juni 2020 abgelehnt, weil dem Kläger mehr als vier Sonderurlaubstage gemäß § 21 Abs. 2 SUrlV nicht zustünden, da seine Dienstbezüge im Jahr 2020 die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 6 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) überschritten hätten. Der Kläger solle für beide Tage nachträglich einen Antrag auf Erholungsurlaub oder Zeitausgleich stellen.

Gegen den Bescheid vom 17. Juni 2020 erhob der Kläger mit Schreiben vom 24. Juni 2020 am 30. Juni 2020 Widerspruch mit der Begründung, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mit Urteil vom 29. Juli 2003 - B 12 KR 16/02 R -bei der Ermittlung seines regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts für das Jahr 2020 die familienbezogenen Bestandteile der Besoldung nicht berücksichtigt werden dürften. Ohne die familienbezogenen Bestandteile lägen seine Bezüge für das Jahr 2020 unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Beklagten, vertreten durch das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr, S..., vom 12. Januar 2021 zurückgewiesen. Die dem Kläger im Jahr 2020 gewährten Dienstbezüge in Höhe von 63.218,90 Euro lägen über der Jahresarbeitsentgeltgrenze für das Jahr 2020 in Höhe von 62.550 Euro. Die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlten Zuschläge seien im Rahmen des § 21 Abs. 2 SUrlV zu berücksichtigen.

Der Familienzuschlag gehöre gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) als Dienstbezüge zur Besoldung. Die vom Kläger angeführte Entscheidung des Bundessozialgerichts sei nicht zu § 21 Abs. 2 SUrlV ergangen. Der Kläger bestätigte den Empfang des Widerspruchsbescheids am 26. Januar 2021.

Der Kläger hat am 17. Februar 2021 Klage erhoben.

Er trägt vor, dass er 2020 Anspruch auf zusätzliche Sonderurlaubstage gemäß § 21 Abs. 2 SUrlV habe, da bei der Ermittlung seines regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts familienbezogenen Bestandteile nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. Juli 2003 - B 12 KR 16/02 R - nicht berücksichtigt werden dürften. Bei der Bewertung, welche Besoldungsbestandteile des § 1 Abs. 2 BBesG auf das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt angerechnet werden müssten, müsse § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V beachtet werden, nach dem Zahlungen, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt würden, unberücksichtigt gelassen würden. Würden die familienbezogenen Bestandteile der Besoldung bei der Ermittlung des Jahresarbeitsentgelts berücksichtigt, würden kinderreiche Beamtinnen und Beamte schlechter gestellt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr, R..., vom 17. Juni 2020 und des Widerspruchsbescheids des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr, R..., S..., vom 12. Januar 2021 zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 16. März 2020 Sonderurlaub für den 10. und 11. März 2020 gemäß § 21 Abs. 2 SUrlV zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und trägt vor, dass im Rahmen des § 21 Abs. 2 SUrlV Familienzuschläge beim Jahresentgelt nach § 6 Abs. 6 SGB V zu berücksichtigen seien. Denn gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BBesG gehörten diese zur Besoldung. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V gelte für die Gesetzliche Krankenversicherung und solle dort soziale Ungleichbehandlung vermeiden, gelte aber nicht für die Gewährung von Sonderurlaub. § 21 Abs. 2 SUrlV verweise auch nicht auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, sondern nur auf die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 6 SGB V.

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung kann gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung und gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch die Berichterstatterin an Stelle der Kammer ergehen, da diesbezüglich der Kläger sein Einverständnis mit Schriftsatz vom 8. März 2021 und die Beklagte ihr Einverständnis mit Schriftsatz vom 26. März 2021 erklärt haben.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig. Sie ist insbesondere nicht durch Zeitablauf in dem Sinne erledigt, dass die Gewährung von Sonderurlaub keinen Sinn mehr machen würde oder nicht mehr möglich wäre. Durch die nachträgliche Antragstellung auf Gewährung von Sonderurlaub und die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage ist der rechtliche Grund für die tatsächlich in Anspruch genommene Dienstbefreiung am 10. und 11. März 2020 noch offen.

Die Klage ist begründet. Der Bescheid vom 17. Juni 2020 und der Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2021 sind gemäß § 113 Abs. 1 Satz 5 VwGO rechtswidrig und aufzuheben und die Beklagte ist antragsgemäß zu verpflichten, weil der Kläger einen Anspruch auf die Gewährung von Sonderurlaub für den 10. und 11. März 2020 hat, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Zunächst sieht die Sonderurlaubsverordnung folgende Regelung vor: Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 4 SUrlV ist Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung bei ärztlich bescheinigter Erkrankung und bei ärztlicher Bescheinigung über die Notwendigkeit zur Pflege, Beaufsichtigung oder Betreuung eines Kindes der Beamtin oder des Beamten, das noch nicht zwölf Jahre alt ist, zu gewähren und zwar für jedes Kind bis zu vier Arbeitsstage im Urlaubsjahr. Diese vier Tage sind für den Kläger gewährt worden. Abgelehnt wurde der darüberhinausgehende Anspruch, da der Kläger die Einkommensgrenzen überschreite. Bis zu acht Arbeitstagen im Urlaubsjahr werden gemäß § 21 Abs. 2 SUrlV für jedes Kind bei Beamtinnen und Beamten gewährt, deren Dienstbezüge oder Anwärterbezüge nicht die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 6 SGB V überschreiten. Die acht Arbeitstage errechnen sich unter Aufrundung aus dem in § 21 Abs. 2 SUrlV enthaltenen Verweis auf 75 Prozent des in § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB V für gesetzlich versicherte - nicht alleinerziehende - Arbeitnehmer gewährten Anspruchs auf Krankengeld für die Beaufsichtigung, Betreuung und Pflege für jedes erkrankte Kind für längstens 10 Arbeitstage in jedem Kalenderjahr (§ 45 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz SGB V). § 21 Abs. 2 SUrlV verweist zudem auf die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 6 SGB V. Die nach den Vorgaben des § 6 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 SGB V zu ermittelnde Jahresarbeitsentgeltgrenze wird jedes Jahr durch Rechtsverordnung festgelegt (§ 6 Abs. 6 Satz 4 SGB V). Die Jahresarbeitsentgeltgrenze und die Gesamtregelung des § 6 SGB V bestimmen, wer von der Pflicht zur Mitgliedschaft in der Gesetzlichen Krankenversicherung frei ist. Versicherungsfrei sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt. Gemäß dem 2. Halbsatz des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bleiben bei der Ermittlung des Jahresarbeitsentgelts Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden, unberücksichtigt.

Diese Einschränkung, dass Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden, unberücksichtigt bleiben, findet sich nicht ausdrücklich in der Formulierung des § 21 Abs. 2 SUrlV, wenn es dort heißt, dass die Dienstbezüge nicht die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 6 SGB V überschreiten dürfen. Zu den Dienstbezügen gehört gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) auch der Familienzuschlag gemäß §§ 39 ff. BBesG i. V. m. Anlage V (z. B. bei Stufe 1 in Höhe von monatlich 149,36 Euro und bei Stufe 2 in Höhe von 277,03 Euro monatlich). Der Familienzuschlag richtet sich nach seiner Definition gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 BBesG nach den Familienverhältnissen des Beamten. Er ist ein Zuschlag, der mit Rücksicht auf den Familienstand des Beamten gezahlt wird, und damit ein Zuschlag im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2003 - B 12 KR 16/02 R -, juris, Rn. 21).

Zwar verweist § 21 Abs. 2 SUrlV nur auf die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 6 SGB V und nicht auch auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz SGB V muss jedoch aus Gründen der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) für die verfassungskonform einschränkende Auslegung des Begriffs der Dienstbezüge im Sinne des § 21 Abs. 2 SUrlV herangezogen werden. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der in § 21 Abs. 2 SUrlV getroffenen Regelung. Sie soll die Gleichbehandlung zwischen den beim Bund beschäftigten Beamten mit den beim Bund beschäftigten Angestellten sicherstellen.

Die sich nicht auf den ersten Blick erschließende Regelung des § 21 Abs. 2 SUrlV, die erstmals mit der Dritten Verordnung zur Änderung mutterschutz- und urlaubsrechtlicher Vorschriften vom 18. April 1997 (BGBl. I S. 810) in die Sonderurlaubsverordnung der Bundesregierung aufgenommen wurde, soll die Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten sowie die Richterinnen und Richter des Bundes mit den beim Bund beschäftigten gesetzlich versicherten Angestellten gleichstellen, die gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V Anspruch auf Krankengeld für die Beaufsichtigung, Betreuung und Pflege von erkrankten Kindern im erhöhten Umfang haben, und zwar - was hier allein einschlägig ist - bei einem Kind bis zu 10 Arbeitstagen (§ 45 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz SGB V).

Diese 10 Arbeitstage konnten vom Verordnungsgeber jedoch für Beamte nicht übernommen werden, weil sie dadurch gegenüber den Angestellten ohne sachlichen Differenzierungsgrund im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG bevorzugt würden. Denn das Krankengeld für Angestellte beträgt gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur 70 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts, wohingegen der Beamte während des Sonderurlaubs seine vollen Bezüge erhält. Um diesen Unterschied auszugleichen, wird der Anspruch des Beamten in § 21 Abs. 2 SUrlV auf 75 Prozent des in § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB V für gesetzlich versicherte Arbeitnehmer gewährten Anspruchs auf Krankengeld reduziert (vgl. zur Entsprechung in Rheinland-Pfalz: VG Neustadt an der Weinstaße, Urteil vom 12. September 2012 - 1 K 375/12.NW -, juris Rn. 38). Es ergeben sich somit aufgerundet 8 Tage.

§ 45 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz SGB V erhöht für gesetzlich Versicherte den Umfang des Anspruchs auf Krankengeld gegenüber dem Freistellungs- und Entgeltfortzahlungsanspruch des nicht gesetzlich Versicherten, d.h. demjenigen, der gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V von der Versicherungspflicht frei ist. Für nicht gesetzlich versicherte Angestellte besteht wegen schwerer Erkrankung eines Kindes, das das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 e) bb) Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Bund (TVöD Bund) ein Anspruch auf Freistellung unter Fortzahlung des Entgelts bis zu vier Arbeitstagen im Kalenderjahr. Dies entspricht der Grundregelung in § 21 Abs. 1 Nr. 4 SUrlV für Beamtinnen, Beamte, Richterinnen und Richter des Bundes.

Differenziert wird bei den Angestellten hinsichtlich der Gewährung des erhöhten Sonderurlaubsanspruchs an dem Merkmal, ob für sie die Pflicht zur Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht.

Die differenzierte Ausgestaltung des Anspruchs auf Sonderurlaub beruht auf der Erwägung, dass besser verdienende Arbeitnehmer, - dies gilt entsprechend für Be-amte -, deren Bruttodienstbezüge über der Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs. 6 SGB V liegen, grundsätzlich eher in der Lage sein werden, einen durch Erkrankung eines unter 12 Jahre alten Kindes ausgelösten Betreuungsbedarf etwa durch eine Tagesmutter, die Inanspruchnahme unbezahlten Urlaubs oder sonstige Vorkehrungen zu bewältigen, als solche Arbeitnehmer oder Beamte, deren Entgelt/Dienstbezüge unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegen (vgl. VG Neustadt an der Weinstaße, Urteil vom 12. September 2012 - 1 K 375/12.NW -, juris, Rn. 38).

Angestellte des Bundes sind gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich pflichtversichert. Dies gilt für diejenigen Angestellten nicht, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Absätzen 6 und 7 übersteigen; Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden, bleiben unberücksichtigt. Diese Angestellten sind versicherungsfrei. Sie können sich freiwillig gesetzlich oder privat versichern. Ob die Familienangehörigen des pflichtversicherten Angestellten in der gesetzlichen Krankenversicherung mitversichert sind, wird in § 10 SGB V geregelt. Gemäß § 10 Abs. 3 SGB V sind Kinder nicht versichert, wenn der mit den Kindern verwandte Ehegatte oder Lebenspartner des Mitglieds nicht Mitglied einer Krankenkasse ist und sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt und regelmäßig höher als das Gesamteinkommen des Mitglieds ist.

Bei der Berechnung des Jahresarbeitsentgelts in der Familienversicherung nach § 10 Abs. 3 SGB V bleiben die Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden, § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz SBG V, nach verfassungskonformer Auslegung unberücksichtigt (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2003 - B 12 KR 16/02 R -, juris, 1. Leitsatz). Nach besoldungsrechtlichen Vorschriften gewährte Familienzuschläge (§§ 39 ff. BBesG) gehören zwar zum einkommensteuerpflichtigen Gesamteinkommen im Sinne von § 16 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), bei der Prüfung der Ausschlussnorm des § 10 Abs. 3 SGB V sind sie jedoch außer Ansatz zu lassen (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2003 - B 12 KR 16/02 R -, juris, 2. Leitsatz).

Der Begriff der Jahresarbeitsentgeltgrenze soll einheitlich zur typisierenden Umschreibung sozialer Schutzbedürftigkeit zugrunde gelegt werden. Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz SBG V), sollen den durch den Familienstand bedingten erhöhten Aufwand kompensieren. Für die Beurteilung der allgemeinen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit betroffener Arbeitnehmer und hiervon ausgehend ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit scheiden diese Zuschläge aus.

Vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2003 - B 12 KR 16/02 R -, juris, Rn. 24.

Die beitragsfreie Versicherung von Kindern eines Mitglieds der gesetzlichen Krankenversicherung in der Familienversicherung ist eine aus dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG fließende Maßnahme des sozialen Ausgleichs zur Entlastung der Familien. Bei der Ausgestaltung dieser Maßnahme ist der Gesetzgeber an den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebunden, d.h. er darf nicht eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die Grenze der Ungleichbehandlung würde überschritten, wenn kinderreiche Familien wegen der Gewährung von Zuschlägen, die mit Rücksicht auf den Familienstand gewährt werden, im Recht der Familienversicherung benachteiligt würden. Denn die Familienzuschläge sollen gerade die besonderen finanziellen Belastungen ausgleichen, denen Familien mit mehreren Kindern in höherem Maße ausgesetzt sind als andere. Entfiele die Familienversicherung ausgerechnet aufgrund der Zahlung derartiger Zulagen, würde die an Art. 6 Abs. 1 GG ausgerichtete Zielsetzung des Gesetzgebers in ihr Gegenteil verkehrt. Kinderreiche wären dann nämlich eher ausgeschlossen als Familien ohne oder mit nur wenigen Kindern. Dies wäre mit Art. 6 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

Vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2003 - B 12 KR 16/02 R -, juris, Rn. 25.

Diese Erwägungen des Bundesozialgerichts im Urteil vom 29. Juli 2003 - B 12 KR 16/02 R -, auf die sich der Kläger berufen hat, sind auf die Abgrenzung in § 21 Abs. 2 SUrlV übertragbar und aus Gründen der Gleichbehandlung zu übertragen. Würde der Familienzuschlag bei den Dienstbezügen im Rahmen des § 21 Abs. 2 SUrlV berücksichtigt, so würden kinderreiche Familien wegen des für jedes weitere Kind gezahlten höheren Familienzuschlags weniger wahrscheinlich einen Anspruch auf erhöhten Sonderurlaub haben, - der im Übrigen bei mehreren Kindern begrenzt ist -, obwohl kinderreiche Familien sozial schutzbedürftiger sind. Dies wäre mit Art. 6 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Die Familienzuschläge sollen den durch den Familienstand bedingten erhöhten Aufwand kompensieren. Für die Beurteilung der allgemeinen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und hiervon ausgehend der sozialen Schutzbedürftigkeit scheiden diese Zuschläge bei Beamten ebenso wie bei Angestellten aus.

So wie die Reduzierung auf 75 Prozent des in § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB V für gesetzlich versicherte Arbeitnehmer gewährten Anspruchs auf Krankengeld auf der Erwägung beruht, dass der Beamte nicht gegenüber dem Angestellten hinsichtlich des gewährten Entgeltvorteils bevorzugt werden darf, darf der Beamte gegenüber dem Angestellten nicht beim Vergleich des Jahresarbeitsentgelts benachteiligt werden. Dies wäre aber der Fall, wenn beim Angestellten die Familienzuschläge bei der Ermittlung der mit der Jahresarbeitsentgeltgrenze zu vergleichenden Dienstbezüge berücksichtigt würden, beim Beamten jedoch nicht.

Daher ist der Begriff der Dienstbezüge in § 21 Abs. 2 SUrlV aus Gründen der Gleichbehandlung mit dem beim Bund beschäftigten Angestellten gemäß Art. 3 Abs. 1 GG einschränkend dahingehend auszulegen, dass § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz SGB V hineinzulesen ist und den Familienzuschlag aus den Dienstbezügen ausnimmt; der Familienzuschlag bleibt bei den Dienstbezügen nach § 1 Abs. 2 BBesG unberücksichtigt.

Da die Voraussetzungen des Sonderurlaubs im Übrigen unstreitig sind, ergibt sich somit der Anspruch des Klägers auf die Gewährung von Sonderurlaub für den 10. und 11. März 2020 aus § 21 Abs. 2 SUrlV i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz SGB V.

Die Kostentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung.

Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Streitwert wird entsprechend Nr. 10.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit für die Bewilligung von Urlaub auf den Auffangwert des § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz festgesetzt.