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Ordnungsgemäße Besetzung des Personalrats; Sitzung außerhalb der Arbeitszeit; Verhinderung; Freistellung; angemessene Berücksichtigung der Gruppen; vorrangige Freistellung von Vorstandsmitgliedern; stichhaltige Gründe für die Nichtberücksichtigung einer Gruppe


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 60. Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) Entscheidungsdatum 14.10.2022
Aktenzeichen OVG 60 PV 4/22 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2022:1014.OVG60PV4.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 28 Abs 1 Satz 2 PersVG Berlin, § 31 Abs 1 PersVG Berlin, § 42 Abs 2 Satz 2 PersVG Berlin, § 43 Abs 1 Satz 3 PersVG Berlin

Leitsatz

Ein Personalratsmitglied ist nicht schon dann verhindert, wenn die Sitzung des Personalrats außerhalb der eigenen Arbeitszeiten stattfindet.

Übersteigt die Zahl der Freistellungen die Zahl der im Personalrat vertretenen Gruppen, so sind an die Gründe für eine ausschließliche Berücksichtigung einer Gruppe bei der Freistellung besonders strenge Anforderungen zu stellen (wie OVG Berlin, Beschluss vom 15. November 1990 - OVG PV Bln 21.90 -).

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über Beschlüsse des Beteiligten zu 1 über die Abwahl der Antragstellerin aus der Freistellung und die Wahl eines anderen Personalratsmitglieds in die Freistellung.

Die im Juni 2021 gebildete Dienststelle ist für den zentralen Objektschutz und das Gefangenenwesen in fünf Polizeigewahrsamen sowie die Abschiebungshafteinrichtung für Gefährder zuständig. Aus der Wahl zum Personalrat im Jahr 2021 ging ein Personalrat mit 15 Mitgliedern hervor, davon 12 aus der Gruppe der Arbeitnehmer und drei aus Gruppe der Beamten. Der Vorstand bestand aus sieben Mitgliedern, davon sechs Arbeitnehmer und ein Beamter. Die Antragstellerin gehörte dem Vorstand nicht an. Der Personalrat stellte auf seiner konstituierenden Sitzung am 26, August 2021 drei dem Vorstand angehörende Tarifbeschäftigte, darunter den Vorsitzenden, und die Antragstellerin als Beamtin für die Personalratsarbeit frei.

Auf seiner Sitzung vom 9. September 2021 wählte der Personalrat die Antragstellerin mit acht Ja-Stimmen zu sieben Nein-Stimmen aus der Freistellung ab und wählte stattdessen in einer unmittelbar anschließenden Sondersitzung mit acht Ja-Stimmen und sieben ungültigen Stimmen Herrn D. als weiteres (viertes) Vorstandsmitglied aus der Gruppe der Arbeitnehmer in die Freistellung. An den Sitzungen nahm 15 Personen teil., wobei fünf Mitglieder durch Ersatzmitglieder vertreten wurden, unter anderem Frau S-T. durch Herrn G. Das beamtete Vorstandsmitglied wandte sich daraufhin unter dem 12. September 2021 an den Vorsitzenden des Personalrats und führte aus, die Gruppe der Beamten erachte die Abwahlentscheidung als erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen der Beamtenschaft und beantrage eine Aussetzung des Beschlusses.

Mit ihren am 21. September 2021 bei Gericht eingegangenem Antrag hat die Antragstellerin die Feststellung der Unwirksamkeit der Beschlüsse begehrt und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, dass das ihre Abwahl und die Freistellung eines anderen Personalratsmitglieds mangels eines sachlichen Grunds fehlerhaft seien und gegen § 43 Abs. 1 Satz 3 PersVG Berlin verstießen. Zudem sei das ordentliche Mitglied Frau S-T. nicht verhindert gewesen.

Sie hat beantragt,

festzustellen, dass die Beschlüsse des Personalrats

-zu 2.2 der Niederschrift Nr. 01 vom 9. September 2021 (Abwahl der Antragstellerin aus der Freistellung) und

-zu 2/1 der Niederschrift Nr. 01 vom 9. September 2021 – 01 Sondersitzung am 9. September 2021 - (Wahl von D. N. in die Freistellung)

unwirksam sind.

Der Beteiligte zu 1 hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er hat geltend gemacht, dass das ordentliche Mitglied Frau S-T. am 9. September 2021 regelfrei gehabt habe. Sie habe am 7. und 8. September 2022 zwei  12-Stunden-Tagesdienste gehabt und am 10. September 2021 einen Qualifizierungslehrgang angetreten. Der Vorsitzende des Personalrats sei deshalb zutreffend von ihrer Verhinderung ausgegangen. Eine angemessene Berücksichtigung der Gruppen bei der Freistellung nach § 43 Abs. 1 Satz 3 PersVG bedeute nicht, dass eine im Personalrat vertretene Gruppe in jedem Fall zu berücksichtigen sei. Nunmehr solle an Stelle der Antragstellerin ein (weiteres) Vorstandsmitglied freigestellt werden, was einen sachlichen Grund für die Abwahl darstelle. Ein weiterer sachlicher Grund sei, dass der ganz überwiegende Anteil der Personalratsarbeit im Bereich des Gefangenenwesens anfalle, weshalb nun alle Freigestellten aus diesem Bereich kommen sollten.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Der Beschluss über die Abwahl der Antragstellerin sei unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei. Hier sei ein Ersatzmitglied herangezogen worden, obgleich das ordentliche Mitglied nicht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen verhindert gewesen sei. § 28 Abs. 1 Satz 2 PersVG Berlin erfordere eine Feststellung der Verhinderung durch den Personalrat und begründe eine entsprechende Verpflichtung des Vorsitzenden. Frau S-T. sei am 9. September 2021 nicht verhindert gewesen, sondern habe regelfrei nach zwei Tagesschichten gehabt. Aus § 42 Abs. 2 Satz 2 PersVG Berlin ergebe sich, dass eine Verhinderung nicht schon dann vorliege, wenn die Sitzung außerhalb der eigenen Arbeitszeit stattfinde; vielmehr gelte es als Arbeitsleistung, wenn Mitglieder des Personalrats abweichend von § 31 Abs. 1 Satz 1 PersVG Berlin außerhalb ihrer Arbeitszeit an Sitzungen des Personalrats teilnähmen. Ob das gleichermaßen für Urlaub gelte, könne dahinstehen, weil Frau S-T. keinen Urlaub genommen habe. Ob der Beschluss aus anderen, inhaltlichen Gründen unwirksam sei, könne dahinstehen.

Der Beschluss über die Wahl von Herrn D. in die Freistellung sei ebenfalls wegen ordnungswidriger Besetzung des Gremiums bei der Beschlussfassung unwirksam. Außerdem sei der Beschluss aus inhaltlichen Gründen unwirksam, er verstoße gegen § 43 Abs. 1 Satz 3 PersVG Berlin, wonach bei der Freistellung die Gruppen angemessen zu berücksichtigen seien. Unter den hier gegebenen Umständen, dass über vier Freistellungen bei zwei im Personalrat vertretenen Gruppen zu entscheiden sei, könne in der ausschließlichen Freistellung von Angehörigen einer Gruppe (Tarifbeschäftigte) keine angemessene Berücksichtigung der anderen Gruppe (Beamte) gesehen werden. Zwar sei in Teilen der Literatur anerkannt, dass unter Berücksichtigung der besonderen Probleme und der besonderen Aufgaben innerhalb des Personalrates von dem Verhältnis der in dem Personalrat vertretenen Gruppen zueinander bei der Verteilung der freizustellenden Personalratsmitglieder abgewichen werden könne selbst mit dem Ergebnis, dass eine Gruppe bei der Freistellung von Personalratsmitgliedern nicht berücksichtigt werde. Dem könne jedoch nicht gefolgt werden. Im Personalvertretungsrecht sei das Gruppenprinzip anerkannt. Die Arbeitnehmer und die Beamten bildeten je eine Gruppe (§ 3 Abs. 2). Im Grundsatz müssten die Gruppen entsprechend ihrer Stärke im Personalrat vertreten sein (§ 15 Abs. 1 Satz 1) und wählten die Angehörigen der Gruppen ihre Vertreter (§ 16 Abs. 2 Satz 1). Dem Vorstand müsse regelmäßig mindestens ein Mitglied jeder im Personalrat vertretenen Gruppe angehören (§ 29 Abs. 1 Satz 2). Die Gruppen seien auch bei der Stellvertretung des Vorsitzenden zu berücksichtigen (§ 29 Abs. 2 Satz 3). In Gruppenangelegenheiten müsse gegebenenfalls ein Gruppenmitglied neben dem Vorsitzenden den Personalrat nach außen vertreten (§ 29 Abs. 3 Satz 2). Gruppenangelegenheiten würden auch nur von den Vertretern dieser Gruppe im Personalrat beschlossen (§ 33 Abs. 2 Satz 1). Die Mehrheit der Vertreter einer Gruppe könne die Aussetzung von Beschlüssen verlangen, die wichtige Interessen der von ihnen vertretenen Dienstkräfte erheblich beeinträchtigen (§ 34 Abs. 1 Satz 1). Eingedenk dessen sei es zweifelhaft, die Nichtberücksichtigung einer Gruppe noch für angemessen zu erklären. Gerade § 29 Abs. 2 Satz 3 PersVG zeige, dass der Gesetzgeber alle Gruppen einbinden und die Dominanz einer Gruppe vermeiden wolle. Wenn nur ein Personalratsmitglied freigestellt werden könne könnten nicht beide Gruppen für sich eine volle Freistellung erlangen. Je mehr Freistellungen aber § 43 Abs. 1 Satz 1 PersVG Berlin erlaube, desto mehr Varianten der Aufteilung zwischen den Gruppen seien denkbar und desto leichter sei es, trotz besonderer örtlicher Verhältnisse jede Gruppe zu berücksichtigen. Die Freistellungsregelung des § 43 Abs. 1 Satz 3 PersVG sei im Übrigen auch Ausdruck eines Minderheitenschutzes mit der Folge, dass selbst eine im Verhältnis zu den anderen Gruppen besonders kleine Gruppe nicht ohne besondere Gründe bei der Freistellung übergangen werden dürfe. Sei die Zahl der Freistellungen nach § 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 PersVG Berlin sogar größer als die Zahl der im Personalrat vertretenen Gruppen und könnten deshalb ohne Vernachlässigung einer anderen Gruppe doppelt so viele Vorstandsmitglieder der stärksten Gruppe freigestellt werden wie Mitglieder der anderen Gruppen, so seien an die Gründe, aus denen die stärkste Gruppe zu Lasten einer dann leer ausgehenden Gruppe eine weitere Freistellung erhalten soll, besonders strenge Anforderungen zu stellen. Solche Gründe seien hier nicht ersichtlich. Sie ergäben sich weder aus dem Protokoll der Sitzung vom 9. September 2021 noch den Erklärungen des Personalrats im Beschwerdeverfahren. Dass freizustellen sei, wer dem Vorstand des Personalrats angehöre, erkläre das Übergehen der Beamten nicht, weil dem Vorstand auch ein Beamter angehöre. Der weitere Grund, dass nun alle Freigestellten aus dem Bereich Gefangenenwesen kämen, auf den der ganz überwiegende Anteil der Personalratsarbeit entfalle, sei unsachlich. Der Personalrat habe zum Wohle aller Dienstkräfte zu arbeiten. Die Konzentration aller freigestellten Kräfte nur auf einen Teil der Dienstkräfte werde dem nicht gerecht, zumal sich ohne weitere Maßnahmen denken ließen, die zwar Dienstkräfte eines Bereichs betreffen, ohne dass es für die sachgerechte Ausübung des Mitbestimmungsrechts darauf ankomme, aus diesem Bereich zu kommen. Bezeichnenderweise unterscheide das Gesetz nur Gruppenangelegenheiten und gemeinsame Angelegenheiten, nicht aber Angelegenheiten aus Tätigkeitsbereichen der Dienststelle. Es erwartet auch, dass alle Personalratsmitglieder gemeinsam beraten und nicht nur die, die mit dem betroffenen Tätigkeitsbereich vertraut sind. Dieser Verstoß gegen § 43 Abs. 1 Satz 3 PersVG Berlin sei nach den Umständen offenkundig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1. Er macht geltend, dass das ordentliche Personalratsmitglied verhindert gewesen sei wegen der beiden Zwölf-Stunden-Tagesdienste zuvor und dem Antritt einer Fortbildung am Folgetag. Eine Teilnahme sei unzumutbar gewesen. In der Sache verstießen die Beschlüsse nicht gegen § 43 Abs. 1 Satz 3 PersVG Berlin, sondern seien von sachlichen Gründen getragen, nämlich dem Umstand, dass vorrangig Vorstandsmitglieder freigestellt werden sollten, wobei der einzige Beamte im Vorstand eine solche Freistellung nicht gewünscht habe, sowie dem Arbeitsschwerpunkt des Personalrats, der im Bereich des Gefangenenwesens liege.

Der Beteiligte zu 1 beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin abzuändern und die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und weist darauf hin, dass das Gruppenprinzip nicht hinter einer beabsichtigten Freistellung von Vorstandsmitgliedern zurücktrete. Es bestehe kein Zwang zur Freistellung nur von Vorstandsmitgliedern. Das beamtete Mitglied des Vorstands habe auf der konstituierenden Sitzung auf eine eigene Freistellung verzichtet und in Absprache mit der Gruppe die Antragstellerin als Freizustellende für die Beamtengruppe benannt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Wahlunterlagen verwiesen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Beschlüsse des Beteiligten zu 1 über die Abwahl der Antragstellerin aus der Freistellung und die Wahl eines weiteren Personalratsmitglieds aus der Gruppe der Arbeitnehmer unwirksam sind. Zur Begründung kann zunächst auf die vom Senat als zutreffend erachteten und vorstehend wiedergegebenen Gründe der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen. Ergänzend ist, auch mit Blick auf den Vortrag der Beteiligten im Beschwerdeverfahren, noch Folgendes auszuführen:

1. Der Personalrat war bei der Beschlussfassung am 9. September 2021 nicht ordnungsgemäß besetzt, weil das ordentliche Mitglied Frau S-T. nicht im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 2 PersVG Berlin verhindert war, sondern lediglich dienstfrei („regelfrei“) hatte. Der Fall ist nicht anders zu werten als die Situation eines Personalratsmitglieds, das - zum Beispiel - vormittags zum Dienst eingeteilt ist und nachmittags an einer Personalratssitzung teilnimmt bzw. teilnehmen muss. § 42 Abs. 2 Satz 2 PersVG Berlin zeigt, dass eine Teilnahme abweichend von § 31 Abs. 1 PersVG Berlin auch außerhalb der (individuellen) Arbeitszeit in Betracht kommt. Soweit es den „regelfreien“ Tag nach mehreren Tagschichtdiensten betrifft, hat der Vorsitzende des Personalrats im Anhörungstermin vor dem Senat selbst ausgeführt, dass normalerweise auch diejenigen Kolleginnen und Kollegen an den Personalratssitzungen teilnehmen, die an diesem Tag regelfrei haben. Von dieser zutreffenden Handhabung abzuweichen war hier nicht deshalb veranlasst, weil das ordentliche Personalratsmitglied am Folgetag einen längeren Qualifizierungslehrgang angetreten hat. Daraus ergab sich keine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Teilnahme am Vormittag des 9. September 2021, zumal auf den ersten Fortbildungstag am 10. September 2021, einen Freitag, für das betreffende Personalratsmitglied ein normales freies Wochenende folgte.

2. Der Senat teilt ferner die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass eine Verteilung der Freistellung auf die Gruppen, bei der alle vier Freistellungen einer Gruppe zugesprochen werden, nach den Umständen des Falls ein offenkundiger Verstoß gegen das gesetzliche Gebot des § 43 Abs. 1 Satz 3 PersVG Berlin bedeutet, bei der Freistellung die Gruppen angemessen zu berücksichtigen.

Richtig ist zwar, dass auch im Lichte der landesgesetzlichen Vorgabe, die Gruppen bei der Freistellung angemessen zu berücksichtigen, in erster Linie Vorstandsmitglieder zur Freistellung vorzuschlagen sind. Ein zur Freistellung bereites Vorstandsmitglied kann nur dann bei der Freistellung übergangen werden, wenn stichhaltige Gründe dafür gegeben sind (BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 1977 - VII P 21.75 - juris).

Diese Gründe können sich aus dem mit § 43 Abs. 1 Satz 3 PersVG Berlin auch bezweckten Minderheitenschutz ergeben. Es ist in der zu § 43 Abs. 1 Satz 3 PersVG Berlin ergangenen Rechtsprechung geklärt, dass die Freistellungsregelung des § 43 Abs. 1 Satz 3 PersVG Berlin auch Ausdruck eines Minderheitenschutzes mit der Folge ist, dass selbst eine im Verhältnis zu den anderen Gruppen besonders kleine Gruppe nicht ohne besondere Gründe bei der Freistellung übergangen werden darf, es sei denn, dass sachliche und stichhaltige Erwägungen das Übergehen einer Gruppe rechtfertigen. Ist die Zahl der Freistellungen nach § 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 PersVG Berlin sogar größer als die Zahl der im Personalrat vertretenen Gruppen und können deshalb ohne Vernachlässigung einer anderen Gruppe doppelt so viele Vorstandsmitglieder der stärksten Gruppe freigestellt werden wie Mitglieder der anderen Gruppen, so sind an die Gründe, aus denen die stärkste Gruppe zu Lasten einer dann leer ausgehenden Gruppe eine weitere Freistellung erhalten soll, besonders strenge Anforderungen zu stellen (OVG Berlin, Beschluss 15. November 1990 - PV Bln 21.90 - Beschlussabdruck S. 6; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 19. August 1991 – 6 PB 5/91 – juris).

Glaubt der Personalrat, derartige Gründe zu haben, dann müssen sie vor der Beschlussfassung allen Mitgliedern des Personalrats erläutert und mit ihnen erörtert werden. Bei der Auswahlentscheidung muss erkenntlich sein, dass stichhaltige Gründe den Ausschlag gegeben haben. Sie müssen genannt und über sie muss nachweislich abgestimmt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 1977 a.a.O. Rn. 36).

Den dargestellten Vorgaben entsprechen die angegriffenen Beschlüsse weder in formaler noch in inhaltlicher Hinsicht.

a) Dass die maßgeblichen Gründe für die Abberufung der Antragstellerin und die Wahl eines anderen Personalratsmitglieds in die Freistellung vor der jeweiligen Beschlussfassung dargestellt und erörtert worden sind, ist nicht ersichtlich. Das Protokoll der regulären Sitzung enthält hinsichtlich der Abwahl der Antragstellerin lediglich die Angabe „Beratung und Beschluss“; das Protokoll über die anschließende Sondersitzung enthält zur Wahl des anderen Personalratsmitglieds in die Freistellung nicht einmal diese Angabe, sondern lediglich die Mitteilung des Ergebnisses der Wahl. Die Antragstellerin hat bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass die Abwahlgründe am 9. September 2021 nicht erläutert worden sind. Der Beteiligte zu 1 ist dem im Verfahren nicht entgegengetreten, sondern hat Gründe für die Wahlentscheidungen nachgetragen. Dass Gründe für die Abwahl und die Neuwahl in den maßgeblichen Sitzungen erörtert worden sind, ergibt sich somit nicht.

b) Die Beschlüsse verstoßen zudem in der Sache gegen § 43 Abs. 1 Satz 3 PersVG Berlin. Der Senat versteht dabei die Abwahl der Antragstellerin und die Nachwahl eines anderen Personalratsmitglieds als einen einheitlich an der Vorgabe des § 43 Abs. 1 Satz 3 PersVG Berlin zu messenden Vorgang. Wegen des unmittelbaren inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhangs kann die Abwahl der Antragstellerin nicht losgelöst von der Nachwahl eines anderen Personalratsmitglieds betrachtet werden. Die Abwahl erfolgte ersichtlich, um die anderweitige Nachwahl zu ermöglichen. Der mit letzterem herbeigeführte Verstoß gegen § 43 Abs. 1 Satz 3 PersVG Berlin erfasst deshalb auch die Abwahl der Antragstellerin.

Den strengen Anforderungen, die an die Gründe für eine Verteilung der Freistellung auf die Gruppen zu stellen sind, bei der eine Gruppe nicht bedacht wird, obwohl mehr Freistellungen zu vergeben als Gruppen im Personalrat vertreten sind (s.o.), genügen die nachträglich vorgebrachten Erwägungen des Beteiligten zu 1 nicht. Zwar gilt auch im Personalvertretungsrecht des Landes Berlin der (hier ungeschriebene) Grundsatz, dass vorrangig Vorstandsmitglieder freizustellen sind (s.o.). Allerdings hatte sich die Gruppe der Beamten bei der konstituierenden Sitzung am 26. August 2022 darauf verständigt, nicht den stellvertretenden Vorsitzenden Herrn Sch. als einzigen Angehörigen der Gruppe der Beamten im Vorstand für die Freistellung vorzuschlagen, sondern die dazu bereite Antragstellerin. Demgemäß ist die Antragstellerin in die Freistellung gewählt worden. Es tritt deshalb zwar zu, dass das einzige Mitglied der Gruppe der Beamten im Vorstand auf eine Freistellung verzichtet hat, allerdings nicht auf eine Freistellung eines Beamten überhaupt, sondern in der Erwartung, dass die Antragstellerin in die Freistellung gewählt wird. Das kommt auch in dem Schreiben des Herrn Sch. vom  12. September 2021 an den Personalratsvorsitzenden deutlich zum Ausdruck. Diesen Wunsch der Gruppe der Beamten hat der Personalrat aufgegriffen und auf der konstituierenden Sitzung die Antragstellerin als Beamtenvertreterin in die Freistellung gewählt. Die Entscheidung nur wenige Tage später und ohne eine Änderung der Umstände rückgängig zu machen, missachtet nach Lage des Falles die Interessen der Gruppe der Beamten im Personalrat. Soweit der Beteiligte zu 1 im Verfahren außerdem die Arbeitsschwerpunkte des Personalrats für die getroffenen Freistellungen angeführt hat, ist mit dem Verwaltungsgericht darauf hinzuweisen, dass mit einer solchen Begründung die gesetzgeberische Vorgabe einer angemessenen Berücksichtigung der Gruppen bei der Freistellung nicht mit dem Ergebnis unterlaufen werden darf, dass bei vier Freistellungen eine von zwei Gruppen unberücksichtigt bleibt.

Der Verstoß gegen § 43 Abs. 1 Satz 3 PersVG Berlin bedeutet mit Blick auf das als eine Grundregel das Personalvertretungsrecht durchwirkende Gruppenprinzip und den in § 43 Abs. 1 Satz 3 PersVG Berlin angelegten Minderheitenschutz einen schwerwiegenden Fehler, der zudem bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Offensichtlich ist eine schwere Fehlerhaftigkeit einer Entscheidung, wenn sie für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne Weiteres ersichtlich ist (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 13. Oktober 1986 - BVerwG 6 P 14.84 - BVerwGE 75, 62 <65>; BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2015 – BVerwG 5 P 11/14 - juris Rn. 23). Für einen mit der Personalratstätigkeit und der Verpflichtung zur angemessenen Berücksichtigung der im Personalrat vertretenen Gruppen grundsätzlich vertrauten verständigen Betrachter ist ohne Weiteres ersichtlich, dass eine Verteilung von vier Freistellungen ausschließlich auf eine von zwei im Personalrat vertretenen Gruppen nach den Umständen fehlerhaft ist.

Die Rechtsbeschwerde ist mangels Zulassungsgrundes nicht zu eröffnen.