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Verbraucherinformationsgesetz - Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben der Behörde - Rechtsmissbrauch - Kampagne "Topf Secret" - Vielzahl von Einzelanträgen


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 12. Senat Entscheidungsdatum 22.11.2022
Aktenzeichen OVG 12 N 270/21 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2022:1122.OVG12N270.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 4 Abs 3 Nr 4 VIG

Leitsatz

Zur Reichweite des Ausschlussgrundes gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 4 VIG bei einer Vielzahl von Einzelanträgen infolge einer hierfür auf einer Online-Plattform bereitgestellten Antragstellungsmöglichkeit.

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. November 2021 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Beklagte.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die vom Beklagten angeführten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

I. Die erhobene Grundsatzrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Insoweit genügt das Zulassungsvorbringen bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.

Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist es erforderlich, dass eine bisher weder höchstrichterlich noch obergerichtlich beantwortete konkrete und zugleich entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen und erläutert wird, warum sie im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung der fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf.

Die vom Beklagten als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfene Frage,

„ob die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung im Rahmen der politischen Kampagne ‚„topf-secret“‘ erhalten bleibt oder nicht“ (S. 1 der Zulassungsschrift),

hängt von einer Vielzahl (sich stets ändernder) einzelner Faktoren ab und ist daher einer fallübergreifenden Beantwortung nicht zugänglich.

Der Sache nach dürfte der Beklagte eine Klärung der Frage erstreben, ob der Ausschlussgrund des § 4 Abs. 3 Nr. 4 VIG, wonach der Informationsantrag abgelehnt werden soll, soweit durch die Bearbeitung des Antrags die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt würde, auch dann erfüllt ist, wenn zwar nicht der einzelne konkrete Informationsantrag zu einer solchen Beeinträchtigung führt, wohl aber die Vielzahl im Rahmen einer „Kampagne“ gestellter Anträge (vgl. seinen Schriftsatz vom 3. Februar 2022, S. 2).

Abgesehen davon, dass der Beklagte diese Frage nicht ausdrücklich aufgeworfen hat, wäre sie aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen zu verneinen, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte (hierzu sogleich zu II.). Von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende Literatur oder Rechtsprechung, die dieses Ergebnis in Frage stellen könnte, benennt der Beklagte mit seinem Zulassungsantrag nicht. Zu Unrecht beruft er sich insoweit auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 2. September 2015 (10 LB 33/13), das gerade einen sog. „Globalantrag“ eines einzelnen Antragstellers zum Gegenstand hatte.

II. Unter Zugrundelegung des nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO maßgeblichen Zulassungsvorbringens bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Beklagte hat mit seinem Vorbringen einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Urteils nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Der Senat macht sich insoweit die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu eigen und nimmt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO hierauf Bezug.

Die vom Beklagten dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch:

Seine Annahme, die Aufzählung der Ausschlussgründe in der Gesetzesbegründung „zu § 4 der VIG-Novelle (sei) nicht abschließend“ und schließe „ausdrücklich politische Kampagnen (…) nicht aus“ (S. 2 der Zulassungsschrift), geht daran vorbei, dass die Begründung eines Gesetzentwurfs sich naturgemäß zu der jeweils vorgeschlagenen konkreten Norm verhält, die (mit dem Gesetzentwurf übereinstimmende) Regelung des § 4 Abs. 3 Nr. 4 VIG jedoch allein „die Bearbeitung des Antrags“ zum Gegenstand hat, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend betont hat, nicht aber die Bearbeitung einer Vielzahl unterschiedlicher Anträge unterschiedlicher Antragsteller zu unterschiedlichen Kontrollergebnissen. Auch die Gesetzesbegründung nimmt daher ausschließlich „die Bearbeitung einzelner äußerst umfangreicher so genannter Global- oder Ausforschungsanträge“ in den Blick und weist ferner auf die weitere Beschränkung des Ausschlussgrundes in Gestalt der Formulierung „soweit“ hin, durch die zum Ausdruck gebracht werde, dass „dem Informationsbegehren im Einzelfall soweit wie möglich entsprochen werden soll“ (BT-Drs. 17/7374 S. 17). Weder der Wortlaut des § 4 Abs. 3 Nr. 4 VIG noch seine Genese geben mithin Anlass zu der Annahme, der Gesetzgeber habe hiermit auch für Konstellationen wie die hier fragliche einen Ausschlussgrund treffen wollen.

Die vom Beklagten vertretene Gleichsetzung der über die Plattform „TopfSecret“ eingereichten Einzelanträge unterschiedlicher Antragsteller zu unterschiedlichen Kontrollergebnissen mit sog. „Global- oder Testanträgen“ einzelner Antragsteller ist nicht gerechtfertigt. Der Umstand, dass sich Antragsteller – wohlgemerkt: gegebenenfalls – erst auf Anregung einer Organisation, die sich der Veröffentlichung von Verbraucherinformationen verschrieben hat, an die Behörde gewandt und hierbei ein von der Organisation bereit gestelltes elektronisches Formular benutzt haben, ändert nichts daran, dass es sich hierbei um zulässige und jeweils keinen unzumutbaren Verwaltungsaufwand auslösende Informationsersuchen handelt. Selbst wenn die Freischaltung der Plattform „TopfSecret“ und die Aufforderung durch foodwatch, sie umfangreich zu nutzen, zu einem erheblichen Anstieg der Antragszahlen geführt haben sollte, verhielte sich dies inmitten des Zwecks des VIG (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 – 7 C 29.17 – BVerwGE 166, 233 Rn. 22). Dass es den Antragstellern hierbei tatsächlich nicht (auch) um die begehrten Informationen ging, sondern sie mit ihren Anträgen ausschließlich (vgl. zu diesem Erfordernis im Rahmen des IFG: BVerwG, Urteile vom 24. November 2020 – u. a. 10 C 12/19 – BVerwGE 170, 338 Rn. 14) andere, im Rahmen des VIG zu missbilligende Zwecke verfolgt haben, lässt sich nicht feststellen (vgl. hierzu die Pressemitteilung von foodwatch vom 14. Januar 2019 [abrrufbar unter https://www.foodwatch.org/de/aktuelle-nachrichten/2019/neue-plattform-topf-secret-jetzt-hygienekontrollen-abfragen], worin ausdrücklich das Ziel der Kampagne betont wird, möglichst viele Informationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, wäre eine solche missbräuchliche Inanspruchnahme der Behörde dem Ausschlussgrund des § 4 Abs. 4 VIG zuzuordnen. Der Beklagte beruft sich jedoch ausdrücklich nicht auf den Ausschlussgrund einer missbräuchlichen Antragstellung im Sinne dieser Regelung.

Er legt im Übrigen nicht ansatzweise dar, wie er der in § 4 Abs. 3 Nr. 4 VIG vorgesehenen Beschränkung des Ausschlussgrundes durch die „soweit“-Maßgabe Rechnung zu tragen gedenkt. Sein Vorgehen führt jedenfalls dazu, dass eine bestimmte Anzahl von Einzelanträgen nicht lediglich teilweise, sondern, wie der hiesige, insgesamt abgelehnt werden sollen, wobei er eine Festlegung, ab welcher Anzahl von Anträgen eine solche Ablehnung gerechtfertigt sein soll, nicht trifft.

Soweit der Beklagte meint, er komme der Bearbeitung „soweit wie möglich“ bereits „freiwillig“ nach, indem die begehrten Informationen innerhalb des Pankower Smiley-Systems abgerufen werden könnten, während ihm mehr nicht möglich sei (Schriftsatz vom 3. Februar 2022, S. 7), verkennt er grundlegend, dass § 2 Abs. 1 VIG dem Antragsteller des Informationsantrags einen (durchsetzbaren) Anspruch vermittelt, dem der Beklagte eine erfolgte Zugänglichmachung von Informationen im Rahmen des Smiley-Systems nur in den Grenzen des § 4 Abs. 5 VIG entgegenhalten kann, während er selbstredend für die Bearbeitung darüber hinausgehender Informationsbegehren Personal vorzuhalten hat.

Im Übrigen beurteilt sich die Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Informationsantrags nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz (vgl. OVG Lüneburg, a. a. O. Rn. 43). Im Hinblick auf die Wiedereinführung des Smiley-Systems wurde die Plattform „TopfSecret“ inzwischen für den Bezirk Pankow abgeschaltet, so dass den Beklagten nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Klägers „kaum noch Anfragen“ über das Portal erreichen (Schriftsatz des Klägers vom 13. Januar 2022, S. 5). Der Beklagte hält dem entgegen, der Kläger sei seinerzeit „Kampagnenführer“ bei foodwatch gewesen, die Plattform könne jederzeit wieder aktiviert werden (Schriftsatz des Beklagten vom 3. Februar 2022, S. 6). Abgesehen davon, dass kein Grund für eine solche Aktivierung erkennbar ist, solange der Beklagte in Pankow das Smiley-System weiterbetreibt, kommt es weder darauf an, ob der Kläger seinerzeit für den Start der Kampagne verantwortlich zeichnete, noch ob in nicht absehbarer Zukunft eine Aktivierung der Kampagne möglich ist. Warum auch nunmehr eine Abarbeitung der seinerzeit gehäuft eingegangenen Anträge nicht möglich und zumutbar sein sollte, zeigt der Beklagte mit seinem Zulassungsvorbringen nicht auf. Wenn er meint, auch bei einer sukzessiven Bearbeitung der Anträge sei der Arbeitsaufwand letztlich mit demselben Ergebnis zu summieren, verkennt er erneut, dass die Bearbeitung von auf das VIG gestützten Informationsbegehren zu seinen gesetzlichen Aufgaben gehört und er auch hierfür personelle Ressourcen einzusetzen hat.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).