Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat | Entscheidungsdatum | 29.11.2022 | |
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Aktenzeichen | OVG 2 S 10/22 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2022:1129.OVG2S10.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 47 Abs 6 VwGO, § 2c REgPlBrKohlSanPlG BB, § 14 Abs 1 BauGB |
Die Satzung der Antragsgegnerin über die Veränderungssperre für den Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. 6..., bekannt gemacht im Amtsblatt für das A...Nr. 12 vom 16. Dezember 2021 und im Amtsblatt für das A...Nr. 2 vom 17. Februar 2022 wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zu einer Entscheidung über den Normenkontrollantrag der Antragstellerin zum Aktenzeichen OVG 2 A 2/22 außer Vollzug gesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Streitwert wird auf 10.000,00 festgesetzt.
Der Antrag, mit dem die Antragstellerin die vorläufige Außervollzugsetzung der am 29. November 2021 beschlossenen Satzung über die im Tenor bezeichnete Veränderungssperre begehrt, hat Erfolg.
1. Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 6 VwGO statthaft und auch sonst zulässig.
a) Die Antragstellerin ist in dem in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollverfahren antragsbefugt (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Eine Verletzung eigener Rechte der Antragstellerin ist möglich, weil sie einen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrag für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage auf einem innerhalb des Geltungsbereichs der Veränderungssperre gelegenen Grundstück (Gemarkung B..., Flur 1..., Flurstück 5...) gestellt hat, mit dessen Ablehnung aufgrund der Veränderungssperre zu rechnen ist (vgl. Anhörungsschreiben des Landesamtes für Umwelt vom 17. Juni 2022 zur beabsichtigten Ablehnung des Genehmigungsantrags). Die Antragstellerin verfügt auch über die erforderlichen zivilrechtlichen Voraussetzungen für die vorgesehene Nutzung des Grundstücks, da sie einen Nutzungsvertrag mit dem Grundstückseigentümer geschlossen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2004 - 4 CN 13/03 - juris Rn. 10; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 2. Juli 2015 - OVG 2 A 6.15 - juris Rn. 16 f.).
b) Der Antragstellerin fehlt nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, das für einen antragsbefugten Antragsteller nur zu verneinen ist, wenn die begehrte Entscheidung offensichtlich nicht geeignet ist, seine Rechtsstellung zu verbessern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. September 2015 - 4 BN 25/15 - juris Rn. 6; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Juni 2016 - OVG 2 S 3.16 - juris Rn. 5). Die vorläufige Außervollzugsetzung der Satzung würde die Rechtsstellung der Antragstellerin verbessern, weil die Veränderungssperre der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungserteilung dann nicht mehr entgegenstünde (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). Die Beseitigung dieses der Verwirklichung des Windkraftprojekts entgegenstehenden Hindernisses wäre für die Antragstellerin auch nicht deshalb offensichtlich nutzlos, weil die Erteilung der Genehmigung aus anderen Gründen von vornherein oder zumindest auf absehbare Zeit ausscheiden würde.
aa) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin entfällt das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin insbesondere nicht wegen der Genehmigungssperre nach § 2c Abs. 1 Satz 3 RegBkPlG (sog. „Windkraft-Moratorium“). Nach dieser Vorschrift sind raumbedeutsame Windenergieanlagen im Geltungsbereich unwirksamer Regionalpläne für einen Zeitraum von zwei Jahren nicht genehmigungsfähig, um die in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung zu sichern. Der Zeitraum endet hier frühestens mit Ablauf des 27. Juli 2023 (vgl. § 2c Abs. 1 Satz 3, Satz 4 RegBkPlG).
Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist zwar gemäß § 2c Abs. 1 Satz 1 RegBkPlG eröffnet, weil der Regionalplan U..., Sachlicher Teilplan „Windnutzung, Rohstoffsicherung und -gewinnung“ vom 11. April 2016 mit rechtskräftigen Urteilen des OVG Berlin-Brandenburg vom 2. März 2021 (OVG 10 A 17.17 u. a., bei juris) für unwirksam erklärt worden ist und die zuständige Regionale Planungsgemeinschaft ein Verfahren zur Neuaufstellung eingeleitet hat, das gemäß § 2c Abs. 1 Satz 2, Satz 3 RegBkPlG im Amtsblatt für Brandenburg vom 28. Juli 2021, S. 629 ff., unter Hinweis auf die Genehmigungssperre ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist. Allerdings besteht nach § 2c Abs. 2 RegBkPlG die Möglichkeit der Zulassung einer Ausnahme vom Moratorium, auf die sich auch die Antragstellerin grundsätzlich berufen kann. Im Rahmen der Zulässigkeit bedarf es indes noch keiner Prüfung, ob eine solche Ausnahme im konkreten Einzelfall gewährt werden kann oder sogar gewährt werden muss, da es einer vertieften Prüfung des Einzelfalls bedarf, ob die Zulassung raumbedeutsamer Windenergieanlagen nach dem jeweiligen Stand der Regionalplanung befürchten lässt, dass die in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 21. Oktober 2021 - OVG 11 B 2.18 - juris Rn. 28 und vom 29. Januar 2020 - OVG 11 B 5.18 - juris Rn. 35). Für das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin ist vielmehr maßgeblich, dass die Gemeinsame Landesplanungsabteilung als zuständige Landesplanungsbehörde erst dann mit der Prüfung der Ausnahmevoraussetzungen beginnt, wenn die übrigen Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG vorliegen, der Genehmigungserteilung also mit Ausnahme des § 2c Abs. 1 Satz 3 RegBkPlG keine sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Solange die Veränderungssperre besteht, würde nicht geprüft, ob das Vorhaben der Antragstellerin nach § 2 Abs. 2 RegBkPlG zugelassen werden kann (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Mai 2022 - 11 S 99/21 - juris Rn. 10).
Dieser Verfahrensablauf ergibt sich aus dem Gemeinsamen Rundschreiben des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung und des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg vom 1. August 2019 (Amtsblatt für Brandenburg vom 21. August 2019, S. 818 ff.) betreffend die Sicherung in Aufstellung befindlicher Ziele der Raumordnung zur Steuerung der Windenergienutzung gemäß § 2c Abs. 1 und 2 RegBkPlG (im Folgenden: Rundschreiben). Darin werden im Hinblick auf das neue Instrument des Moratoriums Vorgaben für das zu beachtende Verfahren formuliert, die jedenfalls für die damit befassten Behörden bindend sind (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2020 - OVG 11 B 5.18 - juris Rn. 45). Wenngleich das Rundschreiben keine das Gericht bindende Norm darstellt, rechtfertigt der damit verfolgte Zweck, die Einheitlichkeit des Verwaltungsvollzugs zu sichern, seine Beachtung auch im hiesigen Verfahren, soweit das vorgegebene Verfahren nicht im Widerspruch zu verbindlichen Gesetzesvorschriften steht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Nach Nr. 6 des Rundschreibens wird in laufenden Verfahren, bei denen - wie hier - ein Genehmigungsantrag für raumbedeutsame Windenergieanlagen vor Eintritt der Rechtsfolgen des § 2c Abs. 1 Satz 3 RegBkPlG gestellt worden ist, eine bereits begonnene immissionsschutzrechtliche Genehmigungsprüfung weitergeführt, es sei denn, der Antragsteller ersucht die Genehmigungsbehörde, das Verfahren ruhen zu lassen (Nr. 6 lit. a des Rundschreibens). Die Genehmigungsbehörde entscheidet unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der zu beteiligenden Behörden, ob die Genehmigungsvoraussetzungen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG vorliegen und ob zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife § 2c Abs. 1 Satz 3 RegBkPlG der Erteilung der Genehmigung entgegensteht (Nr. 6 lit. d des Rundschreibens). Sind beide Voraussetzungen zu bejahen, fordert die Genehmigungsbehörde die Gemeinsame Landesplanungsabteilung gemäß Nr. 6 lit. e Satz 1 des Rundschreibens auf, zu prüfen, ob eine Ausnahme nach § 2c Abs. 2 RegBkPlG nach Maßgabe der Nr. 6 lit. e Satz 2 des Rundschreibens zugelassen werden kann.
Entsprechend dieser Vorgaben hat das Landesamt für Umwelt als zuständige Genehmigungsbehörde bislang von einer Aufforderung der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung, die Zulassung einer Ausnahme vom Moratorium zu prüfen, abgesehen, da es aufgrund der Veränderungssperre das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG verneint hat (vgl. Anhörungsschreiben an die Antragstellerin vom 17. Juni 2022). Bei dieser Ausgangslage kann auch eine nur vorläufige Außervollzugsetzung der Satzung über die Veränderungssperre für die Antragstellerin von Nutzen sein. Denn es ist nicht auszuschließen, dass dadurch bereits die Prüfung einer Ausnahme angestoßen wird.
bb) Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil der geplante Vorhabenstandort im Bebauungsplan Nr. 6... möglicherweise (wieder) außerhalb der Baufenster liegen wird, in denen die Errichtung von Windenergieanlagen zulässig ist. Das Flurstück der Antragstellerin war nach Angaben der Antragsgegnerin wegen seiner unmittelbaren Nähe zu Mineralöl- und Gasleitungen sowie wegen naturschutzfachlicher Belange in dem ursprünglichen Bebauungsplan Nr. 5..., der mit Urteil des Senats vom 7. Oktober 2021 (OVG 2 A 19.19, bei juris) für unwirksam erklärt worden ist, nicht entsprechend berücksichtigt worden. Eine für die Antragstellerin günstigere Festsetzung der Baufenster in dem noch in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan Nr. 6... ist nicht auszuschließen, da inzwischen eine positive Stellungnahme der Oberen Naturschutzbehörde vom 15. Oktober 2021 vorliegt und auf der Grundlage eines Gutachtens zur Bewertung der Gefährdung der Mineralölleitung am 11. November 2021 mit der betroffenen Raffinerie eine Vereinbarung über die Einhaltung risikomindernder Auflagen getroffen worden ist. Die Betreiberin der betroffenen Gasleitungen hat der geplanten Errichtung der Windenergieanlage am 29. Januar 2021 ebenfalls unter Auflagen zugestimmt.
cc) Ferner fehlt das Rechtsschutzbedürfnis auch nicht deshalb, weil der geplante Standort nach dem in Aufstellung befindlichen Regionalplan möglicherweise nicht mehr in einem Windeignungsgebiet liegen wird. Tragfähige Anhaltspunkte, die bereits zum jetzigen Zeitpunkt nach jeglicher Betrachtungsweise ausschließen würden, dass das Flurstück der Antragstellerin wieder (teilweise) in einem Windeignungsgebiet liegen wird, sind nicht ersichtlich.
dd) Dem Rechtsschutzbedürfnis steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin am 2. Februar 2022 beim Landesamt für Umwelt einen Antrag auf Zulassung einer Ausnahme von der Veränderungssperre nach § 14 Abs. 2 BauGB gestellt hat. Einem Normenkontrollantrag gegen eine Veränderungssperre - gleiches gilt für den entsprechenden Antrag auf Außervollzugsetzung - kann das Rechtsschutzbedürfnis nicht durch die Verweisung auf die Möglichkeit einer Ausnahme nach § 14 Abs. 2 BauGB abgesprochen werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. März 2022 - OVG 10 S 31/21 - juris Rn. 19 m. w. Nachw.).
2. Der Antrag ist begründet.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Die in diesem Rahmen anzustellenden Erwägungen decken sich weitgehend mit den zu § 32 BVerfGG entwickelten Grundsätzen; beide Vorschriften entsprechen sich in ihrer Zielrichtung. Weil eine Rechtsnorm außer Vollzug gesetzt werden soll, ist es notwendig, bei der Prüfung der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO einen strengen Maßstab anzulegen. Die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe müssen so schwer wiegen, dass sie ihren Erlass als unabweisbar erscheinen lassen. Die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag später aber in der Hauptsache Erfolg hätte, sind mit den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache später erfolglos bliebe. Hierbei kommt der Frage der Rechtsgültigkeit der im Normenkontrollverfahren angefochtenen Rechtsvorschrift nur dann Bedeutung zu, wenn die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Norm schon bei summarischer Prüfung offensichtlich ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 24. Juni 2021 - OVG 2 A 20.19 - BA S. 10 f. und vom 9. Juni 2016 - OVG 2 S 3.16 - juris Rn. 8).
Nach diesem Maßstab ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung hier geboten. Denn die angegriffene Veränderungssperre erweist sich bereits bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtsfehlerhaft und damit unwirksam. An dem Vollzug der offensichtlich unwirksamen Veränderungssperre besteht kein schützenswertes Interesse, das dem von der Antragstellerin geltend gemachten Interesse am unverzögerten Fortgang des Genehmigungsverfahrens entgegengehalten werden könnte.
Die Satzung über die Veränderungssperre für den Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 6...ist aus materiellen Gründen unwirksam. Ob sie darüber hinaus an formellen Mängeln leidet, kann offen bleiben.
a) Der Aufstellungsbeschluss, der der Veränderungssperre zugrunde liegt, ist unwirksam. Der räumliche Geltungsbereich ist nicht hinreichend bestimmt. Die Unwirksamkeit des Aufstellungsbeschlusses führt zur Unwirksamkeit der Satzung über die Veränderungssperre insgesamt.
Für den Erlass einer Veränderungssperre muss die Gemeinde nach § 14 Abs. 1 BauGB einen wirksamen Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst haben. Dies setzt neben der ordnungsgemäßen ortsüblichen Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB) die hinreichende Bestimmtheit dieses Beschlusses in räumlicher Hinsicht voraus. Der Aufstellungsbeschluss muss den künftigen Planbereich allein oder in Verbindung mit seinen Anlagen eindeutig bestimmbar bezeichnen. Denn das in § 14 Abs. 1 BauGB genannte Erfordernis soll gewährleisten, dass eine Veränderungssperre nur für den Bereich erlassen wird, in dem die Gemeinde sicherungsbedürftige Planungsabsichten verfolgt. Hierfür muss eindeutig bestimmbar sein, für welches Gebiet der Bebauungsplan aufgestellt werden soll (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 24. Juni 2021 - OVG 2 A 20.19 - BA S. 10 f. und vom9. Juni 2016 - OVG 2 S 3.16 - juris Rn. 15). Dem wird der Aufstellungsbeschluss vom 29. November 2021 nicht gerecht.
Die Begründung des Aufstellungsbeschlusses enthält zwar eine kurze verbale Umschreibung seines Geltungsbereichs (Ackerfläche zwischen B...und G..., angrenzend zur Gemeinde G..., westlich der Autobahn A 2...) sowie Hinweise auf die in Anlage 1 aufgeführten vom Geltungsbereich umfassten Flurstücke und auf die Darstellung in dem als Anlage 2 beigefügten Lageplan. Allerdings fallen 21 der insgesamt 71 in Anlage 1 genannten Flurstücke nur „teilweise“ und ein Flurstück nur „fast vollständig“ in den Geltungsbereich des geplanten Bebauungsplans. In der Begründung finden sich keine näheren Ausführungen, welche Teile dieser Flurstücke erfasst werden. Soweit darauf verwiesen wird, dass die Abgrenzung des räumlichen Geltungsbereichs im beiliegenden Lageplan dargestellt sei, genügt dies nicht, um den künftigen Planbereich hinreichend bestimmt zu regeln, weil der Kartenausschnitt vom 19. November 2021 im DIN A4-Format den Geltungsbereich nicht genau genug erkennen lässt. Ihm lassen sich insbesondere keine Flurstücksnummern oder Flurstücksgrenzen entnehmen. Auch der angegebene Maßstab (1:20.000) und die Stärke der beiden den räumlichen Geltungsbereich umgrenzenden Striche von insgesamt drei Millimetern führen nicht dazu, dass man den Geltungsbereich hinreichend genau abmessen könnte. Durch die gewählte Umrandung des Geltungsbereichs mit einem dünnen schwarzen Strich und einem breiteren grauen Strich bleibt unklar, welche der beiden Linien die Grenze des Geltungsbereichs bilden soll. Mit dem Erfordernis hinreichender Bestimmtheit ist es nicht vereinbar, wenn dafür zwei Möglichkeiten gleichermaßen in Betracht kommen (innerer Rand des schwarzen Strichs oder äußerer Rand des grauen Strichs). Feste Grenzpunkte, die es ermöglichen würden, den Grenzverlauf zu bestimmen oder nachzumessen, lassen sich anhand der Karte nicht identifizieren. Insbesondere die unregelmäßig verlaufende westliche Grenze, die keinen in der Karte verzeichneten Linien wie beispielsweise der Gemeindegrenze oder einem Straßenverlauf folgt, lässt nicht erkennen, ob und ggf. in welchem Umfang die dortigen Flurstücke vom Geltungsbereich umfasst sind. Eine hinreichende Bestimmtheit des Geltungsbereichs lässt sich auch nicht durch Hinzunahme der Satzung über die Veränderungssperre nebst Anlagen erreichen, wenngleich diese sich auf einen identischen räumlichen Geltungsbereich bezieht. Denn auch insoweit sind Mängel bezüglich der Bestimmtheit des räumlichen Geltungsbereichs festzustellen (s.u.).
b) Die Satzung über die Veränderungssperre ist unwirksam, weil auch ihr räumlicher Geltungsbereich nicht hinreichend bestimmt ist.
Die Satzung über die Veränderungssperre muss selbst eindeutig erkennen lassen, auf welche Flächen sie sich bezieht. Hierzu muss der räumliche Geltungsbereich mindestens parzellenscharf festgelegt sein. Ein von der Veränderungssperre betroffener Grundstückseigentümer muss aus der Satzung entnehmen können, ob sein Grundstück oder ggf. eine bestimmte oder zumindest eindeutig bestimmbare Teilfläche seines Grundstücks von der Sperre erfasst ist. Das Gebiet kann durch textliche Umschreibung in der Satzung oder durch Bezugnahme auf eine zeichnerische Darstellung bezeichnet werden, die in der Satzung enthalten ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Juli 2019 - OVG 2 A 8.18 - juris Rn. 23). Diesen Anforderungen genügt die am 29. November 2021 beschlossene Satzung nicht.
Gemäß § 2 der Satzung ergibt sich der räumliche Geltungsbereich der Veränderungssperre verbindlich aus dem beigefügten Plan (Maßstab 1:3.000 vom 19. November 2021), der als Anlage 1 Teil der Satzung sei; er entspreche dem am 29. November 2021 beschlossenen Geltungsbereich zum Bebauungsplan Nr. 6... der Gemeinde S.... Es folgt eine Auflistung der vom Geltungsbereich der Veränderungssperre umfassten Flurstücke bzw. Teilflurstücke der Gemarkungen B...und L.... Soweit aus dieser Liste hervorgeht, dass 21 von 71 Flurstücken „teilweise“ und ein Flurstück „fast vollständig“ erfasst werden, ist wiederum nicht hinreichend erkennbar, welche Teile dieser Flurstücke vom Geltungsbereich umfasst werden. Der als Anlage 1 beigefügte Plan enthält zwar Flurstücksnummern und Flurstücksgrenzen. In Anbetracht einer Strichstärke der Umrandung des Geltungsbereichs von insgesamt fünf Millimetern lässt sich aber auch mit Hilfe des angegebenen Maßstabs nicht abmessen, in welchem Umfang die nur teilweise in den Geltungsbereich fallenden Grundstücke erfasst werden. Durch die gewählte Gestaltung der Umrandung mit einem dünnen schwarzen Strich und einem breiteren grauen Strich ist zudem auch hier nicht eindeutig, welche Linie die Grenze des Geltungsbereichs bilden soll. Es kommen vier Möglichkeiten in Betracht, da sich zwischen dem schwarzen und dem grauen Strich eine deutlich sichtbare weiße Trennlinie befindet (innerer oder äußerer Rand des schwarzen Strichs oder innerer oder äußerer Rand des grauen Strichs). Zwar verläuft der schwarze Strich bei den nach der Flurstücksliste in Anlage 1 vollständig vom Geltungsbereich erfassten Grundstücken in der Regel entlang der Flurstücksgrenze, was dafür sprechen könnte, dass dieser die Grenze des Geltungsbereichs markieren soll. Ob dies zutrifft, bleibt aber spekulativ, da der schwarze Strich auch bei solchen Grundstücken vereinzelt neben der Flurstücksgrenze liegt und Grundstücke als vom Geltungsbereich erfasst kennzeichnet, die in der Flurstücksliste nach § 2 der Satzung nicht genannt werden (z. B. Gemarkung B..., Flur 3..., Flurstücke 9...,...,...,...). Im Übrigen wäre weiterhin nicht eindeutig, ob auf den äußeren oder den inneren Rand des zwei Millimeter dicken schwarzen Striches abzustellen ist, was bei der Abmessung der nur teilweise vom Geltungsbereich erfassten Flurstücke zu Unterschieden führt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).