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Entscheidung 1 TaBV 773/22


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 1. Kammer Entscheidungsdatum 02.09.2022
Aktenzeichen 1 TaBV 773/22 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2022:0902.1TABV773.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 100 ArbGG, § 96 BetrVG

Tenor

1.

Die Beschwerde des zu 1) beteiligten Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 28. Juni 2022 – 4 BV 16/22 – wird zurückgewiesen.

2.

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel der Beteiligten nicht gegeben, § 100 Abs. 2 S. 4 ArbGG.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Einsetzung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand Ausgestaltung von Fort- und Weiterbildung im Betrieb nach § 100 ArbGG.

Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin ist ein Unternehmen, das Leistungen des bodengebundenen Rettungsdienstes erbringt, der Beteiligte zu 1. ist der bei ihr gebildete Betriebsrat.

Mit der beim Arbeitsgericht Eberswalde am 16.06.2022 eingegangenen Antragsschrift beantragte der Betriebsrat, eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand Ausgestaltung von Fort- und Weiterbildung im Betrieb einzusetzen; den Richter am Arbeitsgericht a. D. V. R. als Vorsitzenden zu bestellen und die Anzahl der Beisitzer (für jede Seite) auf drei festzusetzen. Als Anlage AS 3 Blatt 15f. d. A. wurde ein „Beschluss 052201 zur Einleitung eines Beschlussverfahrens und Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei einsetzen der Einigungsstelle zur BV Fort- und Weiterbildung“ eingereicht, in dem es heißt

„In seiner Sitzung vom 03.05.2022 hat der Betriebsrat in der Angelegenheit Einleitung und Vertretung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren in der 1. Instanz zum Gegenstand einsetzen der Einigungsstelle für die BV Fort- und Weiterbildung Beauftragung und Bevollmächtigung der Rechtsanwaltskanzlei P. / Dr. S. / M. Zimmerstraße 56, 10117 Berlin zu den Bedingungen des RVG beschlossen.“

Das Arbeitsgericht Eberswalde hat die Anträge zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Einigungsstelle gem. § 100 ArbGG nur eingerichtet werden dürfe, wenn sie nicht offensichtlich unzuständig sei. Vorliegend sei eine Einigungsstelle offensichtlich unzuständig, da kein Mitbestimmungsrecht festgestellt werden könne, welches gem. § 76 BetrVG (hier Absatz 5) zum einseitigen Antragsrecht nach § 100 ArbGG einer Seite der Betriebspartner führen könne. Ein mögliches Mitbestimmungsrecht nach § 96 Abs. 1 a BetrVG komme nicht in Betracht, da zum dort normierten Mitbestimmungstatbestand weder vom Betriebsrat etwas vorgetragen noch in der Erörterung in der Sache im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht etwas Substantielles zum Vorschein gekommen sei.

Ein Mitwirkungstatbestand nach § 97 Abs. 2 BetrVG scheide ebenfalls aus, da der Betriebsrat keinen Sachverhalt vorgetragen habe, wonach der Arbeitgeber Maßnahmen plane oder durchführe, die dazu führten, dass sich die Tätigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer ändere und ihre beruflichen Kenntnisse und Tätigkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr ausreichten.

Endlich bestehe auch kein Mitbestimmungsrecht nach § 98 BetrVG, da auf ausdrückliches Nachfragen des Vorsitzenden gar keine Maßnahme der betrieblichen Weiterbildung geplant sei.

Es komme daher auf die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats „zu dieser Frage“ wegen der offensichtlichen Unbegründetheit des Antrages und der auf der Hand liegenden Unzuständigkeit der Einigungsstelle gar nicht mehr an.

Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts und des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 28.06.2022 Bl. 31 bis 35 d. A. verwiesen.

Gegen diesen ihm am 01.07.2022 zugestellten Beschluss richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 13.07.2022 eingegangene und zugleich begründete Beschwerde des Betriebsrats. Er setzt sich mit dem Beschluss des Arbeitsgerichts konkret auseinander und meint, dass zumindest ein Mitbestimmungsrecht nach § 98 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 BetrVG gegeben sei, da die Arbeitgeberin gesetzlich verpflichtet sei, für eine regelmäßige Fortbildung des einzusetzenden Personals zu sorgen und dementsprechend denklogisch Bildungsmaßnahmen durchgeführt würden. Dazu existiere ein Fortbildungsplan, der auch mitbestimmt sei (vgl. dazu den Beschluss des Betriebsrats vom 25.10.2021 Bl. 52 d. A. Anlage AS 2 zur Beschwerdeschrift). In diesem sei jedoch die Ausgestaltung nicht geregelt. Insofern bestehe ein Mitbestimmungsrecht.

Hinsichtlich der von der Arbeitgeberin gerügten formalen Voraussetzung für die Durchführung des vorliegenden Verfahrens, insbesondere auch ein Beschluss des Betriebsrats für die Einlegung der Beschwerde, reicht der Betriebsrat zahlreiche Sitzungseinladungen und Beschlüsse vor der Einreichung der Antragsschrift ein, jedoch keinen Beschluss für die Einlegung der Beschwerde (vgl. den Schriftsatz des Betriebsrats vom 26.08.2022, Seite 2, Bl. 95 d. A. sowie die Anlagen Bl. 185ff. der Akten).

Der Betriebsrat beantragt zuletzt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 28.06.2022 – 4 BV 16/22 – abzuändern und die Beteiligte zu 2. zu verpflichten, eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand Ausgestaltung von betrieblicher Fort- und Weiterbildung einzusetzen; für die Einigungsstelle als Vorsitzenden den Richter am Arbeitsgericht a. D. V. R. einzusetzen und die Anzahl der Beisitzer auf drei festzusetzen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin hält die Beschwerde schon aus formalen Gründen für unzulässig, da es keinen ordnungsgemäßen Beschluss des Betriebsrats für die Beschwerdeeinlegung gäbe (vgl. dazu den Schriftsatz vom 15.08.2022, Seite 2, Bl. 87 d. A.). Im Übrigen gäbe es auch keinen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand, da von betrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen nur dann auszugehen sei, wenn der Arbeitgeber selbst der Träger der Maßnahme ist oder bei Veranstaltungen externer Träger prägenden Einfluss auf Inhalt und Gestaltung der Bildungsmaßnahme habe. Insofern handele es sich bei dem beispielsweise vom Berliner Unfallkrankenhaus angebotenen Kursen, an denen auch Beschäftigte der Arbeitgeberin teilnähmen, nicht um Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung, da die Arbeitgeberin keinen Einfluss auf das Kursangebot und dessen Durchführung durch das Unfallkrankenhaus habe.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze des Betriebsrats vom 13.07.2022 (Bl. 41ff. d. A.) und 26.08.2022 (Bl. 94ff. d. A.) sowie den Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 15.08.2022 (Bl. 90ff. d. A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.09.2022 (Bl. 200f. d. A.) verwiesen, in dem u. a. auch auf das Problem der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten für die zweite Instanz durch einen ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss hingewiesen wird.

II.

Die rechtzeitig eingelegte Beschwerde des Betriebsrats ist bereits unzulässig, da sie nicht durch einen ordnungsgemäß bevollmächtigten Prozessvertreter eingelegt worden ist.

Gem. § 89 Abs. 1 ArbGG gilt für die Einlegung und Begründung der Beschwerde § 11 Abs. 4 und Abs. 5 ArbGG entsprechend. Demzufolge muss die Einreichung und Begründung der Beschwerde nicht nur durch einen Prozessbevollmächtigten unterschrieben worden sein, auf Rüge eines Beteiligten ist auch zu prüfen, ob überhaupt eine Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren vorliegt (vgl. § 88 ZPO i. V. m. § 87 Abs. 2 und § 100 Abs. 2 ArbGG). Daran fehlt es, wenn kein Beschluss über die Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten durch den Betriebsrat für die zweite Instanz vorliegt (vgl. etwa Germelmann/Künzl, ArbGG, 10. Auflage 2022, § 11 Rz. 35; § 10 Rz. 43).

So verhält es sich hier: Die vom Betriebsrat einreichten Unterlagen erfassen ausdrücklich nur die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten für die erste Instanz (vgl. den Betriebsratsbeschluss vom 08.05.2022 bzw. das entsprechende Schreiben dazu Bl. 15 d. A.). Für die zweite Instanz fehlt trotz der Rüge der Arbeitgeberin jeglicher Vortrag und jegliche Unterlage, worauf das Gericht in der mündlichen Verhandlung am 02.09.2022 ausdrücklich hingewiesen hat.

III.

Unabhängig davon ist auch kein Sachverhalt erkennbar, woraus sich eine Mitbestimmung nach § 98 BetrVG ergeben könnte. Wie die Arbeitgeberin zutreffend ausgeführt hat, ist nur eine Mitbestimmung bei einer betrieblichen Fortbildung nach § 98 Abs. 1 und Abs. 4 BetrVG möglich (vgl. dazu BAG 24.08.2004 – 1 ABR 28/03 –; BAG 26.04.2016 – 1 ABR 21/14 –, jeweils zitiert nach Juris; sowie LAG Berlin-Brandenburg 19.01.2022 – 23 TaBV 964/21 – zu 2.2.1 der Gründe). Daran fehlt es, wenn die gesetzlich vorgeschriebenen Weiterbildungen der Rettungsdienste außerhalb des Betriebs ohne einen bestimmenden Einfluss der Arbeitgeberin wie hier stattfinden.

IV.

Das Beschwerdeverfahren ist kostenfrei.

V.

Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist gem. § 100 Abs. 2 Satz 4 ArbGG nicht gegeben.