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Entscheidung S 20 KR 165/16


Metadaten

Gericht SG Neuruppin 20. Kammer Entscheidungsdatum 30.11.2022
Aktenzeichen S 20 KR 165/16 ECLI ECLI:DE:SGNEURU:2022:1130.S20KR165.16.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für eine optische Kohärenztomografie (OCT) in Höhe von 84,87 Euro.

Die OCT ist ein nicht-invasives bildgebendes Verfahren, mit dem Netzhautstrukturen, ähnlich wie in einem histologischen Schnitt, hochauflösend abgebildet werden können. Die OCT erzeugt zwei- und dreidimensionale Aufnahmen, die eine objektive und quantitative Beurteilung der Netzhaut, insbesondere der intra- und subretinalen Strukturen wie zum Beispiel Flüssigkeitsansammlungen, Narbenprozesse und Veränderungen der Netzhautdicke, zulassen.

Die Beklagte und weitere Ersatzkassen hatten mit Wirkung zum 01. Juli 2008 einen „Rahmenvertrag zur Behandlung der feuchten, altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) mittels intravitrealer operativer Eingabe von VEGF-Hemmern“ mit dem Bundesverband Deutscher Ophthalmochirugen (BDOC) geschlossen, der später für die Beklagte auf folgende Indikationen erweitert wurde:

– diabetisches Makulaödem

– Makulaödem nach retinalen Venenverschlüssen

– choroidale Neovaskularisation (CNV) bei pathologischer Myopie.

Hierfür seien – so § 2 der Vertragsergänzung – ausschließlich die Arzneimittel Lucentis (Wirkstoff Ranibizumab), Aflibercept (Wirkstoff Eylea) und Odurzet (Dexamethason) indikationsbezogen zugelassen.

Der im Mai 1959 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er leidet am rechten und am linken Auge an einem Makulaödem bei diabetischer Retinopathie. Die Beklagte übernahm wiederholt die Kosten für die intravitreale Injektion des Arzneimittels Lucentis einschließlich begleitender augenärztlicher Untersuchungen (vgl die Bewilligungsentscheidungen vom 30. August 2012: „… Sie erhalten von uns: drei Behandlungen … zuzüglich der Kosten des Arzneimittels Lucentis … Bitte beachten Sie, dass unsere Zusage für längstens sechs Monate gilt. Auch kann daraus nicht der Rechtsanspruch abgeleitet werden, dass wir in gleichen oder ähnlichen Fällen genauso entscheiden …“; vom 15. April 2013: „… Sie erhalten von uns: drei Behandlungen … zuzüglich der Kosten des Arzneimittels Lucentis … Bitte beachten Sie, dass unsere Zusage für längstens sechs Monate gilt. Auch kann daraus nicht der Rechtsanspruch abgeleitet werden, dass wir in gleichen oder ähnlichen Fällen genauso entscheiden …“; vom 18. Juli 2013: „… Sie erhalten von uns: drei Behandlungen … zuzüglich der Kosten des Arzneimittels Lucentis … Bitte beachten Sie, dass unsere Zusage für längstens sechs Monate gilt. Auch kann daraus nicht der Rechtsanspruch abgeleitet werden, dass wir in gleichen oder ähnlichen Fällen genauso entscheiden …“; vom 29. Juli 2013: „… Sie erhalten von uns: drei Behandlungen … zuzüglich der Kosten des Arzneimittels Lucentis … Bitte beachten Sie, dass unsere Zusage für längstens sechs Monate gilt. Auch kann daraus nicht der Rechtsanspruch abgeleitet werden, dass wir in gleichen oder ähnlichen Fällen genauso entscheiden …“; vom 04. November 2013: „… Sie erhalten von uns: drei Behandlungen … zuzüglich der Kosten des Arzneimittels Lucentis …“; vom 13. Februar 2013: „… Sie erhalten von uns: drei Behandlungen … zuzüglich der Kosten des Arzneimittels Lucentis … Bitte beachten Sie, dass unsere Zusage für längstens sechs Monate gilt. Auch kann daraus nicht der Rechtsanspruch abgeleitet werden, dass wir in gleichen oder ähnlichen Fällen genauso entscheiden …“; vom 22. Mai 2014: „Unsere Bewilligung umfasst drei Behandlungen …“ Unsere Zusage gilt längstens für sechs Monate. Auch kann kein Rechtsanspruch für die Zukunft abgeleitet werden, dass wir in gleichen oder ähnlichen Fällen genauso entscheiden ..."; vom 03. September 2014: „Unsere Bewilligung umfasst drei Behandlungen …“ Unsere Zusage gilt längstens für sechs Monate. Auch kann kein Rechtsanspruch für die Zukunft abgeleitet werden, dass wir in gleichen oder ähnlichen Fällen genauso entscheiden ...").

Außerdem übernahm sie zunächst auch die Kosten für die in mehrmonatigen Abständen durchgeführte und nach § 6 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) entsprechend abgerechneten OCT (vgl die ausgestellten Bescheinigungen der Beklagten vom 01. April 2014, vom 26. Juni 2014 sowie vom 30. Oktober 2014 über die Kostenerstattung eines Betrages in Höhe von jeweils 84,87 Euro).

Am 28. Oktober 2015 beantragte der Kläger erneut die Kostenübernahme für eine OCT. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit sozialverwaltungsbehördlicher Verfügung vom 29. Oktober 2015 ab, weil die OCT durch den Gemeinsamen Bundesausschuss noch nicht bewertet worden sei.

Den hiergegen erhobenen und im Wesentlichen mit dem Vorliegen eines Systemversagens sowie auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Rostock vom 24. September 2014 – S 15 KR 36/12 – begründeten Widerspruch des Klägers vom 09. November 2015 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2016 als unbegründet zurück. Für die OCT habe der Gemeinsame Bundesausschuss keine Empfehlung ausgesprochen, ein Ausnahmefall im Sinne des Vorliegens einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung liege nicht vor. Eine Bindungswirkung des Urteils des Sozialgerichts Rostock ergebe sich nur für die am dortigen Verfahren Beteiligten.

Bereits zuvor wurde die streitgegenständliche OCT am 01. Dezember 2015 auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Kläger und einer Klinik für Augenheilkunde durchgeführt. Den hierfür unter dem 25. Januar 2016 in Rechnung gestellten Betrag in Höhe von 84,87 Euro beglich der Kläger.

Mit Schriftsatz vom 14. März 2016 hat der Kläger bei dem erkennenden Gericht Klage erhoben, mit der er sein auf Kostenerstattung gerichtetes Begehren weiterverfolgt. Nachdem er sein Begehren zunächst im Wesentlichen auf das Vorliegen eines Systemversagens gestützt hatte, hat er diese Annahme mit Schriftsatz vom 25. Mai 2021 nicht mehr aufrechterhalten, weil das Vorliegen eines Systemversagens nicht ausreichend beweisbar sei. Er meint zuletzt noch, die Beklagte habe sich über viele Jahre durch die eigene Praxis, OCT-Untersuchungen generell und gesondert auch im Einzelfall für alle Versicherten bundesweit zu vergüten, selbst gebunden. Sie könne nicht eine über Jahre geübte Praxis einfach aufgeben, ohne dass es dafür einen erkennbaren Grund gebe. Die Beklagte könne sich durch so eine generelle Handhabung über den Einzelfall hinaus auch für die Zukunft gebunden haben. Im Übrigen befinde sich der Kläger wegen derselben Augenerkrankung laufend in augenärztlicher Behandlung und die Beklagte habe bis Ende 2014 die Kosten der OCT-Untersuchung getragen bis sie erstmals im August 2015 überraschend eine Kostenübernahme abgelehnt habe, was während einer laufenden Behandlung unzulässig sei. Auch wenn regelmäßig neue Anträge gestellt worden seien, sei die Situation ähnlich zu beurteilen wie ein „klassischer Vorgang“ nach § 48 SGB X (Verweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 15/07 R, RdNr 19, richtig: RdNr 17).

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der mit dem Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2016 verlautbarten ablehnenden Verfügung zu verurteilen, ihm die entstandenen Kosten für eine optische Kohärenztomografie (OCT) entsprechend der Rechnung der privatärztlichen Verrechnungsstelle Schleswig-Holstein und Hamburg vom 25. Januar 2016 in Höhe eines Betrages von 84,87 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Zur Begründung seines Antrages hebt er zuletzt hervor, der Kläger könne aus den im Jahre 2014 erfolgten Erstattungen keine Rechtsansprüche herleiten. Die den Leistungsentscheidungen zugrunde liegenden Anträge und Entscheidungen der Beklagten seien sowohl im Inhalt als auch im Umfang in sich begrenzt. Die Annahme eines Dauerverwaltungsaktes sei nicht ableitbar, Gleiches gelte für Entscheidungen aufgrund anderer Sachverhalte oder Fehlentscheidungen. Ferner habe das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 16. November 1999 – B 1 KR 9/97 R festgestellt, dass Bewilligungen von Leistungen nur dann eine bindende Entscheidung für einen längeren Zeitraum enthielten, wenn dieser Zeitraum in der Bewilligungsentscheidung explizit genannt werde oder sich aus der Entscheidung sinngemäß ergebe. Vorliegend fehle es aber bereits an einer Entscheidung für einen längeren Zeitraum, für eine dauerhafte Leistungszusage sei nichts ersichtlich; alle Entscheidungen seien jeweils auf den jeweiligen Einzelfall bezogen.

Nach dem zum 24. Juni 2021 erfolgten Wechsel in der Kammerzuständigkeit haben sich die Beteiligten zuletzt mit ihren Schriftsätzen vom 07. November 2022 und vom 08. November 2022 mit einer Entscheidung in Kammerbesetzung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Prozessakte sowie auf die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand von Beratung und Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe

Die Klagen haben keinen Erfolg.

1. Über die Klagen konnte die Kammer gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu zuvor ihr Einverständnis erteilt haben und weil das Gericht vor seiner Entscheidung – ebenso wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung – weder zur vorherigen Darstellung seiner Rechtsansicht (vgl hierzu etwa Bundessozialgericht, Beschluss vom 03. April 2014 – B 2 U 308/13 B, RdNr 8 mwN) noch zu einem vorherigen umfassenden Rechtsgespräch verpflichtet ist (vgl hierzu etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R, RdNr 23).

2. Gegenstand des Klageverfahrens ist die mit dem Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2016 verlautbarte Verfügung, mit der die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einer einzelnen OCT abgelehnt hat. Dieser (mögliche) Sachleistungsanspruch hat sich aufgrund der Selbstbeschaffung durch den Kläger und Begleichung der Rechnung in einen (möglichen) Kostenerstattungsanspruch umgewandelt. Streitgegenstand des Verfahrens – mithin der aus einem bestimmten Sachverhalt abgeleitete Anspruch des Klägers auf Verurteilung des Beklagten zu der begehrten Leistung (vgl § 123 SGG), der dem auch im Zivilprozessrecht herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff entspricht (vgl hierzu etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 26. März 2014 – B 10 EG 2/13 R, RdNr 9 mwN) – ist deshalb unter Berücksichtigung der Darlegungen des professionell vertretenen Klägers dessen Anspruch auf Erstattung der ihm bereits entstandenen Kosten für eine OCT.

3. Die – auf Aufhebung der mit dem Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2016 verlautbarten ablehnenden Verfügung und aufgrund der Selbstbeschaffung des Klägers nunmehr auf Verurteilung der Beklagten zur Erstattung der bereits entstandenen Kosten für eine OCT gerichteten– Begehren sind als kombinierte Anfechtungs- und (auf Zahlung gerichtete) Leistungsklage statthaft (vgl § 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG und § 54 Abs 4 SGG sowie § 56 SGG) und auch im Übrigen zulässig.

4. Die danach insgesamt zulässigen Klagen sind jedoch unbegründet.

a) Die mit der Leistungsklage kombinierte Anfechtungsklage ist unbegründet, weil die angegriffene sozialverwaltungsbehördliche Verfügung der Beklagten rechtmäßig ist und der Kläger durch sie nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert wird (§ 54 Abs 2 S 1 SGG). Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Kosten für eine OCT zu gewähren.

aa) Die Voraussetzungen des nach der Selbstbeschaffung durch den Kläger nur noch möglichen Kostenerstattungsanspruchs nach beiden Regelungen des als Anspruchsgrundlage einzig in Betracht kommenden § 13 Abs 3 S 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (§ 13 Abs 3 S 1 Regelung 1 SGB V) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (§ 13 Abs 3 S 1 Regelung 2 SGB V) und Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Vorschrift ersetzt insoweit den grundsätzlich primär auf die Sach- oder Dienstleistung gerichteten Anspruch, wenn das Sachleistungssystem versagt und sich die Versicherten die Leistungen selbst beschaffen (vgl hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 6/16 R, RdNr 15 mwN). Das Unvermögen der Krankenkasse, die Leistung rechtzeitig zu erbringen (§ 13 Abs 3 S 1 Regelung 1 SGB V), sowie die rechtswidrige Verweigerung der Sachleistung (§ 13 Abs 3 S 1 Regelung 2 SGB V) berechtigen den Versicherten, sich die Leistung in Durchbrechung des Sachleistungsprinzips selbst zu beschaffen. Deshalb besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung grundsätzlich nach beiden Regelungen des § 13 Abs 3 S 1 SGB V nur dann, wenn die Voraussetzungen des primären Sachleistungsanspruchs vorliegen (vgl hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 6/16 R, RdNr 15).

bb) Daran fehlt es hier jedoch. Dem Kläger steht ein auf den Regelungen des § 2 Abs 1 S 1 SGB V iVm § 11 Abs 1 Nr 4 SGB V iVm § 12 Abs 1 SGB V iVm § 27 Abs 1 S 1 SGB V iVm § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V iVm § 28 Abs 1 SGB V fußender Primärleistungsanspruch, 2015 von der Beklagten mit einer OCT versorgt zu werden, nicht zu.

aaa) Die OCT bei einem diabetischen Makulaödem zählte zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der stattgefundenen Untersuchung nicht zum Katalog der ambulant von Krankenkassen zu erbringenden Leistungen. Es fehlte insoweit an der nach § 135 Abs. 1 SGB V dafür erforderlichen Anwendungsempfehlung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss.

Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch der Versicherten unterliegt den sich aus § 2 Abs 1 SGB V und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, gegebenenfalls modifiziert durch die Grundsätze grundrechtsorientierter Auslegung nach § 2 Abs 1a SGB V. Diese allgemeinen Vorgaben werden für den ambulanten Bereich durch § 135 SGB V konkretisiert. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung sind gemäß § 135 Abs 1 S 1 SGB V grundsätzlich nur dann von der Leistungspflicht der GKV umfasst, wenn zunächst der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien gemäß § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben und der Bewertungsausschuss sie zudem zum Gegenstand des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes gemacht hat. Durch Richtlinien gemäß § 92 Abs. 1 S 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Februar 2022 – L 4 KR 30/18, RdNr 37ff unter Hinweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 26. Mai 2020 – B 1 KR 21/19 R, RdNr 13). Nach der gesetzlichen Konzeption kann ein negatives oder fehlendes Votum des Gemeinsamen Bundesausschuss nicht durch eine hohe Verbreitung und/oder häufige Anwendung einer Methode überspielt werden.

bbb) Auch aus § 2 Abs 1a SGB V ergab sich kein Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einer OCT. Nach dieser Vorschrift können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung eine über den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse hinausgehende Leistung beanspruchen, wenn für ihre Erkrankung eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Den für die Anwendung von § 2 Abs 1a SGB V geforderten Schweregrad erreichte die Krankheit des Klägers nicht. Zu Recht gehen auch die Beteiligten selbst nicht davon aus, ein diabetisches Makulaödem stelle eine lebensbedrohliche oder vergleichbar schwerwiegende Krankheit dar (vgl zum Makulaödem bei posteriorer Uveitis: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Februar 2022 – L 4 KR 30/18, RdNr 41).

ccc) Entgegen der zuletzt ohnehin nicht mehr aufrecht erhaltenen klägerischen Auffassung ließ sich ein Sachleistungsanspruch des Klägers auf Versorgung mit einer OCT auch nicht auf ein Systemversagen stützen. Die Kammer folgt insoweit nach eigener Prüfung der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, weil sie sie für überzeugend hält und verweist auf die überzeugende Argumentation in dem Beschluss des 9. Senats vom 29. April 2020 – L 9 KR 32/18 – (dort RdNr 23f; vgl auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Februar 2022 – L 4 KR 30/18, RdNr 42ff).

cc) Die Beklagte war schließlich – entgegen der Auffassung des Klägers – auch nicht zur Leistung verpflichtet, weil sie sich aufgrund vorangegangenen Verhaltens selbst gebunden hatte. Eine für einen längeren Zeitraum oder gar unbestimmte Dauer ausgesprochene vorherige Bewilligung hat sie gegenüber dem Kläger zu keiner Zeit vorgenommen. Nach den der Kammer vorliegenden Schreiben an den Kläger bezogen sich die (vorherigen) Leistungszusagen nur auf die intravitreale Injektion von Lucentis, die Erbringung oder gar Kostenübernahme für eine OCT wird in diesen – im Tatbestand zitierten – Schreiben nicht erwähnt. Soweit sie – die OCT – in den anderen von der Kammer zitierten Schreiben Erwähnung findet, beschränkt sich der Inhalt der Schreiben auf die Mitteilung über die Kostenerstattung hinsichtlich der jeweils eingereichten Rechnung. Soweit die Beklagte also die Kostenübernahme für diese Form ärztlicher Injektionen erklärte, umfasste sie nicht zugleich auch die Kostenübernahme für eine OCT (so auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Februar 2022 – L 4 KR 30/18, RdNr 50).

Insoweit folgt die Kammer auch der überzeugenden Argumentation der Beklagten, die zuletzt zutreffend darauf hingewiesen hat, dass die den Leistungsentscheidungen zugrunde liegenden Anträge und Entscheidungen der Beklagten sowohl im Inhalt als auch im Umfang in sich begrenzt gewesen waren und für das Vorliegen eines Dauerverwaltungsaktes nichts ersichtlich ist, weshalb auch der Hinweis des Klägers auf die Regelung des § 48 SGB X zu Gunsten des Klägers nichts herzugeben vermag. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang auch zu Recht betont, dass entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 16. November 1999 – B 1 KR 9/97 R, RdNr 11ff mwN) Bewilligungen von Leistungen nur dann eine bindende Entscheidung für einen längeren Zeitraum enthalten, wenn dieser Zeitraum in der Bewilligungsentscheidung explizit genannt wird oder sich aus der Entscheidung sinngemäß ergibt. Weil es vorliegend aber bereits an einer Entscheidung für einen längeren Zeitraum fehlt, für eine dauerhafte Leistungszusage nichts ersichtlich ist und schließlich alle sozialverwaltungsbehördlichen Entscheidungen jeweils auf den jeweiligen Einzelfall bezogen waren, kann der Kläger auch hieraus einen Klageerfolg nicht ableiten.

Soweit der Kläger schließlich zuletzt seinen Leistungsanspruch noch damit zu begründen versucht, die Beklagte habe sich durch ihre jahrelange Bewilligungspraxis generell und über den Einzelfall hinaus gebunden, vermag dies dem Kläger schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil dies im Ergebnis angesichts des fehlenden Primärleistungsanspruches des Klägers auf eine durch die Rechtsordnung ausgeschlossene „Gleichbehandlung im Unrecht“ bzw „Gleichheit im Unrecht“ hinausliefe (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 09. Oktober 2000 – 1 BvR 1627/95, RdNr 52) und überdies eine derart weit reichende Bindungswirkung – wenn überhaupt – nach Auffassung der erkennenden Kammer nur für von der Rechtsordnung gedeckte Bewilligungspraxi eintreten kann, was aber – jedenfalls soweit die OCT betroffen ist – gerade nicht der Fall gewesen war. Überdies würde die Anerkennung eines Leistungsanspruches unter dem Gesichtspunkt einer generellen Bindung über den Einzelfall hinaus vollständig und – mit Blick auf den subjektiven Rechtsschutzcharakter der Rechtsordnung – zu Unrecht ausblenden, dass die Beklagte dem Kläger selbst – wie dargelegt – eine dauerhafte Leistungsgewährungszusage zu keinem Zeitpunkt erteilt hat, ohne dass der Kläger hierdurch in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert ist (§ 54 Abs 2 S 1 SGG).

c) Wenn danach die Anfechtungsklage unbegründet ist, ist auch die mit ihr kombinierte Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs 4 SGG iVm § 56 SGG unbegründet, weil in Verfahren der vorliegenden Art eine zulässige und begründete Leistungsklage wegen des der Kombination immanenten Stufenverhältnisses ihrerseits eine zulässige und begründete Anfechtungsklage voraussetzt und weil dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Kostenerstattung – wie aufgezeigt – nicht zusteht.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 S 1 SGG. Es entsprach dabei der Billigkeit, dass die Beteiligten insgesamt einander keine Kosten zu erstatten haben, weil der Kläger mit seinem Begehren im Klageverfahren vollumfänglich unterlag. Die Aufwendungen der Beklagten sind schon von Gesetzes wegen nicht erstattungsfähig (§ 193 Abs 4 SGG iVm § 184 Abs 1 SGG).

6. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben (§ 183 S 1 SGG).

7. Die wegen der Unterschreitung des Wertes des Beschwerdegegenstandes zulassungsbedürftige Berufung (§ 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG) war nicht zuzulassen, weil Gründe für die Zulassung der Berufung nicht ersichtlich sind (§ 144 Abs 2 SGG).