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Entscheidung OVG 6 A 15/21


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 29.11.2022
Aktenzeichen OVG 6 A 15/21 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2022:1129.OVG6A15.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 42 Abs 2 VwGO, § 43 VwGO, § 47 VwGO, § 121 Nr 1 VwGO, § 8 Abs 1 S 3 LuftVG, § 29b Abs 1 LuftVG, § 29b Abs 2 LuftVG, § 32 Abs 4 S 1 Nr 8 LuftVG, § 32 Abs 4c S 1 LuftVG, § 32b Abs 1 S 1 LuftVG, § 32b Abs 2 S 1 LuftVG, § 32b Abs 3 S 1 LuftVG, § 33 Abs 2 LuftVO, § 2 Abs 2 FluLärmG, § 32 Abs 4c S 2 LuftVG

Leitsatz

Die Beklagte durfte sich im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums für eine Bündelung des Abflugsverkehrs im Nachtzeitraum auf einer Geradeausabflugroute, auf der auch der Anflugverkehr stattfindet, entscheiden. Die Entscheidung, den Fluglärm auf einen Korridor zu konzentrieren, hat zwar den Nachteil der Doppelbelastung der Ortsmitte der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow mit An- und Abflugsverkehr, gleichzeitig aber die Vorteile, dass der Kreis der von unzumutbarem Fluglärm Betroffenen möglichst gering gehalten wird und Neubelastungen in einem Gebiet, das bisher sowohl tatsächlich als auch nach den Annahmen der Planfeststellung fast gar nicht von Fluglärm betroffen ist, vermieden werden.

Soweit die Beklagte angenommen hat, dass die im Kurvenflug unmittelbar nach dem Start zu erwartenden Abweichungen von der festgesetzen Ideallinie genügen, um die rein rechnerischen Vorteile der Nordumfliegungsvarianten gegenüber dem Geradeausabflug im Bereich des unzumutbaren Lärms zu relativieren, ist dies nicht zu beanstanden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerinnen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerinnen wenden sich gegen Abflugverfahren für den Flughafen Berlin Brandenburg.

Gegenstand der Klagen sind die Abflugverfahren GERGA 1A, ARSAP 1A, LUROS 1A, GERGA 1M, ARSAP 1M, LUROS 1M, SUKIP 1A und LODGO 1A für den Abflug von der Nordpiste in Betriebsrichtung 25 in den Nachstunden zwischen 22.00 und 6.00 Uhr, die das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) der Beklagten in der 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung (Festlegung von Flugverfahren für An- und Abflüge nach Instrumentenflugregeln zum und vom Flughafen Berlin Brandenburg) vom 16. Juni 2020 (BAnz AT 10.07.2020 V1) in der derzeit gültigen Fassung der 1. Änderungsverordnung vom 8. Oktober 2021 (BAnz AT 02.11.2021 V1) festgesetzt hat. Die Flugverfahren führen in ihrem gemeinsamen Verlauf im Geradeausflug von der Startbahn 25R über das Gemeindegebiet der Klägerin zu 1 und das Wohngrundstück der Klägerin zu 2 zu dem nordwestlich von Ludwigsfelde gelegenen Streckenpunkt DB 241 und teilen sich dort in das nach Norden abknickende sog. kurze Verfahren über den Wannsee sowie in weiter nach Westen führende Flugverfahren auf. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung hat die der 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung zugrunde liegende abschließende Entscheidung über die Festlegung der Flugverfahren in dem Abwägungsvermerk vom 15. Juni 2020 begründet.

Die Klägerin zu 1 ist Eigentümerin von zahlreichen zu Wohnzwecken genutzten Grundstücken in ihrem Gemeindegebiet, die in dem durch den Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld vom 13. August 2004 (PFB) in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 (PEB) festgesetzten Tagschutzgebiet (vgl. 5.1.2 Nr. 2 PFB) und dem Nachtschutzgebiet (vgl. 5.1.3 Nr. 2 PFB) liegen. Sie betreibt innerhalb des Gemeindegebiets das Vereinshaus M__. Im Einwirkungsbereich der Flugroute liegen zudem mehrere privat betriebene Alten-Einrichtungen. Die Klägerin zu 2 ist Miteigentümerin eines selbstgenutzten Hausgrundstücks, das etwas südlich einer gedachten Verlängerungslinie der Startbahn 25R im Gemeindegebiet der Klägerin zu 1 liegt.

Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 19. September 2013 - OVG 11 A 4.13 – (juris Rn. 75 ff.) der Klage der Klägerin zu 1 teilweise stattgegeben und festgestellt, dass die 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung in der derzeit gültigen Fassung rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt, soweit dort bei Benutzung der Startbahn 25 R in der Nachtzeit (22.00 bis 6.00 Uhr) die Abflugverfahren GERGA 1 A, GERGA 1 M, TUVAK 1 A, DEXUG 1 A und SUKIP 1 A bis zum Streckenpunkt DB 241 festgelegt sind. Anders als für den Tagflugbetrieb habe das nachträglich erstellte Datenerfassungssystem (Abwägungs-DES) das zunächst auf die NIROS-Berechnungen gestützte Abwägungsergebnis für den Nachtflugbetrieb (22.00 bis 6.00 Uhr) nicht bestätigt. Die im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von der Beklagten eingeholte Lärmfachliche Bewertung der Deutschen Flugsicherung vom 24. Juli 2012 zeige für die Nacht auf, dass die Alternative 5 zu einer Entlastung von 1.148 Betroffenen in den Pegeln 50-55 dB(A) – und damit im Bereich des während der Nachtzeit unzumutbaren Lärms – führen würde. Durch die Alternative 5 käme es innerhalb der Nachtschutzzone NAT 6 x 53 dB(A) zu einer Entlastung von 3.820 Personen (vgl. Lärmfachliche Bewertung der Deutschen Flugsicherung vom 24. Juli 2012, S. 15, Abbildung 13). Dieses Ergebnis werde durch die weitere in das vorliegende Verfahren eingeführte Lärmfachliche Bewertung der Deutschen Flugsicherung vom 22. August 2013 bestätigt. Dabei sei die Alternative 5 in vier Unteralternativen konfiguriert worden, um eine Kompatibilität mit dem unabhängigen Parallelbahnbetrieb herzustellen, wobei die Unteralternative 4 diesen Anforderungen entsprechen solle. Der DES-Vergleich komme für diese Alternative mit einer Entlastung von 2.873 Betroffenen in den Pegelbändern 50-60 dB(A) zu einer deutlich verringerten Betroffenenzahl für die Nacht, so dass die Beklagte zu Recht eine Nordumfliegung nunmehr für eindeutig vorzugswürdig halte (vgl. Lärmfachliche Bewertung der Deutschen Flugsicherung vom 22. August 2013 S. 18 Abbildung 17). Die Beklagte, die an ihren bisherigen gegen eine Nordumfliegung sprechenden Sicherheitsbedenken nicht mehr festhalte, habe daher in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie die Einleitung eines förmlichen Festsetzungsverfahrens zur Änderung der Abflugrouten für den Nordbahnwestbetrieb für die Nachtzeit beabsichtige. Die angegriffenen Abflugrouten seien daher nach dem hier maßgeblichen Erkenntnisstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung für den Nachtzeitraum unter Lärmschutzgesichtspunkten abwägungsfehlerhaft und verletzten die Klägerin in ihrem materiellen Anspruch auf Abwägung ihrer rechtlich – auf einfachgesetzlicher Ebene insbesondere durch § 29b Abs. 2 LuftVG – geschützten Lärmschutzbelange.

Zur Begründung ihrer Klage tragen die Klägerinnen im Wesentlichen vor, das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung habe im Festsetzungsverfahren die Fluglärmkommission nicht ordnungsgemäß beteiligt. Der angegriffenen Flugroutenfestsetzung stehe die Rechtskraft des Urteils des Oberverwaltungsgerichts vom 19. September 2013 entgegen. Die Festlegung des Geradeausabflugs für die Nachtzeit sei für materiell rechtswidrig erklärt worden. Es sei nicht nur eine Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Abwägungsvorgangs getroffen worden, da das Oberverwaltungsgericht das Ergebnis des Rechtsetzungsverfahrens überprüft habe. Die Rechtskraft eines Feststellungsurteils könne nur im Falle einer Änderung der Sach- und Rechtslage durchbrochen werden. Seit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hätten sich weder die Sach- noch die Rechtslage entscheidungserheblich geändert. Im Übrigen seien die erneute Abwägung und das daraus resultierende Abwägungsergebnis fehlerhaft. Es sei nicht ersichtlich, wie es bei der Beklagten zu dem Sinneswandel zugunsten des Geradeausflugs gekommen sei. Die der Flugroutenfestsetzung zugrunde gelegten Lärmberechnungen seien fehlerhaft. Anders als in der NIROS-Berechnung vom 8. November 2019 zugrunde gelegt, sei weder von zehn Flugbewegungen pro Nacht von der Nordbahn noch von dem dort angenommenen Flugzeugmix (Fahrzeugklassen) auszugehen. Ein Prognoseflugplan 2019 liege nicht vor, sondern bestenfalls ein Angebotsflugplan, der mehr nächtliche Abflüge enthalte als für den Endausbau prognostiziert seien. Die NIROS-Berechnungen 2019 ergäben, dass die Nordumfliegung vorzugswürdig sei, da mehrere tausend Betroffene von unzumutbarem Lärm entlastet würden. Bei der Abwägung seien die falschen Pegelbänder für die Ermittlung der von nächtlichem unzumutbarem Lärm Betroffenen betrachtet worden. Nur mit AzB-Berechnungen könne die erforderliche realistische Gesamtlärmbelastung abgebildet werden, diese seien daher gegenüber NIROS-Berechnungen vorzugswürdig. Das Bundesamt für Flugsicherung habe nicht hinreichend begründet, weshalb es hinsichtlich der Spurtreue und der Fliegbarkeit einer Nordumfliegung von der Einschätzung der Deutschen Flugsicherung als „Fachbehörde“ abgewichen sei. Es gebe keine Erkenntnis, dass engere Kurvenführungen von Flugverfahren immer wieder mit relevanten Abweichungen von der Ideallinie einhergingen. Entsprechende Feststellungen bei der Südumfliegung Frankfurt seien weder übertragbar noch aufgrund des abgebrochenen Probebetriebs aussagekräftig. Zudem gehe die Deutsche Flugsicherung davon aus, dass bei den derzeit am häufigsten eingesetzten Flugzeugtypen die Spurtreue sehr hoch sein werde.

Die Klägerinnen beantragen,

festzustellen, dass die 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung in der derzeit gültigen Fassung rechtswidrig ist und die Klägerinnen in ihren Rechten verletzt, soweit dort bei Benutzung der Startbahn 25R in der Nachtzeit (22.00 bis 6.00 Uhr) die Abflugverfahren GERGA 1A, ARSAP 1A, LUROS 1A, GERGA 1M, ARSAP 1M, LUROS 1M, SUKIP 1A und LODGO 1A festgelegt sind.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffenen Flugrouten und erläutert bzw. vertieft im Wesentlichen die Begründung aus ihrem Abwägungsvermerk vom 15. Juni 2020. Ergänzend trägt sie vor, die Bindungswirkung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts gehe nicht so weit, wie von den Klägerinnen angenommen. Nach dem Urteil stehe lediglich fest, dass in der Abwägungssituation, wie sie sich am 19. September 2013 dargestellt habe, die damalige Abwägung unzureichend gewesen sei. Die Lärmschutzbelange der Klägerinnen seien ordnungsgemäß abgewogen worden. Die auf der Grundlage aktueller und zutreffender Datengrundlagen erstellten NIROS-Berechnungen 2019 seien nicht zu beanstanden. Auch die übrigen Rügen der Klägerinnen hätten keinen Erfolg.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf die beigezogenen Streitakten des Verfahrens OVG 11 A 4.13 verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

I. Die Klage ist zulässig.

1. Sie ist als Feststellungsklage nach § 43 VwGO statthaft (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 – 11 C 13.99 – BVerwGE 111, 276, <278 ff.>).

2. Die auch für die Feststellungsklage entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis (vgl. dazu BVerwGE 111, 276 <279 f.>) steht den Klägerinnen zur Seite.An der Klagebefugnis würde es den Klägerinnen nur dann fehlen, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise ihre subjektiven Rechte durch das festzustellende Rechtsverhältnis verletzt sein könnten (BVerwG, Urteil vom 26. November 2003 – 9 C 6.02 – BVerwGE 119, 245 <249>). Es ist nicht Sinn des § 42 Abs. 2 VwGO, ernsthaft streitige Fragen über das Bestehen eines subjektiven Rechts, von deren Beantwortung der Klageerfolg abhängen kann, bereits vorab im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zu klären. Vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dem Interesse, vor Fluglärm ohne Rücksicht auf den Grad der Beeinträchtigung bewahrt zu bleiben, nicht von vornherein jegliche rechtliche Relevanz abzusprechen. Ob diesem Gesichtspunkt im konkreten Fall die Bedeutung zukommt, die ihm die Klägerinnen beimessen, ist der Prüfung im Rahmen der Begründetheit vorzubehalten (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004 – 4 C 11/03 – juris Rn. 20).

II. Die Klage ist unbegründet.

Die in der 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung (Festlegung von Flugverfahren für An- und Abflüge nach Instrumentenflugregeln zum und vom Flughafen Berlin Brandenburg) vom 16. Juni 2020 (Banz AT 10.07.2020 V1) in der derzeit gültigen Fassung der 1. Änderungsverordnung vom 8. Oktober 2021 (BAnz AT 02.11.2021 V1) festgesetzten Abflugverfahren GERGA 1A, ARSAP 1A, LUROS 1A, GERGA 1M, ARSAP 1M. LUROS 1M, SUKIP 1A und LODGO 1A für den Abflug von der Nordpiste in Betriebsrichtung 25 in den Nachstunden zwischen 22.00 und 6.00 Uhr sind rechtmäßig und verletzen die Klägerinnen nicht in ihren Rechten.

1. Die Festlegung der angegriffenen Abflugverfahren durch die 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung findet, wie in der Verordnung nach § 80 Abs. 1 Satz 3 GG angegeben, in § 32 Abs. 4 Nr. 8, Abs. 4c Satz 1 und 2 LuftVG in Verbindung mit § 33 Abs. 2 LuftVO ihre gesetzliche Grundlage. Danach ist das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung im Rahmen der ihm von dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur übertragenen Zuständigkeit unter anderem ermächtigt, bei An- und Abflügen zu und von Flugplätzen mit Flugverkehrskontrollstelle sowie bei Flügen nach Instrumentenflugregeln die Flugverfahren einschließlich der Flugwege, Flughöhen und Meldepunkte durch Rechtsverordnung festzulegen. Die Ermächtigungsgrundlage für die angegriffene Flugverfahrensordnung genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 – 4 C 3.13 – BVerwGE 150, 114 Rn. 27 ff.).

2. Die angegriffene Flugroutenfestsetzung ist nicht – wie die Klägerinnen meinen – bereits deshalb formell rechtswidrig, weil die Fluglärmkommission nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei.Die Klägerinnen machen ohne Erfolg geltend, das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung habe im Rahmen des förmlichen Festsetzungsverfahrens den Antrag auf Behandlung seines Vorschlags und die dazugehörigen Unterlagen bei der Fluglärmkommission zu kurzfristig eingereicht, weshalb diese die Behandlung des Antrags in der Sitzung vom 9. März 2020 abgelehnt habe.

a) Nach § 32b Abs. 1 Satz 1 LuftVG wird die Fluglärmkommission u.a. zur Beratung des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung und der Flugsicherungsorganisation über Maßnahmen zum Schutz gegen Fluglärm gebildet. Über die aus Lärmschutzgründen beabsichtigten Maßnahmen haben das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung und die Flugsicherungsorganisation nach § 32b Abs. 2 Satz 1 LuftVG zu informieren. Die Kommission ist berechtigt, Vorschläge zu machen (§ 32b Abs. 3 Satz 1 LuftVG). Halten das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung oder die Flugsicherungsorganisation die vorgeschlagenen Maßnahmen für nicht geeignet oder nicht durchführbar, teilen sie dies der Kommission unter Angabe der Gründe mit (§ 32b Abs. 3 Satz 2 LuftVG). Die Fluglärmkommission ist daher in die Bestimmung von Flugverfahren einzubinden. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der bei Erlass des Gesetzes zur Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung und zur Änderung und Anpassung weiterer Vorschriften vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2424) davon ausging, § 32b LuftVG sei „insbesondere von Bedeutung für die Lärmproblematik im An- und Abflugbereich von Flughäfen“ (BTDrucks 16/11608 S. 18 f.). Der Pflicht des Bundesaufsichtsamts, die Fluglärmkommission zu beteiligen, korrespondiert ein entsprechendes Recht der Fluglärmkommission (BVerwG, Urteil vom 12. November 2014 – 4 C 37/13 – juris Rn. 13). Ein Recht zur Mitentscheidung hat die Fluglärmkommission indes nicht. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 32b Abs. 1 Satz 1 LuftVG, der ihr nur eine beratende Funktion zuweist. Für eine Befugnis zur Mitentscheidung dürfte es auch an der erforderlichen demokratischen Legitimation fehlen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2014, a.a.O., Rn. 14).

b) Entgegen der Annahme der Klägerinnen ist die Fluglärmkommission im Festsetzungsverfahren in hinreichender Form konsultiert worden. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung teilte der Fluglärmkommission mit Schreiben vom 17. Februar 2020 den damals aktuellen Abwägungsstand zu den hier in Rede stehenden Abflugverfahren für die Nachtzeit mit und bat im Hinblick auf den bis zur Eröffnung des BER zur Verfügung stehenden Zeitrahmen um Beratung schon in der anstehenden 102. Sitzung der Fluglärmkommission am 9. März 2020. Da nach Auffassung der Fluglärmkommission der Antrag und die Unterlagen nicht fristgerecht eingereicht worden seien, wurde der Antrag zur Behandlung dieses Tagesordnungspunktes am 9. März 2020 abgelehnt. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung teilte im Verlauf der Sitzung mit, dass eine Beratung durch die Fluglärmkommission auch für die aktuell anstehende Festlegung möglich sei, wenn eine solche Beratung spätestens innerhalb von vier Wochen erfolge (vgl. Fluglärmkommission Berlin-Schönefeld, Protokoll der 102. Sitzung am 9. März 2020 S. 3). Die Klägerinnen haben weder vorgetragen noch ist aus dem Verwaltungsvorgang des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung ersichtlich, dass eine solche, der Fluglärmkommission freigestellte Beratung in dem eingeräumten Zeitraum oder in der Zeit danach stattgefunden hat (vgl. Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, Abwägungsvermerk vom 15. Juni 2020 S. 27 f., wonach die Fluglärmkommission auch im Nachgang zu ihrer 102. Sitzung keine Stellungnahme abgegeben habe). Hiervon ausgehend hat das Bundesaufsichtsamt den Beteiligungserfordernissen in hinreichender Form Genüge getan. Es kommt daher nicht entscheidungserheblich darauf an, ob, wie die Beklagte vorträgt, die Thematik einer erneuten Festsetzung des Geradeausabflugs bereits in hinreichender Form Gegenstand mehrerer Sitzungen der Fluglärmkommission in den Jahren 2013 bis 2015 gewesen ist.

3. Der wiederholten Festsetzung der angegriffenen Flugrouten steht im Hinblick auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. September 2013 – OVG 11 A 4.13 – ein Normwiederholungsverbot nicht entgegen.

Zwar binden gemäß § 121 Nr. 1 VwGO rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Diese Bindungswirkung des § 121 VwGO gilt auch unter den Beteiligten eines Normenkontrollverfahrens (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 2018 - 4 BN 43.17 - juris Rn. 16). Eine normverwerfende Entscheidung erlangt mit der Rechtskraft darüber hinaus Allgemeinverbindlichkeit (vgl. § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO; vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Dezember 2000 – 4 B 75.00 – juris Rn. 4). Diese erweitert die Bindungswirkung auf nicht an dem betreffenden Normenkontrollverfahren beteiligte Dritte. Aus der Rechtskraft einer normverwerfenden Entscheidung kann ein sogenanntes Normwiederholungsverbot folgen, also ein Verbot bei unveränderter Sach- und Rechtslage eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Neuregelung zu erlassen (VGH Mannheim, Urteil vom 19. Januar 2021 – 2 S 1948/19 – juris Rn. 79 m.w.N.).

Der Senat braucht hier nicht zu klären, ob – wie die Klägerinnen meinen – ein solches Normwiederholungsverbot auch im Hinblick auf gegen Flugverfahren gerichtete Feststellungsklagen nach § 43 VwGO gelten müsse, da in beiden Verfahrensarten die Gültigkeit von Rechtsnormen überprüft werde und auch die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle nach § 47 VwGO als Feststellungsverfahren ausgestaltet sei. Vorliegend ist eine Verletzung des Normwiederholungsverbotes jedenfalls nicht ersichtlich ist. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen erfasst die Rechtskraft des Urteils des Oberverwaltungsgerichts vom 19. September 2013 – OVG 11 A 4.13 – nicht die Feststellung, dass die angegriffenen und für rechtswidrig befundenen Abflugrouten zukünftig nicht erneut festgesetzt werden dürfen.

a) Ob mit dem Entscheidungssatz eine Sperrwirkung für eine Neufestsetzung von Abflugrouten verbunden ist, lässt sich dem Wortlaut des Tenors des Urteils vom 19. September 2013 nicht entnehmen. Er enthält lediglich die Feststellung, dass die 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung in der damals gültigen Fassung hinsichtlich der dort genannten Abflugverfahren rechtswidrig ist. Reicht der Tenor zur eindeutigen Ermittlung des Entscheidungssatzes nicht aus, sind ergänzend die weiteren Bestandteile des Urteils, insbesondere die Entscheidungsgründe, aber auch der Tatbestand mit den darin enthaltenen Anträgen und dem Beteiligtenvorbringen, heranzuziehen (Clausing/Kimmel in: Schoch/Schnei-der, VwGO, Stand Juli 2020, § 50 Rn. 50 m.w.N.).

b) Den maßgeblichen tragenden Gründen der Entscheidung lässt sich ein Normwiederholungsverbot ebenfalls nicht entnehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat die angegriffenen Abflugrouten mit der Begründung für rechtswidrig erachtet, dass diese nach dem aus seiner Sicht maßgeblichen Erkenntnisstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung für den Nachtzeitraum unter Lärmschutzgesichtspunkten abwägungsfehlerhaft seien und die damalige Klägerin (die hiesige Klägerin zu 1) in ihrem materiellen Anspruch auf Abwägung ihrer rechtlich geschützten Lärmschutzbelange verletzten (Urteil vom 19. September 2013, juris Rn. 77). Dem lag die damals verbreitete Rechtsauffassung zugrunde, dass Ausgangspunkt für die Beurteilung der materiellen Rechtmäßigkeit der angegriffenen Flugroutenfestlegung das – aus dem Wesen einer rechtsstaatlichen Planung folgende – Abwägungsgebot sei (Urteil vom 19. September 2013, a.a.O., Rn. 50; ebenso VGH Koblenz, Urteil vom 3. September 2013 – 9 C 323/12.T – juris Rn. 78, 99, 115). Danach beschränkte sich die richterliche Prüfung der Abwägung darauf, ob das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, den gesetzlichen Rahmen (§ 29b LuftVG) erkannt sowie alle nach Lage der Dinge zu berücksichtigenden Lärmschutzinteressen in die gebotene Abwägung eingestellt und nicht ohne sachlichen Grund zurückgestellt hat (Urteil vom 19. September 2013, a.a.O., Rn. 51). Das Oberverwaltungsgericht ist somit erkennbar und in Fortsetzung seiner Rechtsprechung zur sog. Wannsee-Route (vgl. Urteil vom 23. Januar 2013 – OVG 11 A 1.13 – juris Rn. 39, 46) davon ausgegangen, dass es für die Rechtswidrigkeit einer Flugroutenfestsetzung auf Fehler im Abwägungsvorgang ankommt. Es hat dementsprechend – nach Tag- und Nachtzeitraum getrennt – geprüft, ob Abwägungsfehler vorliegen (Urteil vom 19. September 2013, a.a.O., Rn. 52).

c) Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Rechtsprechung in seiner Entscheidung zur Wannsee-Route vom 26. Juni 2014 dahingehend korrigiert, dass es für die Rechtswidrigkeit der Festsetzung von Flugverfahren nicht auf Fehler im Abwägungsvorgang, sondern darauf ankomme, ob das Ergebnis des Normsetzungsverfahrens den anzulegenden rechtlichen Maßstäben entspreche:

Den bundesrechtlichen Maßstab hat das Oberverwaltungsgericht aber insoweit verfehlt, als es seine Entscheidung auf bloße Mängel im Abwägungsvorgang gestützt hat. Bei der richterlichen Kontrolle von (untergesetzlichen) Normen kommt es im Grundsatz auf das Ergebnis des Rechtsetzungsverfahrens an, also auf die erlassene Vorschrift in ihrer regelnden Wirkung, nicht aber auf die die Rechtsnorm tragenden Motive desjenigen, der an ihrem Erlass mitwirkt (Urteil vom 13. Dezember 1984 – BVerwG 7 C 3.83 u.a. – BVerwGE 70, 318 <335>). Der Weg zu einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung des Abwägungsvorgangs ist bei untergesetzlichen Normen nur eröffnet, wenn der Normgeber – wie etwa im Bauplanungsrecht – einer besonders ausgestalteten Bindung an gesetzlich formulierte Abwägungsdirektiven unterliegt. Sind solche – wie hier – nicht vorhanden, kann die Rechtswidrigkeit einer Norm mit Fehlern im Abwägungsvorgang nicht begründet werden (Urteil vom 26. April 2006 – BVerwG 6 C 19.05 – BVerwGE 125, 384 Rn. 16). Entscheidend ist allein, ob das Ergebnis des Normsetzungsverfahrens den anzulegenden rechtlichen Maßstäben entspricht. Diese Prüfung hat das Oberverwaltungsgericht nicht vorgenommen. Sie kann vom Senat nicht nachgeholt werden, weil das Oberverwaltungsgericht – aus seiner Sicht folgerichtig – die dazu erforderlichen Tatsachen nicht festgestellt hat (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 – 4 C 3/13 – juris Rn. 25).

Hiervon ausgehend hätte das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19. September 2013 seine Rechtswidrigkeitsfeststellung nicht allein auf einen Fehler im Abwägungsvorgang stützen dürfen (vgl. zu dem Urteil des VGH Koblenz Külpmann, jurisPB-BVerwG 7/2016 Anm. 2; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 4 C 15/14 – juris Rn. 8).

d) Ohne Erfolg machen die Klägerinnen geltend, das Oberverwaltungsgericht habe in seinem Urteil vom 19. September 2013 eine Ergebniskontrolle vorgenommen. Zwar hat das Oberverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 13. November 2008 (20 D 124/06.AK – juris Rn. 53) ausgeführt, dass in der gerichtlichen Überprüfung die Betrachtung des Entscheidungsprozesses zugunsten einer Ergebniskontrolle zutrete, weil es auf das Ergebnis des Rechtssetzungsverfahrens, nicht aber auf die die Rechtsnorm tragenden Motive der normerlassenden Stelle ankomme (Urteil vom 19. September 2013, a.a.O., Rn. 66). Diese Ausführungen dienen jedoch erkennbar der Begründung, weshalb die von dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung erst nach der Festsetzung der Flugrouten in Auftrag gegebenen vergleichenden Lärmberechnungen zu einzelnen Pegeln bei der gerichtlichen Überprüfung der Abwägungsentscheidung berücksichtigungsfähig seien. Auch die in Bezug genommenen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Münster sind im Zusammenhang damit erfolgt, dass während des Rechtsstreits erfolgten Überprüfungen und eventuell normierten Veränderungen der streitigen Abflugverfahren sowie den hierfür maßgeblichen Erwägungen des Luftfahrt-Bundesamtes Rechnung zu tragen sei. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen kann somit den Entscheidungsgründen nicht entnommen werden, dass das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 19. September 2013 von dem von ihm für maßgeblich gehaltenen Prüfungsrahmen zugunsten einer Ergebniskontrolle im Sinne der erst zu einem späteren Zeitpunkt ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgerückt sei.

4. Die Festlegung der in der Rede stehenden Abflugrouten ist materiell rechtmäßig. Die Abwägungsentscheidung des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung ist nicht zu beanstanden.

Die gegen die Flugroutenfestsetzungen geltend gemachten Einwände der Klägerinnen greifen nicht durch. Für die gerichtliche Kontrolle kommt es allein auf die Rechtmäßigkeit des Ergebnisses des Rechtsetzungsverfahrens an und nicht auf mögliche Mängel im Abwägungsvorgang (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 – BVerwG 4 C 3.13 – juris Rn. 25).

Obwohl die Nutzung der umstrittenen Flugrouten zu unzumutbarem Lärm in der Ortsmitte der Klägerin zu 1 und damit auch bei der dort wohnenden Klägerin zu 2 führen wird, ist ihre Festlegung von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

a) Unzumutbar sind Lärmwirkungen, die durch das Qualifikationsmerkmal der Erheblichkeit die Schädlichkeitsgrenze überschreiten (Urteil vom 24. Juni 2004 – 4 C 11.03 – BVerwGE 121, 152 <161>, juris Rn. 29). Da die einfachgesetzliche Grenzlinie der Unzumutbarkeit bei der Festlegung von Flugverfahren nicht anders zu ziehen ist als im luftrechtlichen Planungsrecht, gelten die nach § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG in der Planfeststellung für Flughäfen zu beachtenden Werte des § 2 Abs. 2 FluglärmG auch hier (BVerwG, Urteil vom 12. November 2014 – 4 C 37/13 – juris Rn. 26). In Übereinstimmung damit hat die Beklagte die Grenze, bei der der Lärm die Zumutbarkeitsschwelle überschreitet, für den Nachtzeitraum bei einem Dauerschallpegel LAeq Nacht über 50 dB(A) und einem Maximalpegelhäufigkeitskriterium von 6 x 53 dB(A) gezogen (Abwägungsvermerk vom 15. Juni 2020 S. 16). Als Folge der festgelegten Flugrouten werden in der Ortsmitte der Klägerin zu 1 und damit auch bei der Klägerin zu 2 Betroffenheiten hinsichtlich des Gesamtfluglärms bis in das Pegelband zwischen 60 und 65 dB(A) erwartet.

b) Nach § 29b Abs. 2 LuftVG haben die Luftfahrtbehörden und die Flugsicherungsorganisation auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Lärm hinzuwirken. Die Vorschrift verbietet nicht, die Bevölkerung mit unzumutbarem Lärm zu belasten, normiert aber eine Regelverpflichtung, die Ausnahmen nur zulässt, wenn sich hierfür überwiegende Gründe der geordneten, sicheren und flüssigen Abwicklung des Luftverkehrs ins Feld führen lassen (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004, a.a.O., S. 162, juris Rn. 30 f.).

Die Abwägungsdirektive des § 29b Abs. 2 LuftVG zu Gunsten des Schutzes der Bevölkerung vor unzumutbarem Lärm ist allerdings auf die Situation zugeschnitten, in der neben Flugverfahren mit Lärmwirkungen oberhalb der Zumutbarkeitsschwelle auch Flugverfahren zur Verfügung stehen, mit der sich unzumutbare Lärmbelastungen vermeiden lassen (BVerwG, Urteil vom 12. November 2014 – 4 C 37/13 – juris Rn. 28). Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht, weil die von dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung untersuchten Alternativrouten, mit deren Festlegung sich die Doppelbelastung der Ortsmitte der Klägerin zu 1 weitgehend umgehen ließe, anderweitig zu unzumutbaren Belastungen führen würden. Das zeigen die Ergebnisse der NIROS-Berechnungen von 8. November 2019. Danach führt die Alternative 4 der Nordumfliegung von Blankenfelde-Mahlow im Vergleich zu dem Geradeausabflug zwar zu einer Reduzierung der Zahl der von An- und Abfluglärm Betroffenen in den hohen Pegeln zwischen 55 und 60 dB(A) um 1.200. Die Entlastung in diesen Pegeln fällt bei den Nordumfliegungs-Alternativen 1, 2 und 3 im Vergleich zum Geradeausabflug mit 300 Personen bei Alternative 1 und 3 und 700 Personen bei Alternative 2 viel weniger deutlich aus. In den Pegeln zwischen 50 und 55 dB(A) weist die Alternative 4 im Vergleich zum Geradeausabflug jedoch 1.900 mehr Betroffene aus, während die Alternativen 1 und 3 in diesem Bereich zu einer Reduzierung der Betroffenenzahl um 3.800 und die Alternative 2 um 600 führen (vgl. Abwägungsvermerk vom 15. Juni 2020 S. 19). Bei keiner der in den Blick genommenen Alternativrouten lässt es sich somit vermeiden, dass unzumutbarer Fluglärm entsteht.

Bringen – wie hier – alle in Betracht kommenden Flugverfahren unzumutbaren Lärm mit sich, ist § 29b Abs. 2 LuftVG für die Abwägungsentscheidung unergiebig. Die Vorschrift verlangt weder eine Bündelung der Flugverfahren mit einer damit einhergehenden starken Belastung einer geringeren Anzahl Betroffener noch eine Auffächerung der Flugverfahren mit einer geringeren, aber immer noch unzumutbaren Belastung einer höheren Anzahl Betroffener. Sie regelt auch nicht, wie „schwach unzumutbarer“ Fluglärm zu „stark unzumutbarem“ Fluglärm und die Zahl der jeweils Betroffenen rechnerisch ins Verhältnis gesetzt werden könnten. Namentlich gibt sie keine Antwort auf die Frage, ob etwa der Halbierung der Zahl stark unzumutbar Betroffener vor der gleichzeitigen Verdoppelung der Zahl schwach unzumutbar Betroffener der Vorzug gebührt. Der auf die Ermittlungspflicht der Behörde bezogene Rechtssatz des Senats, das Luftfahrt-Bundesamt habe umso eingehender zu prüfen, ob sich Streckenalternativen anbieten, die Abhilfe versprechen, je deutlicher die Zumutbarkeitsschwelle voraussichtlich überschritten wird (BVerwG, Beschluss vom 18. Oktober 2005 – 4 B 43.05 – juris), gibt für eine Binnendifferenzierung nach verschiedenen Intensitäten unzumutbaren Lärms bei der Abwägungsentscheidung nichts her (BVerwG, Urteil vom 12. November 2014, a.a.O., Rn. 29).

Dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung obliegt die Entscheidung, ob bei der Bewertung der Belastungsstärke auf den Umfang der räumlichen Betroffenheit oder die Zahl der betroffenen Bewohner abgestellt und welches Gewicht dabei der Stärke der Lärmereignisse zuerkannt werden soll. Es kann nach Maßgabe der Flugsicherheitserfordernisse Flugbewegungen bündeln oder streuen und die Lärmbelastung nach Art eines großräumigen Lastenausgleichs aufteilen oder bestimmte Gebiete möglichst verschonen (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004 – 4 C 15.03 – juris Rn. 40). Einen Rechtsverstoß begeht das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung nur dann, wenn es die Augen vor Alternativen verschließt, die sich unter Lärmschutzgesichtspunkten als eindeutig vorzugswürdig aufdrängen, ohne zur Wahrung der für den Flugverkehr unabdingbaren Sicherheitserfordernisse weniger geeignet zu sein (BVerwG, Urteil vom 12. November 2014, a.a.O., Rn. 30 unter Bezugnahme auf Urteil vom 24. Juni 2004 – BVerwG 4 C 11.03 – a.a.O. S. 164, juris Rn. 33; Urteil vom 29. April 2021 – 4 C 5/19 – juris Rn. 20).

Ein solcher Rechtsverstoß ist vorliegend nicht festzustellen.

aa) Die Flugroutenfestsetzung ist nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil sie eine Doppelbelastung der Ortsmitte der Klägerin zu 1 und des Wohngrundstücks der Klägerin zu 2 mit An- und Abfluglärm zur Folge hat.

Da die von der Beklagten festgesetzten Abflugrouten zunächst gemeinsam geradeaus verlaufen, sind diejenigen Teile des Gemeindegebiets der Klägerin zu 1, in denen auch auch das Grundstück der Klägerin zu 2 liegt, besonders betroffen, die auch dem Lärm der aus flugtechnischen Gründen zwangsläufig geradeaus verlaufenden Landeanflüge ausgesetzt sind. Zwar können die Belastungen durch die jeweils gegen den Wind erfolgenden Starts und Landungen nie zeitgleich auftreten. Die von den Klägerinnen gerügte Doppelbelastung liegt aber darin, dass die betreffenden Gebiete keine windrichtungsbedingten Lärmpausen haben (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O., Rn. 54).

(1) Die Entscheidung des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung für eine Bündelung des Abflugverkehrs auf der Geradeausabflugroute, auf der auch Anflugverkehr stattfindet, liegt im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums. Die Entscheidung, den Fluglärm auf einen Korridor zu konzentrieren, hat zwar den Nachteil der dargestellten Doppelbelastung, gleichzeitig aber den Vorteil, dass der Kreis der von unzumutbarem Fluglärm Betroffenen möglichst gering gehalten wird.

(2) Mit seiner Entscheidung für eine Doppelbelastung hält sich das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung auch im Rahmen der Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses bzw. des Planergänzungsbeschlusses. Dem Planfeststellungsbeschluss liegt das Konzept des unabhängigen Parallelbahnbetriebs zugrunde, das die Nutzung beider Bahnen für An- und Abflüge erlaubt. Dabei wurde die Konfiguration der Bahnen auch unter Lärmschutzgesichtspunkten vorgenommen. Bereits der Grobplanung der Flugrouten im Planfeststellungsbeschluss lag der Geradeausabflug von der Nordbahn nach Westen zugrunde. Soweit die Grobplanung wegen der Anforderungen nach ICAO später um das Erfordernis des Abknickens von 15 Grad bei parallelen Abflügen korrigiert werden musste, hat dies die Lärmbetroffenheit der Klägerinnen nicht verändert. Da Anflüge generell auf den Geradeausflug angewiesen sind, ist die Doppelbelastung der Ortsmitte der Klägerin zu 1 bereits im Planfeststellungsbeschluss angelegt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O., Rn. 58 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2012 – 4 A 7001.11 u.a. – Rn. 92; Urteil vom 13. Oktober 2011 – 4 A 4000.09 – Rn. 163).

(3) Würde man mit den Klägerinnen die Vermeidung der Doppelbelastung durch An- und Abfluglärm über sämtliche anderen Lärmschutzbelange stellen, so würde die vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung gewählte Alternative des Geradeausabflugs ausscheiden müssen. Eine solche abwägungsfeste Vorgabe lässt sich jedoch weder dem Planfeststellungsbeschluss entnehmen noch ist sie nach den von dem Bundesverwaltungsgericht für die Lärmverteilung entwickelten Prüfungsmaßstäben vorgegeben. Die Entscheidung des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung, in der vorliegenden Fallkonstellation die Doppelbelastung der Ortsmitte der Klägerin in Kauf zu nehmen, ist daher rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O., Rn. 59 für den Tagzeitraum).

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerinnen kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, dass die Deutsche Flugsicherung zunächst eine Nordumfliegung verfolgt hat. Maßgeblich für die gerichtliche Überprüfung der Flugroutenfestsetzung ist allein die Entscheidung des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung, die in dem Abwägungsvermerk vom 15. Juni 2020 begründet worden ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O., Rn. 60). Soweit die Klägerinnen rügen, es sei anhand des Verwaltungsvorgangs nicht ersichtlich, wie es bei dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung zu einem „Sinneswandel“ zugunsten des Geradeausabflugs gekommen sei, ist auch dies nicht entscheidungserheblich, da es – wie oben ausgeführt – allein auf die Rechtmäßigkeit des Ergebnisses des Rechtsetzungsverfahrens ankommt.

cc) Im Zusammenhang mit der Fluglärmbetroffenheit ist das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung entgegen der Ansicht der Klägerinnen nicht von einer unzutreffenden Berechnungsmethode ausgegangen. Zunächst ist unstreitig, dass den DES-Berechnungen vom 22. August 2013 und den NIROS-Berechnungen der Deutschen Flugsicherung vom 8. November 2019 unterschiedliche Berechnungsmethoden zu Grunde liegen, die einen unmittelbaren Vergleich der jeweils errechneten Betroffenenzahlen von NIROS mit DES ausschließen. Nach der in der Rechtsprechung anerkannten NIROS-Dauerschallpegelberechnung wird – verkürzt dargestellt – isoliert für einzelne Abflugverfahren ein Gütewert für das Untersuchungsgebiet nach Lautheit ermittelt (je geringer der Gütewert, desto geringer die Belastung). Die Bewertung der Abflugrouten durch das Umweltbundesamt erfolgt demgegenüber lärmwirkungsorientiert aufgrund der Berechnungsvorschriften nach dem Fluglärmgesetz (AzB) und stellt mittels empirisch gewonnener Dosis-Wirkungskurven einen Zusammenhang zwischen der Lärmbelastung (Dosis) einerseits sowie der daraus resultierenden Belästigung (Wirkung) andererseits her (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O., Rn. 61).

Die von den Klägerinnen aufgeworfene Frage, ob die lediglich den Abfluglärm berücksichtigenden NIROS-Berechnungen auch für die Sondersituation der Doppelbelastung mit An- und Abfluglärm eine hinreichende Datengrundlage bieten, bedarf keiner Entscheidung, da die Alternativenauswahl des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung für den Nachtflugbetrieb durch die von der Deutschen Flugsicherung bereits im Jahr 2013 erstellten DES-Berechnungen, die neben dem Abfluglärm auch den Anfluglärm berücksichtigen, im Ergebnis bestätigt wird (siehe dazu im Folgenden; vgl. auch Abwägungsvermerk vom 15. Juni 2020 S. 22 f.).

dd) Ohne Erfolg machen die Klägerinnen geltend, dass den NIROS-Berechnungen vom 8. November 2019 zu Unrecht zehn Flugbewegungen pro Nacht zugrunde gelegt worden seien, die Luftfahrzeugklasse S5.2 mit acht Flugzeugmustern deutlich überrepräsentiert sei und für das fehlende Flugzeugmuster der Luftfahrzeugklasse S5.1 ein Flugzeugmuster der Luftfahrtklasse S1.0 verwendet werde. Die Auswertung des im Jahr 2012 erstellten qualitätsgesicherten Prognoseflugplans 2023 (DES 2023), der Grundlage für die Ausweisung der Lärmschutzbereiche nach dem Fluglärmgesetz sei, ergebe insgesamt sieben bis acht Starts für eine charakteristische Nacht, die sich in drei bis vier Starts der Flugzeuggruppe S5.2, ein bis zwei Starts der Flugzeuggruppe S6.1, ein Start der Flugzeuggruppe S5.1 und (aufgerundet) ein Start der Flugzeuggruppe P2.1 aufteilen ließen. Ein nächtlicher Start der Luftfahrtklasse S1.0 sei für Betriebsrichtung 25R nicht zu verzeichnen. Für den Endausbau des Prognosejahres 20XX ergäben sich für die charakteristische Nacht insgesamt 8,5 Abflüge.

(1) Soweit bei den NIROS-Berechnungen 2019 der von der Flughafengesellschaft erstellte aktuelle Flugplan für 2020 verwendet worden ist, der den nach Eröffnung des Flughafens im Jahr 2020 real zu erwartenden Luftverkehr, also die aktuellen Flugbewegungszahlen und den aktuellen Flugzeugmix berücksichtigt, ist dies nicht zu beanstanden.

Entgegen der Annahme der Klägerinnen bildet das gegenwärtig tatsächlich anfallende und in absehbarer Zeit zu erwartende Flugverkehrsaufkommen eine taugliche Grundlage, um die Auswirkungen der Flugverfahren zu bewerten (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29. April 2021 – 4 C 5/19 – juris Rn. 9; Urteil vom 10. Dezember 2015 – 4 C 15.14 – juris Rn. 13). Gesetzliche Vorgaben für die Wahl des Prognosehorizontes fehlen. Daher lässt sich ein gewählter Prognosehorizont nur beanstanden, wenn er Ausdruck unsachlicher Erwägungen ist. Hierfür ist nichts ersichtlich. Angesichts der bei der Festlegung von Flugverfahren im Vordergrund stehenden Bewirtschaftung des jeweils konkret anfallenden Lärms und flexibler Änderungsmöglichkeiten ist die Wahl eines überschaubaren Prognosehorizontes nicht zu beanstanden. Das fehlende Erfordernis baulicher Maßnahmen rechtfertigt es auch, einen kürzeren zeitlichen Horizont als bei der Verkehrsprognose für die Planfeststellung zu wählen (BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 C 35/13 – juris Rn. 112 f. unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 – 4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 Rn. 354).

(2) Ohne Erfolg machen die Klägerinnen geltend, den NIROS-Berechnungen 2019 hätten lediglich fünf statt zehn Abflüge zugrunde gelegt werden dürfen. Zwar trifft es nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zu, dass im normalen Flugbetrieb von den nach dem aktuellen Flugplan 2020 zu erwartenden insgesamt elf (nicht zehn) Abflügen im Nachtzeitraum durchschnittlich nur fünf über die hier in Rede stehende Nordbahn abgewickelt werden. Dies hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Sie hat jedoch in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats schlüssig dargelegt, dass bei den aktuellen NIROS-Berechnungen von zehn Abflügen als Maximalzahl ausgegangen worden sei, um eine Vergleichbarkeit des Geradeausabflugs mit den Varianten der Nordumfliegung herstellen zu können. NIROS-Berechnungen mit lediglich fünf Abflügen führten zu einer immer geringeren Differenzierung zwischen den untersuchten Alternativrouten. Dies könne anhand der NIROS-Berechnungen aus dem Jahr 2013 nachvollzogen werden, denen fünf Abflüge als der damals anzunehmenden Maximalzahl zugrunde gelegt worden seien (abgedruckt im Abwägungsvermerk vom 15. Juni 2020 S. 18). Die Maximalzahl der Abflüge werde bei NIROS-Berechnungen nur dann zugrunde gelegt, wenn es um Flugverfahren mit geringer Belegungszahl gehe. Dies ist nachvollziehbar. Die Gütewerte der NIROS-Berechnungen von 2013 liegen bei 0,48 (Alternative 1 und 3), 0,62 (Alternative 2), 0,65 (Alternative 4) und 0,68 (Bestand 25R = Geradeausabflug) und weisen damit Abweichungen lediglich im Zehntel- bzw. Hundertstel-Bereich auf. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass NIROS-Berechnungen bei höheren Flugbelegungszahlen normalerweise Abweichungen der Gütewerte im Bereich der ganzen Zahlen ergäben, wie dies etwa bei den untersuchten Alternativen zur sog. Müggelsee-Route der Fall gewesen sei (vgl. dazu Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Juni 2013 – OVG 11 A 10.13 – juris Rn. 67). Selbst die hier in Rede stehenden NIROS-Berechnungen mit zehn Abflügen führen zu Gütewerten mit nur geringen Abweichungen im Zehntel- und Hundertstel-Bereich (abgedruckt im Abwägungsvermerk S. 19). So weisen die Alternativen 1 und 3 jeweils einen Gütewert von 1,01, die Alternative 2 einen Gütewert von 1,26, die Alternative 4 einen Gütewert von 1,44 sowie der Geradeausabflug einen Gütewert von 1,12 auf. Soweit die NIROS-Berechnungen 2019 mit zehn statt mit elf Abflügen im Nachtzeitraum erfolgt sind, da der in dem Flugplan 2020 vorgesehene morgendliche Abflug um 5:35 Uhr übersehen worden ist, hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die von ihr durchgeführten Nachberechnungen mit elf Abflügen nur in den Gütewerten zu Abweichungen im Hundertstel-Bereich geführt hätten. Den auf die NIROS-Berechnungen bezogenen Erläuterungen der Beklagten sind die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung nicht substantiiert entgegen getreten. Soweit sie unter Hinweis auf das DES vom 22. August 2013 einwenden, dass bei höherer Flugbelegungszahl der Lärmkorridor zur Seite und nach vorne hin zunehme, lassen sie unberücksichtigt, dass nach den – wie oben ausgeführt – nachvollziehbaren Angaben der Beklagten, NIROS-Berechnungen, die mit sehr geringen Flugbewegungszahlen durchgeführt werden, nicht zu für die Alternativenauswahl aussagekräftigen Ergebnissen führen. Im Übrigen hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass NIROS-Berechnungen keinen Lärmwert, sondern einen Gütewert angäben, der einen gewichteten Vergleich über die Belastung der Bevölkerung darstelle. Ohne Erfolg berufen die Klägerinnen sich in diesem Zusammenhang auf die zur Südumfliegung am Flughafen Frankfurt am Main ergangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2015 – 4 C 15/14 – (juris Rn. 13), wonach ein Zurückbleiben von Flugbewegungen gegenüber dem Prognosefall für das Verhältnis verschiedener Alternativrouten von Bedeutung sein könne, wenn etwa die Zahl der unzumutbar Betroffenen auf einer von mehreren alternativen Routen stärker sinke als in anderen Gebieten, weil sich die Verhältnisse am Boden, insbesondere die Besiedlungsdichte, unterschieden. Der Fall der Südumfliegung, bei dem es um die Bewältigung von tatsächlich bis zu 98 Flugbewegungen statt – wie in der Planfeststellung angenommen – 126 Flugbewegungen ging, unterscheidet sich maßgeblich von der hier in Rede stehenden Problematik, dass die tatsächlich zu erwartende Flugbewegungszahl auf einer Abflugroute derart gering ist, dass auf ihrer Grundlage durchgeführte NIROS-Berechnungen keine belastbare Differenzierung zwischen den Alternativrouten mehr ermöglichen.

Nach allem kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob – wie die Klägerinnen meinen – eine tatsächliche Nutzung der Nordbahn in Betriebsrichtung Westen mit zehn Abflügen pro Nacht dem in § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG enthaltenen Gebot, auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen, widerspräche.

(3) Auch im Übrigen haben die Klägerinnen zu den von der Beklagten zugrunde gelegten Flugbewegungszahlen bzw. dem Flugzeugmix keine hinreichend substantiierten Einwände erhoben.

(a) Soweit sie die den NIROS-Berechnungen 2019 zugrunde gelegten Daten mit dem im Jahr 2012 erstellten Flugprognoseplan 2023 vergleichen, wird nicht aufgezeigt, aus welchen Gründen die dortigen Annahmen vorzugswürdig sind bzw. die realen Verhältnisse im Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Flughafens und in der Zeit danach besser abbilden. Hierzu genügt nicht der pauschale Einwand, der Flugprognoseplan 2023 sei unter Beteiligung einer spezialisierten Fachfirma erstellt worden, zumal dies unberücksichtigt lässt, dass es vorliegend nicht um die Erstellung eines Flugprognoseplans im Rahmen der Planfeststellung oder für die Ausweisung eines Lärmschutzbereiches geht.

(b) Auch der Einwand, dem Flugplan 2019 liege lediglich eine Befragung der Airlines zugrunde, stellt für sich genommen dessen Belastbarkeit nicht substantiiert in Frage, zumal die Flughafengesellschaft darauf hingewiesen hat, dass es unter anderem durch die Insolvenz der airberlin 2017 im Berliner Markt zu erheblichen Änderungen in der Nachfragestruktur gekommen sei (vgl. Flughafen Berlin Brandenburg [FBB], Leistungsbeschreibung „Simulation Luftraum und Rollverkehr 2020“ S. 3). Zudem ist der Flugplan allokiert – d.h. die Position pro Flugbewegung zugewiesen – und verdichtet, er beinhaltet mithin bereits die jeweilige Grenzkapazität für den Betriebszustand (vgl. FBB, Leistungsbeschreibung „Simulation Luftraum und Rollverkehr 2020“ S. 6).

Es ist damit weder substantiiert dargelegt noch ersichtlich, dass die der Flugroutenfestsetzung zugrunde gelegten Lärmberechnungen auf unrichtigen Datengrundlagen beruhen könnten.

(c) Soweit die Klägerinnen geltend machen, für die Betriebseröffnung im Jahr 2020 enthalte der Angebotsflugplan der FBB mehr nächtliche Abflüge für die Betriebsrichtung 25R als für den Endausbau prognostiziert worden seien, sind dafür Anhaltspunkte weder vorgetragen noch ersichtlich.

Mit den im Planergänzungsverfahren verfügten Nachtflugbeschränkungen sind in der Durchschnittsnacht des Jahres 2020 insgesamt 71,2 Flugbewegungen zu erwarten. In der typischen Spitzennacht des Jahres 2020 ist mit 95,1 Flugbewegungen zu rechnen (siehe dazu im Einzelnen Planergänzungsbeschluss vom 20. Oktober 2009 [PEB] S. 147). Unter der Voraussetzung, dass sich die aus der Prognose zum „Masterplan zur Entwicklung der Flughafenstruktur zur Stärkung des Luftverkehrsstandortes Deutschland im internationalen Wettbewerb“ vom Dezember 2006 für den Zeitraum von 2008 bis 2020 ermittelte durchschnittliche Steigerungsrate von 2,6 % pro Jahr bis zum Jahr 2023 fortsetzt, ist in der Durchschnittsnacht des Jahres 2023 mit rund 77 Flugbewegungen zu rechnen. In der typischen Spitzennacht des Jahres 2023 (Szenario 20XX) ist dann von 103 Flugbewegungen auszugehen (PEB S. 148).

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Planergänzungsbeschluss das Ergebnis der Nachtverkehrsprognose für plausibel gehalten. Danach entsprechen die ermittelten Flugbewegungszahlen in ihrer Größenordnung den Flugbewegungszahlen, die bereits im Planfeststellungsverfahren für die Fluglärmberechnung ermittelt worden sind. Das dem Planergänzungsbeschluss zugrunde liegende Prognoseergebnis fällt nicht aus dem Rahmen bisheriger Prognosen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 2011 – 4 A 4000.09 – juris Rn. 75 ff.; vgl. auch Rn. 198 zu der Annahme von 71,2 Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht).

Nach allem ist weder substantiiert dargelegt noch sind nach Aktenlage belastbare Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die der Flugroutenfestsetzung zugrunde gelegte Prognose des Flugplans für 2020 von durchschnittlich 63 Flugbewegungen (11 Abflüge und 52 Anflüge) im Nachtzeitraum die im Planergänzungsbeschluss zugrunde gelegte Zahl von 71,2 Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht 2020 im Nachtzeitraum überschreiten könnte.

(d) Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist der Umstand, dass es noch vor Eröffnung des Flughafens aufgrund der Pandemie zu einem erheblichen Einbruch des Luftverkehrs gekommen ist, nicht entscheidungserheblich. Maßgeblich ist auf den im Zeitpunkt der Festsetzung der Flugverfahren anzunehmenden Normalbetrieb abzustellen.

Im Übrigen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sich etwaige Unsicherheiten in der Datengrundlage hinsichtlich der Anzahl der Abflüge und des Flugzeugmixes auf die Variantenauswahl zugunsten der Nordumfliegung auswirken würden, diese Unsicherheiten also gerade zu Lasten der von den Klägerinnen angegriffenen Geradeausrouten gehen würden, zumal sich das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung im Wege einer Gesamtbetrachtung für die angegriffenen Flugverfahren entschieden hat.

ee) Die Beklagte stellt nachvollziehbar dar, dass die untersuchten Alternativen einer Nordumfliegung des Gemeindegebietes der Klägerin zu 1 sich für die Nachtzeit trotz der rechnerischen Entlastungen in den Pegeln ab 50 dB(A) aufwärts unter Lärmschutzgesichtspunkten nicht als eindeutig vorzugswürdig aufdrängen.

(1) Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung weist in seinem Abwägungsvermerk vom 15. Juni 2022 zunächst auf das DES vom 22. August 2013 hin, wonach die Nordumfliegungs-Alternative 4 im Vergleich zu dem Geradeausabflug zu einer Entlastung von 2.873 Personen in den Pegelbändern 50-62 dB(A) in der Nacht führe. Im Bereich des Maximalpegelhäufigkeitskriteriums (sog. NAT-Kriterium) von 6 x 53 dB(A) ergäben die Berechnungen eine Verringerung der in der Nacht unzumutbar Betroffenen um 1.549 von 29.309 auf 27.760. Dieses Ergebnis werde bestätigt durch die NIROS-Berechnungen vom 8. November 2019. Danach werde bei der Nordumfliegung mit der Alternative 4 im Zentrum von Blankenfelde-Mahlow die Doppelbelastung durch unzumutbaren Lärm um 1.200 Betroffene in den Pegeln 55 – 60 dB(A) gemindert. Diese Entlastung falle bei den Nordumfliegungs-Alternativen 1, 2 und 3 im Vergleich zum Geradeausabflug mit 300 Personen bei Alternative 1 und 3 und 700 Personen bei Alternative 2 viel weniger deutlich aus (vgl. Abwägungsvermerk S. 22 f.).

Die sich sowohl nach den NIROS-Berechnungen 2019 als auch den DES-Berechnungen 2013 ergebenden Entlastungen im Bereich des unzumutbaren Lärms werden nach den Prognosen der Beklagten allerdings dadurch relativiert bzw. aufgehoben, dass es im laufenden Flugbetrieb angesichts der anspruchsvollen Streckenführung der Nordumfliegungsvarianten zu Abweichungen von der festgesetzten Ideallinie kommen wird. Insbesondere der Flugweg der Alternative 4 führe über eine im Hinblick auf direkt darunter liegende Besiedlung gänzlich optimierte Strecke. Die direkt überflogenen Siedlungslücken zwischen Lichtenrade und Mahlow seien relativ klein und dichter besiedelte Gebiete lägen sehr nahe, so dass diese im Falle der erwarteten Streuung durch die Luftfahrzeuge schnell erreicht seien. Auch im Hinblick auf die Varianten 1 und 3 habe die Deutsche Flugsicherung in ihrem Design-Konzept vom 23. Dezember 2016 ausdrücklich auf das Risiko hingewiesen, dass bereits durch leichte Abweichungen von der Ideallinie dicht besiedelte Gebiete wie Mahlow sowie die Ortsteile Kleinbeeren bzw. Diedersdorf der Gemeinde Großbeeren von zum Teil deutlich unterhalb von 5000 Fuß unmittelbar überflogen werden würden. Demnach erschienen auch die anderen Nordumfliegungsvarianten nicht als diesbezüglich günstiger. Auch führe die Nordumfliegung den Flugverkehr näher an große, dicht besiedelte Gebiete von Berlin heran, weshalb auch deshalb eine höhere Anzahl von Fluglärmbetroffenen zu erwarten sei, als die Berechnungen derzeit nahelegten (vgl. Abwägungsvermerk vom 15. Juni 2020 S. 23).

Die vorstehenden Erwägungen des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung sind nachvollziehbar.Soweit der Senat bislang angenommen hat, dass Luftfahrzeuge unmittelbar nach dem Start noch eine relativ hohe Spurtreue einhalten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Januar 2015 – OVG 6 A 4.14 – juris Rn. 41), bezog sich dies auf den Geradeausabflug.Die Beklagte verweist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzend auf ihre neueren Erkenntnisse zu flugbetrieblichen Aspekten des Kurvenflugs unmittelbar nach dem Start, die sich aufgrund der Erfahrungen mit der Südumfliegung am Flughafen Frankfurt am Main und der sog. „Hoffmann-Kurve“ am Flughafen BER ergäben (nach bisheriger Bezeichnung: LULUL 1 B = Abflugverfahren für den Südbahn-Ostbetrieb, bei dem unmittelbar nach dem Abheben eine Rechtskurve in südöstliche Richtung durchgeführt wird, vgl. dazu Urteil des Senats vom 4. März 2014 – OVG 6 A 7.14 – juris Rn. 68 ff.). Kurvenführungen unmittelbar nach dem Start gingen mit einer erhöhten Komplexität für Piloten und Lotsen einher. Sie seien nicht nur eine besondere Herausforderung, sondern zugleich schwerer spurtreu zu fliegen. Es ergebe sich erfahrungsgemäß eine gewisse Streuung bei noch tieffliegenden Flugzeugen. Dieser Nachteil sei bei den Varianten 1 bis 3 besonders stark ausgeprägt, da dort die Kurven unmittelbar aufeinander folgten. Die Erfahrungen des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung und der Deutschen Flugsicherung mit derartig engen Kurvenführungen – wie der Frankfurter „Südumfliegung“ – sei, dass das Idealbild im seltenen Fall der Realität entspreche und Abweichungen in Form von sog. „Überschießern“ und „Frühdrehern“ eintreten könnten und die Komplexität der Flugsicherung schnell steige. Am Frankfurter Flughafen habe sich gezeigt, dass dort unerwartete Abweichungen bei derartigen Kurven immer wieder aufträten. Damit sei bei einer Führung von zwei engen Kurven hintereinander (S-Form), wobei die erste Kurve unmittelbar nach dem Abheben erfolge, zu rechnen. Die Beklagte weist zudem auf die Erfahrungen mit der aus Lärmschutzgründen veranlassten S-Kurve zur Umfliegung stärker besiedelter Gebiete im Norden von Darmstadt (sog. Flugroute „AMTIX kurz“) hin. Dabei habe sich im realen Flugbetrieb eine laterale Abweichung von der Ideallinie gezeigt, die vorher nicht erwartet worden sei. Dies habe aufgrund von Sicherheitsbedenken zu einer vorzeitigen Beendigung des Probebetriebs geführt.

Zu diesen für den Senat ebenfalls nachvollziehbaren Erläuterungen haben die Klägerinnen keine entgegenstehenden Erkenntnisse vorgetragen. Hierzu genügt nicht der nicht näher konkretisierte Einwand, dass sich die Erfahrungen von dem Flughafen Frankfurt nicht einfach auf die Nordumfliegung übertragen ließen. Auch der Vortrag, es entstehe der Eindruck, dass die Abweichungen vorgeschoben seien, um eine nächtliche Nordumfliegung ablehnen zu können, bleibt spekulativ. Soweit sie geltend machen, das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung habe nicht hinreichend begründet, aus welchen Gründen es von der Einschätzung der Deutschen Flugsicherung, es sei durch moderne Navigationsverfahren eine hohe Spurtreue bei einer Nordumfliegung zu erwarten, abweiche, lassen sie unberücksichtigt, dass in dem Abwägungsvermerk auf den Hinweis der Deutschen Flugsicherung in ihrem Design-Konzept vom 23. Dezember 2016 Bezug genommen wird, wonach bei den Varianten 1 und 3 bereits leichte Abweichungen von der Ideallinie zum Überflug dicht besiedelter Gebiete führen könnten (vgl. Abwägungsvermerk S. 23).Im Übrigen weist auch das Umweltbundesamt in seiner von dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung in Bezug genommenen Stellungnahme vom 3. April 2020 darauf hin, dass zufällige laterale Abweichungen von der Ideallinie im Norden von Mahlow aufgrund der relativ geringen Anzahl an Flugbewegungen schnell zu höheren als der prognostizierten Fluglärmbelastung führen könnten (vgl. Abwägungsvermerk vom 15. Juni 2020 S. 23 f.). Hiervon ausgehend genügen somit bereits geringe Abweichungen von der festgesetzten Ideallinie, um die rein rechnerisch sich ergebenden Vorteile der Nordumfliegungsvarianten im Bereich des unzumutbaren Lärms zu relativieren. Die bereits von der Deutschen Flugsicherung in ihrem Design-Konzept vom 23. Dezember 2016 geäußerte Befürchtung, dass es dabei zu Streuungen und dem Überflug des nördlichen Teils von Mahlow kommen könne, ist somit nachvollziehbar. Dies legt auch das von dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung herangezogene Abwägungs-DES 5 der Deutschen Flugsicherung vom 22. August 2013 nahe, das – soweit ersichtlich – im Wesentlichen einen der heutigen Alternative 4 entsprechenden Routenverlauf in den Blick genommen hat. Dieses zeigt, dass in dem Korridor zwischen der Mahlow nördlich begrenzenden L 76 und Berlin-Lichtenrade, der bei allen Nordumfliegungsvarianten durchflogen werden muss, in der Nachtzeit mit unzumutbarem Fluglärm oberhalb von 50 dB(A) zu rechnen ist. Die Lärmkontur reicht nach Westen ungefähr bis zu dem Gemeindeteil Birkholz von Großbeeren, umfasst die nördlichsten Teile von Mahlow und reicht bis an die südliche Grenze von Lichtenrade (vgl. Deutsche Flugsicherung, Lärmfachliche Bewertung vom 22. August 2013 S. 14 Abb. 6). Da die Alternativen 1 und 3 noch vor Erreichen dieses Korridors eine Linkskurve einleiten, führen sie im Bereich des Korridors am engsten an Mahlow heran.

Hiervon ausgehend ist weder substantiiert aufgezeigt noch ersichtlich, dass das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung die Augen vor unter Lärmschutzgesichtspunkten eindeutig vorzugswürdigen Alternativen der Nordumfliegung verschlossen hat. Im Übrigen sahen sich auch die Klägerinnen auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, bei anzunehmender Richtigkeit der Lärmberechnungen eine sich unter Lärmschutzgesichtspunkten als eindeutig vorzugswürdig aufdrängende Variante der Nordumfliegung aufzuzeigen.

(2) Soweit das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung im Rahmen seiner Abwägungsentscheidung zudem auf die Betroffenenzahlen in den mittleren Pegelbändern von 45 – 55 dB(A) abstellt, ist auch dies mit Blick auf seinen Gestaltungsspielraum nicht zu beanstanden. Nach den NIROS-Berechnungen 2019 ergibt sich bei der Nordumfliegungs-Alternative 4 in diesen Pegeln eine um 9.300 Personen höhere Betroffenenzahl als bei dem Geradeausflug (Pegel von 45 – 50 dB(A): 7.400 Personen mehr; Pegel von 50 – 55 dB(A): 1.900 Personen mehr). Bei Berücksichtigung der rechnerisch sich ergebenden Entlastung von 1.200 Personen in den Pegeln von 55 – 60 dB(A) sind somit insgesamt – also in den Pegeln von 45 – 60 db(A) – bei der Alternative 4 8.100 Personen mehr betroffen als bei dem Geradeausflug. Die stark erhöhten Betroffenenzahlen in den mittleren und unteren Pegelwerten führen zu einem schlechteren Gütewert der Alternative 4 (1,44) als bei dem Geradeausabflug (1,12). Aus diesem Grund hat das Umweltbundesamt nicht mehr die Alternative 4, sondern die Alternativen 1 und 3 (Gütewert jeweils: 1,01) bevorzugt, daneben jedoch den Geradeausabflug für unter Lärmgesichtspunkten gleichermaßen geeignet gehalten (vgl. Abwägungsvermerk vom 15. Juni 2020 S. 24). Die Klägerinnen zeigen nicht hinreichend substantiiert auf, aus welchen Gründen dies rechtsfehlerhaft sein soll, zumal das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung seiner Abwägungsentscheidung die Zumutbarkeitsschwelle für den Nachtzeitraum zutreffend bei einem Dauerschallpegel ab 50 dB(A) zugrunde gelegt hat (vgl. Abwägungsvermerk vom 15. Juni 2020 S. 16). Im Übrigen lassen sie unberücksichtigt, dass – wie bereits oben ausgeführt – die sich rein rechnerisch in den Pegeln von 50 bis 55 dB(A) ergebenen Vorteile der Nordumfliegungsvarianten durch die zu erwartenden Abweichungen von der Ideallinie zumindest relativiert werden.

(3) Soweit das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung seine Abwägungsentscheidung ferner auf den Aspekt stützt, dass es bei einer Nordumfliegung zu Neubelastungen mit unzumutbarem Fluglärm in der Nacht für Betroffene in einem Gebiet kommen werde, das bisher sowohl tatsächlich als auch nach den Annahmen der Planfeststellung fast gar nicht von Fluglärm betroffen gewesen sei, ist auch dies nicht beanstanden. Es liegt im Gestaltungsraum des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung, dem Aspekt der Vermeidung von Neubelastungen ausschlaggebendes Gewicht beizumessen, zumal die Verschonung der hier in Rede stehenden Gebiete in der Planfeststellung angelegt ist. Wie oben ausgeführt, ist bereits bei der Grobplanung der Flugrouten im Planfeststellungsbeschluss der Geradeausabflug von der Nordbahn nach Westen zugrunde gelegt worden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O., Rn. 58). Im Planergänzungsbeschluss wurden dementsprechend für die Nordbahn in Richtung Westen ausschließlich Flugbewegungen in der Nacht bezogen auf die Ortsteile Mahlow (einschließlich Waldsiedung), Glasow, Blankenfelde und Diedersdorf betrachtet (vgl. PEB S. 613 ff.). Dabei handelt es sich um Gebiete, die von einem Geradeausabflug von der Nordbahn betroffen sind. Der im Falle einer Nordumfliegung betroffene Bereich zwischen dem Ort Mahlow und der nördlich davon verlaufenen L76 (vgl. dazu Abwägungsvermerk vom 15. Juni 2020 S. 25) wurde folgerichtig in der Planfeststellung nicht in den Blick genommen. Der Kreis der von unzumutbarem Fluglärm Betroffenen wird durch Konzentration des unzumutbaren Fluglärms auf einen Korridor entlang des Geradesausabflugs möglichst gering gehalten. Damit bewegt sich das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums.

ff) Soweit die Klägerinnen die Annahme des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung in Frage stellen, dass bei der Nordumfliegung die Festsetzung eines zusätzlichen Geradeausabflugs erforderlich wäre, um diejenigen Verkehre (bis zu 10 % der Luftfahrzeuge) abzuwickeln, die nicht in der Lage seien, die anspruchsvollen technischen Voraussetzungen der Nordumfliegung zu erfüllen (Abwägungsvermerk vom 15. Juni 2020 S. 26 f.), brauchte der Senat dem nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht weiter nachzugehen. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung misst im Rahmen der Alternativenauswahl dem Umstand, für bis zu 10 % der Luftfahrzeuge ohnehin den Geradeausabflug festsetzen zu müssen, für sich genommen keine entscheidungserhebliche Bedeutung bei. Dem entspricht, dass die Festsetzung von zusätzlichen Abflugrouten für Luftfahrzeuge, die eine technisch anspruchsvollere Vorzugsroute nicht fliegen können, etwa weil sie den dafür nötigen Steiggradienten nicht erreichen können, nicht ungewöhnlich ist. So hat das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung zum Beispiel für Flugzeuge, die den für die Abflugroute LULUL 1 B (Südbahn-Ostbetrieb) erforderlichen Steiggradienten von 10 % nicht erfüllen können, die Route LULUL 1 N festgesetzt.

Soweit die Klägerinnen geltend machen, dass Luftfahrzeuge, die technisch nicht in der Lage seien, die Nordumfliegung zu fliegen, von der Südpiste abfliegen könnten, hat die Beklagte dies zu Recht nicht in die Alternativenprüfung einbezogen. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung ist nach den Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses gehalten, Flugverfahren festzulegen, die während der ganzen Betriebszeit einen unabhängigen Parallelbahnbetrieb des Flughafens Berlin Brandenburg ermöglichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2014 – 4 C 37/13 – juris Rn. 33).

gg) Es ist ferner nicht zu beanstanden, dass die Beklagte unter anderem mit Blick auf die von ihr dargelegten flugsicherungsbetrieblichen Erwägungen davon abgesehen hat, eine der Nordumfliegungsvarianten festzusetzen.

Die Beklagte hat ihren Verzicht auf die von den Klägerinnen favorisierte Streckenführung plausibel auch mit flugsicherungsbetrieblichen Nachteilen begründet. Sie hat zur Überzeugung des Senats ausgeführt, dass die vorgeschlagene Alternativroute mit dem Kurvenwechsel fliegerisch und flugsicherungsbetrieblich nach wie vor sehr anspruchsvoll sei und damit zu einer erhöhten Komplexität einerseits in Bezug auf das einzelne Abflugverfahren, andererseits auch in Bezug auf das Flugverfahrenssystem des Verkehrsflughafens BER insgesamt führe. Eine erhöhte Komplexität wirke sich erfahrungsgemäß grundsätzlich zu Lasten der Sicherheitsmarge aus. Die komplexe Flugführung binde die Konzentration der zuständigen Lotsen, die dann für andere sicherheitsrelevante Aufgaben nicht zur Verfügung stehe. Auch die Konzentration der Piloten werde durch eine anspruchsvollere Flugführung im Anfangsbereich stärker durch navigatorische Aufgaben und die Steuerung des Luftfahrzeuges gebunden und stehe damit in einer Flugphase mit hoher Arbeitsbelastung nicht für andere sicherheitsrelevante Aufgaben zur Verfügung. Der Geradeausabflug sei damit schon unter flugsicherungsbetrieblichen und flugbetrieblichen Gesichtspunkten vorteilhaft gegenüber einer Nordumfliegung (Abwägungsvermerk vom 15. Juni 2020 S. 21 f.).

Diesen nachvollziehbaren Ausführungen sind die Klägerinnen nicht substantiiert entgegen getreten. Das Bundesaufsichtsamt hat nicht nur die Aufgabe, ein den Sicherheitsanforderungen genügendes Flugverfahren zur Verfügung zu stellen. Es hat daneben auch den Aspekten der geordneten und flüssigen Abwicklung des Luftverkehrs Rechnung zu tragen. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung bewegt sich daher im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums, indem es sich mit der Festsetzung des Geradeausabflugs für das in flugsicherungsbetrieblicher Hinsicht weniger komplexe und damit konfliktärmere sowie weniger fehleranfällige Flugverfahren entschieden hat. Etwas anderes könnte nur dann anzunehmen sein, wenn das Optimierungsgebot zur Vermeidung unzumutbaren Lärms das Bundesaufsichtsamt dazu zwingt, ein in der Abwicklung komplexeres Flugverfahren in Kauf zu nehmen (vgl. Urteil des Senats vom 9. April 2014 – OVG 6 A 9.14 – juris Rn. 42). Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

hh) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin zu 1 auf den Schutz mehrerer privat betriebener Alten-Einrichtungen sowie das Vereinshaus Mahlow im Einwirkungsbereich des Geradeausabflugs als besonders lärmsensible Einrichtungen.

Sie lassen außer Acht, dass für die Festlegung von Flugverfahren gerade keine parzellenscharfe Ermittlung und Bewertung der Belange einzelner Betroffener geboten ist, sondern eine generalisierende Betrachtung ausreicht. Der Schutz lärmsensibler Einrichtungen hat bereits bei der Planfeststellung oder der Bauleitplanung zu erfolgen. Dem ist die Planfeststellungsbehörde für den Flughafen Berlin Brandenburg nachgekommen (vgl. dazu im Einzelnen Urteil des Senats vom 9. April 2014 – OVG 6 A 8.14 – juris Rn. 36 f. m.w.N.).

(1) Der Planfeststellungsbeschluss regelt neben einer einfach-rechtlichen Zumutbarkeitsschwelle sowohl für den Tag- als auch den Nachtzeitraum für am 15. Mai 2000 errichtete oder genehmigte Altenheime, Schulen, Kindertagesstätten, Krankenhäuser und vollstationäre Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen für schwerkranke, alte oder behinderte Menschen besondere Lärmschutzauflagen, die für die Innenräume dieser Einrichtungen ein höheres Schutzniveau als in der sonstigen Umgebung des Flughafens vorsehen (PFB vom 13. August 2004, Auflage 5.1.4, S. 106 f; s. auch PFB S. 657 ff.). Hinsichtlich des Nachtschutzes ist nach Auffassung der Planfeststellungsbehörde der allgemeine Nachtschutz von einem Dauerschallpegel Leq(3,Nacht) von 35 dB (A) im Rauminnern ausreichend, um auch ältere Menschen vor Schlafstörungen zu schützen (vgl. PFB S. 660 unter Bezugnahme auf den Abschnitt C.II.10.1.2.5.2 „Lärmwirkungen und Zumutbarkeitsgrenzen, Alte Menschen und lärmsensible Personen“, ab Seite 572). In der Begründung des Planergänzungsbeschlusses wird hierzu ergänzend ausgeführt, dass sich auch im Fluglärmgesetz keine Regelung zu speziellen Begrenzungswerten insbesondere zur Nachtzeit zu Gunsten besonders schutzbedürftiger Personengruppen findet. Vielmehr gilt nach dem Fluglärmgesetz (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, § 9 Abs. 2 Fluglärmgesetz) für Krankenhäuser, Altenheime, Erholungsheime und ähnliche in gleichem Maße schutzbedürftige Einrichtungen derselbe Schutz wie für Wohnungen (PEB S. 226).

(2) Soweit die Klägerin zu 1 sich auf den Schutz des Vereinshauses Mahlow beruft, in dem auch nach 22.00 Uhr Veranstaltungen stattfänden, ist weder hinreichend konkret dargelegt noch mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen des Senats ersichtlich, dass dies bei der Flugroutenfestsetzung gesondert hätte berücksichtigt werden müssen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24. November 2017 (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV, BGBl. I S. 3803) versehen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder signiert über einen sicheren Übermittlungsweg bei der elektronischen Poststelle des Gerichts einzulegen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist bei dem oben genannten Gericht schriftlich oder in der bezeichneten elektronischen Form einzureichen.

Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. In Angelegenheiten, die ein gegenwärtiges oder früheres Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis betreffen, und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen einschließlich Prüfungsangelegenheiten, sind auch die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 VwGO bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 VwGO als Bevollmächtigte zugelassen; sie müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Ein als Bevollmächtigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen nicht vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören.