Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 15.12.2022 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 6 B 8/22 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2022:1215.6B8.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 113 Abs 1 S 1 VwGO, § 20 Abs 1 Nr 3 BAföG, § 2 Abs 1 EStG, § 113 Abs 5 VwGO, § 19 EStG, § 22 Nr 1 EStG, § 22 Nr 3 EStG, § 21 Abs 1 BAföG, § 21 Abs 3 S 2 Nr 2 BAföG, § 21 Abs 4 Nr 4 BAföG, § 23 Abs 4 Nr 2 S 1 BAföG |
1. Die Zuwendungen aus einem Studienstipendium der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg nach der Landärztinnen/Landärzte-Richtlinie sind kein Einkommen im Sinne des § 21 Abs. 1 BAföG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 und 2 EStG.
2. Derartige Zuwendungen sind Ausbildungsbeihilfen im Sinne des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG und gelten daher ausbildungsförderungsrechtlich als Einkommen.
3. § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG hindert die Anrechnung der Leistungen aus einem solchen Stipendium als ausbildungsförderungsrechtlich berücksichtigungsfähiges Einkommen nicht. Ihre Zweckbestimmung steht einer Anrechnung auf den Bedarf nicht entgegen.
Die Berufung des Klägers gegen das ihm am 11. Januar 2022 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Januar 2022 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte befugt ist, bei der Bewilligung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG - Leistungen eines dem Kläger von der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg - KVB - gewährten Studienstipendiums auf seinen Bedarf anzurechnen.
Der Kläger nahm zum Sommersemester 2019 ein Studium der Humanmedizin an der Charité auf. Der Beklagte bewilligte ihm hierfür auf seinen Antrag hin Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, die er mit Bescheid vom 11. Dezember 2019 für den Zeitraum April 2020 bis März 2021 unter Anrechnung der von dem Kläger angegebenen Einkünfte auf 933 Euro ab April 2020 und auf 941 ab Oktober 2020 festsetzte.
Mit Schreiben vom 24. April 2020 teilte der Kläger mit, er habe sich im Rahmen des Landärzteförderprogramms (vgl. Förderrichtlinie des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Landes Brandenburg zur Stärkung der landärztlichen Versorgung Brandenburgs Landärztinnen/Landärzte-Richtlinie - vom 27. Juni 2019) verpflichtet, nach Abschluss seines Studiums als Arzt in ländlichen Regionen Brandenburgs tätig zu werden. Dafür erhalte er per Zuwendungsbescheid vom 7. April 2020 von der KVB einen Zuschuss in Höhe von 1.000 Euro monatlich, beginnend ab dem 1. April 2020 bis zum Ende des Studiums. Zweck der Förderung gemäß der Förderrichtlinie ist die Vergabe eines Stipendiums an Humanmedizinstudierende, die sich verpflichten, nach dem Studium und der entsprechenden Facharztweiterbildung für eine Dauer von mindestens fünf Jahren in ländlichen Regionen Brandenburgs nach Maßgabe der Förderrichtlinie ärztlich tätig zu sein.
Daraufhin setzte der Beklagte die Ausbildungsförderung unter voller Anrechnung des Stipendiums als ausbildungsförderungsrechtlich berücksichtigungsfähiges Einkommen mit Bescheid vom 22. Mai 2020 für den Zeitraum April 2020 bis März 2021 bis September 2020 auf 311 und ab Oktober 2020 auf 319 Euro monatlich neu fest. Zugleich forderte er den gemäß der Neuberechnung bis einschließlich Juni 2020 überzahlten Betrag von 1.866 Euro zurück. Den Bescheid ersetzte er nach Einwendungen des Klägers zunächst durch Bescheid vom 12. Juni 2020 und erneut durch Bescheid vom 3. Juli 2020, ohne dass sich an den festgesetzten Förderbeträgen Änderungen ergaben.
Die hiergegen nach erfolglosem Widerspruchsverfahren am 27. November 2020 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht im Wege schriftlicher Entscheidung mit Urteil vom 10. Januar 2022 abgewiesen. Die Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Leistungen der Ausbildungsförderung für sein Studium im Bewilligungszeitraum von April 2020 bis März 2021; auch die Rückforderung geleisteter Ausbildungsförderung für die Zeit von April bis einschließlich Juni 2020 sei rechtmäßig. Das von der KVB gewährte Stipendium sei entsprechend den Ausführungen im Urteil des Finanzgerichts Thüringen vom 14. März 2018 - 3 K 737/17 - Einkommen im Sinne des § 21 Abs. 1 BAföG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 und 2 Einkommensteuergesetz - EStG - und keine steuerfreie Einnahme im Sinne von § 3 Nr. 11, Nr. 44 EStG. Zwar handele sich bei den fraglichen Zuwendungen um Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die der wissenschaftlichen Ausbildung dienten, diese unterlägen aber nur dann der Steuerfreiheit, wenn der Empfänger nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet werde. Entscheidend für die Steuerfreiheit sei daher, dass die Zuwendung uneigennützig, d.h. unentgeltlich und einseitig gewährt werde. Davon könne hier keine Rede sein, denn das Stipendium sei an die Erfüllung einer konkreten Gegenleistung in Form von ärztlicher Tätigkeit für fünf Jahre in den ländlichen Regionen Brandenburgs geknüpft. Ungeachtet dessen bezwecke das fragliche Stipendium nicht die Förderung der Forschung oder der wissenschaftlichen und künstlerischen Ausbildung, sondern solle dem Ärztemangel sowie der Unterversorgung im ländlichen Bereich entgegenwirken. Das Einkommen bleibe auch nicht über § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG anrechnungsfrei. Entgegen der Auffassung des Klägers handele es sich bei der Zuwendung nicht um eine zweckbestimmte Zahlung im Rahmen eines Dienstverhältnisses, welche dem Kläger lediglich vorweggenommen zufließe, sondern um eine Leistung für die künftige Verpflichtung, fünf Jahre im ländlichen Bereich der vertragsärztlichen Versorgung tätig zu sein. Es handele sich um eine Leistung, die vor dem Abschluss des Studiums seiner Lebensunterhaltssicherung diene. Die Gewinnung von Ärzten zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung in ländlichen Regionen Brandenburgs sei lediglich das Motiv für die Leistung. Dem Kläger stünden auch keine weiteren Freibeträge gemäß § 23 Abs. 1 BAföG bezogen auf das gewährte Stipendium zu. Dem stehe § 23 Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 BAföG entgegen. Der Rückforderungsanspruch ergebe sich aus § 20 Abs. 1 Nr. 3 BAföG. Nach § 50 Abs. 1 SGB X seien die bereits erbrachten Leistungen in der geforderten Höhe durch den Kläger zu erstatten.
Mit der vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung verweist er auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Dezember 2020 - IX R 33/18 -. Darin habe der BFH klargestellt, dass Stipendien wie das hier streitgegenständliche kein steuerpflichtiges Einkommen seien. Ungeachtet dessen sei das Stipendium gemäß § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG nicht als Einkommen anrechenbar, weil seine Zweckbestimmung einer Anrechnung auf den Bedarf entgegenstehe.
Die zwischenzeitlich vom Beklagten mit identischer Begründung erlassenen weiteren Ablehnungsbescheide vom 18. März 2021 für den Bewilligungszeitraum April 2021 bis März 2022 und vom 20. Januar 2022 für den Bewilligungszeitraum April 2022 bis März 2023 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8. August 2022 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 30. August 2022 in die Klage einbezogen.
Er beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Januar 2022 (VG 18 K 486/20) zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 22. Mai 2020, geändert durch die Bescheide vom 12. Juni 2020 und 3. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2020 sowie die weiteren Bescheide vom 18. März 2021 und 20. Januar 2022 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8. August 2022 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger Leistungen nach dem BAföG ohne Berücksichtigung des ihm von der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg gewährten Stipendiums zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt im Übrigen ergänzend vor: Der Einkommensbegriff im Steuerrecht und im BAföG sei nicht identisch. Zwar verweise § 21 Abs. 1 BAföG auf die positiven Einkünfte nach § 2 EStG, aber nicht abschließend, sondern explizit auch auf Absatz 3. Deshalb würden auch weitere Einkünfte als Einkommen wie z.B. Ausbildungsbeihilfen nach § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG und sonstige Einnahmen zur Deckung des Lebensbedarfs nach Nummer 4 in Verbindung mit der BAföG-Einkommensverordnung als Einkommen gelten. Hier sei das Vorliegen einer anrechenbaren Ausbildungsbeihilfe zu bejahen, weil es sich um eine Zuwendung ohne Einschränkung oder Zweckbestimmung (Studienmittel, Fahrtkosten etc.) handele. Es solle primär der Deckung des Lebensunterhalts oder der Aufwendungen dienen, die im Zusammenhang mit der Ausbildung stünden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
I. Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist insgesamt zulässig, zumal der Beklagte zur Erweiterung der Klage durch Einbeziehung der Bescheide für die weiteren Bewilligungszeiträume sein Einverständnis erklärt hat (§ 91 Abs. 1 VwGO).
II. Die auf Gewährung höherer Ausbildungsförderung gerichtete Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen entsprechenden Förderanspruch. Die Ablehnung seines hierauf gerichteten Begehrens durch die angefochtenen Bescheide ist rechtmäßig und verletzt ihn daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Zwar ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Zuwendungen aus dem fraglichen Stipendium seien ausbildungsförderungsrechtlich als Einkommen im Sinne des § 21 Abs. 1 BAföG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 und 2 EStG anrechenbar, unzutreffend (dazu unter 1.). Die Anrechenbarkeit der Leistungen aus dem Stipendium als ausbildungsförderungsrechtlich berücksichtigungsfähiges Einkommen ergibt sich jedoch aus § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG (dazu unter 2.). Weitere Freibeträge stehen ihm nicht zu (dazu unter 3.).
1. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 BAföG gilt - vorbehaltlich des Satzes 3, der Absätze 2a, 3 und 4 - als Einkommen die Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 EStG. Die Leistungen aus dem Stipendium sind keine Einkünfte in diesem Sinne.
a) Sie stammen nicht aus nichtselbstständiger Arbeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 19 EStG, denn sie sind keine Entlohnung für eine Arbeitsleistung, sondern eine Unterstützung für die Ausbildung als Mediziner (zu den einkommensteuerrechtlichen Maßstäben vgl. FG Niedersachsen, Urteil vom 14. Februar 2019 - 10 K 247/17 -, juris Rn. 29 m.w.N.). Ebenso wenig stellt sich das Stipendium als eine (vorweggenommene) Vergütung der sich der Ausbildung ggf. anschließenden ärztlichen Tätigkeit dar (vgl. FG Thüringen, Urteil vom 14. März 2018 - 3 K 737/18 -, juris Rn. 47).
b) Die Leistungen aus dem gewährten Stipendium sind auch keine sonstigen Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 in Verbindung mit § 22 EStG.
aa) Für § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG, der Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6) noch zu den Einkünften im Sinne der Nr. 1, 1a, 2 oder 4 gehören, erfasst, hat das der Bundesfinanzhof mit dem von dem Kläger angeführten Urteil vom 11. Dezember 2020 - IX R 33/18 - (BFHE 271, 63 ff.) ausdrücklich entschieden.
Danach ist eine (sonstige) Leistung im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und eine Gegenleistung auslöst. Dabei kommt es nicht auf ein synallagmatisches Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Sinne eines wechselseitigen Austauschvertrags an. Entscheidend ist, ob die Gegenleistung (das Entgelt) durch das Verhalten des Steuerpflichtigen (Leistung) veranlasst ist. Insoweit ist in erster Linie die (objektivierte) Perspektive des Leistenden entscheidend (a.a.O., juris Rn. 19 f. m.w.N.). Der Bundesfinanzhof hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen hinsichtlich eines Förderungsvertrages über den Erhalt von „Fördermaßnahmen für Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung, die den Facharzt für Allgemeinmedizin und den Facharzt für Innere Medizin absolvieren“ durch das Bundesland Thüringen in Form einer einmaligen Zahlung in Höhe von 15.000 Euro in der zitierten Entscheidung verneint. Grundsätzlich könne die (zukünftige) ärztliche Tätigkeit als Leistung dem Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG unterfallen. Auch ein Unterlassen etwa in Gestalt eines Rechtsverzichts könne eine Leistung im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG sein. Die vom Finanzgericht in der Vorinstanz angenommene Veranlassung der Einmalzahlung durch die spätere Berufstätigkeit bzw. durch Unterlassen einer beruflichen Betätigung außerhalb des Freistaats Thüringen lasse sich dem Fördervertrag jedoch nicht entnehmen. Hiernach erhielten die Stipendiaten die Förderung bereits dann, wenn sie sich verpflichteten, nach erfolgreichem Abschluss der Facharztprüfung für vier Jahre im Freistaat Thüringen tätig zu sein. Auslösendes Moment für die Einmalzahlung und insofern Kern und Schwerpunkt des Fördervertrages sei somit die im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrags erklärte Bereitschaft, zukünftig vier Jahre als Arzt im Freistaat Thüringen tätig zu sein. Die zukünftige ärztliche Tätigkeit selbst sei dagegen nicht der Grund für die Zahlung, sondern schaffe lediglich die weiteren Voraussetzungen für das Behaltendürfen der Einmalzahlung (BFH, a.a.O., juris Rn. 26).
Diese Erwägungen lassen sich auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen. Auslösendes Moment für die Gewährung des Stipendiums ist - hier wie in jenem Fall - die vom Empfänger des Stipendiums erklärte Bereitschaft, zukünftig für eine bestimmte Anzahl von Jahren als Arzt in einem bestimmten Bundesland tätig zu sein. Das Behaltendürfen der ausgezahlten Mittel ist an die (weitere) Voraussetzung geknüpft, dass diese Tätigkeit für die vorgesehene Dauer ausgeübt wird.
Aus dem vom Verwaltungsgericht angeführten Urteil des Finanzgerichts Thüringen vom 14. März 2018 - 3 K 737/17 - folgt nichts Anderes. Eben jene Entscheidung war Gegenstand des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 11. Dezember 2020 - IX R 33/18 -, der das Urteil des Thüringer Finanzgerichts aufgehoben und das in jenem Fall zu versteuernde Einkommen um den Betrag des Stipendiums vermindert hat.
bb) Auch im Hinblick auf den vom Beklagten hervorgehobenen Umstand, dass es sich vorliegend um eine höhere Förderungssumme als in dem zitierten Fall und nicht lediglich um eine einmalige Auszahlung handele, gelangt man einkommensteuerrechtlich nicht zu einem anderen Ergebnis.
Denn eine Steuerpflicht des Stipendiums ergibt sich auch nicht gemäß § 22 Nr. 1 EStG, der Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören, für steuerbar erklärt.
Der Kläger erhält mit dem Stipendium zwar regelmäßige monatliche Zahlungen aufgrund eines einheitlichen Rechtsgrundes, nämlich des Zuwendungsbescheides vom 7. April 2020, und damit wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 22 Nr. 1 EstG (vgl. zu diesen Anforderungen FG Niedersachsen, Urteil vom 14. Februar 2019 - 10 K 247/19 -, EFG 2019, 706 ff., juris Rn. 33 m.w.N.). Allerdings ist eine Steuerbarkeit insoweit gemäß § 22 Nr. 1 Satz 2 HS 1 EStG dann zu verneinen, wenn die wiederkehrenden Bezüge freiwillig, aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht oder einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gewährt werden. Entscheidend ist dabei, dass die wiederkehrenden Bezüge gegenleistungsfrei zufließen (BFH, Urteil vom 8. Juli 2020 - X R 6/19 -, BFHE 269, 556, juris Rn. 30). Letzteres ist vorliegend anzunehmen.
Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Gegenleistung bestehe vorliegend in der von dem Kläger eingegangenen Verpflichtung, nach dem Studium für eine Dauer von mindestens fünf Jahren in ländlichen Regionen Brandenburgs ärztlich tätig zu sein. Diese „Gegenleistung“ steht in keinem steuerrechtlichen Zusammenhang zur Gewährung des Stipendiums.
Das Stipendium ist keine Bezahlung für die erklärte Leistungsbereitschaft, sich in Brandenburg ärztlich zu betätigen, sondern sie soll als Anreiz die innere Bereitschaft auslösen bzw. stärken, in Brandenburg als Arzt zu arbeiten. Der Kläger erhält die Zuschüsse aus dem Stipendium unabhängig davon, ob er später die Tätigkeit in Brandenburg aufnimmt. Die KVB könnte weder durchsetzen, dass sich der Kläger in Brandenburg niederlässt, noch könnte sie verhindern, dass er außerhalb Brandenburgs als Arzt arbeitet. Daher ist das Stipendium auch keine Vergütung der späteren ärztlichen Tätigkeit im Land Brandenburg. Die Vergütung für eine etwaige spätere ärztliche Tätigkeit in Brandenburg erhielte der Kläger vielmehr unabhängig von dem ihm gewährten Stipendium. Ebensowenig „erwirtschaftet“ der Kläger die wiederkehrenden Bezüge durch eine spätere ärztliche Tätigkeit. Es handelt sich daher um eine freiwillige Unterhaltsleistung der KVB (vgl. zu diesem Aspekt: FG Niedersachsen, Urteil vom 14. Februar 2019 - 10 K 247/17 -, EFG 2019, 706 ff., juris Rn. 47). Auch insoweit ist die zukünftige Tätigkeit nicht der Grund für die Zahlungen, sondern schafft lediglich die weiteren Voraussetzungen für deren Behaltendürfen (s. insoweit schon oben BFH, Urteil vom 11. Dezember 2020 - IX R 33/18 -, zu dem wegen einer Einmalzahlung § 22 Nr. 3 EStG betreffenden Fall).
2. Die Leistungen aus dem Stipendium sind ausbildungsförderungsrechtlich allerdings nach § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG als Einkommen anrechenbar.
a) Nach dieser Vorschrift gelten über die in § 21 Abs. 1 BAföG enthaltene Verweisung auf die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften hinaus Ausbildungsbeihilfen, die nicht nach dem BAföG gewährt werden, als Einkommen im Sinne des Ausbildungsförderungsrechts; sofern sie begabungs- und leistungsabhängig nach von dem Geber allgemeingültig erlassenen Richtlinien ohne weitere Konkretisierung des Verwendungszwecks vergeben werden, gilt dies jedoch nur, soweit sie im Berechnungszeitraum einen Gesamtbetrag übersteigen, der einem Monatsdurchschnitt von 300 Euro entspricht.
Mit dieser Regelung sollen Förderungsleistungen, die mit der Ausbildungsförderung nach dem BAföG zweckidentisch sind, erfasst werden, um eine mehrfache Förderung mit Steuergeldern im Hinblick auf die in § 1 BAföG zum Ausdruck kommende Nachrangigkeit der Ausbildungsförderung als Sozialleistung auszuschließen.
Ausbildungsbeihilfen in diesem Sinne sind daher Unterstützungsleistungen aus öffentlichen Mitteln, die aufgrund von öffentlich-rechtlichen Normen zum Zwecke der Durchführung einer Ausbildung gewährt werden und die nicht Einkünfte im Sinne des EStG sind (Hartmann, in Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., 48 Lfg., November 2021, § 21 Rn. 23.1). Davon erfasst sind Stipendien in jeder Form, soweit sie nicht einkommensteuerpflichtig sind (Knoop, in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Auflage 2020, § 21 Rn. 32). Dabei meint der Begriff der Ausbildungsbeihilfe im Sinne der Vorschrift nur staatliche Leistungen (BVerwG, Urteil vom 21. September 1989 - 5 C 10.87 -, BVerwGE 82, 323 ff., juris Rn. 13). Staatliche Leistungen sind solche, die aus öffentlichen Mitteln stammen. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Das Stipendium bezweckt, dem Kläger die Ausbildung zum Arzt zu ermöglichen, indem es ihm laufende Leistungen ohne besondere Zweckbindung gewährt, die er für seinen Lebensunterhalt verwenden kann. Es gleicht damit seiner Struktur und seinem Zweck nach den Ausbildungsförderungsleistungen nach dem BAföG. Es ist zudem eine staatliche Unterstützungsleistung in diesem Sinne. Es wird dem Kläger von der KVB, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, gewährt und aus Steuermitteln finanziert.
Dass es nach Ziffer 1.2.1 der Landärztinnen/Landärzte-Richtlinie Ziel des Stipendiums ist, eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe medizinische Versorgung der Bevölkerung im Land Brandenburg flächendeckend und nachhaltig sicherzustellen, rechtfertigt es nicht, das Vorliegen einer Ausbildungsbeihilfe im Sinne des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG zu verneinen. In rechtssystematischer Hinsicht kann dies aus dem Umstand abgeleitet werden, dass auch begabungs- und leistungsabhängige Stipendien, die über die Förderung der Ausbildung hinaus weitere Zwecke verfolgen, indem sie gerade einen über den „normalen“ Ausbildungserfolg hinaus gehenden besonderen Leistungsanreiz setzen, vom Gesetzgeber dem Grunde nach als Ausbildungsbeihilfen angesehen werden, wenngleich sie auch nur angerechnet werden, soweit sie im Berechnungszeitraum einen Gesamtbetrag übersteigen, der einem Monatsdurchschnitt von 300 Euro entspricht (vgl. die Begründung des Entwurfs des 23. BAföGÄndG in BT-Drs. 17/1551, S. 31). Im Übrigen ist es durchaus üblich, dass Stipendien für Ausbildungszwecke neben der Bedarfssicherung oder -unterstützung zugleich weitergehende gemeinnützige Zwecke verfolgen oder Anreize hierfür schaffen oder stärken sollen. Dementsprechend ist auch vorliegend die Sicherung der medizinischen Versorgung in Brandenburg Ziel der Gewährung des Stipendiums. Dieses Ziel sucht der Richtliniengeber durch Sicherung des Lebensunterhalts der Zuwendungsbegünstigten während der Ausbildung zu erreichen.
Der Einwand des Klägers, Ausbildungsbeihilfe, wie etwa das BAföG, werde unabhängig von Erfolg oder Misserfolg des Empfängers gewährt und sei auch nicht zurückzuzahlen, überzeugt nicht. Eine unter bestimmten Umständen mögliche Rückzahlungspflicht des Klägers schließt die Qualifizierung des Stipendiums als Ausbildungsbeihilfe im Sinne der genannten Vorschrift nicht aus. Denn eine ggf. unter bestimmten Voraussetzungen anzunehmende Rückzahlbarkeit steht der Annahme des Vorliegens einer Ausbildungsbeihilfe nicht grundsätzlich entgegen. Das zeigt sich bereits daran, dass auch Ausbildungsförderung nach dem BAföG regelmäßig nur teilweise als Zuschuss und zum anderen Teil als Darlehen, teilweise sogar ausschließlich als Darlehen gewährt wird (vgl. § 17 Abs. 2 und Abs. 3 BAföG). Dem entspricht im Übrigen, dass auch das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, Ausbildungsbeihilfen, die darlehensweise erbracht würden, könnten Leistungen im Sinne des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG sein (Urteil vom 21. September 1989 - 5 C 10.87 -, BVerwGE 82, 323 ff., juris Rn. 11).
b) Auch § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG hindert die Anrechnung des Stipendiums als ausbildungsförderungsrechtlich berücksichtigungsfähiges Einkommen entgegen der Auffassung des Klägers nicht.
Nach dieser Vorschrift gelten Einnahmen dann nicht als Einkommen, wenn ihre Zweckbestimmung einer Anrechnung auf den Bedarf entgegensteht; dies gilt insbesondere für Einnahmen, die für einen anderen Zweck als für die Deckung des Bedarfs im Sinne dieses Gesetzes bestimmt sind.
Die Nichtberücksichtigung bestimmter Einnahmen als Einkommen nach § 21 Abs. 4 BAföG beruht darauf, dass ihre besondere Zweckbestimmung der Verwendung für den Bedarf des Auszubildenden entgegensteht (Hartmann, in Rothe/Blanke, a.a.O., Rn. 27). Bedarf in diesem Sinne ist insbesondere der Lebensunterhalt (§ 11 Abs. 1 BAföG). Entscheidendes Kriterium für die Anwendung der Vorschrift ist damit, ob die Leistungen einem bestimmten Zweck dienen, der nicht in der Bedarfsdeckung besteht. Darunter fallen namentlich Leistungen, die auf den Ausgleich individueller Lasten gerichtet sind. Im Falle von Auslandsstipendien kann dies bspw. Reisekostenanteile, Studiengebühren oder erhöhte Unterkunftskosten betreffen (vgl. Knoop, in Ramsauer/Stallbaum, a.a.O., Rn. 46 und 48; Hartmann, in Rothe/Blanke, a.a.O., Rn. 29.1). Ausgenommen von der Anrechnung als Einkommen sind demnach Stipendien, die Ausgaben für spezifisch konkretisierte Zwecke decken sollen, die mit den Förderungszwecken des BAföG und dessen Bedarfsbegriff nicht identisch sind (BT-Drs. 17/1551, S. 31).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn der Kläger erhält das Stipendium ohne besondere Zweckbindung und damit zur Sicherung seines Lebensunterhalts.
3. Das dem Kläger gewährte Stipendium ist auch in vollem Umfang als Einkommen anrechenbar, denn nach § 23 Abs. 4 Nr. 2 Satz 1 BAföG werden Ausbildungsbeihilfen und gleichartige Leistungen aus öffentlichen Mitteln oder von Förderungseinrichtungen, die hierfür öffentliche Mittel erhalten, voll auf den Bedarf angerechnet. Diese Voraussetzungen liegen aus den dargelegten Gründen vor.
Der Einwand des Klägers, nach Ziffer 23.4.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz - BaföGVwV - seien Ausbildungsbeihilfen nur dann voll anrechenbar, wenn sie nach § 21 BAföG als Einkommen gelten, rechtfertigt schon deshalb keine abweichende Einschätzung, weil das Stipendium des Klägers jedenfalls gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG als Einkommen gilt.
III. Die gegen die Rückforderung gerichtete Anfechtungsklage ist ebenfalls unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind auch insoweit rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, Grundlage für die Rückforderung der 1.866 Euro für die zu viel gewährten Leistungen im Zeitraum April bis einschließlich Juni 2020 sei § 20 Abs. 1 Nr. 3 BAföG. Danach ist ein Bewilligungsbescheid aufzuheben und der Förderungsbetrag zu erstatten, soweit die Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung an keinem Tage des Kalendermonats vorgelegen haben, für den sie gezahlt wurden, wenn der Auszubildende Einkommen im Sinne von § 21 BAföG erzielt hat, welches bei der Bewilligung der Ausbildungsförderung nicht berücksichtigt worden ist. Diese Voraussetzungen lägen vor. Der Kläger habe seit dem 1. April 2020 Einkommen im Sinne von § 21 BAföG erzielt, welches bei der Bewilligung der Ausbildungsförderung durch Bescheid vom 11. Dezember 2019 nicht berücksichtigt worden sei. Bei der Entscheidung stehe der Behörde kein Ermessen zu. Gemäß § 50 Abs. 1 SGB X seien die bereits erbrachten Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden sei.
Der Kläger hat diese Ausführungen mit der Berufung nicht angegriffen. Anlass, die rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts oder die Berechnung des Beklagten hinsichtlich des Rückforderungsbetrages in Zweifel zu ziehen, besteht nicht. Die Rückforderung bezieht sich auf die Überzahlung für die Monate April, Mai und Juni 2020. Dem Kläger sind für diese Monate mit Bescheid vom 11. Dezember 2019 jeweils 933 Euro an Ausbildungsförderungsleistungen gewährt worden. Das entspricht in der Summe 2.799 Euro. Infolge der Anrechnung des Stipendiums wurde der monatliche Förderbetrag auf 311 Euro reduziert. Das entspricht in der Summe 933 Euro. Die Differenz zwischen beiden Förderbeträgen ist in der Summe 1.866 Euro. Das ist der Rückforderungsbetrag.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.