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Kinder- und Jugendhilferecht


Metadaten

Gericht VG Cottbus 8. Kammer Entscheidungsdatum 13.12.2022
Aktenzeichen 8 K 1120/19 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2022:1213.8K1120.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 46 Abs 1 BZRG, § 36a Abs 3 SGB 8, § 44 Abs 1 SGB 8, § 27 SGB 8, § 44 Abs 2 SGB 8, § 50 Abs 1 S 1 SGB 10, § 176 StGB, § 51 Abs 1 BZRG, § 33 SGB 8, § 72a Abs 1 S 1 SGB 8

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klagenden tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, gesamtschuldnerisch.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klagenden bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin und der Kläger begehren die Weiterführung der von dem Beklagten beendeten Hilfe zur Erziehung für ihr Pflegekind, dem am 18. Juli 2005 in Cottbus geborenen, geistig behinderten C....

C... lebte seit November 2007 in der Pflegefamilie W... in C... , denen mit Beschluss des Amtsgerichts Cottbus – Familiengericht – vom 20. April 2011 – Az. 5... – die elterliche Sorge für das Kind übertragen worden war. Hierfür leistete der Beklagte Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege. Ab Mitte des Jahres 2015 litten die Pflegeeltern unter erheblichen gesundheitlichen Problemen, in deren Folge die Pflegemutter schließlich am 8. Juni 2017 verstarb und der Pflegevater stationär untergebracht werden musste. Ab Juli 2017 wurde C... deshalb durch die Klagenden betreut, bei denen er in den Jahren zuvor aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehung der Klägerin zu seinem bisherigen Pflegevater bereits wiederholt seine Ferien verbracht hatte. Mit Beschluss vom 3. August 2017 – A... – übertrug das Amtsgericht Cottbus – Familiengericht – den Klagenden die elterliche Sorge für C... gemäß § 1630 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Nachdem der Pflegekinderdienst der Stadt L... (P... ) auf ein entsprechendes Amtshilfeersuchen des Beklagten vom 18. Juli 2017 mit Schreiben vom 6. November 2017 die Eignung der Klagenden als Pflegepersonen festgestellt hatte, bewilligte der Beklagte ihnen mit Bescheid vom 24. November 2017 rückwirkend zum 3. August 2017 Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege für C... . Am 5. März 2018 schlossen die Beteiligten zudem einen Pflegevertrag. Die Betreuung und Beratung der Familie wurden in der Folgezeit durch den P... der Stadt L... in Amtshilfe geleistet.

Am 1. April 2019 sprachen die Klagenden beim P... der Stadt L... vor und informierten diesen darüber, dass gegen den Kläger seit Oktober 2016 ein Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs anhängig sei, das sich mittlerweile in der Revisionsinstanz befinde. Der Kläger habe im Jahr 2014 zwei Jungen aus der Nachbarschaft beim Herumtoben bzw. der von ihm als Hobby betrieben Herstellung von Trickfilmen unangemessen berührt.

Mit Schreiben vom selben Tage setzte der P... hierüber den Beklagten in Kenntnis und teilte gleichzeitig mit, dass aufgrund dieser Informationen keine Eignung der Klagenden als Pflegepersonen mehr gesehen würde, weshalb beabsichtigt sei, diesen die Eignung zu entziehen. Daraufhin bat der Beklagte mit Schreiben vom 3. April 2019 um Einleitung einer Kinderschutzprüfung, um nach entsprechender Gefährdungseinschätzung die weitere Perspektive C... klären zu können. Der P... teilte am 4. April 2019 mit, dass das Verfahren durch den Allgemeinen Sozialen Dienst West (A... ) der Stadt L... eingeleitet und dass den Klagenden in einem Gespräch am Vortag „die Eignung als Pflegepersonen gemäß § 33 SGB VIII entzogen und die Hilfe zur Erziehung beendet“ worden sei. Mit Schreiben vom selben Tage stellte der A... beim Amtsgericht L... – Familiengericht – einen Antrag auf Erörterung einer Kindeswohlgefährdung/einstweilige Anordnung gemäß § 157 FamFG (Az.... – Hauptsacheverfahren –), wies mit Schreiben vom 30. April 2019 aber darauf hin, dass eine akute Kindeswohlgefährdung derzeit nicht bestätigt werden könne.

Mit Bescheid ebenfalls vom 4. April 2019 teilte der Beklagte den Klagenden mit, dass die Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege mit sofortiger Wirkung beendet werde. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass durch das Jugendamt L... aufgrund des strafrechtlichen Verfahrens gegen den Kläger die Pflegeerlaubnis entzogen worden sei. Hierzu bestätigte der P... mit Schreiben vom 9. Mai 2019, dass der Entzug der Eignung aufgrund des Bekanntwerden des strafrechtlichen Verfahrens sowie der fehlenden Transparenz in der Zusammenarbeit erfolgt sei. Mit Be endigungs- und Rückforderungsbescheid vom 5. April 2019 forderte der Beklagte zudem ein überzahltes Pflegegeld in Höhe von 775,93 Euro zurück.

Am 2. Mai 2019 erhoben die Klagenden gegen diese Bescheide Widerspruch, den sie damit begründeten, dass ihnen ein Entzug der Pflegeerlaubnis nicht bekannt sei und C... weiterhin in ihrem Haushalt lebe.

Am 13. Mai 2019 verwarf das Oberlandesgericht Dresden die Revision des Klägers gegen den Rechtsfolgenausspruch seiner Verurteilung durch das Amtsgericht Leipzig vom 12. Februar 2018 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung, die damit insgesamt rechtskräftig wurde.

Die Widersprüche der Klagenden vom 2. Mai 2019 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. August 2019 zurück. Seine Entscheidung begründete er damit, dass weder im Zeitpunkt der Prüfung und Erteilung der Pflegeerlaubnis durch das Jugendamt der Stadt L... noch danach bekannt gewesen sei, dass gegen den Kläger bereits seit Oktober 2016 ein strafrechtliches Verfahren wegen einschlägiger Straftaten laufe, welches die persönliche Eignung nach § 72a SGB VIII ausschließe. Durch den Entzug der Pflegeerlaubnis seien das Pflegeverhältnis beendet und der Pflegevertrag gegenstandslos.

Mit Schreiben vom 19. August 2019 beantragten die Klagenden bei dem Beklagten wörtlich die Fortsetzung bzw. Neubewilligung der Pflegegeldzahlung.

Am 23. August 2019 haben sie zudem die vorliegende Klage erhoben, mit der sie sich zunächst gegen die Beendigung der Hilfe mit Bescheid vom 4. April 2019 wendeten. Ihre gleichzeitig beim Sozialgericht Cottbus gegen den Beendigungs- und Rückforderungsbescheid vom 5. April 2019 erhobene Klage haben die Klagenden nach Verweisung an das Verwaltungsgericht Cottbus am 8. Januar 2020 zurückgenommen, nachdem sie die vorliegende Klage bereits am 9. September 2019 entsprechend erweitert hatten.

Mit Bescheid vom 3. September 2019 hat der Beklagte den Antrag der Klagenden vom 19. August 2019, den er als Antrag auf Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege ausgelegt hat, abgelehnt. Zwar bestehe für C... ein entsprechender Hilfebedarf. Eine Bewilligung der Hilfe für den Haushalt der Klagenden könne jedoch nicht erfolgen, da diese derzeit über keine Erlaubnis zur Vollzeitpflege nach § 44 SGB VIII verfügten, die ihnen vielmehr am 3. April 2019 durch die Stadt L... entzogen worden sei. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klagenden vom 27. September 2019 hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2019, den Klagenden zugestellt am selben Tage, zurückgewiesen. Die Installierung einer Hilfe nach § 33 SGB VIII bedürfe der Erlaubnis zur Vollzeitpflege, welche den Klagenden jedoch aberkannt worden sei.

Am 6. November 2019 haben die Klagenden daraufhin die vorliegende Klage auf den Bescheid vom 3. September 2019 erweitert.

Sie behaupten im Wesentlichen, dass ihnen die Pflegeerlaubnis nicht entzogen worden sei. Zwar seien die ihnen ausgestellten Pflegeausweise eingezogen worden, dass die Pflegebefugnis oder der Bezug des Pflegegeldes damit ende bzw. ihnen die Pflegeeignung aberkannt werde, sei aber nicht erklärt worden. Auch ein entsprechender Bescheid sei nicht erlassen worden. Erfolge die Pflege aber tatsächlich, müsse auch eine Pflegebefugnis gegeben sein. Nach wie vor lebe C... , der unstreitig einen entsprechenden Hilfebedarf habe, mit Zustimmung aller Beteiligten in ihrem Haushalt und werde von ihnen betreut und erzogen. Eine Gefährdungssituation bestehe für ihn nicht und sei auch von dem Beklagten nicht festgestellt worden. Wie das Landgericht L... im Strafverfahren gegen den Kläger festgestellt habe, lägen die Taten inzwischen lange zurück und seien geringfügige Übergriffe gewesen. Der Kläger sei nicht vorbestraft und werde auch keine Straftaten mehr begehen. Er lebe in geordneten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen und nehme ärztliche bzw. psychotherapeutische Hilfe zur Aufarbeitung der Straftaten in Anspruch. Dabei sei ein Profil erarbeitet worden, das ein Rückfallrisiko als unwahrscheinlich einschätze. Zudem besuchten die Klagenden zusammen mit C... eine Familientherapie, in der der Kläger als dessen wichtigste Bezugsperson identifiziert worden sei. Diese Maßnahmen würden durch den A... der Stadt L... begleitet und finanziert. Hinsichtlich der Klägerin sei eine fehlende Eignung als Pflegeperson ohnehin zu keiner Zeit behauptet worden. C... Entwicklung werde von allen Seiten als positiv eingeschätzt; sein Verbleib bei ihnen entspreche vor allem auch seinem und dem Wunsch seiner leiblichen Mutter.

Die Klagenden beantragen sinngemäß,

1. die Bescheide des Beklagten vom 4. April 2019 und vom 5. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2019 aufzuheben und

2. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 3. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2019 zu verpflichten, ihnen für ihr Mündel C... ab dem 19. August 2019 Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist im Wesentlichen der Auffassung, dass der Kläger aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilung als nicht zur Erziehung von Kindern geeignet erscheine. Zwar sei den Klagenden tatsächlich nicht die Pflegeerlaubnis entzogen worden. Vielmehr hätten diese gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2 SGB VIII gar keiner Erlaubnis bedurft, nachdem ihnen mit Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 3. August 2017 gemäß § 1630 Abs. 3 Satz 1 BGB die elterliche Sorge für C... übertragen worden sei und sie demgemäß die Rechte und Pflichten von Pflegenden gehabt hätten. Die hier in Rede stehende Vollzeitpflege sei also erlaubnisfrei, setze aber jedenfalls voraus, dass die Pflegestelle geeignet sei. Diese Eignung sei den Klagenden hier aberkannt worden. Hierfür sei die rechtskräftige Verurteilung des Klägers wegen einer Straftat nach §§ 174 ff. StGB ein sachgerechter Grund gewesen. § 72a SGB VIII sehe für die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe einen klaren Tätigkeitsausschluss für einschlägig vorbestrafte Personen vor. Infolgedessen sei die Hilfe zu beenden und das überzahlte Pflegegeld zurückzufordern gewesen. Pflegefamilien würden jenseits der Hilfeplanung regelmäßig nicht beaufsichtigt, so dass das Jugendamt keine oder eine nur unzureichende Kontrollfunktion ausübe. Dass der Kläger sich intensiv mit seiner Verurteilung auseinandersetze und diese reflektiere, könne nicht erkannt werden. Auch von der Klägerin gingen trotz der im Abschlussbericht der Aufsuchenden Familientherapie vom 11. November 2020 benannten Anspannungen, wenn der Kläger mit C... allein sei, keine klaren Handlungsstrategien bezüglich einer Aufklärung und Auseinandersetzung aus. Vielmehr hielten beide die Straftaten und die Verurteilung des Klägers entgegen des therapeutischen Rates als Familiengeheimnis gegenüber C... aufrecht.

Mit Beschluss vom 2. März 2021 hat das Amtsgericht Leipzig – Familiengericht – das Verfahren 3... eingestellt, da nach den Feststellungen des Gerichts kein Anlass für gerichtliche Maßnahmen gemäß § 1666 BGB bestehe. Zuvor hatte die vom Gericht mit Beweisbeschluss vom 10. Juli 2019 beauftragten Gutachterin mit Schreiben vom 12. Januar 2021 eine entsprechende Empfehlung abgegeben, da die Pflegefamilie ausreichend in der Lage sei, die Verantwortung für C... zu übernehmen. Das einstweilige Anordnungsverfahren 3... war bereits im Sommer 2017 eingestellt worden, nachdem die als Verfahrensbeistand für C... fungierende Rechtsanwältin mit Schreiben vom 3. Juli 2019 erklärt hatte, dass sie ein gerichtliches Eingreifen in die elterliche Sorge der Klagenden durch einstweilige Entscheidungen nicht für erforderlich halte.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Vortrages der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang (5 Hefte) ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Über die Klage kann die Kammer durch die Einzelrichterin, der der Rechtsstreit mit Beschluss vom 19. Mai 2021 zur Entscheidung übertragen worden ist, gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Klagenden und der Beklagte hiermit einverstanden erklärt haben.

Die Klage ist als Anfechtungs- und als Verpflichtungsklage in Form einer Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Die Klage ist jedoch sowohl mit ihrem Antrag zu Ziffer 1 (hierzu unter 1.) als auch zu Ziffer 2 (hierzu unter 2.) unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind jedenfalls im Ergebnis rechtmäßig und verletzten die Klagenden daher nicht in ihren Rechten. Diesen stand im hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum die von ihnen begehrte Hilfe zur Erziehung nicht zu, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.

1. Die mit Bescheiden vom 4. und 5. April 2019 erfolgte Einstellung der den Klagenden zuvor gewährten Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege und die darauf basierende Rückforderung von Pflegegeld sind rechtmäßig.

1.1. Ihre Rechtsgrundlage hat die Hilfe zu Erziehung in Form von Vollzeitpflege in §§ 27, 33 des Achten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VIII).

Gemäß § 27 Abs. 1 SGB VIII haben Personensorgeberechtigte bei der Erziehung eines Kindes Anspruch auf Hilfe, wenn eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll nach § 33 Satz 1 SGB VIII entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten.

Hier sind die Klagenden als Inhabende der Personensorge grundsätzlich anspruchsberechtigt nach §§ 27 ff. SGB VIII. Da eine dem Wohl C... entsprechende Erziehung in seiner Herkunftsfamilie – also von seinen leiblichen Eltern – unstreitig nicht erbracht werden kann, besteht auch ein erzieherischer Bedarf für eine entsprechende Hilfemaßnahme i. S. d. §§ 27 ff. SGB VIII, wobei im Hinblick auf den konkreten Bedarf C... und seine bisherige (Hilfe-)Biographie eine Maßnahme der Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII geeignet erscheint. Auch dies ist im Grundsatz zwischen den Beteiligten unstreitig.

Die konkret begehrte Vollzeitpflege durch die Klagenden kommt aber nur dann als geeignete Jugendhilfemaßnahme in Betracht, wenn die Klagenden auch als Pflegepersonen geeignet sind, eine dem Wohl C... entsprechende Erziehung zu gewährleisten. Daran fehlt es hier jedoch im insoweit maßgeblichen Zeitraum bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2019 als letzter behördlicher Entscheidung.

Zwar bedurften die Klagenden entgegen der ursprünglichen Annahme des Beklagten hier keiner Pflegeerlaubnis im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, die ihnen folglich auch nicht entzogen werden konnte. Denn einer solchen Erlaubnis bedarf gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII nicht, wer ein Kind oder einen jugendlichen Menschen im Rahmen von Hilfe zur Erziehung aufgrund einer Vermittlung durch das Jugendamt in seinen Haushalt aufnimmt. Vielmehr hat das Jugendamt im Rahmen der Entscheidung über die im Einzelfall geeignete und notwendige Hilfe ohnehin die Eignung der gewünschten Pflegepersonen zu überprüfen, was die Feststellung im Sinne von § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, dass das Wohl des Kindes oder jugendlichen Menschen in der Pflegestelle gewährleistet ist, mit einschließt. Der Begriff der Vermittlung durch das Jugendamt ist dabei weit im Sinne einer Einschaltung des Jugendamtes als fachlich verantwortlicher Mittler zu verstehen, wofür es auch genügt, dass das Jugendamt in Fällen, in denen das Pflegeverhältnis zunächst ohne Einschaltung der Behörde zustande gekommen ist, mit der Gewährung einer Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege die fachliche Verantwortung für die Geeignetheit der Pflegepersonen in dem konkreten Pflegeverhältnis übernimmt (vgl. zum Ganzen: Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 7. Juni 2017 – 4 LA 281/16 –, juris Rn. 7).

So liegt der Fall hier. Die Aufnahme C... in den Haushalt der Klagenden und der Abschluss des Pflegevertrages erfolgte unabhängig davon, dass die Klagenden zuvor bereits über ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu der vorigen Pflegefamilie des Kindes persönliche Beziehungen zu ihm geknüpft und ihn auch bereits in den Ferien betreut hatten, auf Grundlage der seitens des Beklagten gewährten Hilfe zur Erziehung und damit auf dessen Vermittlung. Da ihre Eignung als Pflegepersonen für C... im Rahmen der Gewährung der Hilfe und als Voraussetzung hierfür – in Amtshilfe für den Beklagten – durch den P... der Stadt L... überprüft worden war, bedurften sie also keiner gesonderten Pflegeerlaubnis im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Die gegenüber den Klagenden ausgesprochene „Entziehung der Eignung als Pflegepersonen“ stellt dementsprechend keinen Entzug einer Pflegeerlaubnis im Sinne von § 44 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII dar, vielmehr ist darin lediglich die – eine Vorfrage zu der sodann erfolgten Einstellung der Hilfe zur Erziehung betreffende – Feststellung zu sehen, dass die Klagenden aufgrund der nunmehr vorliegenden Informationen seitens des P... nicht mehr als geeignete Pflegepersonen angesehen werden.

Es ist jedoch im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte diese Feststellung zur Grundlage seiner Entscheidung über die Einstellung der Hilfe zur Erziehung gemacht hat. Auch wenn die Klagenden keiner Pflegerlaubnis bedürfen, ist ihre Eignung als Pflegepersonen anhand der Vorgaben des § 44 Abs. 2 SGB VIII und somit insbesondere daran zu messen, ob das Kindeswohl in der Pflegestelle gewährleistet ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 9. Dezember 2014  5 C 32/13 , juris Rn. 19; Verwaltungsgericht Regensburg, Urteil vom 10. November 2015 – RO 4 K 15.287 –, juris Rn. 22; Verwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 14. November 2017 – 4 A 16/16 –, juris Rn. 22). Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 72a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist das Wohl eines Kindes oder jugendlichen Menschen unter keinen Umständen gewährleistet, wenn eine Pflegeperson wegen einer der in § 72a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII aufgezählten Katalogstraftaten rechtskräftig verurteilt worden ist (vgl. ebenso Verwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 14. November 2017 – 4 A 16/16 –, juris Rn. 22; Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 17. Januar 2019 – W 3 K 18.67 –, juris Rn. 32.). Die Regelung des § 72a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII benennt ein gesetzliches Eignungshindernis (vgl. so Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. März 2022 – 12 S 1357/21 –, juris Rn. 43), das es dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe ohne weiteren Prüfungs- und Entscheidungsspielraum verwehrt, solche Personen für die Wahrnehmung von Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe zu beschäftigen oder zu vermitteln. Hiervon werden nach Wortlaut („vermitteln“) und Sinn und Zweck der Norm auch Personen erfasst, die als Pflegepersonen in der Kindertagespflege oder der Vollzeitpflege tätig sind (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 18. November 2020 – 12 ZB 20.152 –, juris Rn. 6; Wiesner in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 72a Rn. 18).

Hier ist jedenfalls die Eignung des Klägers als Pflegeperson für C... nach § 72a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII automatisch entfallen, ohne dass es einer weiteren Einzelfallprüfung bedurfte (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 18. November 2020 – 12 ZB 20.152 –, juris Rn. 6; Wiesner in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 44 Rn. 18). Denn der Kläger ist mit Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 12. Februar 2018 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 des Strafgesetzbuches (StGB) und damit wegen einer der in § 72 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII aufgezählten Katalogtaten verurteilt worden. Der – insoweit maßgebliche – Schuldspruch des Urteils ist bestandskräftig geworden, nachdem der Kläger in der Hauptverhandlung des Berufungsverfahrens vor dem Landgericht Leipzig am 6. November 2018 seine Berufung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Basierend hierauf konnte – und musste im Hinblick auf § 72a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII – der Beklagte trotz des zu diesem Zeitpunkt noch anhängigen, aber auf eine Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkten Revisionsverfahrens die Hilfe zur Erziehung im April 2019 mit sofortiger Wirkung einstellen.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Klägerin als weitere Pflegeperson selbst nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Denn ein Mangel der Eignung einer Pflegeperson ist auch dann gegeben, wenn die für die Entwicklung eines Kindes oder jugendlichen Menschen schädlichen Risiken oder Gefährdungen zwar nicht unmittelbar in der Person der Pflegeperson liegen, aber letztlich ihrer Sphäre zuzurechnen sind. Dies ist im Fall eines – wie hier – in der die Pflegestelle bildenden Wohnung mitlebenden Ehemannes, der rechtskräftig wegen einer Katalogstraftat im Sinne des § 72a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII verurteilt worden ist, ohne weiteres der Fall (vgl. auch Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. März 2022 – 12 S 2032/21 –, juris Rn. 40), was vorliegend umso mehr gilt, als der Kläger in den beigezogenen fachlichen Stellungnahmen – im Überprüfungsbericht des P... der Stadt L... vom 21. November 2017 ebenso wie im A... -Abschlussbericht vom 11. November 2020 – nicht nur als der dominantere Part der Eheleute beschrieben wird, sondern auch als wichtigste Bezugsperson bzw. Hauptansprech- und Spielpartner C... , der von seinem Pflegevater im Rahmen ihrer sehr engen, nahezu symbiotischen Beziehung viel Zuwendung und körperliche Nähe einfordere und erhalte. Nicht unberechtigt hat der Beklagte in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass die Klägerin ausweislich des A... -Abschlussberichts selbst eingeräumt hat, „immer in Anspannung zu sein, wenn ihr Mann mit C... allein“ sei.

Dass C... weiterhin im Haushalt der Klagenden lebt und weder der Beklagte sich zu einer Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII noch das Familiengericht zu Maßnahmen nach § 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) veranlasst gesehen haben, steht dem ebenso wenig entgegen wie die positive Entwicklung, die C... nach dem Vortrag der Klagenden genommen hat. Denn derartige, mit einem Eingriff in das Personensorgerecht verbundene Maßnahmen setzen das Vorliegen einer akuten Kindeswohlgefährdung voraus, die nicht deckungsgleich zum Begriff des Kindeswohls im Rahmen der Eignungsfeststellung für Pflegepersonen ist (vgl. Verwaltungsgericht Regensburg, Urteil vom 10. November 2015 – RO 4 K 15.287 –, juris Rn. 25; Verwaltungsgericht Magdeburg, Beschluss vom 24. Januar 2017 – 6 B 322/16 –, juris Rn. 10).

1.2. Im Hinblick hierauf ist auch die mit Bescheid vom 5. April 2019 erfolgte Rückforderung des für den Monat April 2019 überzahlten Pflegegeldes rechtmäßig, § 50 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X).

2. Ebenso wenig haben die Klagenden Anspruch auf die (neuerliche) Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege gemäß §§ 27, 33 SGB VIII ab dem 19. August 2019 bzw. – richtiger, da eine rückwirkende Hilfegewährung ohnehin faktisch nicht möglich ist – auf Aufwendungsersatz in Höhe des Pflegegeldes nach § 39 SGB VIII für eine wegen Systemversagens zulässig selbstbeschaffte Hilfe im Sinne von § 36a Abs. 3 SGB VIII. Denn im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung des Klägers wegen einer Straftat nach § 176 StGB, die ihm mangels Ablauf der Tilgungsfrist des § 46 Abs. 1 Nr. 2 lit. b des Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister (BZRG) auch im hier maßgeblichen Antragszeitpunkt vorgehalten werden kann (vgl. § 51 Abs. 1 BZRG), steht dem geltend gemachten Anspruch nach wie vor das gesetzliche Vermittlungsverbot des § 72a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII entgegen, wofür auf die obigen Ausführungen verwiesen wird. Dementsprechend ist auch der Ablehnungsbescheid vom 3. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2019 zumindest im Ergebnis rechtmäßig.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.