Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 22.11.2022 | |
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Aktenzeichen | 6 K 1291/20 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2022:1122.6K1291.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klägerin begehrt die Trennung ihres Grundstücksanschlusses vom Versorgungsnetz des Beklagten.
Sie ist Eigentümerin des G....
Am 7. Januar 2020 schrieb die Klägerin dem Beklagten, dass sie den Abwasser- und Trinkwasserversorgungsvertrag mit ihm kündige. Zur Begründung gab sie an, dass die Verantwortlichen der Stadt D... den Verkauf des Grundstücks und die gewerbliche Nutzung des unter anderem darauf befindlichen Parkplatzes verhinderten.
Mit Schreiben vom 28. Januar 2020 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass eine Trennung des Hausanschlusses an das öffentliche Wasser- und Abwassernetz nicht erfolgen werde.
Daraufhin hat die Klägerin am 30. Januar 2020 Klage bei dem Amtsgericht Bad Liebenwerda erhoben. Mit Beschluss vom 15. Juni 2020 hat das Amtsgericht den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Cottbus verwiesen.
Die Klägerin trägt vor, dass Veranlassung zur Kündigung des Versorgungsvertrags bestehe. Sie benötige kein Trinkwasser. Das Gebäude werde als Lagerstädte für den Versandhandel ihres Unternehmens genutzt. Es werde seit Jahren kein Trinkwasser mehr entnommen, auch falle kein Schmutzwasser an.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, die Trinkwasserhausanschluss und den Schmutzwasserhausanschluss für das Grundstück S... vom öffentlichen Leitungsnetz zu trennen,
hilfsweise
den Beklagten zu verpflichten, das Grundstück S... vom Anschluss- und Benutzungszwang zu befreien.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Klage unzulässig sei. Ein Klageziel sei nicht erkennbar. Was der Beklagte mit dem angeblich seitens der Stadt D... verhinderten Verkauf des Grundstücks sowie der angeblich ebenfalls durch die Stadt D... verhinderten gewerblichen Nutzung des Parkplatzes zu tun habe, sei unerfindlich. Das Grundstück unterliege der Anschluss- und Benutzungspflicht sowohl für Trink- als auch für Schmutzwasser. Auf dem Grundstück betreibe die Klägerin einen gewerblichen Kerzenhandel. Es sei an die öffentlichen Einrichtungen des Beklagten angeschlossen und es werde Wasser verbraucht. Auch falle Schmutzwasser an.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 87a Abs. 2, 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch den Berichterstatter und gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung.
Das Klagebegehren der Klägerin ist gemäß § 88 VwGO ist entweder dahingehend auszulegen, dass sie die Trennung des Anschlusses als Leistungsklage verfolgt, hilfsweise, dass sie die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für das streitgegenständliche Grundstück begehrt. Sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag könnte sie ihr Ziel erreichen, nicht mehr an das öffentliche Leitungsnetz des beklagten Verbandes angeschlossen zu bleiben. In beiden Alternativen hat die Klage aber keine Aussicht auf Erfolg.
Soweit das klägerische Begehren dahingehend auszulegen ist, dass sie die Trennung des Hausanschlusses für Trink- und Schmutzwasser begehrt, ist die die allgemeine Leistungsklage statthaft, da sie vorliegend nicht den Erlass eines Verwaltungsaktes begehrt, sondern das schlichte Verwaltungshandeln.
Die zulässige Leistungsklage ist aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs auf Vornahme der Leistung seitens des Beklagten.
Anspruchsgrundlage für die Vornahme der Handlung ist der Folgenbeseitigungsanspruch, dessen rechtliche Grundlage aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG)) erfolgt. Danach bedarf es einer andauernden Beeinträchtigung eines geschützten Rechtsgutes, hier das Eigentums aus Art. 14 GG, die auf hoheitliches Handeln zurückzuführen ist und rechtswidrig ist. Ferner muss die Folgenbeseitigung dem Hoheitsträger möglich und zumutbar sein.
Vorliegend fehlt es bereits an einer rechtswidrigen Beeinträchtigung. Der Anschluss des klägerischen Grundstücks folgt aus dem Anschluss- und Benutzungszwang gemäß § 12 Abs. 2 Kommunalverfassung für das Land Brandenburg (KommVerf). Danach kann die Gemeinde aus Gründen des öffentlichen Wohls durch Satzung für Grundstücke ihres Gebietes den Anschluss an öffentliche Einrichtungen (Anschlusszwang) und die Benutzung dieser Einrichtungen (Benutzungszwang) vorschreiben. Dies gilt nach Satz 2 insbesondere für Einrichtungen der Wasserversorgung, der Abwasserentsorgung, der Abfallbeseitigung, der Straßenreinigung und der Fernwärme.
Hiervon hat der Beklagte durch seine Wasserversorgungssatzung (WVS) vom 10. April 2019, die zum 1. Mai 2019 in Kraft getreten ist und durch seine Abwasserversorgungssatzung (AbwES) vom 10. April 2019, die zum 01. Mai 2019, Gebrauch gemacht. Beide Satzungen umfassen den zeitlichen Rahmen des Kündigungsschreibens und weisen den notwendigen Satzungsmindestinhalt auf. Gegenteiliges ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
Es bestehen keine Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs mit höherrangigem Recht. Der mit der satzungsmäßigen Anordnung auf dieser gesetzlichen Grundlage einhergehende Eingriff in das Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) stellt eine vor den genannten Schutzzwecken, die mit staatlichen Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2, 20 a GG (Art. 8, 39 der Verfassung des Landes Brandenburg) korrespondieren, in Ansehung des Rangs dieser Schutzgüter auch verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, die als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG vom Einzelnen hinzunehmen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 1988 - 7 B 55.87 -, NVwZ-RR 1990, 96; OVG für das Land Brandenburg Urteil vom 31. Juli 2003 - 2 A 316/02 -, LKV 2004, 277, m.w.N). Der Zwang zum Anschluss und zur Benutzung der leitungsgebundenen Einrichtung der Abwasserentsorgung wie der Trinkwasserversorgung dient offenkundig dem Wohl der Allgemeinheit, nämlich in erster Linie den Belangen der Volksgesundheit, weil mit dem Anschluss und der Benutzung der öffentlichen Einrichtung eine ordnungsgemäße Entsorgung des in den Haushalten entstehenden Schmutzwassers und dessen Beseitigung bzw. eine entsprechende Versorgung mit Trinkwasser in leistungsfähigen, überwachten Anlagen gewährleistet und damit primär Gesundheitsgefahren vorgebeugt wird, die sich aus einer unsachgemäßen Abwasserbeseitigung oder Trinkwasserversorgung ergeben (vgl. OVG für das Land Brandenburg, a.a.O.). Der Zwang hat zur Folge, dass privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Nutzungsrechte hinsichtlich der Entwässerung bzw. Trinkwasserversorgung eines Grundstücks – soweit sie überhaupt vorliegen – nach seiner Anordnung regelmäßig gegenstandslos werden oder nicht mehr ausgeübt werden dürfen, und zwar auch dann, wenn der Grundstückseigentümer auf seinem Grundstück eine private Kläranlage bzw. eine Eigenwassergewinnungsanlage errichtet und bisher betrieben hat, die einwandfrei arbeitet. Der einzelne betroffene Grundstückseigentümer kann daher gegen die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs in der Satzung nicht einwenden, dass in Bezug auf sein Grundstück den Gesundheitsbelangen anderweit genügt werde, ihre abstrakte Gefährdung fehle oder mit dem Anschluss- und Benutzungszwang zusätzliche finanzielle Belastungen für ihn verbunden seien (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Januar 1986 - 7 CB 51.85, 7 CB 52.85 -, NVwZ 1986, 483; OVG für das Land Brandenburg a.a.O.).
Ferner sind die satzungsmäßigen Voraussetzungen für den Anschluss des klägerischen Grundstücks erfüllt. Nach § 5 WVS ist jeder nach § 4 WVS zum Anschluss Berechtigte verpflichtet, ein Grundstück an die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung anzuschließen, wenn das Grundstück 1. unmittelbar an eine öffentliche Straße (Straßenteil, Weg, Platz) mit einer betriebsfertigen Wasserversorgungseinrichtung grenzt oder 2. seinen unmittelbaren Zugang zu einer öffentlichen Straße (Straßenteil, Weg, Platz) über einen Privatweg hat und der Zugang über den Privatweg durch eine im Grundbuch eingetragene Dienstbarkeit gesichert hat. Nach Absatz 2 der Satzungsvorschrift besteht die Verpflichtung zum Anschluss, wenn auf dem Grundstück Gebäude für den dauernden oder vorübergehenden Aufenthalt von Menschen errichtet sind oder die Errichtung unmittelbar bevorsteht, oder wenn auf dem Grundstück aus anderen Gründen Wasser in Trinkwasserqualität tatsächlich verbraucht wird.
Gemäß § 5 Abs. 1 der AbwES ist der Eigentümer eines Grundstücks verpflichtet, sein Grundstück nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen an die öffentliche Schmutzwasseranlage anzuschließen, sobald auf seinem Grundstück Schmutzwasser auf Dauer anfällt. Dauernder Anfall von Schmutzwasser ist anzunehmen, sobald das Grundstück mit Gebäuden für den dauernden oder vorübergehenden Aufenthalt von Menschen oder für gewerbliche oder industrielle Zwecke bebaut ist oder mit der Bebauung des Grundstücks begonnen wurde.
Die vorgenannten Voraussetzungen liegen für das streitgegenständliche Grundstück vor. Es ist mit einem Gebäude, das jedenfalls dem vorübergehenden Aufenthalt von Menschen dient, bebaut und bereits tatsächlich angeschlossen. Soweit die Klägerin vorträgt, dass es sich bei dem errichteten Gebäude um ein mittlerweile ausschließlich als Lager für ihren Kerzenhandel und Kerzenversand genutztes Gebäude handelt, so ändert dies nichts daran, dass das Gebäude jedenfalls dem vorübergehenden Aufenthalt von Menschen dient und somit der Anschluss- und Benutzungszwang für das Gebäude besteht. Weitere Gründe, die für einen rechtswidrigen Anschluss sprechen hat die Klägerin nicht vorgetragen, noch ist sonstiges hierfür ersichtlich. Die Streitigkeiten mit der Stadt D... über den Verkauf des Grundstücks bzw. die gewerbliche Nutzung des auf dem Grundstück vorhandenen Parkplatzes führen jedenfalls nicht zu der Annahme der Anschluss sei rechtswidrig.
Da insoweit der erfolgte Anschluss an die Trinkwasserversorgung und Schmutzwasserbeseitigung nicht rechtswidrig erfolgte, besteht vorliegend auch kein Anspruch auf Folgenbeseitigung.
Soweit in dem klägerischen Vortrag ein Antrag auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang zu sehen ist, so ist dieser Antrag bereits unzulässig. Es fehlt der Klägerin hierfür bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil sie es versäumt hat, bei dem Beklagten einen Antrag auf Befreiung und somit auf Vornahme eines Verwaltungsaktes zu stellen. Insbesondere ist in ihrem Kündigungsschreiben vom 7. Januar 2020 ein solcher Antrag nicht zu sehen. Sie bezeichnet tatsächlich weder das Begehr der Befreiung, noch gibt sie Gründe an, die für einen Befreiungstatbestand sprechen. Vielmehr teilt sie lediglich mit, dass die den „Abwasser / Trinkwasserversorgungsvertrag mit dem W... ... nach gesetzlichen Vorgaben“ kündige, weil „(d)as gesamte Grundstück ... durch die Verantwortlichen der Stadt D... [am] Verkauf sowie [der] gewerblichen Nutzung“ des Parkplatzes gehindert werde. Hierin kann ebenso wenig wie in ihrem Schreiben vom 19. Januar 2020 in dem sie um Bestätigung der Kündigung bittet, ein Antrag auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang gesehen werden. Da es sich bei dem Antrag auf Befreiung um eine Verpflichtungskonstellation handelt, ist vor Klageerhebung zunächst ein Antrag auf Vornahme des Bescheiderlasses zu stellen. Da die Klägerin dies versäumt hat, besitzt sie für die hier erhobene Klage kein Rechtsschutzbedürfnis.
Aber selbst wann man ihre Schreiben an den beklagten Verband sinngemäß als Befreiungsantrag auslegen würde, dann wäre die zwischenzeitlich zulässig gewordene Klage in Form der Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO jedenfalls unbegründet, denn die Unterlassung des Verwaltungsaktes ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.
Rechtsgrundlage für die Befreiung vom Anschlusszwang für den Trinkwasseranschluss ist § 6 WVS, für die Befreiung vom Benutzungszwang ist § 7 Abs. 1 WVS und für die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für den Schmutzwasseranschluss ist § 6 Abs. 1 AbwES. In keinem der Fälle liegt die notwendige Voraussetzung vor, dass der Klägerin der Anschluss oder die Benutzung aus besonderen Gründen auch unter der Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls nicht zumutbar ist. Hierzu hat sie nichts vorgetragen, noch ist sonstiges ersichtlich. Insbesondere stellt die klägerische Argumentation des Disputs mit der Stadt D... keinen besonderen Grund dar, der der Klägerin den Anschluss- und die Benutzung unzumutbar macht. Ebenso wenig kann ein besonderer Grund nicht darin gesehen werden, dass das Gebäude als Lagerstädte für den Kerzenhandel der Klägerin genutzt wird, denn damit hat sie nicht dargelegt, dass sich nicht Menschen in dem Lager aufhalten und insofern der Verbrauch von Trink- bzw. Schmutzwasser anfallen kann. Vielmehr dient das zur Lagerung der Kerzen genutzte Gebäude auch dem - zumindest -vorübergehenden Aufenthalt von Menschen. Zwangsläufig müssen sich in dem Gebäude auch Menschen aufhalten, da ein Versand bzw. Verkauf und eine Befüllung des Lagers anders nicht möglich ist. Insofern besteht auch die Möglichkeit des Trinkwasserverbrauchs und des Schmutzwasseranfalls. Insbesondere um die dargestellte abstrakte Gefährdung der Volksgesundheit auszuschließen, ist ein vorhandener Anschluss- und Benutzungszwang erforderlich. Die Notwendigkeit jedenfalls Grundgebühren zu zahlen, stellt hier jedenfalls keinen besonderen Grund dar, der der Klägerin den Anschluss- und Benutzungszwang unzumutbar macht, insbesondere nicht unter der Berücksichtigung der besonderen Erfordernisse des Allgemeinwohls. Im Falle der begehrten Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für den Schmutzwasseranschluss hat sie überdies nicht vorgetragen, dass sie gemäß § 6 Abs. 1 AbwES eine anderweitige ordnungsgemäße und schadlose Beseitigung oder Verwertung des Abwassers sichergestellt hat. Tatsächlich hat die Klägerin hierzu nichts vorgetragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711, 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung.