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Entscheidung 34 F 142/20


Metadaten

Gericht AG Oranienburg Entscheidungsdatum 14.10.2021
Aktenzeichen 34 F 142/20 ECLI ECLI:DE:AGORANI:2021:1014.34F142.20.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller 24.500 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins daraus seit dem 11.09.2020 zu zahlen.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

3. Der Verfahrenswert wird auf 24.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antragsgegner ist der Vater des am 26.12.2001 geborenen Antragstellers. Während der Minderjährigkeit des Antragstellers oblag die gemeinsame persönliche Sorge der Kindesmutter und dem Antragsgegner. Der Antragsgegner schloss für den Antragssteller am 10. 11. 2004 bei der Frankfurter Versicherungs- Aktiengesellschaft ( Allianz) einen Versicherungsvertrag über eine in Invaliditäts - Zusatzversorgung ab.Wegen der weiteren Einzelheiten der Versicherung wird auf den Versicherungsschein BI. 9 d.A. Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten der Versicherungsbedingungen wird auf BI. 31 -37 d.A.Bezug genommen. Aufgrund einer Krebserkrankung des Antragstellers, verbunden mit einem ab dem 05.03.2016 festgestellten Grad der Behinderung von 100,leistete die Versicherung an den Antragsgegner aus dem streitgegenständlichen Vertrag für den Zeitraum Mai 2016 bis einschließlich Mai 2020 monatlich eine Rente i.H.v. 500 €, mithin insgesamt einen Betrag i.H.v. 24.500 € . Mit außergerichtlichen Schreiben des Antragsstellers vom 10.09.2020 wurde der Antragsgegner zur Zahlung der Versicherungsleistung an den Antragsteller aufgefordert.

Der Antragssteller trägt vor, die Invaliditäts - Zusatzversorgung sei zum Schutz des Antragsstellers vor gesundheitsbedingten Einbußen abgeschlossen worden, es handele sich bei der Versicherung um eine Versicherung für fremde Rechnung, mit diesem Vertrag sei nicht nur das Eigeninteresse des Antragsgegners als Versicherungsnehmer, sondern auch das Eigeninteresse des Antragsstellers als versicherte Person versichert worden, der Zweck der Versicherung habe nicht darin bestanden, Unterhaltsleistungen des Antragsgegners zu ermöglichen, da eine Versicherung für fremde Rechnung vorliege, sei der Antragsgegner nicht berechtigt, durch die Zahlung des Versicherers sich faktisch von seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht befreien zu lassen, vielmehr sei der Antragsgegner verpflichtet gewesen, neben der Zahlung des Unterhalts dem Antragssteller die für die wirtschaftlichen Folgen der Invalidität bestimmten Versorgungsleistungen zukommen zu lassen. Die Invaliditäts-Zusatzversorgung schütze nicht Einkommen, es komme daher auch nicht darauf an, ob die versicherte Person eigenes Einkommen habe, die Zusatzversorgung sei auf Zahlung einer Monatsrente gerichtet, die zur Deckung von Invalidität bzw. behinderungsbedingten Mehraufwendungen eingesetzt werden solle, das Ziel der Versicherung bestehe in der Verwendung der Monatsrente für die finanziellen Folgen einer Invalidität, der Antragsgegner habe zudem auch keine erhebliche finanziellen Aufwendungen oder finanzielle Einbußen als Versicherungsnehmer für den versicherten Antragsteller gehabt,die Invaliditäts- Zusatzversorgung habe auch keine Einkommensersatzfunktion und sei für das Kind nicht unterhaltsrechtlich auf den Bedarf anzurechnen,der Antragssteller habe gesundheitsbedingte Einbußen gehabt, welche durch die Zahlung der monatlichen Zusatzversorgung i.H.v. 500 € ausgeglichen werden sollten. Zu berücksichtigen sei auch, das nach Beendigung des Vertrages die Rentenzahlung fortgesetzt werde, insbesondere deute nichts in dem Versicherungsvertrag darauf hin, dass mit diesem für das Wohl eines Elternteils gesorgt werden solle.

Er beantragt,

den Antragsgegner zu verpflichten, an ihn 24.500 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins daraus seit dem 26.12.2019 zu zahlen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er trägt vor,die abgeschlossene Versicherung stelle eine klassische Kinderversicherung dar, mit der Einkommenseinbußen der Eltern bzw. Mehrkosten durch pflegerischen Aufwand bei einer in Invalidität des minderjährigen Kindes aufgefangen werden sollten, die Versicherung sei daher auch nur begrenzt auf die Volljährigkeit des versicherten Kindes, die Versicherung sei nicht vergleichbar mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung, welche die versicherte Person vor gesundheitsbedingten Einbußen seiner Fähigkeit, die bisherige Erwerbstätigkeit auszuüben, schütze, Kinder hätten jedoch regelmäßig kein eigenes Einkommen, dessen Verlust versichert werden müsse, einziges Interesse der Kinderversicherung sei vielmehr das Interesse des Versicherungsnehmers, werde ein Kind krank oder erleide es einen schweren Unfall mit einem Grad der Behinderung von mehr als 50, führe dies regelmäßig zu erheblichen finanziellen Aufwendungen und finanziellen Einbußen der Eltern, die Eltern könnten dann wegen des erhöhten Pflegebedarfs des Kindes ihre Berufstätigkeit, wenn überhaupt, nur noch eingeschränkt ausüben, die Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung würden meist nicht ausreichen, den erhöhten pflegerischen Aufwand der Kinder abzudecken, der Antragsgegner habe daher die streitgegenständliche Versicherung für den Antragssteller abgeschlossen, um sich für den Fall, dass das Kind während der Minderjährigkeit erkranke und betreut werden müsse, vor Einbußen zu schützen, der Antragssteller sei daher als versicherte Person lediglich Gefahrperson, die aus dem Versicherungsvertrag keine eigenen Rechte habe, es bestünde auch kein irgendwie geartetes Treuhandverhältnis, da die Versicherung nicht der Vermögensbildung der Kinder diene.das finanzielle Risiko, wenn ein minderjähriges Kind erkranke, trage nicht das Kind, sondern dessen Eltern.

Wegen des weiteren Sach-und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II. Der Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Dem Antragsteller steht ein Zahlungsanspruch gegen den Antragsgegner auf die geleistete Versicherungsleistung zu. Die streitgegenständliche Invaliditäts-Zusatzversorgung stellt eine Versicherung für fremde Rechnung dar. Für die Abgrenzung zwischen einer Eigenversicherung des Versicherungsnehmers, in der die versicherte Person lediglich Gefahrperson ist und einer Versicherung für fremde Rechnung, kommt es entscheidend auf den Inhalt der getroffenen Vereinbarung und auf die nach diesen Vereinbarungen geschützten Interessen an. Eine Versicherung für fremde Rechnung liegt vor, wenn mit dem Vertrag ausschließlich oder jedenfalls neben dem Eigeninteresse des Versicherungsnehmers auch das eigene Interesse der versicherten Person versichert werden soll. Hier sollen der versicherten Person, soweit ihr Interesse versichert ist, direkt aus dem Versicherungsvertrag Versicherungsleistungen zugewendet werden. In einem solchen Fall liegt ein echter Vertrag zugunsten Dritter i.S.v.§ 328 Abs. 1 BGB vor. Soweit die Versicherung daneben möglicherweise auch im wirtschaftlichen Interesse des Versicherungsnehmers, z.B. wegen denkbarer Ersparnis von Unterhaltsleistungen, gelegen haben kann, schließt das zusätzliche Vorhandensein eines solchen Interesses das Bestehen einer Fremdversicherung nicht aus ( BGH, NJW 2020, 3783- für die Berufsunfähigkeitsversicherung). Unter Berücksichtigung dieser Abgrenzungskriterien stellt der vorliegende Vertrag eine Versicherung für fremde Rechnung dar. Ausweislich der Versicherungsbedingungen wurde ein Versicherungsschutz vereinbart, für die während der Wirksamkeit des Vertrages durch schwere Krankheit oder Unfall unfreiwillig eingetretene Invalidität des minderjährigen Kindes. Als solche gilt nach den Versicherungsbedingungen eine dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit, die nach den Vorschriften des Schwerbehindertenrechts einen Grad der Behinderung von wenigstens 50 erreicht ( Ziff. 2.1.der Versicherungsbedingungen). Das in der Versicherung versicherte Interesse ist damit der Schutz des versicherten Kindes vor dauernden Beeinträchtigungen seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit. Bei der somit vereinbarten Absicherung des minderjährigen Kindes vor den Folgen einer dauernden Beeinträchtigung seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit durch Zahlung einer lebenslangen Rente kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Absicherung nur im Interesse des Versicherungsnehmers liegt. Denn bei der Absicherung von Familienmitgliedern vor den Folgen gesundheitlicher Beeinträchtigungen - wie vorliegend- kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese nur im Interesse des Versicherungsnehmers liegen, mögen diese Beeinträchtigungen auch wegen unterhaltsrechtlichen Pflichten finanzielle Folgen für ihn haben. Dies gilt um so mehr, als es sich vorliegend um eine lebenslange Rente handelt. Daraus folgt, dass auch bei Eintritt der Volljährigkeit der versicherten Person die Rente weiterhin geleistet wird, soweit die Krankheit, die die Invalidität zur Folge hat, während der Wirksamkeit des Vertrages ärztlich festgestelit wird (Ziff.3.2 der Versicherungsbedingungen ). Gerade aus dieser Vereinbarung einer lebenslangen Rente ergibt sich der Charakter der Versicherung als Versicherung für fremde Rechnung, da nicht davon auszugehen ist, dass der Antragsgegner sich als Versicherungsnehmer auch für diesen Zeitraum- also insbesondere nach Eintritt der Volljährigkeit des Antragstellers- ausschließlich gegen etwaige gegen ihn gerichtete Unterhaltsansprüche absichern wollte. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist aufgrund dieser lebenslangen Rentenvereinbarung auch nicht davon auszugehen, dass der Antragsgegner die streitgegenständliche Versicherung für den Antragssteller nur zur Absicherung seines eigenen Interesses abgeschlossen hat, sich für den Fall, dass das Kind während der Minderjährigkeit erkrankt und betreut werden muss, vor Einbußen zu schützen. Die vorliegende Versicherung mit dem Versicherungsschutz für eine durch schwere Krankheit oder Unfall unfreiwillig eingetretene Invalidität des minderjährigen Kindes stellt eine private Unfallversicherung dar. Bei der Feststellung, ob eine Ei- gen-oder Fremdversicherung vorliegt kann somit auch die sich aus § 179 Abs. 1 S. 2 WG ergebene Zweifelsregelung herangezogen werden. Danach gilt eine Versicherung gegen Unfälle, die einem anderen zustoßen, als Versicherung, die für Rechnung des anderen geschossen worden ist (Bruck/Möller, WG, 9. Aufl. 2011, § 179 Rn. 136). So liegt bei einer Familienversicherung bei Minderjährigkeit der versicherten Kinder typischerweise eine

Fremdversicherung für fremde Rechnung vor. Hierfür spricht, dass der Versicherungsnehmer als gesetzlicher Vertreter nicht die bei der Versicherung gegen Unfälle eines anderen nach § 179 Abs. 2 S. 2 VVG notwendige Einwilligung erklären kann und im Normalfall davon auszugehen ist, dass er sich rechtskonform verhalten will ( Bruck/ Möller a.a.O., Rn.140).

Das Vorliegen einer Fremdversicherung bei entsprechender Anwendung der §§ 43 ff. VVG führt dazu, dass im Versicherungsfall materiell dem Antragsteller als Versicherten die Versicherungsleistung zusteht(§ 44 Abs. 1 S. 1 VVG), er dieses Recht jedoch gegenüber dem Versicherer nicht durchzusetzen vermag, weil die Verfügungsbefugnis dem Versicherungsnehmer, also dem Antragsgegner gem.§ 44 Abs. 2 WG zusteht . Das Verfügungsrecht über die Rechte des Versicherten aus dem Versicherungsvertrag steht dem Versicherungsnehmer aber nur zu treuen Händen zu. Es handelt sich um ein gesetzliches Treuhandverhältnis. Die Treuhänderstellung verbietet es dem Versicherungsnehmer, die ihm nicht zustehende Versicherungsleistung für sich zu behalten und verpflichtet ihn, diese an den sachlich berechtigten Versicherten auszukehren. Auch dann, wenn er ihm den Versicherungsschutz durch eigenen Entschluss und auf eigene Kosten verschafft hat ( BGH,a.a.O.).

Unstreitig hat der Antragsgegner für den Zeitraum Mai 2016 bis einschließlich Mai 2020 monatlich eine Rente i.H.v. 500 €, mithin insgesamt einen Betrag i.H.v. 24.500 € aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag erhaltenen dieser Höhe hat der Antragsteller daher gegen ihn einen Auskehranspruch.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB. Dem Antragsteller steht ein Zinsanspruch jedoch erst seit dem 11.09.2020 zu. Der Antragsgegner befand sich mit der Zahlung erst mit Zugang des Aufforderungsschreibens vom 20.09.20 mit der Zahlung gern. § 286 Abs. 1 BGB in Verzug. Für die vor Eintritt der Volljährigkeit des Antragstellers durch die Kindesmutter erfolgten Aufforderungsschreiben fehlte der Kindesmutter wegen der gemeinsamen elterlichen Sorge die alleinige Vertretungsmacht zur Geltendmachung der Ansprüche, sodass dadurch ein Verzug des Antragsgegners nicht eingetreten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.