Gericht | OLG Brandenburg 1. Strafsenat | Entscheidungsdatum | 07.12.2022 | |
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Aktenzeichen | 1 AR 27/22 (S), 1 AR 27/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:1207.1AR27.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Auslieferung des Verfolgten A. an R. zum Zwecke der Vollstreckung der durch Urteil des Amtsgerichts B. vom 16. April 2021 (Nr. 46/16.04.2021) i. V. m. dem Urteil des Berufungsgerichts G. vom 12. April 2022 (Nr. 542/A/12.04.2022) wegen Beteiligung an einer organisierten kriminellen Vereinigung, Zuhälterei und Besitzes von Instrumenten zur Verfälschung von Werten verhängten Freiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten ist zulässig.
Die Entschließung der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg, die Auslieferung des Verfolgten an R. zum Zwecke der vorgenannten Vollstreckung der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts B. vom 16. April 2021 (Nr. 46/16.04.2021) i. V. m. dem Urteil des Berufungsgerichts G. vom 12. April 2022 (Nr. 542/A/12.04.2022) zu bewilligen, wird nach vollinhaltlicher Überprüfung gerichtlich bestätigt.
Die gegen den Verfolgten A. verhängte Auslieferungshaft dauert fort.
I.
Mit dem Europäischen Haftbefehl des Amtsgerichts B. vom 26. April 2022 (Nr. 2/2022) ersuchen die rumänischen Justizbehörden um Auslieferung des Verfolgten zur Strafvollstreckung nach R.. Dem Ersuchen liegt das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts B. vom 16. April 2021 (Nr. 46/16.04.2021) zu Grunde, das durch Urteil des Berufungsgerichts G. vom 12. April 2022 (Nr. 542/A/12.04.2022) rechtskräftig geworden ist. Infolgedessen erließ das Amtsgericht B. am selben Tage (12. April 2022) einen Haftbefehl (Nr. 55/2021).
Durch das vorbezeichnete rechtskräftige Urteil ist der Verfolgte wegen Besitzes von Instrumenten zur Verfälschung von Werten, Zuhälterei und Bildung einer organisierten kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 8 Monaten verurteilt worden, die noch insgesamt zu vollstrecken ist.
Nach den rechtskräftigen Feststellungen des Gerichts soll der Verfolgte zusammen mit anderen Beschuldigten zwischen Januar und Juli 2015 eine „kriminelle Gruppe“ gegründet haben, die in R. in der Stadt B. sowie in der belgischen Stadt A. agiert habe. Mitglieder dieser Gruppe sollen die Praxis der Prostitution zweier Frauen innerhalb der Stadt B. (R.) und in Belgien bestimmt und erleichtert haben, wobei der Verfolgte ihnen den Transport von R. nach Belgien und zurück ermöglicht und Vermögensvorteile durch die Ausübung der Prostitution von den beiden jungen Frauen erlangt habe. Außerdem soll er Anfang März 2014 ein Skimminggerät, das geeignet und bestimmt gewesen sei, Bankkarten auszulesen, besessen haben.
Nach den Angaben im Europäischen Haftbefehl, denen der Verfolgte nicht entgegengetreten ist, fand die Verhandlung, die zur rechtskräftigen Verurteilung des Verfolgten führte, in dessen Anwesenheit sowie auch in Anwesenheit eines Wahlverteidigers statt.
Der Verfolgte wurde am 27. Mai 2022 auf dem Flughafen Berlin-Brandenburg vorläufig festgenommen, als er aus Barcelona kommend auf dem Luftweg einreiste. Die Festnahme erfolgte auf der Grundlage der zum vorgenannten EuHB gehörigen SIS-ll-Ausschreibung.
Am 28. Mai 2022 wurde er in Anwesenheit seines Rechtsbeistands Rechtsanwalt D. aus Be. und einer Dolmetscherin für die rumänische Sprache vor dem Amtsgericht K. W. richterlich angehört.
Der Rechtsbeistand, der dem Verfolgten vom Amtsgericht beigeordnet wurde, erklärte, sein Mandant verzichte nicht auf den Schutz des Spezialitätsgrundsatzes und sei mit der Durchführung des vereinfachten Auslieferungsverfahrens nicht einverstanden. Der Verfolgte selbst gab insoweit keine Erklärungen ab. Das Amtsgericht erließ sodann eine Festhalteanordnung, infolge derer er in der Justizvollzugsanstalt C.-D. inhaftiert wurde.
Durch Senatsbeschluss vom 15. Juni 2022, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, ist gegen den Verfolgten die vorläufige Auslieferungshaft angeordnet worden. Das Landgericht B. hat auf diesseits vermittelte Bitte des Senats mit Zuschrift vom 27. Juni 2022, innerhalb der Frist des Art. 16 Abs. 4 EuAlÜbkk, eine ausführliche zusammenfassende Darstellung der dem Verfolgten zur Last gelegten Taten sowie die verfahrensgegenständlichen Urteile des Amtsgericht B. (Nr. 46) vom 16. April 2021 und des Berufungsgerichts G. vom 12. April 2022 übersandt. Diese Unterlagen bestätigen die Richtigkeit der Sachverhaltszusammenfassung in dem Europäischen Haftbefehl des Amtsgerichts B.. Der Senat hat daraufhin mit Beschluss vom 04. Juli 2022, auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg gegen den Verfolgten die förmliche Auslieferungshaft angeordnet.
Auf Ersuchen der Generalstaatsanwaltschaft vom 07. Juli 2022 wurde der Verfolgte in Anwesenheit eines Dolmetschers, jedoch in Abwesenheit seines informierten Rechtsbeistands, Rechtsanwalt D., nach § 28 IRG am 26. Juli 2022 vom Amtsgericht C. vernommen, wobei ihm auch die vorläufige Bewilligungsentscheidung der Generalstaatsanwaltschaft im Wortlaut bekanntgegeben wurde.
Diese lautet:
„Hinsichtlich der begehrten Auslieferung des Verfolgten nach R. zum Zwecke der Vollstreckung einer durch Urteil des Amtsgerichts B. vom 16. April 2021 (Nr. 46/16.04.2021) i. V. m. dem Urteil des Berufungsgerichts G. vom 12. April 2022 (Nr. 542/A/12.04.2022) wegen Beteiligung an einer organisierten kriminellen Vereinigung, Zuhälterei und Besitzes von Instrumenten zur Verfälschung von Werten verhängten Freiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten beabsichtigt der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg, Bewilligungshindernisse nach § 83b IRG nicht geltend zu machen. Denn die in § 83b Abs. 1 Nr. 1 bis 4 IRG im Einzelnen aufgeführten Bewilligungshindernisse, die einer Auslieferung entgegenstehen würden, liegen beim Verfolgten nicht vor. Insbesondere sind die dem vorgenannten Urteil zugrunde liegenden Taten in R. begangen worden und haben mithin ausschließlich Auslandsbezug. Auch sind Gründe für die Ablehnung der Bewilligung nach § 83b Abs. 2 Nr. 2 IRG nicht ersichtlich.
Nach alledem liegen aus Sicht der Bewilligungsbehörde nach Abwägung aller für und gegen den Verfolgten sprechenden Umstände keine Gründe vor, die einer Übergabe des Verfolgten an die r. Behörden zum Zwecke der Strafvollstreckung entgegenstehen.
Es steht dem Verfolgten frei, zu dieser Entschließung zu Protokoll Stellung zu nehmen. Für eine mögliche schriftliche Stellungnahme gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg wird eine Frist von einer Woche gesetzt."
Eine Äußerung hierzu ist nicht erfolgt.
Zu dem durch die r. Justizbehörden vorgelegten Europäischen Haftbefehl und dem damit verbundenen Auslieferungsersuchen ist der Verfolgte ebenfalls am 26. Juli 2022 gemäß §§ 28, 79 Abs. 2 S. 3 IRG vor dem Amtsgericht C. richterlich vernommen worden. Hierbei hat er sich mit seiner Auslieferung nach R. (weiterhin) nicht einverstanden erklärt. Auch auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes hat der Verfolgte nicht verzichtet.
Hinsichtlich der Haftbedingungen, die den Verfolgten im Fall seiner Auslieferung in R. erwarten, haben die r. Behörden mit Schreiben des Amtsgerichts B. vom 22. Juni 2022 und der Nationalen Strafvollzugsverwaltung vom 14. November 2022 Auskünfte erteilt und Zusicherungen abgegeben. Auf die Inhalte jener Schreiben wird verwiesen.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat unter dem 2. August 2022, eingegangen beim Brandenburgischen Oberlandesgericht am 03. August 2022, beantragt, die Auslieferung des Verfolgten nach R. zum Zwecke der Vollstreckung der durch Urteil des Amtsgerichts B. vom 16. April 2021 (Nr. 46/16.04.2021) i. V. m. dem Urteil des Berufungsgerichts G. vom 12. April 2022 (Nr. 542/A/12.04.2022) wegen Beteiligung an einer organisierten kriminellen Vereinigung, Zuhälterei und Besitzes von Instrumenten zur Verfälschung von Werten verhängten Freiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten für zulässig zu erklären, die hiesige Entschließung, die Auslieferung des Verfolgten zu bewilligen, nach vollinhaltlicher Prüfung gerichtlich zu bestätigen und die Fortdauer der Auslieferungshaft anzuordnen.
Mit Schriftsatz seines Beistands vom 15. August 2022 wendet der Verfolgte u.a. ein, der Auslieferung stünde entgegen, dass es an einer beiderseitigen Strafbarkeit der zur Last gelegten Taten fehle, dass für ihn insbesondere wegen der stetigen Überbelegung der r. Haftanstalten menschenrechtswidrige Haftbedingungen drohten, wobei u.a. auf Berichte von Ombudsmännern verwiesen wird, und dass eine individuelle Mindestfläche von 3 qm unter Einschluss von Bett und individuellen Möbeln unzureichend sei.
Darüber hinaus überwiege sein schutzwürdiges Interesse an einer Strafvollstreckung im Inland, da er mehr als fünf Jahre in Deutschland lebe, einer Erwerbstätigkeit nachgehe und inzwischen auch die Ehefrau des Verfolgten in Deutschland lebe und gemeldet sei.
Diesen Einwendungen ist die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg mit Stellungnahme vom 09. September 2022 dezidiert entgegengetreten.
Auf den Antrag des Verfolgten auf Aufhebung des Haftbefehls vom 03. Oktober 2022 hat der Senat mit Beschluss vom 07. Oktober 2022 die Fortdauer der Auslieferungshaft angeordnet und weitere Ermittlungen zu den Haftbedingungen beauftragt.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat nun unter dem Datum des 29. November 2022, eingegangen beim Brandenburgischen Oberlandesgericht am 30. November 2022, unter Aufrechterhaltung der Anträge vom 2. August 2022 beantragt, die Auslieferung des Verfolgten an R. für zulässig zu erklären.
Der Verfolgte hat mit Schriftsatz seines Beistands vom 06. Dezember 2022 Stellung genommen.
II.
Da sich der Verfolgte nicht mit seiner vereinfachten Auslieferung einverstanden erklärt hat, ist eine Entscheidung des Senats über die Zulässigkeit der Auslieferung veranlasst, § 29 Abs. 1 IRG.
Der Senat entscheidet entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft.
1. Die Auslieferung des Verfolgten an die r. Justizbehörden zum Zwecke der Strafvollstreckung erweist sich nach dem Rahmenbeschluss Europäischer Haftbefehl und den diesen Rahmenbeschluss umsetzenden Bestimmungen des Achten Teils des IRG als zulässig (§ 15 Abs. 2 IRG). Gründe, die einer Auslieferung entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.
Soweit der Verfolgte wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden ist, erachten die rumänischen Behörden die Tat als den in Artikel 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten [ABI. (EG) 2002 Nr. L 190 S. 1] in Bezug genommenen Deliktsgruppen zugehörig, sodass eine Tiefenprüfung der beiderseitigen Strafbarkeit nicht veranlasst ist (§ 81 Nr. 4 IRG). Der Besitz der „Skimming-Apparatur“ stellt in R. ausweislich der ergänzenden Angaben der rumänischen Behörden eine selbständige Straftat gemäß § 314 Abs. 2 des rumänischen Strafgesetzbuchs dar. An der Strafbarkeit nach deutschem Recht bestehen im Übrigen keine Zweifel. Die dem Verfolgten vorgeworfenen Taten sind auch nach deutschem Recht als Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (§ 129 Abs. 1 StGB) bei Ausübung der Zuhälterei (§ 181a StGB) sowie als Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten (§ 202c StGB) strafbar.
Ferner übersteigt das Maß der zu vollstreckenden Freiheitsstrafe das in § 81 Nr. 2 IRG genannte Mindestmaß von vier Monaten.
2. Es ist hinreichend sicher anzunehmen, dass der Verfolgte nach seiner Überstellung für die Dauer einer (Straf-)Haft in Haftanstalten unter Bedingungen untergebracht wird, die den Anforderungen der Europäischen Konvention für Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 und den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen/Mindestgrundsätzen für die Behandlung Gefangener vom 11. Januar 2006 entsprechen, sowie dass der deutschen konsularischen Vertretung kurzfristig Gelegenheit gegeben wird, den Verfolgten in der Haft aufzusuchen und sich über die konkreten Haftbedingungen zu informieren.
Hinsichtlich der Haftbedingungen, die den Verfolgten im Falle seiner Auslieferung in R. treffen würden, ist das ersuchende Amtsgericht B. im Hinblick auf § 73 IRG befragt worden.
In der ausführlichen Stellungnahme vom 22. Juni 2022 wird dargelegt, dass der Verfolgte nach seiner Ankunft auf dem Flughafen Bukarest zunächst für 21 Tage in der Quarantäneanstalt B.R. untergebracht würde. Hernach dürfte der Verfolgte - vorbehaltlich der entsprechenden Entscheidung der hierzu berufenen Kommission - in den geschlossenen Vollzug in die Haftanstalt G. verlegt werden. Nach einem Fünftel der Haftzeit wird die Vollstreckung „höchstwahrscheinlich“ im halboffenen, u. U. auch im offenen Vollzug in der Haftanstalt B. fortgesetzt werden.
Die Eigenheiten der Vollzugsarten „geschlossenes Regime“, „halboffener Vollzug“ und „offener Vollzug“ sowie in der Quarantäneanstalt werden umfassend dargelegt und bieten keinen Anlass, an der Konformität der Unterbringung mit den Standards der Grundrechtecharta der EU und der EMRK zu zweifeln. Danach verfügen die Hafträume in den genannten Anstalten, in denen der Verfolgte bei Auslieferung wahrscheinlich untergebracht würde, über natürliche Beleuchtung, und sie können hinreichend be- und entlüftet werden. Freigang sei obligatorisch. Die kostenlose medizinische Versorgung sei gewährleistet. Auch gibt es nach den Ausführungen keine Zweifel daran, dass die Hygienebedingungen in allen Vollzugsarten den einzuhaltenden Standards entsprechen. Separate Sanitärräume bzw. -bereiche stünden jeweils zur Verfügung.
Schließlich garantiere die Landesverwaltung der Strafanstalten im Hinblick auf den aktuellen „Handlungsplan für den Zeitraum 2020 bis 2025“ ausdrücklich die Gewährung eines Minimums von drei Quadratmetern Haftraum ohne Einbeziehung der Sanitärbereiche „für die ganze Dauer der Strafvollstreckung“ nach Maßgabe verschiedener gegen R. ergangener Entscheidungen des EGMR.
Mit Schreiben vom 14. November 2022 garantiert die Nationale Strafvollzugsverwaltung ausdrücklich mit dezidierten Ausführungen den Vollzug der Freiheitsstrafe während ihrer gesamten Dauer, einschließlich Quarantäne- und Beobachtungszeit, unter menschenwürdigen Bedingungen, die die Achtung der Menschwürde gewährleisten.
Insbesondere wurde garantiert, dass dem Verfolgten während der gesamten Dauer des Strafvollzugs ein individueller Mindestraum von 3 Quadratmetern einschließlich des Bettes und der dazugehörigen Möbel bereitgestellt werde, ohne den für die Sanitärgruppe vorgesehenen Raum einzubeziehen. Die Hafträume stellten jeder Person ein individuelles Bett zur Verfügung, seien mit speziellen Möbeln, Heizungsanlagen und hygienischen und sanitären Einrichtungen ausgestattet, so dass jeder Häftling ständigen Zugang zu Trink- und Warmwasser, zu den sanitären Einrichtungen zur Befriedigung physiologischer Bedürfnisse, wann immer dies erforderlich sei, unter Bedingungen der Hygiene und Privatsphäre habe. Die Hafträume seien so angeordnet, dass natürliche und künstliche Beleuchtung sowie deren optimale Belüftung möglich seien. In jedem Zimmer gebe es Tische zum Servieren von Speisen, Regale zum Aufbewahren von Produkten, Kleiderbügel und Bänke und im Badezimmer Regale zum Aufbewahren von Kleidung und Schuhen. Die anderen Gebrauchsgüter würden im Gefängnislager aufbewahrt, zu dem die Inhaftierten gemäß dem festgelegten Zeitplan Zugang hätten.
Die Sanitäreinheiten seien mit Waschbecken, Dusche, Spiegel, Ablage und WC ausgestattet und so unterteilt, dass die Privatsphäre der Inhaftierten gewährleistet sei. Die WC-Kabinen seien durch Türen von der Sanitärgruppe getrennt, wobei die natürliche Belüftung durch ein Fenster gewährleistet sei. Unabhängig von dem Vollzugsregime, in dem der Verfolgte die Freiheitsstrafe verbüßen werde, werde ihm die Möglichkeit garantiert, sich täglich mindestens eine Stunde Im Freien zu bewegen.
Eine solche Erklärung der obersten rumänischen Strafvollzugsbehörde, an deren Wirkung als völkerrechtlich bindende Zusicherung bei Formulierung als „Garantie“ hier kein Zweifel besteht, ist als belastbar anzusehen (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 21. April 2022 - Ausl99/20; OLG Hamm, Beschluss vom 5. Mai 2022 - 2 Ausl. 202 und 203/21 juris), denn sie stammen von einer obersten Justizbehörde eines EU-Mitgliedsstaates, dem gegenüber der unionsrechtlich geprägte Vertrauensgrundsatz Geltung beansprucht. Hat die ausstellende Justizbehörde nämlich die Zusicherung, dass die betroffene Person unabhängig von der Haftanstalt, in der sie im Ausstellungsmitgliedstaat inhaftiert werden wird, keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung aufgrund ihrer konkreten und genauen Haftbedingungen erfahren werde, erteilt oder zumindest gebilligt, nachdem erforderlichenfalls die zentrale Behörde bzw. eine der zentralen Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats im Sinne von Art. 7 des Rahmenbeschlusses 2002/584 um Unterstützung ersucht wurde, muss sich die vollstreckende Justizbehörde auf diese Zusicherung zumindest dann verlassen, wenn keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Haftbedingungen in einer bestimmten Haftanstalt gegen Art. 4 der Charta verstoßen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft [Haftbedingungen in Ungarn], C-220/18 PPU, EU:C:2018:589, Rn. 112).
Folglich darf die vollstreckende Justizbehörde nur unter außergewöhnlichen Umständen und auf der Grundlage konkreter Anhaltspunkte feststellen, dass trotz einer Zusicherung eine echte Gefahr für die betroffene Person besteht, aufgrund der Bedingungen ihrer Inhaftierung im Ausstellungsmitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta unterworfen zu werden (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2019 – C-128/18 –, Rn. 68 - 69,).
Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die echte Gefahr besteht, der Verfolgte könnte in der Haft - den Angaben und Zusicherung der rumänischen Behörden zuwider - einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh unterworfen werden, liegen nicht vor. Die in Bezug genommenen Berichte der Ombudsmänner können bereits deshalb keine Zweifel an der Umsetzung der garantierten Haftbedingungen erzeugen, da sie z.T. nicht aktuell sind. Einer weiteren (vertieften) Prüfung der Belastbarkeit der Angaben und Zusicherungen seitens des ersuchenden Staates bedarf es mithin nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 -, BVerfGE 156, 182-221, Rn. 56 m. w. N.). Fälle von Garantien, die sich erst im Nachhinein als nicht belastbar erwiesen haben, sind hier im Übrigen nicht bekannt geworden.
Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Frage, ob der erforderliche Mindesthaftraumanteil von 3 qm die Fläche des Bettes mit umfasst, erachtete der Senat nicht als erforderlich. Hätte der EGMR die Auffassung vertreten wollen, dass ein Bett kein Möbelstück sei, so hätte er dies in seiner fein ausdifferenzierten Rechtsprechung zur Frage der Mindesthaftraumgrößen auch ausdrücklich so geäußert. Für eine Klärung besteht kein Bedarf. Die Rechtsprechung führt auch nicht dadurch zu unvertretbaren Ergebnissen, dass bei einer Mindesthaftraumgröße von 3 qm pro Häftling unter Einschluss der von Möbeln (aber unter Ausschluss einer individuellen WC-Einheit) niemals Bewegungsfreiheit gegeben sein könne. Dieses Argument übersieht bereits, dass bei einem Mehrpersonenhaftraum Mehrstockbetten möglich und üblich sind, die zu einer Ausweitung des freien Platzes führen.
3. Der Umstand, dass eine Kassationsbeschwerde (Kassationsberufung) des Verfolgten gegen das verfahrensgegenständliche Urteil zugelassen worden ist, über die am 15. Dezember 2022 entschieden werden soll, hindert die Auslieferung nicht. Der Antrag des Verfolgten auf Durchführung der Kassationsberufung, dem der Oberste Gerichts- und Kassationshofs in R. in seiner Zulässigkeitsentscheidung vom 20. Oktober 2022 insoweit offenbar gefolgt ist, stellt auf Art. 438 § 1 Nr. 7 der rumänischen Strafprozessordnung (Verurteilung „wegen einer Tat [...], die das Strafrecht nicht vorsieht) ab und bezieht sich (lediglich) auf die Verurteilung wegen Bildung einer organisierten kriminellen Gruppe. Die rumänischen Behörden gehen ausweislich nachgereichter Unterlagen entsprechend dortiger Rechtslage (vgl. Art. 433 der rumänischen Strafprozessordnung) gleichwohl von der uneingeschränkten Rechtskraft des gegen den Verfolgten ergangenen Urteils aus. Offenbar ist eine Durchbrechung dieser Rechtskraft durch Entscheidung des Kassationsgerichts nach Überprüfung der Rechtsmäßigkeit der Entscheidung möglich (Art. 447, 448 der rumänischen Strafprozessordnung). Dies ergibt sich auch aus den Erläuterungen der Rechtslage in der Zulässigkeitsentscheidung des Obersten Gerichts- und Kassationshofs vom 20. Oktober 2022, wo es heißt: „Die Kassationsbeschwerde ist ein außerordentliches Rechtsmittel zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit rechtskräftiger Gerichtsentscheidungen. Die Kassationsberufung betrifft daher ausschließlich die Rechtmäßigkeit von Endentscheidungen, wobei das Ziel darin besteht, den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit unbeschadet der Rechtskraft zu wahren“. Einer vertieften Erörterung der Rechts- bzw. Bestandskraftfrage nach rumänischem Recht im Vergleich zur deutschen Rechtslage bedarf es indes nicht, da § 10 IRG die Zulässigkeit der Auslieferung zum Zwecke der Strafvollstreckung allein an die Vollstreckbarkeit des zugrunde liegenden Straferkenntnisses knüpft. Diese richtet sich nach dem Recht des ersuchenden Staates (vgl. Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 6. Aufl., § 10 Rn. 22 m. w. N.) und ist hier ausweislich der Auslieferungsunterlagen und der nachgereichten Informationen (derzeit) gegeben.
4. Die mit Blick auf das Erfordernis einer europarechtskonformen Auslegung des § 79 Abs. 2 IRG (vgl. hierzu Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 24. November 2020, Az.: C-510/19, Juris) gebotene vollinhaltliche Überprüfung der von der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg über die Auslieferung des Verfolgten getroffenen Entschließung, keine Bewilligungshindernisse geltend zu machen, führt nach vollinhaltlicher Prüfung zu deren Bestätigung.
aa) Bewilligungshindernisse im Sinne des § 83 b Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 IRG, die einer Auslieferung entgegenstehen könnten, liegen bei dem Verfolgten nicht vor. Insbesondere sind, wie bereits ausgeführt, die dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegenden Taten in R. begangen worden und haben damit ausschließlich Auslandsbezug. Nach hiesigen Erkenntnissen wird gegen den Verfolgten wegen der Taten, die dem Auslieferungsverfahren zugrunde liegen, im Geltungsbereich des deutschen Strafgesetzbuchs weder ein strafrechtliches Verfahren geführt (§ 83 b Abs. 1 Nr. 1 IRG) noch ist die Einleitung eines strafrechtlichen Verfahrens abgelehnt oder ein solches eingestellt worden (§ 83 b Abs. 1 Nr. 2 IRG). Auch liegt kein Auslieferungsersuchen eines Drittstaats vor, dem Vorrang einzuräumen wäre (§ 83 b Abs. 1 Nr. 3 IRG). Anhaltspunkte dafür, dass nicht erwartet werden kann, dass R. einem vergleichbaren deutschen Ersuchen entsprechen würde, liegen ebenfalls nicht vor (§ 83 b Abs. 1 Nr. 4 IRG).
bb) Gründe für die Ablehnung der Bewilligung nach § 83 b Abs. 2 Ziff. 2 IRG sind ebenfalls nicht ersichtlich. Vertiefte soziale Beziehungen in der Bundesrepublik Deutschland sind bei dem Verfolgten nicht verifizierbar. Entgegen dem Vortrag des Rechtsbeistands ist es nicht „unstreitig“, dass der Verfolgte seit mehr als fünf Jahren in Deutschland lebt, arbeitet, wohnt, Steuern zahlt und gemeldet ist. Dies ist vielmehr von ihm nicht ausreichend belegt worden. Auch nach dem Hinweis der Generalstaatsanwaltschaft auf den diesbezüglich unzureichenden Vortrag hat der Verfolgte Nachweise für seine Behauptungen nicht erbracht. Zudem steht nach dem eigenen Vortrag des Verfolgten fest, dass seine Ehefrau bisher in R. lebte und (auch dies unbelegt) jedenfalls erst nach dem Erlass und Vollzug des Auslieferungshaftbefehls (und damit für die Frage der Verwurzelung gänzlich irrelevant) nach Deutschland umgezogen sei.
Bei dieser Sachlage kann es offenbleiben, ob nach einer weiteren, vollständigen Aufklärung der Aufenthaltsverhältnisse im Einzelnen seine soziale Verwurzelung als (gerade noch) die Bedingungen des § 83b Abs. 2 lit. b IRG erfüllend anzusehen wäre oder nicht.
Da der Verfolgte rumänisch besser spricht als deutsch, stehen Gründe der künftigen Resozialisierung einer Auslieferung ebenfalls nicht durchgreifend entgegen.
Bedenken gegen die Bewilligung der Auslieferung zum Zweck der Strafvollstreckung auf der Grundlage des oben genannten Europäischen Haftbefehls bestehen nicht. Einen gewöhnlichen Aufenthalt des Verfolgten in der Bundesrepublik Deutschland kann der Senat nicht feststellen.
5. Gegen den Verfolgten besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr, der entgegen den Ausführungen des Rechtsbeistands des Verfolgten auch nicht durch geeignete Auflagen ausgeräumt werden kann. Der Verfolgte ist rechtskräftig zu einer sehr langen Freiheitsstrafe (5 Jahre und 8 Monate) verurteilt worden, die noch vollständig zu vollstrecken ist, was einen besonders hohen Fluchtanreiz darstellt. Wie sich aus dem eigenen Sachvortrag des Rechtsbeistands in Zusammenschau mit dem Europäischen Haftbefehl ergibt, hat der Verfolgte (starke) soziale Bezüge nach Deutschland, Belgien, Spanien und R., die ihm ein „Pendeln“ zwischen diesen Standorten ermöglichen, um seine Ergreifung zu erschweren oder zu verhindern. Außerdem gehörte er ausweislich der rechtskräftigen Verurteilung mindestens in der Vergangenheit der organisierten Kriminalität an, was ein starkes Indiz für Fluchtbereitschaft und Fluchtmöglichkeit darstellt.
6. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht der Anordnung und dem Vollzug der Auslieferungshaft nicht entgegen.
7. Der Grundsatz der Spezialität ist zu beachten.