Gericht | OLG Brandenburg 3. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 24.11.2022 | |
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Aktenzeichen | 3 W 120/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:1124.3W120.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 11.07.2022 – 51 VI 707/18 – wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 2 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von außergerichtlichen Kosten aufgrund der Kostenentscheidung des Senats in dem vorausgegangenen Verfahren zur Einziehung des der Beteiligten zu 1 erteilten Erbscheins. Der Senat hat die Beschwerde des Beteiligten zu 2 zurückgewiesen und ihm die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.
Beide Beteiligte waren in dem Verfahren anwaltlich vertreten. Der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1 erhielt auf seinen Antrag vom 12.5.2021 am 15.06.2021 Akteneinsicht, nachdem das Amtsgericht schon mit Beschluss vom 10.05.2021 den Antrag des Beteiligten zu 2 auf Einziehung des Erbscheins und Erteilung eines neuen Erbscheins zurückgewiesen hatte und der Beteiligte zu 2 am 14.06.2021 Beschwerde eingelegt hatte. Mit Schriftsatz vom 21.06.2021 teilte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1 mit, dass er wegen des zwischenzeitlich ergangenen Beschlusses eine Stellungnahme der Beteiligten zu 1 als erledigt ansehe, bat aber um gerichtlichen Hinweis, falls das Gericht doch noch eine Stellungnahme wünsche. Mit Beschluss vom 21.06.2021 half das Nachlassgericht der Beschwerde des Beteiligten zu 2 nicht ab. Der Senat hat mit Beschluss vom 09.09.2021 seine Beschwerde zurückgewiesen.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1 hat beantragt, gegen den Beteiligten zu 2 folgende Kosten festzusetzen:
1.1 Verfahrensgebühr § 13 RVG, Nr. 3201 I Nr. 1, 3200 VV RVG | 1.820,50 € | |
Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG | 20,00 € | |
1.840,50 € | ||
19 % Umsatzsteuer | 349,70 € | |
Gesamtsumme | 2.190,20 € |
Der Beteiligte zu 2 hat im Kostenfestsetzungsverfahren beantragt, den Kostenfestsetzungsantrag zurückzuweisen. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Antragsteller sei in dem Beschwerdeverfahren nicht tätig geworden. Damit sei er nur formell Beteiligter und der nur formell Beteiligte habe keinen Kostenerstattungsanspruch. Der Umstand, dass der Verfahrensbevollmächtigte seine Vertretung vor dem Amtsgericht angezeigt hat, reiche nicht aus. Zudem erfasse die Kostengrundentscheidung nur die gerichtlichen Kosten.
Das Amtsgericht hat die Kosten gegen den Beteiligten zu 2 mit Beschluss vom 11.07.2022 antragsgemäß festgesetzt. Der Beteiligte zu 2 hat gegen diesen Beschluss, der seinem Verfahrensbevollmächtigten am 15.08.2022 zugegangen ist, am 18.08.2022 Beschwerde eingelegt. Er ist der Ansicht, die Kostengrundentscheidung des Senats erfasse nur die Gerichtskosten und verweist hierzu auf Entscheidungen der Oberlandesgerichte Düsseldorf (3 Wx 205/20, Beschl. v. 13.1.2021 - BeckRS 2021, 1328), München (Beschl. v. 16.2.2022 – 31 Wx 66/21 -BeckRS 2022, 2245) und Frankfurt (Beschluss vom 28.9.2017 – 20 W 5/17 - BeckRS 2017, 153404).
II.
Die nach § 85 FamFG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, 567 Abs. 2, 569 Abs. 1 ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2 ist unbegründet.
Der Einzelrichter hat das Verfahren mit Beschluss gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO dem Senat zur Entscheidung übertragen.
1.
Die Kostengrundentscheidung des Senats erfasst in Einklang mit § 80 S. 1 FamFG die Gerichtskosten und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Auslagen der Beteiligten.
Der Senat teilt die Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm (OLG Hamm Beschl. v. 23.7.2019 – 25 W 146/19 - BeckRS 2019, 17371), dass in dem Fall, dass sich aus dem Tenor oder den Gründen des Beschlusses nichts Abweichendes ergibt, der Begriff der „Kosten“ immer im Sinne des § 80 S. 1 FamFG zu verstehen ist.
§ 80 S. 1 FamFG definiert den Begriff der „Kosten“ im Sinne der §§ 81 ff FamFG. Er legt Art und Umfang der erstattungsfähigen Kosten fest. Nach dieser Legaldefinition umfassen die Kosten, über die gemäß §§ 81 bis 84 FamFG entschieden wird, die Gerichtskosten und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten – also auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für den Verfahrensbevollmächtigten.
Die Besonderheiten des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit rechtfertigen nach Ansicht des Senats nicht, sich über diese Legaldefinition hinwegzusetzen (so aber OLG Düsseldorf a.a.O.).
Die fehlende allgemeine Verpflichtung zu einer Kostenentscheidung hat wenig Aussagekraft für das Verständnis des Begriffs der „Kosten“. Fehlt die Kostenentscheidung, bleibt es in den Antragsverfahren gemäß § 22 GNotKG und in den in § 24 GNotKG genannten Nachlassverfahren bei der Haftung der Antragsteller oder der Erben für die angefallenen Gerichtskosten. Mangels einer Entscheidung über die Kosten wird eine Haftung als Entscheidungsschuldner gemäß § 27 Nr. 1 GNotKG nicht begründet.
Auch dass der Gesetzgeber mit § 81 FamFG eine flexible Kostenverteilung ermöglicht hat, spricht nicht gegen das Verständnis des § 80 FamFG als eine Grundregel. Dieses Verständnis läuft nicht auf einen starren Erfolgsgrundsatz wie im streitigen Zivilverfahren hinaus. Denn das Gericht hat bei der konkreten Kostengrundentscheidung gemäß § 81 FamFG sein Ermessen auszuüben und kann die Kosten – also Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten – den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann also ausdrücklich bestimmen, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.
Der Verweis auf die Möglichkeit, eine Kostenentscheidung im Hinblick auf die außergerichtlichen Kosten ausdrücklich zu beantragen oder nach Erlass des Beschlusses eine Ergänzung des Beschlusses gemäß § 43 FamFG zu beantragen, lässt außer Acht, dass der Gesetzgeber bewusst wegen der flexiblen Regelung des § 81 FamFG die isolierte Kostenbeschwerde zugelassen hat. Nach dem alten Recht waren gemäß § 20a FGG die Kostengrundentscheidungen nicht isoliert anfechtbar. Diese Vorschrift hat der Gesetzgeber ausdrücklich aufgegeben, um den Beteiligten eine isolierte Überprüfbarkeit der Entscheidung im Hinblick auf die neue Kostenregelung in § 81 FamFG zu ermöglichen (BT-Drs. 16/6308, 168). Macht der Beteiligte, dem die Kosten durch eine materiellrechtlich möglicherweise unzutreffende Entscheidung auferlegt sind, keinen Gebrauch von seinem Beschwerderecht, dann ist sie für das anschließende Kostenfestsetzungsverfahren bindend. Die durch das Beschwerderecht vorgesehene Möglichkeit der Korrektur einer möglicherweise unzutreffenden Kostengrundentscheidung sollte nach Ansicht des Senats nicht in das formalisierte Kostenfestsetzungsverfahren verlagert werden.
Für die hier in Rede stehende Kostengrundentscheidung gemäß § 84 FamFG gilt, dass das Beschwerdegericht die Kosten des ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen soll, der es eingelegt hat. Das Gesetz sieht damit die Kostenauferlegung (Gerichtskosten und außergerichtliche Aufwendungen, § 80 FamFG) auf den auf den erfolglosen Rechtsmittelführer für den Regelfall vor (vgl. Burandt/Rojahn/Rojahn, 4. Aufl. 2022, FamFG § 84 Rn.1). Als Sollvorschrift lässt § 84 FamFG nur in besonders gelagerten Fällen abweichende Entscheidungen zu. Ein solcher Fall lag nicht vor, wie sich aus der Kostengrundentscheidung des Senats ergibt.
2. Auch die weiteren Einwände des Beteiligten zu 2 bleiben ohne Erfolg.
a) Der Einwand, der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1 sei nur formal an dem Verfahren beteiligt und deshalb stehe ihm kein Erstattungsanspruch zu, geht fehl. Der Verfahrensbevollmächtigte ist nicht Beteiligter gemäß § 7 FamFG oder § 343 FamFG. Der Verfahrensbevollmächtigte macht den Erstattungsanspruch nicht für sich, sondern für seine Mandantin, die Beteiligte zu 1 geltend. Sie war im Hinblick auf die angeregte Einziehung des ihr erteilten Erbscheins gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG hinzuzuziehen.
b) Die Beteiligte zu 1 wurde in dem Verfahren nur von Rechtsanwalt K… vertreten. Das Amtsgericht hat den Beschluss vom 10.05.2021 an Rechtsanwalt W… übersandt, weil dieser den ursprünglichen Antrag der Beteiligten zu 1 auf Erteilung des Erbscheins als ihr Betreuer 2019 gestellt hat. Er war aber für dieses Verfahren nicht mandatiert.
c) Der Umstand, dass die Beschwerdeinstanz beendet war, bevor der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1 einen Schriftsatz einreichte, ist bei der ermäßigten Gebühr nach Nr. 3201 Nr. 1 VV RVG berücksichtigt (vgl. OLG Braunschweig ZEV 2022, 475), lässt aber den Vergütungsanspruch des Anwalts nicht entfallen.
d) Die der Beteiligten zu 1 entstandenen Aufwendungen für ihren Verfahrensbevollmächtigten waren notwendige Aufwendungen zur Durchführung des Verfahrens gemäß § 80 S. 1 FamFG. Die Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts sind nur bei ganz einfach gelagerten oder wenn die Beauftragung für den Beteiligten erkennbar unnötig ist, als nicht notwendig anzusehen (vgl. OLG Brandenburg Beschluss vom 20.05.2014 – 10 WF 13/14 – BeckRS 2015, 2260). Wegen der hier streitigen Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments lag kein ganz einfach gelagerter Fall vor. Auch wegen des Umstands, dass der Beteiligte zu 2 seinerseits durch einen Rechtsanwalt vertreten war, ergab sich die Notwendigkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts unter dem Gesichtspunkt des Prinzips der Waffengleichheit (vgl. OLG Bremen Beschluss vom 30.08.2017 – 5 W 10/17 – BeckRS 126889).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 97 ZPO.
Im Hinblick auf die Entscheidungen der Oberlandesgerichte Düsseldorf und München zu vergleichbaren Fällen und wegen der grundsätzlichen Bedeutung der sich hier stellenden Auslegungsfrage hat der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen (§§ 85 FamFG, 574 Abs. 2 ZPO).