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Entscheidung 10 UF 50/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 23.12.2022
Aktenzeichen 10 UF 50/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:1223.10UF50.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gegen die Festsetzung des erstinstanzlichen Verfahrenswertes im Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 23.05.2022 – 44 F 36/22 - wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Beschwerde ist zulässig. Da die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers die Beschwerde damit begründet, der Wert sei zu niedrig festgesetzt worden, ist davon auszugehen, dass sie die Beschwerde nur im eigenen Namen, nicht auch in demjenigen des Beteiligten eingelegt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 16.02.1998 – 10 WF 129/97, BeckRS 1998, 10110, beck-online; Senat, Beschluss vom 17.05.2006 - 10 WF 83/06, BeckRS 2007, 15296, beck-online), so dass das Beschwerderecht aus § 32 Abs. 2 S. 1 RVG folgt. Dabei finden die Vorschriften über das Beschwerdeverfahren nach § 68 GKG bzw. § 59 FamGKG entsprechend Anwendung (vgl. Senat, a.a.O.).

II.

Die Beschwerde über die der Senat nach Übertragung durch den Einzelrichter gemäß §§ 59 Abs. 1 S. 5, 57 Abs. 5 S. 2 FamGKG in der nach dem GVG vorgesehenen Besetzung entscheidet ist unbegründet. Das Amtsgericht hat den Wert für das Verfahren der einstweiligen Anordnung in einer Unterhaltssache zutreffend mit dem Sechsfachen des monatlich begehrten Unterhaltsbetrags angenommen.

In Unterhaltssachen und in sonstigen den Unterhalt betreffenden Familiensachen, soweit diese jeweils Familienstreitsachen sind und wiederkehrende Leistungen betreffen, ist der für die ersten zwölf Monate nach Einreichung des Antrags geforderte Betrag maßgeblich, höchstens jedoch der Gesamtbetrag der geforderten Leistung, § 51 Abs. 1 S. 1 FamGKG.

Gemäß § 41 FamGKG ist im Verfahren der einstweiligen Anordnung der Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen. Dabei ist von der Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Werts auszugehen. In Anwendung dieser Bestimmungen ist das Amtsgericht zutreffend zu einem Verfahrenswert i.H.v. 2.541 € (= 423,50 € × 6 Monate) gelangt.

Der Senat folgt der wohl überwiegend vertretenen Auffassung, dass der Verfahrenswert eines einstweiligen Anordnungsverfahrens zum Unterhalt auch dann gemäß §§ 41, 51 FamGKG regelmäßig mit der Hälfte des Werts der Hauptsache anzusetzen ist, wenn im einstweiligen Anordnungsverfahren der volle Unterhalt geltend gemacht wird (so OLG Hamm, Beschluss vom 13.07.2021 – 13 WF 106/21, BeckRS 2021, 19087, beck-online; OLG Hamm, Beschluss vom 08.05.2015 – II-2 WF 66/15, BeckRS 2016, 7322, beck-online; OLG Brandenburg Beschluss vom 08.08.2019 – 13 WF 164/19, BeckRS 2019, 26158 Rn. 8, beck-online; OLG Celle, Beschluss vom 09.07.2013 – 10 WF 230/13, BeckRS 2013, 13093, beck-online; OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.04.2014 – 5 WF 40/14, BeckRS 2014, 7376, beck-online; OLG Koblenz, Beschluss vom 16.03.2017 – 7 WF 83/17, BeckRS 2017, 136808 Rn. 18, beck-online; OLG München, Beschluss vom 04.05.2011 – 33 WF 765/11, BeckRS 2011, 18611, beck-online; OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.11.2010 – 11 WF 133/10, BeckRS 2010, 28838, beck-online; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 05.04.2016 – 2 WF 37/16, BeckRS 2016, 14905, beck-online; BeckOK KostR/Neumann, 38. Edition 01.07.2022, FamGKG § 51 Rn. 76). Allerdings wird teilweise auch die Ansicht vertreten, dass sich, weil die einstweilige Anordnung auf Zahlung von Unterhalt die Hauptsache regelmäßig vorweg nehme, der Verfahrenswert sich nach dem vollen Wert der Hauptsache bemesse; eine Absenkung auf die Hälfte des Wertes soll nicht stattfinden (so OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.02.2010 - 3 W F 15/10, NJW 2010, 1385, beck-online; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2014 – 5 WF 24/14, BeckRS 2014, 8094, beck-online; OLG Bamberg, Beschluss vom 13.05.2011 – 2 WF 102/11, BeckRS 2012, 3152, beck-online; OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.08.2013 – 3 WF 216/13, BeckRS 2013, 14683, beck-online; OLG Hamm, Beschluss vom 25.02.2014 – 6 WF 8/14, BeckRS 2014, 9282, beck-online; OLG Köln, Beschluss vom 13.06.2014 – 26 WF 60/14, BeckRS 2014, 13073, beck-online; Norbert Schneider, NZFam 2014, 640, 641, beck-online; Thiel, FamFR 2012, 65, beck-online). Die hierfür angeführten Argumente vermögen den Senat aber nicht zu überzeugen.

Gegen eine Herabsetzung des Verfahrenswertes wird angeführt, dass die auf Zahlung von Unterhalt gerichtete einstweilige Anordnung eine Vorwegnahme der Hauptsache darstelle und dies vom Gesetzgeber im Hinblick auf § 246 Abs. 1 FamFG auch so gewollt sei; einstweilige Anordnungen in Unterhaltssachen seien rechtswegübergreifend die einzigen Eilverfahren, in denen es einem antragstellenden Beteiligten grundsätzlich erlaubt sei, den Hauptsacheanspruch geltend zu machen (so Norbert Schneider, NZFam 2014, 640, 641 beck-online; ähnlich OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.02.2010 - 3 W F 15/10, NJW 2010, 1385, beck-online; dagegen zu Recht OLG Zweibrücken, Beschluss vom 05.04.2016 – 2 WF 37/16, BeckRS 2016, 14905 Rn. 11, beck-online).

Gegen dieses Argument spricht, dass es gerade in Familiensachen nicht der Ausnahmefall ist, dass durch eine einstweilige Anordnung die Hauptsache vorweggenommen wird. Dies gilt etwa für zwei der am häufigsten vorkommenden Eilverfahren in Kindschaftssachen, die Anträge eines Elternteils auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts oder auf Herausgabe des Kindes, aber auch für die Zuweisung der Ehewohnung. Vor diesem Hintergrund ist auch das Argument nicht durchschlagend, dass mit der Regelung des Unterhalts durch einstweilige Anordnung ein sofort vollstreckbarer Titel vorliege, der es ermögliche, den Hauptsacheanspruch durchzusetzen (so aber OLG Hamm, Beschluss vom 25.02.2014 – 6 WF 8/14, BeckRS 2014, 9282, beck-online; OLG Bamberg, Beschluss vom 13.05.2011 – 2 WF 102/11, BeckRS 2012, 3152, beck-online; OLG Köln, Beschluss vom 13.06.2014 – 26 WF 60/14, BeckRS 2014, 13073, beck-online; Norbert Schneider, NZFam 2014, 640, 641 beck-online).

Auch wenn ein einstweiliges Anordnungsverfahren im Einzelfall die unbefristete Zahlung der vollen Unterhaltsrente zum Gegenstand hat, ist doch festzustellen, dass der im einstweiligen Anordnungsverfahren erstrittene Titel mit der Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren nicht gleichwertig ist. Dies rechtfertigt auch hier die Anwendung von § 41 FamGKG (BeckOK KostR/Neumann, 38. Edition 01.07.2022, FamGKG § 51 Rn. 76).

Entscheidend für den Ansatz des hälftigen Werts der Hauptsache gemäß § 41 FamGKG spricht, dass die einstweilige Anordnung im Bereich des Unterhaltsrechts nicht zu einer endgültigen Erledigung des Unterhaltsverfahrens führen kann, weil sie nicht in materielle Rechtskraft erwächst, also nicht rechtsverbindlich die Höhe des geschuldeten Unterhalts klärt (OLG Hamm, Beschluss vom 13.07.2021 – 13 WF 106/21, BeckRS 2021, 19087 Rn. 6, beck-online; OLG Hamm, Beschluss vom 08.05.2015 – II-2 WF 66/15, BeckRS 2016, 7322, beck-online; OLG Celle, Beschluss vom 09.07.2013 – 10 WF 230/13, BeckRS 2013, 13093, beck-online; OLG München, Beschluss vom 04.05.2011 – 33 WF 765/11, BeckRS 2011, 18611, beck-online; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 05.04.2016 – 2 WF 37/16, BeckRS 2016, 14905 Rn. 9, beck-online; BeckOK KostR/Neumann, 38. Edition 01.07.2022, FamGKG § 51 Rn. 76). Doch auch weitere Gesichtspunkte, die die verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Verfahrens der einstweiligen Anordnung betreffen, sprechen dafür, nicht den vollen Hauptsachewert anzunehmen.

So steht die im einstweiligen Anhörungsverfahren ergangene Entscheidung von vornherein sowohl unter der jederzeitigen Möglichkeit einer amtsgerichtlichen Aufhebung oder Änderung gemäß § 54 FamFG, als auch unter dem immanenten Vorbehalt der Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren, zu dessen Betreiben der Antragsteller durch den Antragsgegner gemäß § 52 Abs. 2 FamFG zur Vermeidung der Aufhebung der einstweiligen Anordnung ohne Weiteres gezwungen werden kann und das unabhängig davon jederzeit beiden Beteiligten offensteht (OLG Celle, Beschluss vom 09.07.2013 – 10 WF 230/13, BeckRS 2013, 13093, beck-online, OLG Hamm, Beschluss vom 08.05.2015 – II-2 WF 66/15, BeckRS 2016, 7322, beck-online; OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.04.2014 – 5 WF 40/14, BeckRS 2014, 7376, beck-online; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 05.04.2016 – 2 WF 37/16, BeckRS 2016, 14905 Rn. 9, beck-online). Folglich sind auch, soweit Unterhalt im Wege der einstweiligen Anordnung geltend gemacht wird, Hauptsacheverfahren keinesfalls ausgeschlossen oder grundsätzlich entbehrlich. So ist etwa bei Ablehnung einer begehrten einstweiligen Anordnung auf Zahlung von Unterhalt wegen der fehlenden Anfechtbarkeit der Entscheidung nach § 57 S. 1 FamFG die Beantragung eines Hauptsacheverfahrens die einzige Möglichkeit des Antragstellers, eine Korrektur der amtsgerichtlichen Entscheidung durch das Oberlandesgericht zu erreichen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.04.2014 – 5 WF 40/14, BeckRS 2014, 7376, beck-online). Umgekehrt ist bei Erlass einer einstweiligen Anordnung auch der Antragsgegner wegen des Ausschlusses der Beschwerde gehalten, den Antragsteller über § 52 Abs. 2 FamFG zur Einleitung eines Hauptsacheverfahrens zu veranlassen, um zu einer Überprüfung der Entscheidung im Beschwerdeverfahren zu gelangen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.04.2014 – 5 WF 40/14, BeckRS 2014, 7376, beck-online; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 05.04.2016 – 2 WF 37/16, BeckRS 2016, 14905 Rn. 10, beck-online). Überdies steht die Titulierung des Unterhalts durch eine einstweilige Anordnung der Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung in einem Hauptsacheverfahren nicht entgegen (OLG Hamm, Beschluss vom 13.07.2021 – 13 WF 106/21, BeckRS 2021, 19087 Rn. 6, beck-online).

Hinzu kommt, dass es sich bei dem einstweiligen Anordnungsverfahren um ein Verfahren mit geringerem Umfang und geringer Bedeutung gegenüber der Hauptsache handelt (OLG Hamm, Beschluss vom 13.07.2021 – 13 WF 106/21, BeckRS 2021, 19087 Rn. 6, beck-online; OLG Celle, Beschluss vom 09.07.2013 – 10 WF 230/13, BeckRS 2013, 13093, beck-online). Damit einher geht eine erleichterte Beweisführung (OLG Koblenz, Beschluss vom 16.03.2017 – 7 WF 83/17, BeckRS 2017, 136808 Rn. 18, beck-online). In der Regel findet keine Beweisaufnahme statt; die einzelnen Positionen sind glaubhaft zu machen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.11.2010 – 11 WF 133/10, BeckRS 2010, 28838, beck-online). Vor diesem Hintergrund trifft die Aussage des Amtsgerichts in seiner Nichtabhilfeentscheidung zu, wonach der Gesetzgeber das einstweilige Anordnungsverfahren bewusst als kostengünstiges Verfahren zur Erledigung des Rechtsstreits geschaffen hat (OLG Hamm, Beschluss vom 13.07.2021 – 13 WF 106/21, BeckRS 2021, 19087 Rn. 6, beck-online).

Gegen die Anwendung von § 41 S. 2 FamGKG in der vorliegenden Fallgestaltung spricht schließlich nicht das Argument, dass im einstweiligen Anordnungsverfahren meist nicht etwa nur ein Teilbetrag, sondern bereits der volle Unterhalt geltend gemacht wird. Denn diesem Umstand wird hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass der geltend gemachte volle monatliche Unterhalt und nicht lediglich ein Teilbetrag in die Berechnung für sechs Monate einfließt (vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 13.07.2021 – 13 WF 106/21, BeckRS 2021, 19087 Rn. 7, beck-online)

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 59 Abs. 3 FamGKG.

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auch wenn die Frage, ob im Verfahren der einstweiligen Anordnung zur Regelung des Unterhalts regelmäßig die Vorschrift des § 41 S. 2 FamGKG Anwendung findet, grundsätzliche Bedeutung haben mag, ist es dem Senat mit Rücksicht auf § 59 Abs. 1 S. 5 FamGKG i.V.m. 57 Abs. 7 FamGKG verwehrt, die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zuzulassen.