Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 21.12.2022 | |
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Aktenzeichen | 10 WF 32/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:1221.10WF32.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 07.02.2022 wird der Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 05.01.2022 in der Fassung des teilweise abhelfenden Beschlusses vom 07.03.2022 teilweise abgeändert.
Die vom Antragsgegner zu zahlenden monatlichen Raten werden auf 209,00 € festgesetzt.
Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde, über die der Senat nach Übertragung durch den Einzelrichter gemäß § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO in der nach dem GVG vorgesehenen Besetzung entscheidet, führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung.
1.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 07.02.2022 (Bl. 147 des Beihefts Verfahrenskostenhilfe; alle weiteren Blattzahlen beziehen sich – soweit nicht anders angegeben – ebenfalls auf dieses Beiheft) gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 05.01.2022. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 28.05.2021 (Bl. 92) auch gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 07.05.2021 (Bl. 46) und mit Schriftsatz vom 06.04.2022 (Bl. 208) gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 07.03.2022 (Bl. 197) Rechtsmittel eingelegt hat.
Der Richter des Amtsgerichts hat durch Beschluss vom 23.01.2019 dem Antragsgegner zunächst Verfahrenskostenhilfe gegen Zahlung monatlicher Raten von 140,00 € bewilligt (Bl. 11). Auf den Abänderungsantrag des Antragsgegners vom 04.04.2019 (Bl. 14) hat der Richter des Amtsgerichts durch Beschluss vom 24.04.2019 den Bewilligungsbeschluss dahin abgeändert, dass eine Ratenzahlungsverpflichtung nicht gegeben ist (Bl. 15). Von diesem Zeitpunkt an bestand für den Antragsgegner zunächst keine Beschwer, welche die Einlegung eines Rechtsmittels hätte rechtfertigen können.
Durch Verfügung vom 06.01.2021 hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts dann ein Abänderungsverfahren gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 120a ZPO eingeleitet (Bl. 26). Im Hinblick auf die aus ihrer Sicht unzureichende Mitwirkung des Antragsgegners im Abänderungsverfahren hat die Rechtspflegerin durch Beschluss vom 07.05.2021 die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aufgehoben (Bl. 46). Hiergegen hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 28.05.2021 sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 92). Einer Bescheidung dieses Rechtsmittels bedarf es aber nicht. Denn Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nicht mehr die durch Beschluss vom 07.05.2021 ausgesprochene Aufhebung der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe.
Durch den angefochtenen Beschluss vom 05.01.2022 (Bl. 137) hat das Amtsgericht seine Beschlüsse vom 23.01.2019, 24.04.2019 und 07.05.2021 auf die Beschwerde vom 28.05.2021 dahin abgeändert, dass der Antragsgegner monatliche Raten von 721,00 € zu zahlen hat. Dieser Beschluss, der ausdrücklich die Abänderung von drei vorangegangenen Beschlüssen ausspricht, ist der Auslegung zugänglich.
Der Beschluss vom 23.01.2019 unterliegt schon deshalb nicht mehr der Abänderung, weil er bereits durch Beschluss vom 24.04.2019 abgeändert worden ist. Der Beschluss vom 24.04.2019 ist schon deshalb nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, weil durch ihn Verfahrenskostenhilfe ratenfrei bewilligt worden ist, der Antragsgegner durch diesen Beschluss also nicht beschwert ist.
Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss unter anderem den Beschluss vom 07.05.2021 abgeändert. Diesen Teil der Entscheidung wird man im Hinblick auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 28.05.2021 gegen den Beschluss vom 07.05.2021 als Abhilfeentscheidung ansehen müssen. Indem das Amtsgericht sich im Beschluss vom 05.01.2022 in der Lage gesehen hat, auf der Grundlage der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsgegners dessen einzusetzendes Einkommen zu ermitteln und Raten festzusetzen, hat es seine Entscheidung, die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe aufzuheben, korrigiert. Damit ist die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 28.05.2021 erledigt und bedarf keiner Bescheidung.
Indem das Amtsgericht in seinem angefochtenen Beschluss vom 05.01.2022 zugleich monatliche Raten in Höhe von 721,00 € festgesetzt hat, hat es den Beschluss vom 24.04.2019, durch den Verfahrenskostenhilfe ratenfrei bewilligt worden war, abgeändert. Mit seinem Rechtsmittel vom 07.02.2022 richtet sich der Antragsgegner ersichtlich gegen diesen Teil der Entscheidung. Darüber ist nun im Beschwerdeverfahren zu befinden.
Soweit der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 06.04.2022 noch Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 07.03.2022 eingelegt hat, liegt kein weiteres Rechtsmittelverfahren vor. Durch den Beschluss vom 07.03.2022 hat das Amtsgericht die vom Antragsgegner zu zahlenden Raten von 721,00 € auf 269,00 € ermäßigt und im Tenor ausdrücklich ausgesprochen, der weitergehenden Beschwerde werde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 198). Damit liegt eine teilweise abhelfende Entscheidung gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 572 Abs. 1 S. 1 ZPO vor. Gegen diese muss ein gesondertes Rechtsmittel nicht eingelegt werden. Vielmehr ist der angefochtene Beschluss in der Fassung des teilweise abhelfenden Beschlusses Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Die neuerliche Einlegung einer Beschwerde durch Schriftsatz vom 06.04.2022 ist offensichtlich darauf zurückzuführen, dass das Amtsgericht seiner teilweise abhelfenden Entscheidung zu Unrecht eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt hat, nach der gegen den Beschluss die sofortige Beschwerde binnen eines Monats statthaft sei (Bl. 200). Tatsächlich hätte dieser Beschluss, da er zu Recht die Vorlage des Verfahrens an das Beschwerdegericht zum Inhalt hat, nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen werden dürfen.
2.
Die gegen die Abänderung der ratenfreien Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gerichtete sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat teilweise Erfolg. Er hat nicht, wie vom Amtsgericht zuletzt durch Beschluss vom 07.03.2022 entschieden, monatliche Raten von 269,00 € aufzubringen, sondern lediglich solche in Höhe von 209,00 €.
Das Amtsgericht hat die Berechnung des einzusetzenden Einkommens auf Seite 3 seines Beschlusses vom 07.03.2022 (Bl. 199) nachvollziehbar dargelegt. Im Hinblick auf das Vorbringen mit Schriftsatz vom 06.04.2022 (Bl. 208 f.), insbesondere im Hinblick auf die mit dem Schriftsatz vorgelegte aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 31.03.2022 (Bl. 210 ff.), sind aber einige Korrekturen veranlasst.
a)
Eine wesentliche Änderung der persönlichen Verhältnisse, die allerdings im Ergebnis eher zu einem höheren einzusetzenden Einkommen führt, stellen Veränderungen hinsichtlich der Angehörigen dar, denen der Antragsgegner Unterhalt gewährt. Während bislang davon auszugehen war, dass der Antragsgegner auch seiner volljährigen Tochter L… Unterhalt gewährt (vgl. etwa Bl. 53), hat er nun nur noch seinen am 21.01.2016 geborenen Sohn F… als Unterhaltsberechtigten angegeben. Entsprechend hat er weiter mitgeteilt, Kindergeld nur noch in Höhe von 209,00 €, also für ein Kind, zu beziehen. Damit kann für die volljährige Tochter in Abänderung des Beschlusses vom 07.03.2022 ein Unterhaltsfreibetrag nicht mehr berücksichtigt werden. Soweit es den Sohn F… betrifft, hat der Antragsgegner nun belegt, Unterhaltsvorschuss in Höhe von 236,00 € zu erhalten. Dies führt dazu, dass bezüglich dieses Kindes nicht mehr, wie im Beschluss des Amtsgerichts vom 07.03.2022 angenommen, ein Abzugsbetrag von 168,00 €, sondern lediglich ein solcher von 106,00 € (= 342,00 € Unterhaltsfreibetrag - 236,00 € Unterhaltsvorschuss) zum Tragen kommt.
b)
Eine weitere Korrektur ist hinsichtlich der Wohnkosten geboten. Das Amtsgericht ist offensichtlich von einem Pachtzins von 690,00 € ausgegangen (vgl. Bl. 56) und hat die Hälfte hiervon, das sind 345,00 €, für abzugsfähig gehalten. Die vom Antragsgegner darüber hinaus geltend gemachten Heizungskosten hat das Amtsgericht offensichtlich nicht berücksichtigt.
Nun im Beschwerdeverfahren hat der Antragsgegner belegt, dass der monatliche Pachtzins von 619,00 € auf 750,00 € angehoben worden ist (Bl. 230 f.). Inklusive Nebenkosten von 160,00 € hat der Antragsgegner somit 910,00 € zu zahlen. Darüber hinaus macht er Heizungskosten von 150,00 € geltend, für Unterkunft und Heizung somit insgesamt 1.060,00 € (Bl. 213). Die Zahlungen hat der Antragsgegner nun durch Einreichung von Kontoauszügen belegt (Bl. 215, 219).
Die Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.060,00 € können aber – wie schon das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat – nicht in vollem Umfang, sondern nur zur Hälfte vom Einkommen des Antragsgegners abgesetzt werden.
Vom Einkommen abzusetzen sind gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 ZPO die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen. Wird die Wohnung von mehreren Personen mit jeweils eigenem Einkommen bewohnt, kann der Antragsteller regelmäßig nicht die vollen Wohnkosten von seinem Einkommen absetzen (OLG Köln, Beschluss vom 15.05.2017 – 10 WF 60/17, BeckRS 2017, 149768 Rn. 3, beck-online). Vielmehr sind die Kosten der Unterkunft und Heizung in der Regel bei Ehegatten, Familienangehörigen, nichtehelichen Lebensgemeinschaften und anderen Wohngemeinschaften nach Kopfteilen aufzuteilen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 30.06.2005 – 8 WF 55/05, BeckRS 2007, 15656, beck-online; OLG Koblenz, Beschluss vom 28.12.1999 – 9 WF 760/99, BeckRS 1999, 30875692, beck-online; BeckOK ZPO/Reichling, 46. Edition 01.09.2022, ZPO § 115 Rn. 38; Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 115 Rn. 40). Eine Ausnahme wird teilweise dann gemacht, wenn das Einkommen eines Mitbewohners so erheblich hinter dem Einkommen des anderen Mitbewohners zurückbleibt, dass eine hälftige Heranziehung dieses Bewohners zu den Kosten der Unterkunft nicht angemessen erscheint. Für diesen Fall wird, wenn der Mitbewohner nicht ganz ohne Einkommen ist (vgl. hierzu OLG Koblenz, Beschluss vom 03.07.1995 - 7 W 233/95, NJW-RR 1996, 1150, beck-online), die quotale Aufteilung der Wohn- und Heizungskosten nach dem Verhältnis der Nettoeinkünfte in Betracht gezogen (OLG Köln, Beschluss vom 15.05.2017 – 10 WF 60/17, BeckRS 2017, 149768 Rn. 4, beck-online).
Ob dem zu folgen ist, kann hier dahinstehen. Denn der Antragsgegner hat keine hinreichenden Umstände dargelegt, die einer hälftigen Aufteilung der Wohnkosten auf ihn und seine Lebensgefährtin entgegenständen.
Darauf, dass er allein den Pachtvertrag abgeschlossen hat, kommt es nicht an. Auch auf eine entsprechende Absprache mit der Lebensgefährtin, dass diese keine Wohnkosten bezahlt, kann sich der Antragsgegner nicht mit Erfolg berufen. Dies gilt umso mehr, als das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss unwidersprochen festgestellt hat, dass die Lebensgefährtin dem Antragsgegner durchaus Geld überweist. Auf Absprachen zwischen den Bewohnern der Unterkunft kommt es bei der Anwendung von § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ZPO ohnehin nicht an. Der vereinzelt vertretenen Gegenauffassung (vgl. Zimmermann, Prozesskosten- und Verfahrenskostenhilfe – insbesondere in Familiensachen –, 6. Aufl., Rn. 104; Verfahrenshandbuch Familiensachen/Gutjahr, 2. Aufl., § 1 Rn. 144) folgt der Senat nicht. Denn grundsätzlich hat es der um Verfahrenskostenhilfe nachsuchende Beteiligte in der Hand, mit Rücksicht auf die entstehenden Verfahrenskosten eine – vorübergehende – Abänderung der Vereinbarung zu erreichen.
Zu den Einkünften seiner Lebensgefährtin hat der Antragsgegner nicht vorgetragen, so dass sich ein erhebliches Zurückbleiben ihres Einkommens hinter demjenigen des Antragsgegners nicht feststellen lässt. Auf die Frage, ob, wie der Antragsgegner in seiner persönlichen Erklärung (Bl. 235) angegeben hat, seine Freundin nach einer Wohnung sucht und auf absehbare Zeit mit ihrem Auszug zu rechnen ist, kommt es nicht an. Entscheidend sind die aktuellen Verhältnisse, nicht etwa in der Zukunft bevorstehende Änderungen der Verhältnisse.
c)
Die Kreditraten, die das Amtsgericht mit 550,00 € berücksichtigt hat, belaufen sich nach der aktuellen Erklärung des Antragsgegners nun auf 600,00 € (Bl. 213).
d)
Die vom Antragsgegner im Zusammenhang mit einer chronischen Erkrankung geltend gemachten Kosten für Medikamente und „Sprit“ von 15,00 € monatlich können als besondere Belastung gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 ZPO Berücksichtigung finden.
e)
Zusätzlich zu den bereits aufgeführten monatlichen Belastungen hat der Antragsgegner in seiner persönlichen Erklärung (Bl. 235) Schulden in Höhe von mehreren 100,00 € bei der Stadtkasse genannt, die sich bereits in der Vollstreckung befänden. Er verhandle insoweit gerade über die Möglichkeit einer monatlichen Ratenzahlung in Höhe von 100,00 €. Da sich die öffentliche Hand regelmäßig auf Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen einlässt, kann die monatliche Rate von 100 €,00 bereits Berücksichtigung finden.
f)
Nach alledem errechnet sich das vom Antragsgegner einzusetzende Einkommen wie folgt:
Nettoeinkommen 2.417,58 €
Kindergeld 209,00 €
Einnahmen insgesamt 2.626,58 €
Kfz-Haftpflichtversicherung -91,33 €
Fahrtkosten -46,80 €
Wohnkosten -530,00 €
Kreditraten -600,00 €
Unterhaltsfreibetrag -494,00 €
Unterhalt für den Sohn -106,00 €
Erwerbstätigenfreibetrag -225,00 €
besondere Belastungen -15,00 €
Schulden bei der Stadtkasse -100,00 €
einzusetzendes Einkommen 418,45 €.
Bei einem einzusetzenden Einkommen von 418,45 € ist gemäß § 115 Abs. 2 S. 1 ZPO die Hälfte hiervon, auf volle Euro abgerundet, als Rate festzusetzen. Das sind 209,00 €.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO, KV FamGKG 1912.
Gegen diesen Beschluss ein Rechtsmittel nicht gegeben.