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Entscheidung 13 UF 178/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 27.12.2022
Aktenzeichen 13 UF 178/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:1227.13UF178.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der auf den 19.08.2022 datierte und durch Übergabe an die Geschäftsstelle am 19.09.2022 erlassene Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin aufgehoben.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 2.130 €.

Gründe

I.

Der beschwerdeführende Antragsteller wendet sich gegen die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich in seinem Scheidungsverfahren.

Auf seinen Scheidungsantrag vom 14.07.2020 hat das Amtsgericht Auskünfte bei den Versorgungsträgern der Antragsbeteiligten und dabei unter anderem bei der weiteren Beteiligten zu 2) eingeholt. Diese hat die bei ihr bestehenden Anrechte der Ehegatten unter dem 12.10.2020, 15.10.2020 und 20.10.2020 beauskunftet, darunter auch das Anrecht des Antragstellers aus einer privaten Rentenversicherung mit der Versicherungsnummer LV-… über einen Ehezeitanteil von 23.280,56 € und einen Ausgleichswert von 11.515,28 € (Bl. 18 VA). Mit der Ladung zum Scheidungstermin hat das Amtsgericht den Antragsbeteiligten eine vorläufige Berechnung zum Versorgungsausgleich mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum Termin zugesandt, dabei allerdings versäumt, das Anrecht des Antragsgegners zur Versicherungsnummer LV … in die Berechnung aufzunehmen. Im Scheidungstermin vom 27.04.2022 hat das Amtsgericht die übersandte Berechnung mit den Antragsbeteiligten besprochen und diese haben keine Einwände gegen eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich auf der Grundlage dieser konkreten Berechnung erhoben, woraufhin das Amtsgericht den Beschluss über die Scheidung und die Durchführung des Versorgungsausgleichs verkündet hat. Der Beschluss führt zwar die Versicherungsnummer des Anrechts des Antragstellers bei der weiteren Beteiligten zu 2) im Rubrum auf, im Übrigen wird das Anrecht mit der Versicherungsnummer LV … in Tenor und Gründen des Beschlusses aber nicht erwähnt.

Der Beschluss ist der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 09.05.2022 und der Antragsgegnerin am 07.05.2022 zugestellt worden. Die weitere Beteiligte zu 2) hat auf dem Empfangsbekenntnis, welches u.a. auch die Versicherungsnummer LV aufführt, den Eingang des Beschlusses bei ihr mit dem 16.05.2022 quittiert.

Mit am 12.07.2022 beim Amtsgericht eingegangenem Schreiben (Bl. 74) hat die weitere Beteiligte zu 2) mitgeteilt, dass sie die Mitteilung des Amtsgerichts vom 28.06.2022 über die Rechtskraft des Beschlusses erhalten habe, jedoch fehle zur Versicherungsnummer LV … die Entscheidung, ob eine Teilung erfolge oder unterbleibe.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht sodann den Scheidungsverbundbeschluss vom 27.04.2022 in entsprechender Anwendung von § 51 VersAusglG abgeändert, das Anrecht des Antragstellers bei der weiteren Beteiligten zu 3) mit der Versicherungsnummer LV … intern geteilt und zu Gunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 11.515,28 € nach Maßgabe der Teilungsordnung übertragen.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er geltend macht, das Amtsgericht könne den rechtskräftigen Beschluss vom 27.04.2022 nicht gemäß § 51 VersAusglG ändern und nachträglich ein Anrecht in den Versorgungsausgleich einbeziehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Korrespondenz im Beschwerderechtszug. Er entscheidet, wie angekündigt, ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg und führt zur Aufhebung und damit zum ersatzlosen Wegfall der angefochtenen Entscheidung.

Die Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Scheidungsbeschluss vom 27.04.2022 konnte nicht gemäß § 51 VersAusglG abgeändert werden, denn es liegt bereits keine Altentscheidung im Sinne der Vorschrift vor. Danach sind von der Abänderungsmöglichkeit nur Entscheidungen erfasst, die nach dem Recht getroffen wurden, das bis zum 31.08.2009 gegolten hat.

Der Abänderung können nach § 51 VersAusglG zudem nur diejenigen Anrechte unterworfen werden, die auch in der abzuändernden Ausgangsentscheidung erfasst waren. Aus der Natur des Versorgungsausgleichsverfahrens als Amtsermittlungsverfahren folgt, dass Gegenstand des Versorgungsausgleichsverfahrens alle bei Ehezeitende vorhandenen und dem Versorgungsausgleich grundsätzlich unterfallenden Versorgungsanwartschaften und -anrechte der Ehegatten sind (BGH, Beschluss vom 24.07.2012, - XII ZB 415/12-, NJW-RR 2013, 1217 Rn. 16, beck-online). Wird ein dem Wertausgleich bei der Scheidung grundsätzlich unterfallendes Anrecht fehlerhaft nicht ausgeglichen, weil es dem Gericht nicht bekannt war oder von diesem übersehen wurde, liegt eine fehlerhafte Entscheidung vor, die mit Ablauf der Beschwerdefrist in Rechtskraft erwächst. In materielle Rechtskraft erwächst die Entscheidung dabei nicht nur insoweit, als Versorgungsanwartschaften tatsächlich ausgeglichen werden, sondern auch mit dem Inhalt, dass keine weiteren im Zeitpunkt der Scheidung ausgleichsreifen Anrechte vorhanden sind (BGH aaO.). Eine spätere Korrektur der Ausgangsentscheidung im Rahmen des Abänderungsverfahrens nach § 51 VersAusglG würde damit zu einer Durchbrechung der Rechtskraft führen (BGH, aaO.).

Auch ein Ausgleich nach der Scheidung ist nicht möglich, da dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich keine generelle Auffangfunktion zukommt. Änderungsverfahren nach §§ 225 f. FamFG kommen nicht in Betracht, da sich nichts verändert hat (Götsche, FamRB 2017, 148, 151).

Weil eine Anfallwirkung des gesamten Streitstoffes des Versorgungsausgleichs, also aller Versorgungen eintritt, scheidet auch eine nachträgliche Beschlussergänzung gemäß § 43 FamFG aus, denn das Übergehen eines dem Versorgungsausgleich unterliegenden Anrechts ist wie eine rechtsirrige Behandlung anzusehen (Musielak/Borth/Frank/Borth, 7. Aufl. 2022, FamFG § 43 Rn. 5), die nicht unter § 43 FamFG fällt.

Auch eine Beschlussberichtigung gemäß § 42 FamFG, d.h. Ergänzung um den unterbliebenen Ausspruch, kommt nicht in Betracht, weil keine offenbare Unrichtigkeit vorliegt. Zwar benennt das Rubrum des Beschlusses vom 27.04.2022 die weitere Beteiligte zu 2) ausdrücklich unter Mitteilung der Versicherungsnummer auch des vergessenen Anrechts. Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an, weil aus diesem Umstand noch nicht der Schluss gezogen werden kann, dass die Amtsrichterin tatsächlich beabsichtigte, einen Ausgleich auch des vergessenen Anrechts vorzunehmen, da das Rubrum aus der elektronischen Datenverarbeitung aufgerufen wird und damit Rückschlüsse auf eine bewusste Willensbildung des Gerichts nicht zulässt (OLG Celle, Beschluss vom 19.11.2013 – 17 WF 233/13, BeckRS 2013, 2204; Musielak/Borth/Frank/Borth, 7. Aufl. 2022, FamFG § 42 Rn. 6). Entscheidend ist vielmehr, dass sich weder Tenor noch Gründe der schriftlich abgefassten Entscheidung zu dem Ausgleich des nämlichen Anrechts verhalten; lediglich im Falle eines daraus resultierenden Widerspruchs hätte aber für einen Außenstehenden eine Unrichtigkeit im Sinne von § 42 FamFG evident sein können (vgl. BGHZ 20, 192; 78, 22; 106, 373; 127, 80; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 22. Juli 2013 – 3 UF 52/13 –, Rn. 11, juris). Hier hat das Amtsgericht das Anrecht des Antragstellers zur Versicherungsnummer LV … bereits bei Erstellung der vorläufigen Berechnung zum Versorgungsausgleichs im Vorfeld des Scheidungstermins übersehen und auch bei Beschlussabfassung den Irrtum nicht erkannt. Erst nach Beschlusserlass ist der Fehler auf den Hinweis der weiteren Beteiligten zu 2) im Schreiben vom 07.07.2022 aufgefallen, wie es das Amtsgericht den Beteiligten auch mit Verfügung vom 13.07.2022 mitgeteilt hat.

Dem Senat ist schließlich eine Abänderung der unrichtigen Entscheidung des Amtsgerichts zum Versorgungsausgleich im Scheidungsbeschluss gemäß § 69 FamFG verwehrt. Der Beschluss des Amtsgerichts ist rechtskräftig. Innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat (§ 63 Abs. 1 FamFG) hat keiner der Beteiligten Beschwerde eingelegt.

Die Antragsbeteiligten haben die erstinstanzliche Entscheidung im Scheidungsverbundbeschluss vom 27.04.2022 zu keinem Zeitpunkt beanstandet.

Es kann dahinstehen, ob - was eher fernliegt - der Schriftsatz der weiteren Beteiligten zu 2) vom 07.07.2022, mit dem sie sich nach der Entscheidung zu ihrem unter dem Az. LV … geführten Anrecht erkundigt, als Beschwerde im Sinne von § 58 ff. FamFG auszulegen ist. Eine dahingehend ausgelegte Beschwerde wäre jedenfalls unzulässig, weil verfristet.

Die Beschwerdefrist beginnt für jeden Beteiligten mit der schriftlichen Bekanntmachung des Beschlusses an ihn, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses (§ 63 Abs. 3 FamFG). Bekanntgemacht ist der Beschluss nach § 41 Abs. 1 FamFG durch förmliche Zustellung an die Beteiligten. Darauf, welche Zustellung an einen Versorgungsträger die Beschwerdefrist auslöst, wenn bei ihm mehrere vom Versorgungsausgleich betroffene Anrechte bestehen (vgl. hierzu Wick in: Wick, Der Versorgungsausgleich, 4. Aufl. 2017, E. Der Wertausgleich bei der Scheidung), kommt es vorliegend nicht an. Ausweislich des zu den Akten gereichten Empfangsbekenntnisses (Bl. 70) der weiteren Beteiligten zu 2), welches die Versicherungsnummern der Anrechte des Antragstellers aufführt, ist ihr der Beschluss des Amtsgerichts zu den im Empfangsbekenntnis genannten Anrechten, also auch dem vom Amtsgericht vergessenen Anrecht, am selben Tag, nämlich am 16.05.2022 zugestellt worden, sodass die Beschwerdefrist am Folgetag, dem 17.05.2022 zu laufen begann. Der Schriftsatz der weiteren Beteiligten zu 2) vom 07.07.2022 ist erst am 12.07.2022 und damit nach Ablauf der bis zum 16.06.2022 andauernden Beschwerdefrist eingegangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 20 FamGKG, 81 FamFG.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 55 Abs.2, 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG. Beschwerdegegenständlich war ein Anrecht.

Anlass die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht (§70 Abs. 2 FamFG).