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Entscheidung 3 U 95/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 3. Zivilsenat Entscheidungsdatum 08.11.2022
Aktenzeichen 3 U 95/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:1108.3U95.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 02.09.2021, Az. 13 O 333/20, aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht zurückverwiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einer Sportverletzung im Rahmen eines Fußballspiels.

Am 26.11.2017 nahmen die Parteien als Feldspieler an einem Meisterschaftsspiel zwischen dem SV W… und der SG Wi… 03 II auf dem Sportgelände des SV W… teil. Der Kläger spielte für die SG Wi…, der Beklagte für den SV W…. In der 65. Spielminute kam es an der von der Wi… Spielrichtung aus gesehen linken Außenlinie in der Spielhälfte von W… zwischen dem ballführenden Kläger und dem Beklagten zu einem Zweikampf, in dessen Verlauf sich der Kläger schwer verletzte. Der genaue Hergang ist zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte wurde von dem Schiedsrichter, dem Zeugen N… L…, mit einer gelben Karte verwarnt.

Der Kläger zog sich bei dem Unfall eine bimalleoläre Luxationsfraktur des rechten Sprunggelenkes mit dislozierter Fraktur des Malleolus medialis, eine Fibula Trümmerfraktur (Weber C Wadenbeinfraktur), eine traumatische Syndesmosen-Ruptur und einen traumatischen Knorpelschaden nebst einem Weichteilschaden 2. Grades zu. Er wurde mit einem Krankentransport ins Städtische Krankenhaus … verbracht und dort notbehandelt. Er musste sich mehreren Operationen unterziehen und wurde am 13.12.2017 entlassen. Seit dem Unfall bis zum 08.04.2018 war der Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben. Weitere Folgeeingriffe waren notwendig.

Der Kläger hat behauptet, er sei, nachdem er den Ball durch einen Abstoß seines Torhüters etwa auf Höhe der Mittellinie erhalten habe, ballführend an der linken Außenlinie entlang in der gegnerischen Spielhälfte Richtung Tor gelaufen. Der Beklagte habe sich ihm seitlich schräg von hinten aus dem Bereich des Mittelkreises kommend genähert. Er, der Kläger, habe den Ball mit dem linken Fuß geführt und sich in schnellem Lauf befunden, als der Beklagte ihn mit gestrecktem Bein mit der Sohle seiner Fußballschuhe oberhalb des Knöchels in seinen rechten Unterschenkel von außen hineingetreten habe. Zu diesem Zeitpunkt sei der Ball ca. 2 Meter von dem Kläger entfernt gewesen, so dass der Beklagte keine Chance gehabt habe, an den Ball zu kommen. Es handele sich um einen so groben Regelverstoß, dass der Beklagte ihm gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sei.

Der Kläger hat ferner vorgetragen, er sei aufgrund der Folgen der Verletzung nicht mehr imstande, Bewegungssport auszuüben und werde dauerhaft unter Schmerzen und Bewegungseinschränkungen leiden. Der Heilungsverlauf sei noch nicht abgeschlossen. Als Schmerzensgeld sei deshalb ein Betrag von mindestens 30.000 € angemessen. Zudem habe er einen Verdienstausfall von 3.019,80 € erlitten, ferner seien ihm weitere Kosten in Höhe von insgesamt 540,73 € entstanden.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch in Höhe von 30.000,00 EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 19.06.2018 sowie weitere 540,73 EUR Aufwendungsersatz und weitere 3.019,80 EUR Bruttolohneinbuße, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit, zu zahlen,

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen materiellen und, soweit nicht vorhersehbar, immateriellen Schaden aus Anlass des Sportunfalls des Klägers vom 26.11.2017 auf dem Gelände der Sportanlage des SV W… e.V., … in …, zu ersetzen, soweit die Forderungen jeweils nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen,

3. festzustellen, dass die Forderung nach dem Klageantrag zu 1) auf vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung beruht,

4. den Beklagten zu verurteilen, ihn von den bereits entstandenen und nicht anzurechnenden Vergütungsansprüchen seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.491,31 EUR für dessen außergerichtliche Tätigkeit freizustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, beide Spieler seien etwa zeitgleich am Ball gewesen, so dass der Beklagte ebenso wie der Kläger den Ball mit ausgestrecktem Fuß habe spielen wollen. Hierbei sei es im sportlichen Zweikampf zum Zusammenstoß gekommen. Es habe allenfalls ein geringfügiger Regelverstoß vorgelegen.

Das Landgericht hat beide Parteien persönlich angehört und Beweis erhoben über den Hergang des Verletzungsereignisses durch Vernehmung der Zeugen R… H…, N… L…, K… K…, M… F…, R… E.r sowie K… Eh…. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsprotokolle vom 10.06.2021 (Bl. 62ff. d.A.) und vom 11.08.2021 (Bl. 83ff. d.A.).

Es hat sodann mit dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe bereits dem Grunde nach kein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 223 Abs. 1 229 StGB zu, da dem Beklagten im Ergebnis der Beweisaufnahme der erforderliche Schuldvorwurf nicht nachzuweisen sei.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und zahlreicher Obergerichte, der sich das Gericht anschließe, sei eine Haftung für Verletzungen beim Fußballsport dann gegeben, wenn ein schuldhafter Regelverstoß zu einer Verletzung führte, wobei ein Verschulden nicht vorliege, wenn der Regelverstoß noch im Grenzbereich zwischen der einem solchen Kampfspiel eigenen gebotenen Härte und der unzulässigen Unfairness liege.

Ausgehend von diesen Grundsätzen sei dem Kläger der ihm obliegende Beweis der Überschreitung der Grenze zur unzulässigen Unfairness nicht gelungen. Denn es stehe nicht zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte ein grobes Foulspiel im Sinne der Regel 12 der Fußballregeln des Deutschen Fußballbundes für die Saison 2017/1018 begangen und die schwerwiegende Verletzung des Klägers bedingt vorsätzlich oder grob fahrlässig in Kauf genommen habe.

Der Beklagte habe zwar – wie er selbst im Rahmen seiner Anhörung eingeräumt habe – die Verletzung des Klägers verursacht. So habe er angegeben, im Versuch den Ball mittels eines Tacklings wegzuspitzeln, den Kläger getroffen zu haben. Dies allein reiche aber nicht für die Bejahung einer deliktischen Haftung aus.

Die Tatsache, dass der Zeuge L…, der Hauptschiedsrichter bei der Partie gewesen sei, den Beklagten nach seiner Aktion lediglich mit einer gelben Karte zeigte, belege, dass der Zeuge das Vorgehen des Beklagten nicht als grobes Foulspiel aufgefasst habe. Die vom Zeugen geschilderte Wahrnehmung bestätige diese Wertung. So habe der Zeuge nachvollziehbar angegeben, dass der Beklagte sich seitlich dem Kläger genähert und mit angewinkelten Bein versucht habe, den Ball zu spielen. Dabei habe er den Kläger getroffen. Die Angaben des Zeugen hätten auch im Wesentlichen mit seinem Gedächtnisprotokoll, das er nach dem Ereignis gefertigt habe, übereingestimmt. An ein Tackling des Beklagten, das dieser selbst im Rahmen seiner Anhörung angegeben habe, habe sich der Zeuge L… allerdings nicht erinnern können. Das Gericht halte seine Angaben und seine Wertung gleichwohl für glaubhaft, da sie von dem Linienschiedsrichter Assmann auf der linken Seite, der eine noch bessere Sicht auf den Zweikampf gehabt haben müsse, geteilt worden sei.

Das Gericht verkenne dabei nicht, dass Schiedsrichter versuchten, ihre Entscheidungen im Nachhinein zu rechtfertigen, so dass die Einstufung als neutrale Zeugen zumindest zu hinterfragen sei. Hier habe es allerdings im Rahmen der Vernehmung keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Zeuge L… versucht habe, die von ihm wahrgenommenen Vorgänge aus Sicht des Beklagten beschönigend zu schildern, um seine Tatsachenentscheidung zu rechtfertigen.

Demgegenüber hätten die Zeugen H… und Eh… zwar die Version des Klägers bestätigt. Der Zeuge H…, der Zuschauer bei dem Spiel gewesen sei, habe angegeben, der Beklagte habe sich dem Kläger seitlich vom Mittelkreis kommend genähert. Er sei dann mit vollem Tempo in den Kläger gelaufen, er habe diesen „förmlich weggeräumt“. Der Ball sei zu diesem Zeitpunkt relativ weit entfernt gewesen, so dass es aus seiner Sicht kein Spiel mehr um den Ball gewesen sei. Der Zeuge Eh…, der Mitspieler des Klägers gewesen sei, habe geschildert, dass es kein normaler Zweikampf gewesen sei. Der Beklagte habe die Verletzung des Klägers in Kauf genommen, indem er aus vollem Anlauf und gestrecktem Bein in den Zweikampf, der nicht dem Ball gegolten habe, gegangen sei.

Diese Angaben, die ein grobes Foulspiel des Beklagten belegen würden, seien jedoch nicht geeignet, die Aussage des Zeugen L… zu erschüttern und dem Gericht die hinreichende Gewissheit vom Vorliegen eines nicht mehr hinnehmbaren Regelverstoßes zu verschaffen. Hinsichtlich der Angaben des Zeugen H… sei zunächst zu berücksichtigen, dass dieser den Vorfall von der gegenüberliegenden Seite aus weiter Entfernung beobachtet habe. Es bestünden daher Zweifel an der Wahrnehmung des Zeugen H…, dass der Beklagte nicht die Absicht gehabt hatte, den Ball zu spielen. Auch nähere Angaben dazu, wie es genau zu der Kollision gekommen ist, habe der Zeuge nicht machen können. Der Zeuge H… sei als Zuschauer auch nicht neutral, sondern Anhänger der Mannschaft des Klägers gewesen. Dies gelte auch für den Zeugen Eh… als Mitspieler des Klägers. Auch dieser sei nach eigenen Angaben recht weit vom Ort des Zweikampfes entfernt gewesen (30 m). Er habe auch keine Angaben dazu machen können, wie nah der Ball sich am Körper des Klägers befunden habe, so dass seine Einschätzung, es habe sich nicht um einen normalen Zweikampf im Spiel um den Ball gehandelt, kritisch zu hinterfragen sei.

Die weiteren Zeugen K…, E… und F… hätten demgegenüber den Zweikampf zwischen den Parteien hiervon abweichend geschildert oder jedenfalls die klägerische Sachverhaltsdarstellung nicht bestätigt.

Insgesamt könne unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht mit der für eine im Rahmen des § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit festgestellt werden, dass die Grenze zur unzulässigen Unfairness überschritten sei. Das Gericht sei nicht davon überzeugt, dass der Beklagte bei seinem Tackling ohne Aussicht auf Spielen des Balls mit gestrecktem Bein in den Zweikampf gegangen sei und schwerste Verletzungen des Klägers zumindest grob fahrlässig in Kauf genommen habe.

Anders als in den Fällen, in denen ein Spieler, ohne Chance den Ball zu erreichen, einem Mitspieler von hinten in die Beine grätsche und dabei Verletzungen billigend in Kauf nehme, könne im Streitfall nicht festgestellt werden, dass der Beklagte keine Chance gehabt hätte, den Ball zu spielen. Genauso gut sei es vorstellbar, dass der Kläger aufgrund überlegener Schnelligkeit und größeren Geschicks den Bruchteil einer Sekunde schneller am Ball gewesen sei, als der Beklagte, mit der Folge, dass dieser nicht den Ball, sondern den Kläger unglücklich am Bein getroffen habe. Eine gravierende Regelwidrigkeit komme in der Regel jedoch nicht in Betracht, wenn eine reelle Chance bestanden habe, den Ball zu erreichen. Es lasse sich daher lediglich feststellen, dass es sich um einen zwar hart, aber noch nicht die Grenze der Unfairness überschreitenden Zweikampf um den Ball gehandelt habe, mit den sehr bedauerlichen Folgen für den Kläger. Dass sich der Hergang des Geschehens nicht weiter aufklären lasse, gehe zu Lasten des beweisbelasteten Klägers.

Auch die vom Kläger begehrte Einholung eines Sachverständigengutachtens scheide jedenfalls in diesem konkreten Fall aus. Ob der Beklagte zu dem Zeitpunkt des Ansetzens zum Zweikampf eine reelle Chance gehabt habe, an den Ball zu kommen, könne ein Sachverständiger, der bei dem Vorfall nicht anwesend gewesen sei, nicht im Nachhinein feststellen. Die eingetretenen schweren Verletzungen ließen sich ohne weiteres auf die hohe Geschwindigkeit des heraneilenden Beklagten, der unstreitig den Kläger mit dem Fuß getroffen habe, zurückführen. Ob das Bein durchgestreckt gewesen sei oder nicht, lasse sich im Nachhinein auch von einem medizinischen Sachverständigen nicht mehr feststellen. Darüber hinaus stünde selbst in diesem Falle eine Haftung des Beklagten nicht fest. Denn auch dann würde nach Auffassung des Gerichts kein haftungsbegründender Sorgfaltsverstoß vorliegen. Denn auch dann wäre maßgeblich, ob der Beklagte für ihn erkennbar keine reale Möglichkeit mehr gehabt habe, den Ball vor dem Kläger zu erreichen. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme bleibe es weiterhin möglich, dass der Beklagte aufgrund der Geschwindigkeit der Aktion seine Bewegungen nicht vollständig habe beherrschen können, ohne dass ihm dies vorwerfbar sei, er vielmehr subjektiv davon ausgegangen sei, den Ball noch vor dem Kläger weggrätschen zu können. Die vorliegende Sachverhaltskonstellation unterscheide sich damit von der Entscheidung des OLG Hamm vom 07.02.2017 - I-9- 197/15, in der die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Haftung dem Grunde nach als erforderlich angesehen worden sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils entsprechend den erstinstanzlich gestellten Anträgen begehrt und hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur anderweitigen Verhandlung beantragt.

Der Kläger rügt die Beweisaufnahme des Landgerichts als fehlerhaft und unvollständig.

Das Landgericht habe unzutreffend die im Widerspruch zu dessen schriftsätzlichem Vortrag stehende persönliche Anhörung des Beklagten nicht gewürdigt, der eingeräumt habe, dass er mit offener Sohle den Kläger getroffen habe. Es habe auch die Aussage des Zeugen L… fehlerhaft gewürdigt. Auf dessen subjektive Einschätzung, dass das Foul nicht als grobes, mit einer roten Karte zu ahndendes Foul einzustufen sei, komme es nicht an. Auch habe das Gericht nicht beachtet, dass der Zeuge nach seiner eigenen Aussage nur eingeschränkte Sicht auf das Geschehen gehabt habe. Zudem habe der Zeuge erkennbare Nähe zum Beklagten und dessen Mannschaft gezeigt, was das Gericht ebenfalls nicht gewürdigt habe. Nicht nachvollziehbar seien auch die Zweifel des Landgerichts an der Aussage des Zeugen H…, des einzigen unbeteiligten Zeugen außerhalb des Spielfeldes. Der Zeuge habe entgegen den Ausführungen des Landgerichts bekundet, in welcher Entfernung sich der Ball zum Körper des Klägers befunden habe. Auch die kritischen Zweifel an der Aussage des Zeugen Eh… seien nicht begründet. Allein die Tatsache, dass der Zeuge der Mannschaft des Klägers angehört habe, rechtfertige diese Zweifel nicht. Der Zeuge sei als Polizeibeamter besonders glaubwürdig.

Darüber hinaus habe das Landgericht die Beweise nicht vollständig erhoben, da es dem Beweisangebot durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht nachgekommen sei. Durch ein Sachverständigengutachten könne aufgrund der Einwirkungshöhe am Bein des Klägers, der Wucht bzw. der Kraft der Einwirkung und der Richtung der Einwirkung der Beklagten der Vortrag des Beklagten, dass er nur den Ball habe wegspitzeln wollen und seine Handlung nicht dem Körper des Klägers gegolten habe, widerlegt werden.

Der Beklagte tritt der gegnerischen Berufung entgegen und beantragt deren Zurückweisung.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei nicht zu beanstanden. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei nicht angezeigt gewesen, da bereits die bisherige Beweisaufnahme ein schuldhaftes Verhalten nicht ergeben habe. Ein Gutachten könne keinen Erkenntnisgewinn bringen, da die Bewegungsabläufe durch ein Gutachten nicht nachvollzogen werden könnten.

II.

Die nach §§ 516 ff ZPO zulässige Berufung des Klägers führt gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO - entsprechend dem Hilfsantrag des Klägers - zur Aufhebung und Zurückverweisung des angefochtenen Urteils einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens an das Landgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das landgerichtliche Urteil beruht auf einem wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne der genannten Vorschrift. Denn das Erstgericht hat den für den Haftungsgrund maßgeblichen Sachverhalt unter verfahrensfehlerhafter Übergehung eines erheblichen Beweisangebotes nicht hinreichend aufgeklärt.

1.

Für die Haftung für eine in einem Fußballspiel erlittene Verletzung aus § 832 Abs. 1 BGB bzw. aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 223 Abs. 1 oder 229 StGB gelten, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, besondere Grundsätze.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und zahlreicher Obergerichte ist eine Haftung für Verletzungen beim Fußballsport dann gegeben, wenn ein schuldhafter Regelverstoß zu einer Verletzung führt, wobei ein Verschulden nicht vorliegt, wenn der Regelverstoß noch im Grenzbereich zwischen der einem solchen Kampfspiel eigenen gebotenen Härte und der unzulässigen Unfairness liegt. Dass bei einem Wettkampf ein Spieler einen anderen verletzt, begründet für sich genommen also noch keinen Sorgfaltsverstoß (BGH, Urteil vom 27.10.2009 - VI ZR 298/08 -; OLG Köln, Beschl. v. 27.05.2010 - 19 U 32/10 -; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.09.2012 - 9 U 162/11 -; OLG Hamm, Urt. vom 22.10.2012 - I - 6 U 241/11, 6 U 241/11 -; OLG Koblenz, Beschl. v. 17.07.2015 – 3 U 382/15 – Rn. 11ff.; OLG Hamm, Urt. v. 07.02.2017 – 9 U 197/15 – Rn. 17).

Insoweit folgt auch der Senat den grundlegenden Ausführungen des OLG Hamm (Urteil vom 07.02.2017 – 9 U 197/15 – Rn. 17 -19), nach denen Fußball ein Kampfspiel ist, d. h. ein gegeneinander ausgetragenes Kontaktspiel, bei dem es also zu körperlichen Berührungen kommt, das unter Einsatz von Kampf und Geschicklichkeit geführt wird und das wegen des dieser Sportart eigenen kämpferischen Elements bei dem gemeinsamen Kampf um den Ball nicht selten zu unvermeidbaren Verletzungen führt. Mit deren Eintritt rechnet jeder Spieler und geht davon aus, dass auch der andere diese Gefahr in Kauf nimmt, da er etwaige Haftungsansprüche nicht erheben will. Diese von den Spielern unter gleichen Bedingungen und gemeinsam in Kauf genommene Gefahr führt zu dem Schluss, dass bei Verletzungen, die trotz Einhaltung der Spielregeln eingetreten sind, der Spieler von seiner etwaigen Haftung voll frei gestellt sein soll (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.1974 - VI ZR 100/73). Handelt es sich um ein Fußballverbandsspiel, so bieten die Fußballregeln des Deutschen Fußballbundes das entscheidende Erkenntnismittel für das Ausmaß des mit dem Spiel eingegangenen und übernommenen Risikos. Insbesondere bieten die Generalklauseln des Spielens in gefährlicher Weise, des unsportlichen Betragens und des rohen Spiels mit den einzeln aufgeführten, dem Schutz der Spieler dienenden Verboten einen wichtigen Maßstab dafür, was als spielordnungsgemäßes Verhalten anzusehen ist und wo nach dem Willen der Spieler die Grenze des Erlaubten überschritten wird (vgl. BGH a. a. O.). Ein Schadensersatzanspruch des bei einem Fußballwettkampf durch regelwidrige Spielweise eines Mitspielers verletzten Teilnehmers setzt den Nachweis voraus, dass der Mitspieler sich nicht regelgerecht verhalten hat (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.1974 - VI ZR 125/73). Der Verletzte muss ebenso ein Verschulden des Verletzers nachweisen. Handelt es sich um ein regelwidriges Verhalten des Verletzers, das im Grenzbereich zwischen Härte, also einem regelgerechten Verhalten, und Unfairness, mithin einem im Sinne der Regel 12/2 Nr. 1 gefährlichen Spiel, liegt, handelt es sich objektiv um einen geringfügigen Regelverstoß (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.1976 - Az. VI ZR 32/74). Dies ist bei der Frage des Verschuldens genauso zu berücksichtigen, wie der Grundsatz, dass eine Vermeidbarkeit bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nur mit aller Zurückhaltung bejaht werden kann. Denn die Hektik und Eigenart eines Fußballspiels zwingt den Spieler oft im Bruchteil einer Sekunde Chancen abzuwägen und Risiken einzugehen. Es stellt hohe Anforderungen an die physische und psychische Kraft, an Schnelligkeit, Geschicklichkeit und körperlichen Einsatz (vgl. BGH a.a.O.). Auch reicht eine einfache Fahrlässigkeit des Verletzers grundsätzlich nicht aus, selbst wenn ein objektiver Regelverstoß und damit eine Rechtswidrigkeit gegeben ist. Für einfache Fahrlässigkeit ist in der Regel von einem stillschweigenden Haftungsausschluss auszugehen, so dass es - jeweils vom Verletzten zu beweisenden - Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit bedarf, um eine Haftung herbeizuführen (OLG Hamm a.a.O; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.04.2004 - 14 U 230/03; OLG Saarbrücken, Urteil vom 02.08.2010 - 5 U 492/09; OLG Köln, Beschluss vom 16.08.2010 - 11 U 96/10 sowie LG Coburg, Urteil v. 27.10.2015 - 23 O 58/15).

2.

Nach diesen Grundsätzen obliegt es vorliegend dem Kläger, einen vom Beklagten begangenen grob fahrlässigen oder sogar vorsätzlichen Regelverstoß nachzuweisen.

Hiervon ist auch das Landgericht ausgegangen.

3.

Soweit es die Klage allerdings bereits aufgrund der durchgeführten Parteianhörung und der Zeugenvernehmung abgewiesen hat, da dieser Beweis nicht erbracht sei, bestehen konkrete Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen und ist eine erneute Feststellung geboten.

a)

Der Senat ist gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zwar grundsätzlich an die vom Landgericht festgestellten Tatsachen und insoweit auch an das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme gebunden. Diese Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung geboten ist. Ein konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinne ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen, wobei bloß subjektive Zweifel sowie abstrakte Erwägungen oder Vermutungen nicht ausreichen (vgl. BGH NJW 2006, 152; 2004, 2828; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 72. Aufl., § 529 Rn. 4; Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 529 Rn. 16; Musielak, ZPO, 11. Aufl., § 529 Rn. 9).

b)

Bei einer mit der Berufung angegriffenen Beweiswürdigung des Erstgerichts liegt ein solcher konkreter Anhaltspunkt für eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung vor, wenn die Beweiswürdigung nicht den von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelten Grundsätzen und Anforderungen entspricht (BGH NJW 2004, 1876).

Nach § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. An dessen Feststellungen ist das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 ZPO gebunden. Auf das Rechtsmittel hin ist lediglich zu überprüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH NJW-RR 2014, 1118, 1121; 2012, 404, 405; NJW 2010, 3230). Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der festgestellten Tatsachen können sich darauf gründen, dass die Beweisaufnahme oder die Beweiswürdigung des Erstrichters in Bezug auf entscheidungserhebliche Tatsachen unvollständig oder unrichtig ist. Dafür genügt eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine (erneute) Beweiserhebung die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung ergeben wird (OLG Hamm, Beschluss vom 23. Juli 2020 – 21 U 19/20 ; BGH NJW 2006, 152, 153; Ball in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 529 Rn. 8).

c)

Dies zugrunde gelegt ist es zwar im Grundsatz nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den Beweis nach dem Ergebnis der Parteianhörung und der Beweisaufnahme als (bislang) nicht geführt ansieht.

Fehler bei der Würdigung der Zeugenaussagen sind nicht zu erkennen. Sie lässt weder Lücken noch Verstöße gegen die Beweisregeln oder die allgemeinen Denkgesetze erkennen. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht sich aufgrund der widersprüchlichen Aussagen der Zeugen nicht davon überzeugen konnte, dass der Beklagte bei seinem Tackling ohne Aussicht auf Spielen des Balls mit gestrecktem Bein in den Zweikampf gegangen ist und schwerste Verletzungen des Klägers zumindest grob fahrlässig in Kauf genommen hat und es für nicht feststellbar angesehen hat, dass der Beklagte keine Chance gehabt hätte, den Ball zu spielen. Das Landgericht hat die Zeugenaussagen umfassend und nachvollziehbar gewürdigt. Es hat plausibel erläutert, dass und warum es der Aussage des Zeugen L…, der ein grobes Foulspiel nicht hat erkennen können, erhebliches Gewicht beimisst und die Aussage für glaubhaft hält. Es hat dabei auch in den Blick genommen, dass ein Schiedsrichter regelmäßig bemüht sein wird, seine Entscheidung im Nachhinein zu rechtfertigen, konnte aber in der Aussage dennoch keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass der Zeuge versucht habe, die Vorgänge beschönigend zu schildern, um seine Entscheidung zu rechtfertigen. Das Landgericht hat auch ebenfalls nachvollziehbar dargelegt, warum es den entgegenstehenden Schilderungen der Zeugen H… und Eh…, die die Version des Klägers bestätigt haben, nicht mehr Glauben geschenkt hat als denen des Zeugen L… und warum er auch diese Zeugen für nicht vollkommen neutral gehalten hat. Konkrete Zweifel an der Richtigkeit dieser umfassenden und differenzierten Würdigung ergeben sich aus der Berufungsbegründung nicht.

d)

Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Landgericht festgestellten Tatsachen bestehen allerdings insoweit, als das Landgericht dem Sachverständigenbeweisantritt des Klägers nicht gefolgt ist.

Soweit das Landgericht die Einholung eines Gutachtens unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 02.04.2004, 14 U 230/03) für nicht erforderlich hält, folgt der Senat dem nicht. Die Einholung eines Gutachtens kam in dem dortigen Verfahren bereits deshalb nicht in Betracht, weil schon nach dem eigenen Klägervortrag keine Ansprüche auf Schadenersatz bestanden. Es fehlte dort bereits an Vortrag dazu, dass der Beklagte keine Chance mehr hatte, den Ball zu treffen. Dies ist hier aber anders. Der Kläger stützt seinen Anspruch gerade darauf, dass der Beklagte ihn mit gestrecktem Bein getroffen habe, ohne dass für ihn eine Chance bestanden habe, den Ball zu erreichen. Es lässt sich keineswegs von vorneherein feststellen, dass die beantragte Einholung eines medizinischen Gutachtens eines insoweit spezialisierten Sachverständigen vorliegend keinerlei Erkenntnisse bezüglich des hier in Rede stehenden Beweisthemas bringen könnte (vgl. OLG Hamm Urteil vom 07.02.2017, I - 9 U 197/15). Zwar ist es zutreffend, dass auch ein medizinischer Sachverständiger nicht feststellen kann, ob der Beklagte noch die Chance hatte, an den Ball zu kommen. Es ist aber nicht auszuschließen, dass durch einen Sachverständigen aufgrund der Art und der Stelle der eingetretenen Verletzung Erkenntnisse etwa darüber gewonnen werden können, ob der Beklagte den Kläger mit gestrecktem oder angewinkeltem Bein getroffen hat und aus welcher Richtung er gekommen ist. Hieraus können sich Indizien ergeben, die auf die Beweiswürdigung Einfluss nehmen können. So ist es denkbar, dass ein Sachverständigengutachten Erkenntnisse liefert, die einen der von den Parteien oder Zeugen geschilderten Geschehensabläufe stützt und damit die Gesamtwürdigung anders ausfällt als bisher. Dass ein Gutachten nur indizielle Wirkung hätte und (allein) für eine Überzeugungsbildung im Sinne des Klägers nicht ausreichen würde, ist damit kein hinreichender Grund, von einer weiteren Beweiserhebung anzusehen (OLG Hamm, a.a.O.).

e)

Es liegen auch die Voraussetzungen für die von der Berufung beantragte Aufhebung und Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Nr.1 ZPO vor. Aufgrund des Verfahrensmangels ist eine umfangreiche und aufwändige weitere Beweisaufnahme zum Grund erforderlich. Es muss ein umfangreiches medizinisches Gutachten eines hinsichtlich der hier in Rede stehenden Fragen spezialisierten und sachkundigen Sachverständigen eingeholt werden, wobei dem Sachverständigen auch Gelegenheit gegeben werden muss, aus seiner Sicht etwa bedeutsame ergänzende Fragen an die Parteien und Zeugen zu stellen. Gegebenenfalls ist also eine erneute Anhörung der Parteien und Zeugen in Gegenwart des einzuschaltenden Sachverständigen erforderlich. Es erscheint deshalb nicht angezeigt, die erforderliche umfangreiche weitere bzw. erneute Beweisaufnahme zum Haftungsgrund in der Berufungsinstanz durchzuführen und den Parteien eine Tatsacheninstanz zu nehmen.

3.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

4.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung; die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine deliktische Haftung im Rahmen eines Fußballspiels sind höchstrichterlich geklärt.