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Entscheidung 2 U 66/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Zivilsenat Entscheidungsdatum 18.10.2022
Aktenzeichen 2 U 66/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:1018.2U66.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 07.10.2021 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az. 14 O 87/20, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf einen Gebührenwert bis 9.000 € festgesetzt.

Gründe

1.

Die Entscheidung über die Zurückweisung der Berufung beruht auf § 522 Abs. 2 ZPO.

Nach einstimmiger Überzeugung des Senats hat das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu, erfordert weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts und ist auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten. Zur Begründung wird auf den Beschluss vom 19.07.2022 Bezug genommen, an dem der Senat auch in Ansehung der Gegenerklärung vom 08.08.2022 festhält.

a)

Der mit der Gegenerklärung vorgebrachte Einwand, Zweifel bezüglich der Auslegung des von der Klägerin mit Datum vom 11.05.2018 ausgefüllten Anmeldeformulars gingen zulasten der Beklagten, die als Träger die Antragsformulare erstellt hätten, greift nicht durch. Er lässt unberücksichtigt, dass das in Rede stehende Formular (Anlage K1, Blatt 9 d.A.) nicht von „den Beklagten“, sondern allein von der erstbeklagten Stadt herrührt und dass diese nicht Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist. Es trifft daher nicht zu, dass sich der Träger der öffentlichen Jugendhilfe dieses Formulars bedient hätte und dass dieses Formular der Geltendmachung von Ansprüchen nach § 24 Abs. 2 SGB VIII dienen sollte. Das Formular ist seinem Urheber und seinem Inhalt nach vielmehr primär darauf angelegt, das Recht nach § 12 Abs. 1 BbgKVerf zur Benutzung der in der Trägerschaft der Stadt stehenden Kindertagesstätten geltend zu machen. Die Beklagte zu 1) war daher auch nicht gehalten, in dem Formular auf die Möglichkeit des Bestehens von Ansprüchen nach § 24 Abs. 2 SGB VIII gegen die Beklagte zu 2) hinzuweisen.

Auch die weiteren Ausführungen der Gegenerklärung zu vermeintlichen Unklarheiten bezüglich der Zuständigkeit für die Entgegennahme von Bedarfsanmeldungen gehen am Streitfall vorbei. Denn entscheidend ist vorliegend nicht, dass sich die Klägerin mit ihrem Begehren nach Aufnahme ihrer Tochter in eine Kindertageseinrichtung allein an die Beklagte zu 1) wandte, die weder Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe noch eine insofern beauftragte Stelle war. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beklagte zu 1) dieses Begehren nicht als Geltendmachung eines Anspruchs nach § 24 Abs. 2 SGB VIII auffassen und deshalb entsprechend § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I unverzüglich an den Beklagten zu 2) weiterleiten musste. Nach dem Sachstand des vorliegenden Rechtsstreits war für die Beklagte zu 1) vielmehr davon auszugehen, dass es der Klägerin als Einwohnerin der beklagten Stadt um die Aufnahme ihrer Tochter gerade in einer der beiden in dem Antragsformular angegebenen, in städtischer Trägerschaft befindlichen Kindertageseinrichtungen ging.

Aus der von der Klägerin angeführten Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. (Urteil vom 28.05.2021 – 13 U 436/19, BeckRS 2021, 17938), folgt nichts anderes. Vielmehr wird auch hierin ausgeführt, dass eine Bedarfsanmeldung den hinreichend deutlich hervortretenden Willen des Anspruchstellers bzw. seiner Eltern voraussetze, den Rechtsanspruch aus § 24 Abs. 2 SGB VIII geltend zu machen, und dass die bloße Anmeldung bei einer Wunscheinrichtung nicht genüge, sofern der Leistungsberechtigte nicht deutlich mache, dass der Bedarf nicht nur für diese Einrichtung, sondern allgemein angemeldet werde. Entsprechende Erklärungen seien insbesondere unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Meistbegünstigung auszulegen, wonach, sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliege, davon auszugehen sei, dass der Antragsteller alle nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen begehre, unabhängig davon, welchen Antragsvordruck er hierfür benutze oder welche Formulierung er selbst gewählt habe (OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 26). Ausgehend von diesen Maßgaben hat das Oberlandesgericht Frankfurt eine ausreichende Bedarfsanmeldung angenommen, weil im dortigen Streitfall aufgrund der Angaben der dortigen Klägerin gegenüber der Gemeinde – unter anderem der Mitteilung, mit einer Aufnahme des Kindes in allen vorhandenen Kinderbetreuungseinrichtungen einverstanden zu sein – die Geltendmachung des Rechtsanspruchs aus § 24 Abs. 2 SGB VIII hinreichend deutlich hervorgegangen sei.

Vorliegend fehlt es hingegen an Anhaltspunkten, die eine dahingehende Auslegung des Begehrens der Klägerin zuließen. Abgesehen davon, dass sie in dem Antragsformular nicht deutlich gemacht hat, einen Betreuungsplatz in einer beliebigen Einrichtung der Beklagten zu 1) zu wünschen, sondern lediglich zwei der insgesamt sechs genannten Einrichtungen als „Gewünschte Einrichtung“ markierte, sind auch im Übrigen keine Umstände ersichtlich, aus denen die Beklagte zu 1) auf den Willen der Klägerin zur Geltendmachung des Anspruchs nach § 24 Abs. 2 SGB VIII schließen konnte. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich anderes auch nicht aus den als Anlagen B5 und B6 (Blatt 211 f. d.A.) vorgelegten Gesprächsvermerken. Vielmehr ist der Anlage B5 zu entnehmen, dass im Fokus der zwischen der Klägerin und den Bediensteten der Beklagten zu 1) geführten Gespräche – und zwar ungeachtet der von der Klägerseite bestrittenen Behauptung der beklagten Stadt, in einem Gespräch am 22.06.2018 auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme freier Träger hingewiesen zu haben – das Begehren der Kläger nach Aufnahme ihrer Tochter in einer der genannten Wunscheinrichtungen stand. Dass die Beklagte zu 1) Kenntnis von den Bemühungen der Klägerin um Unterbringung ihrer Tochter bei einer Tagesmutter hatte und daher hätte erkennen können und müssen, dass es der Klägerin nicht allein um einen Platz in einer der beiden gewünschten Einrichtungen, sondern schlechthin um eine Kinderbetreuung ging, ist ebenfalls weiterhin nicht ersichtlich.

Wegen der weiteren mit der Gegenerklärung erhobenen Einwendungen, die sich im Wesentlichen in einer Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Klagevorbringens erschöpfen, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Beschluss vom 19.07.2022 verwiesen.

b)

Aus den in diesem Beschluss dargelegten Erwägungen verbleibt der Senat ferner einstimmig bei der Auffassung, dass auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO gegeben sind.

Anders als die Klägerin meint, weicht der Senat aus den dargelegten Gründen hinsichtlich der an eine Bedarfsanmeldung zu stellenden Anforderungen nicht von der zitierten Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt ab. Auch trifft es nach dem Vorstehenden nicht zu, dass der Senat für die Geltendmachung des Anspruchs nach § 24 Abs. 2 SGB VIII einen „konkreten Hinweis“ auf die Norm für erforderlich hält. Der Senat geht mit der herrschenden Meinung davon aus, dass die Annahme einer Bedarfsanmeldung, insbesondere wenn sie – wie vorliegend – bei der Wohnortgemeinde erfolgt, den erkennbar hervortretenden Willen voraussetzt, nicht lediglich das Recht zur Benutzung öffentlicher Einrichtungen, sondern den Rechtsanspruch aus § 24 Abs. 2 SGB VIII geltend zu machen (s. OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 28.05.2021 – 13 U 436/19, a.a.O.; VGH München, Beschluss vom 17.11.2015 – 12 ZB 15.1703, BeckRS 2015, 55609; VG München, Urteil vom 13.06.2018 – M 18 K 17.5260, BeckRS 2018, 27203; VG Stuttgart, Beschluss vom 28.02.2018 – 7 K 1185/18, BeckRS 2018, 17028; s. auch Etzold, in: BeckOGK SGB VIII, Stand 01.09.2022, § 24 SGB VIII, Rn. 101; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 01.09.2022, § 24 SGB VIII, Rn. 30b).

3.

Die Nebenentscheidungen begründen sich aus § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts für die Berufungsinstanz begründet sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.