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Entscheidung 7 W 104/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 7. Zivilsenat Entscheidungsdatum 08.11.2022
Aktenzeichen 7 W 104/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:1108.7W104.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 5. September 2022 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Der erläuternde Zusatz beim Geburtseintrag der Beteiligten zu 2, die Identität ihrer Mutter, der Antragstellerin, sei ungeklärt, darf nicht beseitigt werden, weil er zutrifft. Da die Namensführung der Beteiligten zu 2 auf dem Namen der Antragstellerin beruht, deren Identiät ungeklärt ist, ist auch der weitere Zusatz zutreffend, die Namensführung der Beteiligten zu 2 sei ungeklärt.

Der erläuternde Zusatz (§ 35 I 1 PStV) dient dazu, den Geburtseintrag zügig abschließen zu können, auch wenn einzutragende Umstände nicht mit den dafür vorgesehenen Urkunden (§ 33 PStV) nachgewiesen werden können. Die Beweisnot der Eltern müsste zur Zurückstellung der Beurkundung (§ 7 I 1 PStV) führen. Um die Zurückstellung zu vermeiden und trotz verbleibender Unklarheiten das Recht der Beteiligten auf zügige Beurkundung der Geburt durchzusetzen, sieht § 35 PStV die Aufnahme des Zusatzes vor, der deutlich werden lässt, dass die von ihm erfassten Angaben nicht auf gesicherten Erkenntnissen beruhen und diese Angaben trotz der Aufnahme in den Geburtseintrag nicht an der hohen Beweiskraft personenstandsrechtlicher Beurkundungen teilhaben können (vgl. Senat, BeckRS 2021, 8199, Rdnr. 6; 2021, 30290, Rdnr. 4; BGHZ 221, 1, Rdnr. 20 f.; BGH, FamRZ 2021, 831, Rdnr. 23 f.; OLG Düsseldorf, FamRZ 2020, 1494, 1495; OLG Schleswig, FGPrax 2014, 28, 29; Entwurfsbegründung des BMI, BRat-Drs. 713/08, S. 97 f.).

Um den Zusatz zu beseitigen, die Identität der Antragstellerin sei ungeklärt, und die Ausstellung einer Geburtsurkunde statt nur eines beglaubigten Registerauszuges zu erreichen (§ 35 I 2 PStV), bedarf es des Nachweises nicht nur des zutreffenden Namens, sondern auch aller anderen identitätsbestimmenden Merkmale der Antragstellerin durch dazu vorgesehene Urkunden oder andere gleich geeignete Mittel zur Überzeugungsbildung über die zutreffenden tatsächlichen und maßgeblichen rechtlichen Verhältnisse (vgl. Senat, BeckRS 2021, 8199, Rdnr. 9; OLG Schleswig, FGPrax 2014, 28, 29; KG, FGPrax 2013, 170, zur Zulässigkeit anderer als der im § 33 PStV aufgeführten Nachweise).

Diese Nachweise hat die Antragstellerin nicht vorlegen können, und sie sind auch durch die Ermittlungen des Standesamtes nicht erbracht worden. Die Identität der Antragstellerin - nämlich ihr Name und ihr Geburtsdatum - ist ungeklärt geblieben.

Die … Reisepässe, die der Antragstellerin ausgestellt wurden, eignen sich nicht, um ihre Identität nachzuweisen.

Dazu braucht der Senat nicht näher zu erörtern, ob die durch § 47 I 3 Nr. 2 PStG gewährte Möglichkeit, einen erläuternden Zusatz anhand eines Reisepasses zu berichtigen, auf den Zweck beschränkt werden darf, auf diese Weise die Rückführung des Betroffenen zu ermöglichen oder zu erleichtern (so die Standesamtsaufsicht, Schriftsatz vom 6. Januar 2022, Bl. 117 f.). Diese auf einen bestimmten Anwendungszweck beschränkende Auslegung findet im Wortlaut der Norm keinen Anhaltspunkt. Die Beschränkung des formellen Gesetzes wird dem niederrangigen Verordnungsrecht (§ 47 I 3 PStV) nicht entnommen werden können, wenn diese Beschränkung von der Verordnungsermächtigung - wie hier (§ 73 PStG) - nicht gedeckt ist.

Ob § 47 I 3 PStV mit § 47 I 3 Nr. 2 PStG vereinbar ist, braucht nicht entschieden zu werden, weil es auf die Gültigkeit der Verordnungsregelung nicht ankommt. § 47 I 3 Nr. 2 PStG setzt - unabhängig von einer etwaigen Zweckbeschränkung der Berichtigung - voraus, dass sich die Dokumente des Heimatstaates dazu eignen, den richtigen Sachverhalt verlässlich festzustellen. Diese Eignung fehlt den Dokumenten, wenn andere Erkenntnisquellen gewichtige Zweifel begründen, der in den Dokumenten festgehaltene Sachverhalt treffe zu. § 47 I 3 PStG weist den Dokumenten des Heimatstaates keine formelle Beweiskraft oder auch nur eine Richtigkeitsvermutung zu. Vielmehr stellt die Norm - allein - klar, dass das Dokument zur Feststellung des Sachverhalts ausreichen kann, wenn andere Urkunden oder Dokumente nicht erreichbar sind und wenn nichts gegen die Überzeugungsbildung allein anhand des vorgelegten Dokuments spricht.

Die von der Antragstellerin vorgelegten Pässe begegnen indes den gewichtigen Zweifeln gegen die Richtigkeit der in ihnen festgehaltenen identitätsbestimmenden Angaben, die das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss vollständig dargelegt hat. Die Pässe wurden auf der Grundlage der von der Antragstellerin vorgelegten Geburtsurkunde ausgestellt, die als Grundlage der Beurkundung erst 27 Jahre nach der vermeintlich beurkundeten Geburt eine Gerichtsentscheidung angibt, die im Entscheidungsregister des Gerichts nicht geführt wird, was dagegen spricht, die Entscheidung sei wirklich so erlassen worden, wie das vorgelegte Schriftstück ausweist. Dies ist eines der Ergebnisse, die die vom Standesamt veranlassten Ermittlungen im Herkunftsland der Antragstellerin ergeben haben. Die mit Hilfe der deutschen Botschaft angestellten Nachforschungen haben zudem keine Bestätigung der Angaben der Antragstellerin in den Schulregistern und Verzeichnissen über die Schulabschlussprüfungen erbringen können.

Somit ist sowohl der Name der Antragstellerin fraglich geblieben als auch ihre Angaben über ihren Geburtstag. Der Senat hat keine Möglichkeiten, durch eine weitere, andere Art der Ermittlung (§ 26 FamFG) zu besseren Erkenntnissen zu gelangen. Er hätte sich, wenn dies nicht bereits das Standesamt unternommen hätte, ebenfalls der Hilfe der Botschaft bedient. Dem vorgelegten Schriftverkehr zwischen Standesamt und Botschaft ist zu entnehmen, dass die aufzuklärenden Umstände vollständig und gründlich bezeichnet und dass der Botschaft die zu überprüfenden Angaben der Antragstellerin mit dem von ihr ausgefüllten Fragebogen vollständig übermittelt worden sind.

Eine verlässliche Feststellung über den Namen und das Geburtsdatum der Antragstellerin lässt sich nicht auf ihre eigenen Angaben in dem Fragebogen der Botschaft und in ihrer persönlichen Anhörung durch das Amtsgericht stützen. Die Plausibilität der Angaben der Antragstellerin stellt der Senat nicht in Frage. Die Gründe und die Art und Weise, die Identität einer verstorbenen Schwester zu übernehmen und sich der für sie ausgestellten Urkunden zu bedienen, können zutreffen. Es kann auch nicht generell für ausgeschlossen gehalten werden, dass die von der Botschaft angestellten Nachforschungen durch Korruption belastet sein könnten. Aber die Überzeugungskraft der Angaben der Antragstellerin ist - auch darauf hat bereits das Amtsgericht hingewiesen - schwer belastet, weil die Antragstellerin ihre Erläuterungen erst präsentiert hat, nachdem sie auf Ungereimtheiten und misslungene Aufklärungsversuche hingwiesen worden war. Obwohl sie damit rechnen musste, dass die deutsche Botschaft und die von ihr dazu im Herkunftsland der Antragstellerin eingesetzten Personen versuchen würden, die im Fragebogen der Botschaft eingetragenen Angaben über Herkunft, Schulbesuch und Arbeitsstätten zu überprüfen, hat die Antragstellerin die Schilderungen über die Identitätsübernahme nicht in den Fragebogen eingetragen. Dass die Antragstellerin erkannte, dass sie nicht darauf beschränkt war, die Fragebogenfelder für ihre Angaben zu verwenden, hat sie deutlich werden lassen, indem sie für ihre Ortsangaben weitere Blätter außerhalb des Formulars verwendet hat. Solche Erläuterungen der durch die Fragen nicht erfassten Umstände drängten sich auf, um bei den Nachforschungen offenbar werdende Unsicherheiten auf diese Weise schon von vornherein zu erklären und die Suche in den Registern auch auf solche Anhaltspunkte auszuweiten, die für die Identitätsübernahme sprechen könnten. Auf Bestechungsforderungen der eingesetzten kamerunischen Gehilfen der Botschaft erst hinzuweisen, nachdem die der Antragstellerin ungünstigen Ergebnisse in das Verfahren eingeführt waren, belastet die Glaubhaftigkeit dieser Hinweise.

Die erheblichen Zweifel an der Echtheit der Geburtsurkunde und der zugrundeliegenden Gerichtsentscheidung und die ausgebliebene Bestätigung der Angaben der Antragstellerin in den Schul- und Prüfungsregistern sind durch ihre Angaben im Verfahren nicht überzeugend erläutert und bereinigt worden. Die Angaben könnten zutreffen, aber ihre Unrichtigkeit liegt ebenso nahe. Dass die identätsbestimmenden Angaben in den Pässen und in der fraglichen Geburtsurkunde sich somit nicht als sicher unrichtig erwiesen haben, verhilft der Antragstellerin nicht zu ihrem Verfahrensziel. Der erläuternde Zusatz, ihre Identität sei nicht nachgewiesen, könnte nur entfallen, wenn die Angaben sich mit ausreichender Gewissheit als richtig erwiesen hätten. Der Zusatz besagt nicht, die Angaben der Antragstellerin zu ihrer Identität seien falsch, sondern er beschränkt sich darauf, die Angaben seien nicht nachgewiesen. In dieser Beschränkung trifft der Zusatz zu und kann deshalb nicht entfernt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 51 I 1 PStG, 84 FamFG, die Wertfestsetzung auf den §§ 79 I, 36 III GNotKG.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 51 I 1 PStG, 70 II FamFG), besteht nicht.