Gericht | LG Cottbus 3 . Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 14.12.2021 | |
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Aktenzeichen | 3 O 36/21 | ECLI | ECLI:DE:LGCOTTB:2021:1214.3O36.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Antrag der Antragstellerinnen vom 08.02.2021 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
I.
Die Antragstellerinnen machen gegenüber der Antragsgegnerin Schadensersatzansprüche wegen behaupteter Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Entlassung aus der stationären Behandlung der Antragstellerin zu 1) geltend.
Die Antragstellerin zu 1) kam am 15.07.2019 im Rahmen einer vertraulichen Geburt bei der Beklagten zur Welt. Das zuständige Jugendamt war bereits vor Geburt einbezogen und übernahm die Vormundschaft von Amts wegen. Nach der Geburt befand sich die Antragstellerin zu 1) bis zum 26.07.2019 auf der neonatologischen Station der Beklagten wegen einer ausgeprägten Gaumenspalte (Anlage K 1, Bl. 11 ff. d. A. und K 2, Bl. 14 ff. d. A.). Zu den Einzelheiten wird auf S. 3 des Pflegegutachtens als Teil der Anlage K 1, Bl. 13 d. A. verwiesen. Die Antragsgegnerin entließ die Antragstellerin zu 1) am 26.07.2019 aus der Behandlung.
Grundsätzlich enthält der Rahmenvertrag über ein Entlassmanagement beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung von Kassenpatienten nach § 39 Abs. 1a S. 9 SGB V (Rahmenvertrag Entlassmanagement) vom 17.10.2016 in § 3 Abs. 6 eine Regelung (vgl. Anlage K 12, Bl. 49 d. A.), nach der das behandelnde Krankenhaus bei Feststellung einer Pflegebedürftigkeit des zu entlassenden Patienten rechtzeitig Kontakt zur Kranken- bzw. Pflegekasse aufnimmt und das Antrags- bzw. Genehmigungsverfahren für den Erhalt von Pflegegeld einleitet.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Regelung im vorliegenden Fall Anwendung findet und ob die Durchführung eines Entlassmanagements erforderlich war. Jedenfalls wurde von der Antragsgegnerin kein § 3 Abs. 6 entsprechender Antrag gestellt, bevor die Antragstellerin zu 1) aus ihrer Behandlung entlassen wurde.
Die Antragstellerin zu 2) und deren Ehemann, Herr ............., adoptierten am 14.09.2020 die Antragstellerin zu 1) (vgl. Adoptionsbeschluss des AG Cottbus, Anlage K 3, Bl. 18 ff. d. A.). Vorheriger Amtsvormund war der Streitverkündungsempfänger .................
Die Antragstellerin zu 1) ist seit der Adoption über den gesetzlich versicherten Herrn ............. bei der ................ familienversichert. Der MDK der ................ stellte mit Gutachten vom 27.10.2020 bei der Antragstellerin zu 1) den Pflegegrad 3 seit dem 15.07.2019, also seit deren Geburt, fest (Anlage K 4, Bl. 21 d. A.). Die Antragstellerin zu 2) und deren Ehemann erhalten als Pflegeeltern seit dem 23.10.2020 auf Antrag hin ein monatliches Pflegegeld i.H.v. 545,00 € der ................. Die Antragstellerin zu 2) erhält zudem von der ................ monatlich einen Beitrag zur Rentenversicherung in Höhe von 240,74 €, da sie die Antragstellerin zu 1) pflegt. Das Landesamt für Soziales und Versorgung stellte mit Bescheid vom 19.01.2021 den Grad der Behinderung von 100 sowie das Merkzeichen H fest (Anlage K 13, Bl. 60 d. A.)
Die Antragstellerinnen verlangen Schadensersatz dafür, dass der Antrag auf Pflegegeld erst am 23.10.2020 gestellt wurde, obwohl, von ihnen behauptet, ein Anspruch ab dem Zeitpunkt der Geburt der Antragstellerin zu 1) (15.07.19) bestand und dies für die Antragsgegnerin bei Entlassung aus der stationären Behandlung auch erkennbar war. Der Antragstellerin zu 1) sei daher ein Schaden in Höhe von aufgegangenem Pflegegeld von Juli 2019 bis September 2020 (14 Monate) in Höhe von insgesamt 7.630,- € entstanden (S. 9 der Antragsschrift). Der Antragstellerin zu 2) sei ein Schaden durch entgangene Beiträge zur Pflegeversicherung von Juli 2019 bis September 2020 in Höhe von 3.370,36 € entstanden (S. 9 der Antragsschrift).
Die Antragstellerinnen beantragen Prozesskostenhilfe und beantragen für den Fall der Bewilligung klageweise
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) Schadensersatz in Höhe von 7.630,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2020 zu zahlen.
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) Schadensersatz in Höhe von 3.370,36 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.12.2020 zu zahlen.
3. die Beklagte zu verurteilen, die Kläger gegenüber dem Rechtsanwalt ................ von der Zahlung der außergerichtlichen Kosten in Höhe von 1.317,57 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antrag auf Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzulehnen.
Sie meint, es habe keine Pflicht zur Durchführung eines Entlassungsmanagements gegeben, da eine Behandlung nach SGB V nicht vorgelegen habe, was für die Pflicht zum Entlassungsmanagement Grundvoraussetzung sei. Die Klägerin sei im Rahmen einer anonymen Geburt zur Welt gekommen, sodass allein die Spezialvorschriften des Gesetzes zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten einschlägig seien (SchKG).
Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass die Pflegeeltern sich rechtzeitig um Antragstellung und rückwirkende Pflegegeldleistung bemüht hätten und verweist auf die Schadensminderungobliegenheit nach § 254 BGB.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zulässig, aber unbegründet.
Voraussetzung der Bewilligung ist unter anderem, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Abs. 1 S. 1 ZPO). Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn die Klage schlüssig ist, d. h. das Gericht den Rechtsstandpunkt der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei auf Grund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen mindestens für vertretbar hält und von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Schultzky, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 114 Rn. 22 m. w. N.; BVerfG NJW 2008, 1060). Diese Voraussetzungen sind vorliegend für das verfolgte Rechtsschutzziel nicht gegeben.
Die Antragstellerin zu 2) war zu keinem Zeitpunkt Patientin, sodass ihr keine Ansprüche aus den Regelungen zum Entlassmanagement zustehen. Aus der ausdrücklichen Formulierung der BT-Drucks. 18/4095, S. 76, ergibt sich, dass nur der jeweilige Patient Ansprüche aus einem behauptet fehlerhaften Entlassmanagement herleiten kann (vgl. Thomae, Das Krankenhaus-Entlassmanagement nach dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, GuP 2016, 41, 42, beck-online).
Ein Anspruch der Antragstellerin zu 1) scheitert daran, dass das Entlassmanagement nur für Kassenpatienten gilt. Wegen der vertraulichen Geburt konnte keine Zuordnung der Antragstellerin zu 1) zur Krankenkasse der Mutter nach § 10 SGB V erfolgen. Insofern gab es im Zeitpunkt der Entlassung der Antragstellerin zu 1) keine Krankenkasse, gegenüber der das für das Entlassmanagment zuständige Krankenhaus hätte Kontakt aufnehmen können (vgl. Wortlaut § 3 Abs. 6 Entlassmanagement). Eine Antragstellung war nicht möglich.
Die geltend gemachten Ansprüche sind auch nicht vom Schutzbereich des Entlassmanagements gedeckt. Die Regelungen zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Entlassmanagements stellen eine gesetzliche Konkretisierung der allgemeinen Pflicht zur sorgsamen Heilbehandlung nach §§ 630 a ff. BGB dar. Dem Arzt obliegt es insofern auch, Vorgaben für die nachfolgende ambulante Behandlung zu machen und dafür zu sorgen, dass diese im Sinne der stationär begonnenen Heilbehandlung fortgeführt wird. Die jeweiligen zu stellenden Anträge dienen dazu, den Heilerfolg zu verfestigen. Die Antragstellerinnen tragen nichts dazu vor, dass die vermeintlich zu spät gestellten Anträge auf Zahlung von Pflegegeld kausal zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands der Antragstellerin zu 1) beigetragen hätten. Geltend gemacht wird allein ein finanzieller Nachteil. Ein solch umfassender Vermögensschutz ist den Regelungen zum Entlassmanagement jedoch nicht zu entnehmen.
Letztlich fehlt es auch an einem kausalen Schaden. Die Antragstellerin zu 1) befand sich von ihrer Geburt an (15.07.2019) bis zum Zeitpunkt ihrer Entlassung (26.07.2019) in stationärer Behandlung bei der Antragsgegnerin. Insofern ist nicht ersichtlich, welche Kosten den Antragstellerinnen entstanden sein sollen, da sämtliche Unterbringungs- und Behandlungskosten übernommen wurden. Das gleiche gilt für den Zeitraum bis zur Adoption am 14.09.2020.
Bis dahin stand die Antragstellerin zu 1) unter der Amtsvormundschaft des zuständigen Jugendamtes, welches auch die notwendigen Kosten zu tragen hatte. Bis zur Adoption konnten die Antragstellerin zu 2) bzw. deren Ehemann auch keinen Antrag auf Pflegegeld bei der zuständigen Krankenkasse stellen, da ihnen bis dato die Betreuungspflicht für die Antragstellerin 1) nicht zustand. Der Antrag auf Pflegegeld wurde am 23.10.2020 und damit nur etwas über einen Monat nach erfolgter Adoption gestellt. Dass die Eltern der Antragstellerin zu 1) nicht selbst rechtzeitig zwischen dem 14.09.2019 und dem 23.10.2019 die notwendigen Anträge hätten stellen können, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich.