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Entscheidung 13 WF 191/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 25.11.2022
Aktenzeichen 13 WF 191/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:1125.13WF191.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 12.10.2022 - 21 F 179/21 - dahin abgeändert, dass ein Ordnungsgeld in Höhe von 50 € festgesetzt wird.

2. Die weitere Beschwerde zurückgewiesen.

3. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens unter der Antragstellerin und dem Antragsgegner gegeneinander aufgehoben.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgelds wegen Ausfalls des begleiteten Umgangs am 10.02.2022 der in ihrem Haushalt lebenden Tochter mit ihrem Vater, dem Antragsteller.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 05.07.2021 - 21 F 179/21 - (Bl. 63 Hauptakte, im Folgenden HA) wurde der Umgang des Antragstellers mit seiner Tochter als begleiteter Umgang vierzehntäglich für die Dauer von 2,5 Stunden geregelt und angeordnet, dass die Antragsgegnerin das Kind zu dem Familienzentrum, in dem der begleitete Umgang stattfindet, bringt und wieder abholt.

Am 10.02.2022 brachte die Antragsgegnerin das Mädchen nicht zum Familienzentrum, so dass kein Umgang stattfand.

Mit Antrag vom 11.02.2022, der erstmals zusammen mit einem dessen Bescheidung anmahnenden Schreiben des Antragstellers vom 15.09.2022 (Bl. 107 Sonderheft Ordnungsgeldverfahren, im Folgenden: OV) aktenkundig geworden ist, hat der Antragsteller die Verhängung eines Ordnungsgelds gegen die Antragsgegnerin wegen des Umgangsausfalls am 10.02.2022 beantragt.

Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss vom 12.10.2022 (Bl. 120 OV) gegen die Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld von 200 € festgesetzt, der hiergegen gerichteten Beschwerde der Antragsgegnerin vom 06.11.2022 (Bl. 125 OV) mit Beschluss vom 09.11.2022 (Bl. 128 OV) nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die gemäß §§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde ist nur teilweise begründet.

Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen sind erfüllt. Vollstreckt wird aus einem in einer Kindschaftssache und damit einer Familiensache (§§ 151 Nr. 2, 111 Nr. 2 FamFG) ergangenen gerichtlichen Beschluss (§ 86 Abs. 1 Nr. 1 FamFG), nämlich dem Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 05.07.2021, der den Umgang des Kindes mit seinem Vater verbindlich regelt. Auf die Möglichkeit der Festsetzung von Ordnungsmittelns ist die Antragsgegnerin mit Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 05.01.2022 (Bl. 71 HA) hingewiesen worden (§ 89 Abs. 2 FamFG). Der Titel ist der Antragsgegnerin am 12.01.2022 zugestellt worden (Bl. 73 HA) und damit wirksam (§ 40 Abs. 1 FamFG) und vollstreckbar (§ 86 Abs. 2 FamFG).

2. Die Antragsgegnerin war aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 05.07.2021 zur Ermöglichung des Umgangs am 10.02.2022 verpflichtet. Hiergegen hat sie schuldhaft verstoßen, indem sie L... J... an diesem Tag nicht zu dem Familienzentrum in E... gebracht hat, in dem der begleitete Umgang stattfinden sollte.

Soweit sich die Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Umgangsaussetzung darauf beruft, aufgrund ihrer Niederkunft am 28.12.2021 und des Gesundheitszustands ihres Neugeborenen außerstande gewesen zu sein, die Strecke zwischen ihrer Wohnung und dem Familienzentrum zu bewältigen und bis zum Umgangsende dort auf L... J... zu warten, und niemanden zur Verfügung gehabt zu haben, der den Transport an ihrer Stelle hätte übernehmen können, vermag sie dies nicht zu entlasten.

Die Umgangsanordnung aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 05.07.2021 begründet für die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller eine gesetzliche Sonderverbindung familienrechtlicher Art, die durch das Wohlverhaltensgebot gemäß § 1684 Abs. 2 BGB näher ausgestaltet ist und an der das Kind als Begünstigter teilhat. Die Umgangsregelung ist für beide Elternteile verbindlich. Eine gerichtliche Anordnung, das Kind zum Ort des Umgangs zu bringen und von dort wieder abzuholen, ist Teil der Umgangsregelung (vgl. OLG Hamm BeckRS 2010, 20165). Damit ist L... J...s Transport zum Familienzentrum ein für die Antragsgegnerin verbindlicher Bestandteil ihrer Umgangsgewährungspflicht. Das Vertretenmüssen einer Pflichtverletzung durch denjenigen, der gegen die Umgangsregelung verstößt, wird dabei vermutet (Senat, Beschluss v. 21.04.2022, 13 WF 51/22, juris; OLG Saarbrücken, FamRZ 2015, 863; FamRZ 2013, 476). Der Entlastungsbeweis (§ 89 Abs. 4 FamFG) kann nur dadurch geführt werden, dass der zur Umgangsgewährung Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat, indem er konkrete Umstände für das Scheitern des Umgangs vorträgt (Senat, Beschluss vom 21.04.2022, 13 WF 51/22, juris; OLG Saarbrücken FamRZ 2015, 863). Da diese Umstände regelmäßig in der Sphäre des zur Umgangsgewährung Verpflichteten liegen, sind sie im Nachhinein objektiven Feststellungen häufig nur eingeschränkt zugänglich. Erläutert der Verpflichtete nicht detailliert, warum er an der Befolgung der gerichtlichen Anordnung gehindert war, kommt ein Absehen von der Festsetzung eines Ordnungsgelds oder dessen nachträgliche Aufhebung nicht in Betracht.

Hieran gemessen trägt die Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar vor, weswegen sie die 27 km Fahrstrecke zwischen ihrer Wohnung und dem Familienzentrum, wofür mit dem PKW nach Internetauskunft (google maps) pro Fahrt rund 30 Minuten zu veranschlagen sind, nicht auf sich nehmen konnte. Die mit einer Niederkunft verbundenen körperlichen Belastungen und Einschränkungen verunmöglichen gerichtsbekannterweise nicht generell die Alltagsbewältigung, zu der kürzere Fahrten mit dem PKW und mehrstündige Aufenthalte mit dem Neugeborenen im Freien und in öffentlichen Gebäuden zählen. Auch genügt ein Hinweis auf eine kinderärztliche Empfehlung, dass der Säugling möglichst wenig bewegt werden solle, da sein Magenverschluss nicht funktioniere, nicht zur Entschuldigung für den Umgangsausfall (vgl. Senat, Beschluss v. 21.04.2022, 13 WF 51/22, juris). Da die Antragstellerin somit schon nicht hinreichend entschuldigt, weswegen sie selbst L... J... nicht zum Familienzentrum fahren konnte, kommt es auf eine etwaige Verpflichtung, den Transport des Mädchens rechtzeitig anderweitig zu organisieren, vorliegend nicht an.

3. Allerdings ist die Höhe des festgesetzten Ordnungsgelds zu korrigieren. Art. 6 Abs. 1 EGBGB und § 89 Abs. 3 FamFG geben insoweit einen Rahmen von 5 € bis 25.000,- € vor (Keidel/Giers, FamFG, 20. Aufl. 2020 § 89 Rn. 14 a), innerhalb dessen ein Ordnungsgeld festgesetzt werden kann.

Die Ausübung des Ermessens, in welcher Höhe ein Ordnungsmittel festzusetzen ist, hat sich am Kindeswohl (vgl. Kroiß/Siede/Braun, FamFG, Kommentiertes Verfahrensformularbuch, 2. Aufl. § 89 FamFG Rn. 13) sowie am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Rake in Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, 7. Aufl. 2020 § 89 Rn. 16) zu orientieren. Folglich ist stets zu prüfen, ob mildere Maßnahmen in Betracht kommen. Hinsichtlich der Höhe des Ordnungsgelds sind neben der Art, dem Umfang und der Dauer des Verstoßes, dem Verschuldensgrad, der Intensität des Verstoßes und dessen Auswirkungen, dem Vorteil des Verpflichteten aus der Verletzungshandlung, der Eingriffstiefe der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen und gegebenenfalls des Verhaltens des Verpflichteten nach dem Verstoß, die individuelle Ordnungsmittelempfindlichkeit des Adressaten, also seine persönliche und wirtschaftliche Lage und die Auswirkung des Ordnungsmittels hierauf, sowie spezialpräventive Aspekte zu berücksichtigen (BGH, GRUR 2017, 308; NJW 2004, 506; Senat, Beschluss v. 21.04.2021, 13 WF 51/22, juris; FamRZ 2020, 1673; OLG Saarbrücken, FamRZ 2015, 863; Rake a. a. O. Rn. 17).

Vorliegend handelt es sich um den dritten Verstoß seit dem Zeitpunkt der Vollstreckbarkeit der Umgangsregelung, dem zwei durch Beschluss des Amtsgerichts vom 21.02.2022 (21 F 179/21), bestätigt durch Beschluss des Senats vom 21.04.2022 (13 WF 51/22), sanktionierte, gleichgelagerte Umgangsverstöße vom 13.01.2022 und 27.01.2022 vorausgegangen sind, für die ein einheitliches Ordnungsgeld in Höhe von 300 € festgesetzt worden ist.

Bei der Bemessung des hier in Rede stehenden Ordnungsgelds ist der enge zeitliche Zusammenhang des Verstoßes vom 10.02.2022 mit den bereits sanktionierten Verstößen zu berücksichtigen. Seit dem Wegfall des aus dem Strafrecht stammenden Rechtsinstituts des Fortsetzungszusammenhangs für die Vollstreckung kommt in derartigen Fällen eine Bewertung als eine einheitliche (fortgesetzte) Tat nicht mehr in Betracht (BGH NJW 2021, 1098; NJW 2009, 921; OLG Hamm BeckRS 2017, 136567; OLG Jena BeckRS 2015, 17853). Gleichwohl bleibt es bei der Möglichkeit, für mehrere Verstöße ein einheitliches Ordnungsmittel festzusetzen (BGH a. a. O.; OLG Nürnberg BeckRS 2020, 29170; OLG Jena BeckRS 2015, 17853; MüKoFamFG/Zimmermann, 3. Aufl. 2018, FamFG § 89 Rn. 27). Bei dessen Bemessung sind alle Umstände zu berücksichtigen, die es angemessen erscheinen lassen, nicht das Vielfache der für eine einzelne Zuwiderhandlung als angemessen erachteten Sanktion zu verhängen, sondern das Ordnungsgeld wegen des mehrfachen Verstoßes angemessen zu erhöhen (BGH a.a.O.; OLG Nürnberg BeckRS 2020, 29170).

Vorliegend ist nicht festzustellen, dass der Zusammenhang zwischen dem hier in Rede stehenden Verstoß mit dem vorangegangenen Umgangsausfall bei natürlicher Betrachtung als Teil eines einheitlichen, zusammengehörigen Tuns erscheint, mit der Folge, dass er unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit als Teil des bereits durch den Beschluss vom 21.02.2022 sanktionierten Handelns der Antragstellerin anzusehen sein könnte (vgl. BGH NJW 2021, 1098). Für das Vorliegen mehrerer Zuwiderhandlungen spricht, wenn davon auszugehen ist, dass der Verpflichtete jeweils einen neuen Entschluss zum Verstoß gefasst oder einen bereits gefassten Entschluss bewusst bekräftigt hat (BGH a. a. O.). So liegt der Fall hier. Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 01.02.2022 (Bl. 69) eine Erwiderung auf den Ordnungsmittelantrag des Antragsgegners vom 27.01.2022 beim Amtsgericht eingereicht, in der sie zu dem Umgangsausfall vom 27.01.2022 Stellung nimmt. Der neuerliche Verstoß ist daher als Ergebnis eines erneuten oder erneuerten Entschlusses der Antragstellerin zu bewerten.

Bei der Bemessung des hier zu sanktionierenden Verstoßes ist zu berücksichtigen, in welcher Höhe ein Ordnungsgeld festzusetzen wäre, wenn dieser Verstoß gemeinsam mit den Verstößen vom 13.01.2022 und 27.01.2022 zu sanktionieren wäre. Zwar kommt ein der nachträglichen Gesamtstrafe nach § 55 StGB entsprechendes Gesamtordnungsgeld vorliegend nicht in Betracht, weil die Antragsgegnerin das Ordnungsgeld am 18.05.2022 vollständig bezahlt hat. Auf die von der obergerichtlich uneinheitlich beurteilte Frage, ob im Zwangsvollstreckungsverfahren die Vorschriften der §§ 53 ff StGB zur Bildung einer Gesamtstrafe entsprechend anwendbar sind mit der Folge der Festsetzung eines Gesamtordnungsgelds, kommt es vorliegend mithin nicht an (vgl. OLG Karlsruhe Beschluss v. 21.8.2020 BeckRS 2020, 37689; OLG Köln Beschluss v. 10.05.2026, NJW-RR 2007, 255).

Nach den aber vorliegend auf jeden Fall zu berücksichtigenden Gedanken der Gesamtstrafenbildung nach §§ 53 ff. StGB (vgl. MüKoFamFG/Zimmermann FamFG § 89 Rn. 27; Musielak/Borth/Frank/Frank, 7. Aufl. 2022, FamFG § 89 Rn. 12), ist die Festsetzung eines Ordnungsgelds in Höhe von 50 € angemessen.

Gemessen an den durchschnittlichen Einkommensverhältnissen der Antragsgegnerin, der hier dritten Wiederholung der Umgangsvereitelung und deren Auswirkungen auf L... J... auf der einen Seite, der seit dem Umgangsverstoß verstrichenen Zeit, während der weitere Umgangsverstöße nicht aktenkundig geworden sind, auf der anderen Seite, käme bei Außerachtlassung der bereits erfolgen Sanktionierung der vorangegangenen Verstöße ein einzelnes Ordnungsgeld von 100 € in Betracht. Nach dem Gedanken des § 54 StGB wäre für alle drei Verstöße zusammen ein einheitliches Ordnungsgeld von 350 € festzusetzen gewesen. Dementsprechend ist vorliegend die Festsetzung eines Betrags von 50 € angemessen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 87 Abs. 5, 81 Abs. 1 FamFG.

Eine Wertfestsetzung ist nicht veranlasst, § 55 Abs. 1 Satz 1 FamGKG, Nr. 1602, 1912 KV FamGKG.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, §§ 87 Abs. 4 FamFG, 574 Abs. 2, 3 ZPO.