Gericht | OLG Brandenburg 7. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 14.12.2022 | |
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Aktenzeichen | 7 U 128/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:1214.7U128.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.06.2021 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem jeweiligen Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 235.976,63 € festgesetzt.
Mit Beschluss vom 26.02.2015 eröffnete das Amtsgericht Hamburg auf den am 09.01.2015 eingegangenen Eigenantrag das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin - der … mbH - und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
Dieser macht gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Rückerstattung der von der Schuldnerin im Zeitraum vom 25.08. bis 14.11.2014 gezahlten Luftsicherheitsgebühren unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung geltend.
Vor jedem Boarding durchsuchten Beamte der Bundespolizei Passagiere der Schuldnerin und deren Gepäck zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs. Die Bundespolizei erhob hierfür durch ihre Polizeidirektionen H., K., St. Oder P. gegenüber der Schuldnerin Luftsicherheitsgebühren, die jeweils zentral an die Bundeskasse H. zu zahlen waren. Geschah dies nicht, wurden sie zuerst von den jeweiligen Bundespolizeidirektionen gemahnt. Bei erfolgloser Mahnung übernahm die Bundeskasse H. die Eintreibung offener Gebührenforderungen zentral für alle Polizeidirektionen, verbuchte Zahlungseingänge auf die jeweiligen Forderungen und ordnete Zahlungsausfälle zu. Blieben auch diese Durchsetzungsmaßnahmen der Bundeskasse H. erfolglos, ordneten die zentralen Polizeidirektionen die Zwangsvollstreckung wegen der offenen Forderungen an und leiteten den Vorgang an das Hauptzollamt G. weiter, welches wiederum zentral für die Durchführung der Zwangsvollstreckung zuständig war.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 278.986,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit vom 27.02.2015 bis zum 04.04.2017 sowie aus 229.794,59 € seit dem 05.04.2017 und aus 49.191,66 € seit dem 13.06.2018 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird wegen der Prozessgeschichte und des Vorbringens der Parteien auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit diesem Urteil - auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen wird - hat das Landgericht der Klage überwiegend in Höhe von 235.976,63 € nebst Zinsen stattgegeben und zwar wegen der von der Schuldnerin ab dem 25.08.2014 geleisteten, auf Seite 9f. des Tatbestandes und 13f der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils unter Ziffer 1 - 20 aufgeführten Zahlungen unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung gemäß §§ 143 S. 1, 133 Abs. 1 InsO a. F. Zudem seien die innerhalb der Dreimonatsfrist seit Eingang des Insolvenzeröffnungsantrages am 09.01.2015 ab dem 17.10.2014 geleisteten, dort unter Nummer 6 - 20 genannten Zahlungen in Höhe von 152.604,61 € gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 Nr.1, Abs. 2 InsO a.F. erfolgreich angefochten. Bei alledem müsse sich die Beklagte auch die Kenntnis der von ihr beauftragten Mitarbeiter der Bundeskasse H. und des Hauptzollamtes G. analog § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen.
Wegen des erstinstanzlich geltend gemachten, weitergehenden Betrages in Höhe von 43.009,62 € nebst Zinsen für im Rahmen von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erbrachten Zahlungen sei die Klage hingegen unbegründet.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 30.06.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.07.2021 Berufung eingelegt, soweit zu ihrem Nachteil erkannt wurde und diese nach einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.09.2021 am 23.09.2021 begründet.
Unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens hält sie die Klage im zuerkannten Umfange weiterhin für unbegründet.
Sie bestreitet eine Kenntnis von Umständen, die auf eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin ab dem 25.08.2014 hätten schließen lassen. Dabei müsse sie sich auch eine Kenntnis der Mitarbeiter der Bundeskasse oder des Hauptzollamtes nicht zurechnen lassen.
Außerdem müsse wegen ihrer Vorleistungspflicht eine teleologische Reduktion des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfolgen; selbst beim Wissen um eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin sei sie verpflichtet gewesen, die Passagiere der Schuldnerin und deren Gepäckstücke zum Schutz der Flugsicherheit zu durchsuchen.
Was eine Vorsatzanfechtung anbelange, so habe die Schuldnerin keinen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehabt; jedenfalls sei ein solcher der Beklagten nicht bekannt gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens verteidigt er angefochtene Entscheidung.
Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die zu Protokoll gegebenen Erklärungen Bezug genommen.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingereichte und begründete Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg; sie ist unbegründet.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht der Klage zu Recht teilweise stattgegeben. Der Senat folgt den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die zur Begründung mit den nachfolgenden Ergänzungen verwiesen wird. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe vermögen nicht zu überzeugen. Vielmehr hat das Landgericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt sowohl in tatsächlicher Hinsicht zutreffend festgestellt als auch in rechtlicher Hinsicht fehlerfrei gewürdigt. Auch das weitere Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz rechtfertigt eine anderweitige Entscheidung nicht.
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Rückerstattung der auf Seite 9f. des Tatbestandes und 13f der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils unter Nr. 1 - 20 dargestellten, von der Schuldnerin im Zeitraum vom 25.08. bis 14.11.2014 geleisteten Luftsicherheitsgebühren in Höhe von insgesamt 235.976,63 € gemäß § 143 Abs. 1 InsO unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 a.F. (in der Fassung vom 05.10.1994, anwendbar bis 04.04.2017), § 129 Abs. 1 InsO zu. Für die dort unter Nr. 6 - 20 aufgeführten Zahlungen innerhalb der kritischen Zeit ab dem 17.10.2014 in Höhe von 152.604,61 € ergibt sich dieser Anspruch bereits aus einer erfolgreichen kongruenten Deckungsanfechtung gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO und für solche im Rahmen einer Zwangsvollstreckung aus einer inkongruenten Deckungsanfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO.
Dabei beläuft sich jedoch die dort jeweils unter Ziffer 20 aufgeführte Zahlung vom 14.11.2014 hinter der ersten Kommastelle statt auf 15.026,35 tatsächlich auf 15.026,95 € (vgl. Klageschrift S. 8 und Anlage K 16, Bl. 102 d. A.). Es handelt sich um offensichtliche Schreibfehler des Landgerichts (§ 319 ZPO); die vom Landgericht errechneten Summen sind aber zutreffend.
I.
Was durch eine anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muss zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden (§ 143 Abs. 1 S.1 InsO).
Nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung ermöglicht hat, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte. Diese Voraussetzungen liegen für die ab dem 17.10.2014 geleisteten 15 Zahlungen der Schuldnerin in Höhe von 152.604,61 € vor.
1.
Es handelte sich hierbei - ebenso wie bei den außerdem zuerkannten Zahlungen ab dem 25.08.2014 - jeweils um Rechtshandlungen der Schuldnerin, die zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt haben, weil sie das Aktivvermögen der Schuldnerin verringert haben. Der Begriff der Rechtshandlung ist weit auszulegen. Rechtshandlung ist jedes von einem Willen getragene Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann. Eine zielgerichtete Herbeiführung der anfechtbaren Wirkung der Rechtshandlung ist nicht erforderlich. Sie setzt lediglich ein verantwortungsbewusstes, willensgesteuertes Handeln voraus, was bei den Zahlungen ohne weiteres der Fall ist (vgl. Kayser/Thole HK InsO 9. Aufl., § 129 Rn. 12 m.w.N.).
Die ab dem 17.10.2014 geleisteten 15 Zahlungen erfolgten auch innerhalb der Dreimonatsfrist vor dem am 09.01.2015 beim Insolvenzgericht eingegangenen Eigenantrag der Schuldnerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
2.
Die Schuldnerin war - wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat - ab dem 25.08.2014 zahlungsunfähig. Ihre Zahlungseinstellung begründet die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit.
2.1
Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 S. 1 InsO ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung nach Satz 2 dieser Vorschrift die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet. Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten für eine Zahlungseinstellung aus. Dies gilt selbst dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen. Dabei kann die Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit eine Zahlungseinstellung begründen, wenn die Forderung von insgesamt nicht unbeträchtlicher Höhe ist. Eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können deuten ebenfalls auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind (BGH, Urteil v. 06.05.2021 - IX ZR 72/20 -, Rn. 14 f. m. w. N., juris).
2.2
Allein die …Organisation für Flugsicherung (im Folgenden Eu.) meldete für Flugsicherung-Streckengebühren insgesamt 1.709.764,25 € zur Insolvenztabelle, wovon ein Restbetrag in Höhe von 307.769,66 € auf die am 15.10.2014 fälligen Gebühren entfällt, bei denen es sich bereits allein auch unter Berücksichtigung des Umfanges des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin um eine fällige Forderung in nicht unbeträchtlicher Höhe handelt. Es ist nicht erforderlich, dass fällige Forderungen mehrerer Gläubiger nicht bedient werden. Schon die Nichtzahlung einer einzelnen fälligen Verbindlichkeit kann eine Zahlungseinstellung begründen, wenn - wie hier - die Forderung von insgesamt nicht unbeträchtlicher Höhe ist. Die Annahme einer Zahlungseinstellung setzt auch nicht die Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Forderungen oder gar einer Unterdeckung von mindestens 10 von Hundert voraus (vgl. BGH, Urteil v. 06.05.2021 a.a.O. Rn. 25 m. w. N., juris). Hinzu kommen im vorliegenden Fall auch noch die weiteren vom Landgericht ab dieser Zeit festgestellten fälligen Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten, den Bundespolizeidirektionen und der Bundeskasse H. ebenfalls nicht unbeträchtlichen Umfangs, wie sie im Folgenden unter Punkt I.3.2 dargestellt sind. Das schleppende Abtragen eines ständigen Forderungsrückstandes weist zudem auf eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin hin (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2012 - IX ZR 117/11 -, ZIP 2012, 2355 Rn. 19 sowie Kayser/Thole a.a.O. § 130 Rn 25 m.w.N.).
3.
Die Beklagte wusste auch, dass die Schuldnerin seit dem 25.08. mindestens jedoch seit dem 17.10.2014 ihre Zahlung eingestellt hatte und deshalb zahlungsunfähig war. Dabei steht nach § 130 Abs. 2 InsO der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen.
3.1
Die Beklagte muss sich analog § 166 Abs. 1 BGB die Kenntnis der Mitarbeiter der Bundespolizeidirektionen, der Bundeskasse H. sowie des Hauptzollamtes G. von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zurechnen lassen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs findet eine Zurechnung fremden Wissens auch im Bereich der Insolvenzanfechtung statt. Anerkannt ist insbesondere, dass der Einzugsstelle für Gesamtsozialversicherungsbeiträge bei der Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen der Anfechtung Kenntnisse des Sachbearbeiters des Hauptzollamtes, dessen sich die Stelle bei der Vollstreckung ihrer Bescheide bedient, entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen ist. Eine Wissenszurechnung hat der Bundesgerichtshof zudem angenommen im Falle der Bildung einer behördenübergreifenden Handlungs- und Informationseinheit etwa zur Bezahlung einer Forderung durch Aufrechnung. Diese Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken, dass der Anfechtungsgegner nicht Nutzen aus einer im Zusammenhang mit einer Rechtshandlung bestehenden Wissensaufspaltung ziehen können soll, indem er sich gegenüber Erkenntnissen abschottet, welche die Anfechtbarkeit der Rechtshandlung begründen (vgl. BGH, Urteil v. 06.05.2021 a.a.O. Rn. 18 m.w.N., juris).
3.1.1
Im Grundsatz kommt es zwar zunächst auf das Wissen des jeweiligen zuständigen Bediensteten der zuständigen Behörde an. Im rechtsgeschäftlichen Verkehr darf sich aber eine organisationsbedingte „Wissensaufspaltung“ nicht zulasten des Geschäftspartners auswirken; dies gilt zunächst für die nach außen auftretende Organisationseinheit, also das Amt und die Behörde, eine Wissenszurechnung zwischen verschiedenen Behörden findet aber auch unter weiteren Voraussetzungen statt. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2011, IX ZR 155/08, DGHZ 190, 201) muss jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation sicherstellen, dass die ihr zugehenden rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können, und es deshalb so einrichten, dass ihre Repräsentanten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten. Dies ist für den Bankenbereich und die Versorgungswirtschaft entschieden. Für andere am Rechtsverkehr teilnehmenden Organisationen und damit auch für Behörden gilt nichts anderes. Daraus folgt die Obliegenheit, die Organisationsstruktur so zu gestalten, dass die der Organisation tatsächlich zugegangenen Informationen, die mit den vorhandenen Entscheidungsgrundlagen in sachlichem Zusammenhang stehen, innerhalb dieser Organisation an die hiervon betroffenen Stellen weitergegeben werden.
Nutzt dabei eine Behörde bei ihrer Tätigkeit im Zusammenhang mit anderen Behörden gezielt deren Wissen zum Vorteil des gemeinsamen Rechtsträgers bei der Abwicklung eines konkreten Vertrages, besteht insoweit auch eine behördenübergreifende Pflicht, sich gegenseitig über alle hierfür relevanten Umstände zu informieren. Hinsichtlich der Vertragsabwicklung wird faktisch eine aufgabenbezogene neue Handlungs- und Informationseinheit gebildet; innerhalb dieser Einheit muss sichergestellt werden, dass alle bekannten oder zugehenden rechtserheblichen Informationen unverzüglich an die entscheidenden Personen der Handlungseinheit in den anderen Behörden weitergeleitet und von dieser zur Kenntnis genommen werden.
Im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren darf der Informationsaustausch im Interesse des Schutzes des Rechtsverkehrs und der Gläubigergleichbehandlung nicht in einer Weise vorgenommen werden, dass sich die letztlich nach außen handelnde Behörde von den bei den anderen beteiligten Behörden vorhandenen nachteiligen Informationen, etwa über die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder eine Gläubigerbenachteiligung abschottet und nur die für ihren Rechtsträger nützlichen Informationen etwa über die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen erlangt und erhält. Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 30.06.2011, aaO, Rn 20) hat institutionellen Gläubigern, die wie Behörden, insbesondere das Finanzamt oder die Sozialkasse, im fiskalischen Allgemeininteresse oder im Interesse der Versichertengemeinschaft die Entwicklung eines krisenbehafteten Unternehmens zu verfolgen haben, Beobachtungs- und Erkundigungspflichten auferlegt.
Ein institutioneller Großgläubiger wie die Beklagte darf sich einer positiven Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit ihrer Schuldner nicht verschließen. Werden behördenübergreifende Handlungs- und Informationseinheiten gebildet, liegt darin ein besonderer Umstand, der eine Erkundigungs- und Informationspflicht über alle bekannten Tatsachen auslöst. Die objektive Verletzung dieser Pflicht hat zur Folge, dass sich die handelnde Körperschaft auf die Unkenntnis solcher Umstände nicht berufen darf, die bei einem ihrer Wissensvertreter vorhanden war. Ab dem Zeitpunkt, ab dem der Fiskus selbst von der Möglichkeit der Wissensbeschaffung bei anderen Behörden Gebrauch macht, hat er sich das gesamte rechtserhebliche Wissen der dadurch einbezogenen Behörden hinsichtlich eines abgewickelten Vorgangs zuzurechnen lassen. Ab diesem Zeitpunkt ist auf das zugerechnete gesamte Wissen der beteiligten Behörden abzustellen. Hat eine dieser sachlich zuständigen Behörden im Allgemeinen Kenntnis erlangt, genügt dies auch dann, wenn sie nicht von allen Einzelheiten weiß (vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2011, aaO, Rn. 16 ff. m. w. N., juris).
Beauftragt dabei eine Behörde oder ein Sozialversicherungsträger eine andere zuständige Behörde mit der Vollstreckung fälliger Forderungen mit der Folge, dass diese für das Vollstreckungsverfahren als Gläubigerin der Forderung fingiert wird, muss sich die ersuchende Behörde das Wissen des Sachbearbeiters der ersuchenden Behörde zurechnen lassen. Anderenfalls könnte sich der Fiskus durch organisatorische Maßnahmen, hier durch die Beteiligung unterschiedlicher Behörden und Dienststellen gänzlich der zurechenbaren Kenntnisse über die Zahlungsunfähigkeit seiner Schuldner entziehen und damit den Sinn und Zweck der Insolvenzanfechtung verkehren, nämlich einer solchen erfolgreichen Anfechtung entziehen.
Die Frage, ob der Einzugsstelle bei der Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen der Anfechtung Kenntnisse des Sachbearbeiters des Hauptzollamtes, dessen sich die Stelle bei der Vollstreckung ihrer Bescheide nach § 66 Abs. 1 S. 1 SGB X, § 4 b VwVG, § 249 Abs. 1 S. 3 AO, § 1 Nr. 4 FVG bedient hat, entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen sind, ist deshalb ohne weiteres zu bejahen. Dabei kann die ersuchte Vollstreckungsbehörde - wie die Berufungsklägerin meint - auch nicht mit einem Gerichtsvollzieher gleichgesetzt werden, der nicht Vertreter des Gläubigers bei der Pfändung ist, sondern allen Beteiligten des Zwangsvollstreckungsverfahrens als Beamter im Rahmen der Justizgewährung gegenübersteht. Soweit es um die Vollstreckung geht, tritt die ersuchte Vollstreckungsbehörde nicht „neutral“ gegenüber allen Beteiligten auf, sondern rückt in die Gläubigerstellung der Behörde ein, in deren Auftrag sie vollstreckt. Kenntnisse, die sie hinsichtlich einer eventuellen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aufgrund dieser Stellung erlangt, sind gegebenenfalls für die ersuchende Behörde zu sammeln und an diese weiterzuleiten. Diese von einem für Gerichtsvollzieher abweichende Aufgabe der ersuchten Vollstreckungsbehörde rechtfertigt es, die von ihr erlangten Kenntnisse der ersuchten Behörde zuzurechnen. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, nach der jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation sicherstellen muss, dass die ihr zugehenden rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können. Sie muss es deshalb so einrichten, dass ihre Repräsentanten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten. Dies gilt gerade auch für Behörden wie im vorliegenden Fall. Denn um eine Wissensaufspaltung zu vermeiden, wenn eine Behörde sich einer anderen Behörde als Vollstreckungsorgan bedient, darf sie sich nicht gegen die Erkenntnis abschotten, welche die ersuchte Behörde bei der für sie durchgeführten Vollstreckung gewinnt (vgl. BGH, Beschluss v. 14.02.2013 - IX ZR 115/12 -, ZIP 2013, 685, Rn. 4 - 6 unter Hinweis für Behörden auf BGH, Urteil v. 30.06.2020 - IX ZR 155/08 -, Rn. 17f., BGHZ 190, 201).
3.1.2
Eine solche behördenübergreifende, aufgabenbezogene neue Handlungs- und Informationseinheit hat die Beklagte im vorliegenden Fall gebildet. Sie hat sich der Bundeskasse H. bei der Geltendmachung ihrer Gebührenforderungen bedient und das Hauptzollamt G. war für deren Zwangsvollstreckung zuständig. Die von den jeweiligen Bundespolizeidirektionen erhobenen Luftsicherheitsgebühren sollten jeweils an die Bundeskasse H. gezahlt werden. Bei erfolgloser Mahnung durch die Bundespolizeidirektionen übernahm die Bundeskasse H.die Eintreibung offener Gebührenforderungen zentral für alle Bundespolizeidirektionen, wobei sie Zahlungseingänge verbuchte und Zahlungsausfälle zuordnete. Bei ihr lagen damit zentral für alle Polizeidirektionen sämtliche Informationen zum Zahlungsverhalten der Schuldnerin und deren Zahlungsausfällen vor. Sie rückte in die Gläubigerstellung der Beklagten und der Bundespolizeidirektionen ein, in deren Auftrag sie die Eintreibung offener und auch bereits im Verzug befindlicher Gebührenforderungen übernahm. Insolvenzrechtlich relevante Kenntnisse, die sie hinsichtlich einer eventuellen Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin aufgrund dieser Stellung erlangte, waren von ihr für die ersuchende Behörde zu erfassen und an diese weiterzuleiten.
Blieben auch die Maßnahmen der Bundeskasse H. erfolglos wurde das Hauptzollamt G. zentral mit der Durchführung der Zwangsvollstreckung beauftragt, welches sodann ebenfalls über entsprechende Kenntnisse verfügte, die sie zu erfassen und weiterzuleiten hatte.
3.1.3
Einer solchen Erkundigungs- und Informationspflicht stehen auch keine Belange des Datenschutzes entgegen. Denn die Beklagte, die einzelnen Bundespolizeidirektionen, die Bundeskasse H. und das Hauptzollamt G. haben bei der Geltendmachung der Gebühren gerade selbst eine behördenübergreifende aufgabenbezogene Handlungs- und Informationseinheit gebildet und auch tatsächlich Informationen wechselseitig ausgetauscht und weitergeleitet, indem Zahlungen an die Bundeskasse zu leisten waren, Mahnungen für fällige Gebührenforderungen zunächst durch die jeweiligen Bundespolizeidirektionen erfolgten und bei erfolgloser Mahnung die Bundeskasse die Eintreibung der Gebührenforderungen zentral für alle Bundespolizeidirektionen wahrnahm, wobei sie Zahlungseingänge auf die jeweiligen Forderungen verbuchte und Zahlungsausfälle zuordnete. Blieben auch diese Durchsetzungsmaßnahmen der Bundeskasse H. erfolglos, ordneten die zuständigen Bundespolizeidirektionen die Zwangsvollstreckung an und leiteten den Vorgang an das Hauptzollamt weiter, welches zentral für die Durchführung der Zwangsvollstreckung zuständig war und zwar jeweils einhergehend mit dem betreffenden Informationsaustausch zwischen diesen an der Geltendmachung beteiligten Behörden. Hinzu kommt, dass es vorliegend auch gar nicht um eine vermeintlich unberechtigte Weitergabe von Daten geht, sondern um die Zurechnung eines vorhandenen Wissens der Mitarbeiter der einzelnen Behörden der selbst gebildeten aufgabenbezogenen Handlungs- und Informationseinheit der Beklagten, insbesondere der Bundeskasse und des Hauptzollamtes.
3.2
Die Bundeskasse H. und mit ihr die Bundespolizeidirektionen, das Hauptzollamt G. sowie die Beklagte hatten - selbst wenn ein saisonabhängiges Chartergeschäft der Schuldnerin als Fluggesellschaft berücksichtigt wird - Kenntnis von Umständen, aus denen sie in ihrer Gesamtschau Ende August noch vor der ersten erfolgreich angefochtenen Zahlung und jedenfalls ab Mitte Oktober 2014 zwingend auf eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin schließen mussten.
Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist vom Standpunkt des redlichen Verkehrs aus und nach dem normativen Maßstab redlich Denkender zu beurteilen. Es ist zu bejahen, wenn sich ein redlich Denkender, vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht Beeinflusster angesichts der ihm bekannten Tatsachen der Einsicht nicht verschließen konnte, der Schuldner sei zahlungsunfähig. Eine einzelne Tatsache kann ebenso wie eine Gesamtschau von Tatsachen den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit rechtfertigen (vgl. Kayser/Thole a.a.O. § 130 Rn. 36 ff. m. w. N.).
Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ist es der Schuldnerin nur jeweils zum Oktober 2012 bzw. 2013 gelungen, alle offenen Luftsicherheitsgebührenforderungen auszugleichen. Unstreitig hat sie bereits Ende 2012 und Ende 2013 Zahlungsrückstände in nicht unbeträchtlicher Höhe von mindestens 153.774,14 € bzw. 23.022,66 € aufgebaut. Die Zeit, in der sie keine Außenstände bei der Bundeskasse H. hatte, betrug daher sowohl 2012 als auch 2013 nur wenige Wochen. Da saisonabhängigen Branchen nur wenige Monate zugebilligt werden, in der die Unternehmen ihre fälligen Forderungen nicht innerhalb der Dreiwochenfrist zahlen können müssen, hatte die Schuldnerin diese Karenzzeit weit überschritten, weil sie mehr als neun Monate des jeweiligen Jahres nicht in der Lage war, alle ihre offenen fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen.
Selbst wenn das saisonabhängige Chartergeschäft der Schuldnerin berücksichtigt wird, musste die Bundeskasse Mitte August 2014 zwingend von einer Zahlungseinstellung der Schuldnerin ausgehen. Der ihr bekannte, Ende 2013 vorhandene fällige Zahlungsrückstand von 23.022,66 € war bereits bis zum 14.08.2014 auf eine nicht unbeträchtliche Höhe von 183.407,05 € für Gebührenforderungen allein der Polizeidirektion Ha. angewachsen. Zwischen dem 08.04. und 25.08.2014 leistete die Schuldnerin keine Zahlungen auf Gebührenbescheide dieser Bundespolizeidirektion vom 04.04., 08.05. und 13.06.2014. Die Bundespolizeidirektion Ha. ordnete am 11.08.2014 die Einleitung der Zwangsvollstreckung für diese offenen Forderungen an. Mit weiteren Bescheiden vom 13.06., 10.07. und 13.08. forderte sie von der Schuldnerin weitere Luftsicherheitsgebühren in Höhe von insgesamt 104.506,05 €, wofür sie am 24.09. auch noch die Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen offener Luftsicherheitsgebühren aus den Bescheiden vom 10.07. und 13.08.2014 in Höhe von insgesamt 104.002,30 € anordnete. Die Schuldnerin zahlte am 25.08.2014 lediglich 21.349,11 € auf die Gebührenforderung für April für den Flughafen Ha. und 10.441,85 € auf die Gebührenforderungen für März und April 2014 für den Flughafen Ham.. Obwohl es der Schuldnerin in den Jahren 2012 und 2013 gelungen war, die Verbindlichkeiten in den Monaten August, September und Oktober durch Mehrzahlungen zu tilgen oder deutlich zu reduzieren, konnte die Schuldnerin selbst Mitte August 2014 nur einen kleinen Teil der offenen Verbindlichkeiten bezahlen. Die Beklagte wusste damit, dass die Schuldnerin zu einer bis dahin regelmäßig zu erwartenden Reduzierung der Verbindlichkeiten im Zuge eines saisonabhängigen Chartergeschäfts gerade nicht mehr in der Lage war. Die dauerhaft schleppende Zahlung war für die Beklagte ein starkes Indiz für die Zahlungseinstellung der Schuldnerin. Diese schob infolge der ständig verspäteten Tilgung ihrer fälligen Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten laufend einen beträchtlichen Forderungsrückstand vor sich her. Diese Gegebenheiten trugen auch aus Sicht der Mitarbeiter der Beklagten, der einzelnen Bundespolizeidirektionen, der Bundeskasse und des Hauptzollamtes zu dem Gesamtbild eines Schuldners bei, dem es auf Dauer nicht gelingt, bestehende Liquiditätslücken zu schließen, sondern der nur noch darum bemüht ist, trotz fehlender Mittel den Anschein eines funktionstüchtigen Geschäftsbetriebs aufrechtzuerhalten (vgl. BGH, Urteil v. 07.05.2015 - IX ZR 95/14, Rn. 21, m. w. N., juris).
Die Schuldnerin hat in der Folgezeit ihre Zahlungen auch nicht wieder insgesamt aufgenommen, sondern lediglich einzelne Teilzahlungen erbracht. Vielmehr wurden sogar im Wege der von der Beklagten bzw. des Hauptzollamtes veranlassten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen die vom Landgericht auf Seite 14 unter Ziffer II 1 b) aufgeführten Drittschuldnerzahlungen der I… NL Deutschland in Höhe von 43.009,62 € realisiert - wegen derer das Landgericht die Klage teilweise abgewiesen hat. Solche Zwangsvollstreckungen untermauern zudem die Kenntnis der Beklagten von einer Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin.
4.
Sofern eine Befriedigung durch Zwangsvollstreckung und vergleichbare Druckzahlungen einzelner zuerkannter Beträge innerhalb der Dreimonatsfrist erfolgt sein sollte, insbesondere bei den vom Landgericht unter Nr. 18 (S. 10 des Urteils) aufgeführten Beträgen vom 13.11.2014, liegt bei den im Übrigen inhaltsgleichen, erfüllten Voraussetzungen eine erfolgreiche inkongruente Deckungsanfechtung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor. Nicht „in der Art“ im Sinne dieser Vorschrift zu beanspruchen hat der Gläubiger nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung eine während der kritischen Zeit im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigung. Ausschlaggebend für eine Einordnung als inkongruente Deckung ist die Wertungsparallele zu § 88 InsO, der ebenfalls erkennen lässt, dass ein Vollstreckungszugriff unmittelbar vor dem Antrag verdächtig erscheint und zur leichteren Anfechtung führen soll (vgl. Kayser/Thole a.a.O. § 131 Rn. 12ff m. w. N.).
5.
Eine teleologische Reduktion der Anwendbarkeit der §§ 130 Abs. 1 Nr. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus einer Vorleistungspflicht bei ihrer Verpflichtung zur Untersuchung der Passagiere und des Gepäcks. Ihre Rechtsstellung unterscheidet sich hierbei nicht von anderen vorleistungspflichtigen Anfechtungsgegnern. Vielmehr blieb es ihr gerade als institutionelle Großgläubigerin bei Kenntnis der Umstände, die auf eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen ließen, unbenommen, selbst rechtzeitig einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen und damit einer weiteren Vorleistungspflicht gegenüber der Schuldnerin zu begegnen.
II.
Neben der Deckungsanfechtung hat der Kläger die vorstehend unter Ziffer I genannten Zahlungen und die weiteren unter Nr. 1 - 5 im Tatbestand und den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils aufgeführten Zahlungen ab dem 25.08.2014 in Höhe von weiteren 83.372,02 € und mithin insgesamt in Höhe des zuerkannten Betrages von 235.976,63 € erfolgreich gemäß § 133 Abs. 1 InsO a.F. angefochten.
Gemäß § 133 Abs. 1 InsO in der bis zum 04.04.2017 geltenden Fassung ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Die Kenntnis des anderen Teils wird vermutet, wenn dieser wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte (§ 133 Abs. 1 S. 2 InsO a.F.).
1.
Auch bei diesen Zahlungen handelt es sich um Rechtshandlungen der Schuldnerin, die ihr aktives Vermögen verkürzt und zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt haben. Sie sind innerhalb des Zeitraums vom 25.08. bis zum 14.11.2014 erfolgt und mithin innerhalb der Zehnjahresfrist.
2.
Die Schuldnerin war auch bereits Mitte August 2014 zahlungsunfähig; sie hat ihre Zahlungen zu diesem Zeitpunkt bereits eingestellt. Allein die fälligen Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten hatten sich von 23.022,66 € Ende des Jahres 2013 auf einen Betrag von nicht unbeträchtlicher Höhe von 183.407,05 € gesteigert. Die Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit kann die Zahlungseinstellung begründen, wenn die Forderung von insgesamt nicht unbeträchtlicher Höhe ist. Hinzu kommen allein schon die von der Bundespolizeidirektion Ha. mit Bescheiden vom 13.06., 10.07. und 13.08.2014 erhobenen weiteren Luftsicherheitsgebühren in Höhe von insgesamt 104.506,05 €.
3.
Die Schuldnerin kannte ihre Zahlungsunfähigkeit und handelte auch mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz.
3.1
Hierbei hat das Landgericht unter umfassender und widerspruchsfreier Würdigung des Prozessstoffes zu Recht die Überzeugung gewonnen, die Schuldnerin habe gewusst, dass sie aus Mangel an liquiden Zahlungsmitteln nicht zahlen konnte.
Eine besonders aussagekräftige Grundlage für diese Überzeugung stellen ihre eigene Erklärung und die nicht eingehalten Ratenzahlungsvereinbarungen gegenüber Eu…l dar.
Mit E-Mail vom 01.07.2013 forderte Eu… sie zur Zahlung offener 83.283,03 € aus der Rechnung für Februar 2013 und 264.189,37 € aus der Rechnung für März 2013 auf. Nachdem die Schuldnerin diese Forderungen auch nach einer weiteren Zahlungsaufforderung vom 09.07.2013 nicht zahlte, stellte sie am 11.07.2013 die Zahlung von 83.000,0 € am 12.07.2013, von 264.000,00 € und 47.000,00 € am 15.07.2013, von 150.000,00 € am 26.07.2013 und des Restbetrages am 15.08.2013 in Aussicht. Eu… antwortete daraufhin, dass die offenen Rechnungen bis spätesten 13.08.2013 gezahlt sein müssen, weil am 14.08.2013 bereits die Rechnungen für Juni 2013 fällig würden. Daraufhin antwortete die Schuldnerin, die Begleichung offener Rechnungen bis zum 13.08. 2013 sei extrem schwierig.
Auch die Hauptrechnungen für die Monate Dezember 2013, fällig Mitte Februar 2014 und Januar 2014, fällig Mitte März 2014 konnte die Schuldnerin nicht vollständig zahlen, so dass im April 2014 insgsamt 692.974,15 € offen waren. Daraufhin vereinbarten die Schuldnerin und Eu… am 28.04.2014 einen Ratenzahlungsplan, wonach die Schuldnerin, die zu diesem Zeitpunkt offenen Forderungen durch Zahlung von 180.000,00 € am 29.04., von 275.000,00 € am 30.05., von 100.000 € am 27.06. und von 137.974,15 € am 30.07.2014 begleichen sollte. Sie erbrachte aber die für den 29.04.2014 vereinbarten 180.000,00 € ebenso wenig, wie sie die Mitte Mai 2014 fällige Hauptrechnung für März 2014 zahlte.
Mit E-Mail vom 17.06.2014 kündigte Eu… an, Maßnahmen zur zwangsweisen Durchsetzung der Außenstände zu beginnen, was auch die Festsetzung von Flugzeugen der Schuldnerin beinhalten könne. Daraufhin vereinbarten Eu. und die Schuldnerin am 30.06.2014 einen weiteren Zahlungsplan. Auch die nach diesem Zahlungsplan geschuldeten Raten zahlte sie nur verspätet.
Erklärt der Schuldner, eine fällige, nicht unbeträchtliche Verbindlichkeit binnen drei Wochen nicht begleichen zu können, wird in aller Regel von einer Zahlungseinstellung im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung auszugehen sein. Die nicht eingehaltenen Zahlungsvereinbarungen sowie der Mahn- und Vollstreckungsdruck von Eu… sprechen mit hinreichender Gewissheit dafür, dass die Zahlungsverzögerungen auf einer fehlenden Liquidität der Schuldnerin beruhten und dass sie wusste, aus mangelnder Liquidität und Mitteln nicht zahlen zu können.
Bis zum 14.08.2014 wuchsen die offenen fälligen Gebührenforderungen allein der Bundespolizeidirektion Ha. gegenüber der Schuldnerin auf mindestens 183.407,05 € an und die Bundespolizeidirektion Ha. ordnete am 11.08.2014 und am 24.09.2014 die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen an.
Angesichts der zahlreichen Mahnungen sowohl von Eu… als auch der jeweiligen Bundespolizeidirektionen, der Bundeskasse H., den Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Hauptzollamtes G., dem zwischen der Schuldnerin und der Firma Eu. geführten E-Mail-Verkehr und den mit Eu.l abgeschlossenen Ratenzahlungsplänen, die die Schuldnerin nicht fristgerecht erfüllen konnte, wusste sie , dass sie zahlungsunfähig war.
Hinzu kommt, dass sie zur Aufrechterhaltung ihres Flugbetriebs dringend auf eine weitere Leistungserbringung sowohl von Eu. als auch der Beklagten angewiesen war. Die zusätzlich für eine hinreichende Gewissheit sprechenden Umstände, dass die Zahlungsverzögerungen auf der fehlenden Liquidität des Schuldners beruhen, können, wie hier, darin zu sehen sein, dass der Schuldner Forderungen solcher Gläubiger nicht begleicht, auf deren weitere Leistungserbringung er zur Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebes angewiesen ist. Ferner kann der Mahn- und/oder Vollstreckungsdruck des Gläubigers der Zahlungsverzögerung ein größeres Gewicht verleihen (vgl. BGH Urteil v. 06.05.2021 a.a.O. Rn. 42 m.w.N.).
3.2
Die Schuldnerin handelte bei den angefochtenen Zahlungen gegenüber der Beklagten mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Als gewerblich tätige Fluggesellschaft wusste sie um die Existenz weiterer Gläubiger zum Zeitpunkt der Zahlungen, insbesondere der Eu., und ihr war klar, dass sie aufgrund ihrer Zahlungsunfähigkeit nicht sämtliche Gläubiger wird befriedigen können.
Die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners ist ebenso wie der Vorsatz selbst eine innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsache. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung können daher in aller Regel nur mittelbar aus objektiven (Hilfs-) Tatsachen hergeleitet werden. Es ist Aufgabe des Tatrichters, die ihm unterbreiteten Hilfstatsachen auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der mündlichen Verhandlung umfassend und widerspruchsfrei zu würdigen. Dabei hat er die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den für und gegen den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis von diesem sprechenden Beweisanzeichen zu berücksichtigen. Die einzelnen Beweisanzeichen dürfen nicht schematisch angewandt werden. Für die Feststellung der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit gelten die hergebrachten Grundsätze. Insbesondere kann weiterhin von der erkannten Zahlungseinstellung auf die erkannte Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden (vgl. BGH, Urteil v. 06.05.2021 a.a.O. Rn. 17 ff., 36 m. w. N., juris).
Ist der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erkanntermaßen zahlungsunfähig, kommt es zusätzlich darauf an, ob er wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, seine anderen Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen zu können. Hat die Deckungslücke wie hier ein Ausmaß erreicht, die selbst bei optimistischer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung in absehbarer Zeit keine vollständige Befriedigung der bereits vorhandenen oder der absehbar hinzutretenden Gläubiger erwarten ließ, musste dem Schuldner klar sein, dass er nicht einzelne Gläubiger befriedigen konnte, ohne andere zu benachteiligen. Befriedigt er in dieser Lage einzelne Gläubiger, handelt er deshalb mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Sieht sich der Schuldner wie vorliegend im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen erheblichem Mahn- und/oder Vollstreckungsdruck ausgesetzt, begrenzt dies den für eine Beseitigung der vorhandenen Deckungslücke zur Verfügung stehenden Zeitraum. Dass keine begründete Aussicht auf Beseitigung der Deckungslücke bestand, ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Ursache für die Entstehung der Zahlungsunfähigkeit nicht beseitigt war oder absehbar beseitigt werden würde (vgl. BGH, Urteil v. 06.05.2021 a.a.O. Rn. 46 ff., juris).
Dies ist vorliegend der Fall, denn es bestanden sowohl gegenüber Eu… als auch der Beklagten und den einzelnen Bundespolizeidirektionen fällige Verbindlichkeiten in beträchtlicher Höhe im sechsstelligen Bereich, welche - wie dargelegt - bis Mitte August und Oktober 2014 zudem anwuchsen, und die Schuldnerin schob einen sich noch vergrößernden fälligen Forderungsrückstand beträchtlichen Umfangs fortlaufend vor sich her.
4.
Die Beklagte kannte auch den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin.
Der für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung darlegungs- und gegebenenfalls beweisbelastete Insolvenzverwalter hat zwei Möglichkeiten, die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nachzuweisen. Er kann den Vollbeweis führen oder sich mit der Darlegung und gegebenenfalls dem Nachweis des Vermutungstatbestandes des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO a.F. begnügen. Danach wird die Kenntnis des anderen Teils vermutet, wenn dieser wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte (§ 133 Abs. 1 S. 1 InsO a.F.).
4.1
Die erste Voraussetzung dieses Vermutungstatbestandes war bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt Mitte August 2014 erfüllt, weil die Beklagte, die Mitarbeiter der Bundespolizeidirektionen Ha., der Bundeskasse und des Hauptzollamtes - deren Wissen sich die Beklagte wie ausgeführt zurechnen lassen muss - die Umstände kannten, die mit der nach § 286 ZPO vorausgesetzten Gewissheit auf die Zahlungseinstellung und Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen ließen und zwar selbst dann, wenn ein saisonabhängiges Chartergeschäft der Schuldnerin berücksichtigt wird. Insoweit wird auf die Ausführungen unter I.3.2 der Entscheidungsgründe verwiesen. Hinzu kommen noch die weiteren vom Landgericht festgestellten fälligen Gebührenforderungen der anderen Bundespolizeidirektionen. Diese Gegebenheiten trugen aus Sicht der Beklagten, der einzelnen Bundespolizeidirektionen, allein schon der aus Ha., der Bundeskasse und des Hauptzollamtes zu dem Gesamtbild einer Schuldnerin bei, der es auf Dauer nicht gelingen wird, die beträchtlichen Liquiditätslücken zu schließen.
4.2
Das Wissen um die Benachteiligung der übrigen Gläubiger, die zweite Voraussetzung des Vermutungstatbestandes, wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch die Kenntnis von einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit indiziert, wenn der Anfechtungsgegner weiß, dass es noch andere Gläubiger gibt, deren Forderungen vom Schuldner nicht vollständig befriedigt werden. Mit letzterem muss ein Gläubiger rechnen, wenn der Schuldner unternehmerisch tätig ist (vgl. BGH, Urteil v. 06.05.2021 a.a.O. Rn. 49 ff. m.w.N.).
Vorliegend wussten die Mitarbeiter der Beklagten, der einzelnen Bundespolizeidirektionen, der Bundeskasse und des Hauptzollamtes um die gewerbliche Tätigkeit der Schuldnerin als Fluggesellschaft und sie mussten damit rechnen, dass es noch weitere Gläubiger mit offenen fälligen Verbindlichkeiten gibt. Dies gilt in besonderem Maße bei institutionellen Gläubigern und Anfechtungsgegnern, wie der Beklagten. Solche weiteren beträchtlichen fälligen Verbindlichkeiten bestanden hier auch tatsächlich und zwar - wie festgestellt - allein schon gegenüber Eu…..
III.
Der Senat hat in der mündlichen Berufungsverhandlung im Einzelnen darauf hingewiesen, dass und weshalb die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat und zwar auch in Bezug auf das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 02.11.2022, insbesondere zu den Belangen des Datenschutzes und hat der Beklagten ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
Der nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 07.11.2022 bot keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 Abs. 1 ZPO bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen.