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Entscheidung 13 UF 177/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 04.01.2023
Aktenzeichen 13 UF 177/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0104.13UF177.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss Amtsgerichts Nauen 11.10.2022 wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.

3. Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 1.500 €.

4. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die beschwerdeführende Antragsgegnerin wendet sich gegen die Zuweisung der Ehewohnung im einstweiligen Anordnungsverfahren an den Antragsteller, ihren Ehemann, von dem sie seit März dieses Jahres getrennt lebt. Beide Eheleute wohnten weiterhin in einem dem Antragsteller gehörenden Einfamilienhaus, zusammen mit den drei gemeinsamen fünf und zwei Jahre alten Kindern, die sie bisher in einem sog. Nestmodell in der Ehewohnung abwechselnd betreuten.

Am 14.09.2022 eskalierten die trotz Einsatzes von Familientherapeuten immer wieder auftretenden und in Anwesenheit der Kinder ausgetragenen Auseinandersetzungen der Antragsbeteiligten dergestalt, dass die fünfjährige Tochter … im Kindergarten ihrer Erzieherin berichtete, die Antragsgegnerin habe dem Antragsteller eine Tasse heißen Kaffees ins Gesicht gegossen.

Der Antragsteller hat daraufhin den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Überlassung der Ehewohnung für die Dauer des Getrenntlebens an sich beantragt, sowie die Verpflichtung, dass die Antragsgegnerin ihm die Wohnung und die dazu gehörenden Schlüssel herauszugeben habe. Dem ist die Antragsgegnerin entgegengetreten. Der Vorfall vom 14.09.2022 habe sich nicht so zugetragen, wie Antragsteller und ihre Tochter berichteten. Zudem sei sie zwar bemüht, könne aber wegen ihres ALG-II-Bezugs keine Wohnung finden, wohingegen der Antragsteller finanziell besser aufgestellt sei. Daher sei ihr die Wohnung während der Dauer des Getrenntlebens zuzuweisen.

Nach persönlicher Anhörung der Antragsbeteiligten und des Jugendamtes hat das Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluss, auf dessen Inhalt der Senat wegen des weiteren Sach- und Streitsandes verweist, dem Antragsteller auf seinen Antrag im Wege der einstweiligen Anordnung die Nutzung der Ehewohnung während der Dauer des Getrenntlebens zugewiesen und ist dem Widerantrag der Antragsgegnerin, ebenfalls auf Zuweisung der Ehewohnung gerichtet, nicht gefolgt.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags die Abänderung des Beschlusses dahingehend, dass die Ehewohnung vorläufig ihr zur alleinigen Nutzung zugewiesen werde. Ergänzend behauptet sie, der Antragsteller sei alkoholsüchtig und daher könnten ihm die Kinder nicht in alleiniger Obhut überlassen werden.

Sie beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Nauen vom 11.10.2022 ihr die im … belegene Wohnung für die Dauer des Getrenntlebens zur alleinigen Nutzung zuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Seit Erlass des Beschlusses verwehrt der Antragsteller der Antragsgegnerin, die von Sozialleistungen lebt und bisher keine eigene Wohnung gefunden hat, den Zugang zum Haus. Mit Beschluss vom 10.11.2022 hat der Senat den Antrag der Antragsgegnerin auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses zurückgewiesen.

Das Jugendamt hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Korrespondenz im Beschwerderechtszug. Er entscheidet ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist in der Sache unbegründet.

Gemäß § 1361b Abs. 1 S. 1, 2 BGB kann ein Ehegatte, der getrennt lebt, verlangen, dass ihm der andere die Ehewohnung oder einen Teil zur alleinigen Benutzung überlässt, soweit dies auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Eine unbillige Härte kann auch dann gegeben sein, wenn das Wohl von im Haushalt lebenden Kindern beeinträchtigt ist. Der Begriff der unbilligen Härte ist dabei einzelfallbezogen auszufüllen. Aus den in der gesetzlichen Regelung hervorgehobenen Tatbeständen, die eine unbillige Härte begründen können - die Anwendung von Gewalt (§ 1361b Abs. 2 BGB) und die Beeinträchtigung des Kindeswohls (§ 1361b Abs. 1 S. 2 BGB) - ist zu folgern, dass eine Wohnungszuweisung besondere Umstände voraussetzt, die über bloße Unannehmlichkeiten oder Belästigungen, wie sie oft in der Auflösungsphase einer Ehe auftreten, hinausgehen und unter Berücksichtigung der Interessen des anderen Ehegatten dessen Verbleiben in der Wohnung für den Ehegatten zu einer unerträglichen Belastung machen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 1. April 2022 – 2 UF 11/22 –, Rn. 12 - 14, juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss v. 07.03.2019, Az. 12 UF 11/19; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 24.06.2016, Az. 6 UF 42/16; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 10.07.2015, Az. 18 UF 76/15 - juris Rn. 11; Grüneberg-Götz, BGB, 81. Aufl., § 1361b Rn. 10 a.E. m.w.N.).

Nach dieser Maßgabe ist vorliegend eine die Zuweisung der Wohnung an den Antragsteller begründende unbillige Härte bei einem Verbleib der Antragsgegnerin in der Ehewohnung festzustellen.

Aufgrund des Alleineigentums des Antragstellers an der Ehewohnung ist die Eingriffsschwelle im Sinne geringerer Anforderungen an die Annahme einer unzumutbaren Härte bereits herabgesetzt (vgl. OLG Bamberg aaO; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 10.07.2015, Az. 18 UF 76/15; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Juni 2016 – II-6 UF 42/16 –, juris).

Da die Beeinträchtigung des Kindeswohls in § 1361b Abs. 1 BGB ausdrücklich aufgeführt ist, haben zudem die Belange betroffener Kinder grundsätzlich und auch hier Vorrang bei der Billigkeitsabwägung (Senat, Beschluss vom 24. Februar 2020 – 13 UF 5/20 –, juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.07.2010 - 9 WF 40/10 - FamRZ 2010, 1983; OLG Brandenburg, Beschluss vom 10. Juni 2010 - 9 UF 142/09 - FamFR 2010, 379). Das Kindeswohl ist bereits dann beeinträchtigt, wenn die häusliche Atmosphäre nachhaltig gestört ist, wenn dies zu erheblichen Belastungen des Kindes führt. Den Kindesbedürfnissen an einer geordneten und spannungsfreien Familiensituation kommt in solchen Fällen Vorrang zu (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.07.2010 - 9 WF 40/10 - FamRZ 2010, 1983). Es kommt daher weniger darauf an, ob der Vorwurf des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe ihm am 14.09.2022 heißen Kaffee ins Gesicht geschüttet, wirklich zutrifft. Dass die Kinder nämlich schon allein durch die Streitereien der Eltern bereits erheblich leiden, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Zuweisung der Ehewohnung an einen der beteiligten Ehepartner zur alleinigen Nutzung ist daher dringend erforderlich. Denn angesichts des erheblichen Konfliktpotentials zwischen den Beteiligten kommt ein gemeinsames Zusammenleben mit den drei kleinen Kindern in der verfahrensgegenständlichen Wohnung von vornherein nicht in Betracht (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21. April 1997 - 18 WF 19/97 - OLGR Karlsruhe 1998, 112; OLG Hamm, Beschluss vom 25. September 2013 – II-2 UF 58/13 –, Rn. 41 - 42, juris).

Die Wohnung ist vorzugsweise dem Elternteil zuzuweisen, der die gemeinsamen Kinder in erster Linie betreut (Senat, Beschluss vom 24. Februar 2020 – 13 UF 5/20 –, juris). Dies war zuletzt der Antragsteller, der die Kinder bis zum angefochtenen Beschluss an vier von sieben Tagen betreut hat. Dem Wohl der drei Kinder ist jedenfalls bis zur Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren am besten gedient, wenn sie möglichst viel Lebenszeit in gewohnter Umgebung, also in der Ehewohnung verbringen. Auch eine von der Antragsgegnerin ins Feld geführte Alkoholsucht des Antragstellers führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Dass und inwieweit sich eine von keiner Seite bestätigte unbehandelte Alkoholerkrankung des Antragstellers bisher nachteilig auf das Wohl der Kinder ausgewirkt habe oder zukünftig auswirken werde, hat die Antragsgegnerin, die dem Antragsteller bisher schon die Betreuung ihrer Kinder an vier von sieben Tagen allein überlassen hat, nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Finanzielle Erwägungen der Antragsgegnerin, deretwegen ihr die Anmietung einer Wohnung im Gegensatz zum Antragsteller unzumutbar erscheint, treten gegenüber denen des Kindeswohls zurück. Denn etwaigen ungleichen wirtschaftlichen Verhältnissen kommt unter Berücksichtigung der Kindesbelange keine ausschlaggebende Bedeutung zu (Senat, Beschluss vom 24. Februar 2020 – 13 UF 5/20 –, Rn. 15, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 27.07.2010, 10 WF 99/10, juris)

Die Einräumung einer Räumungsfrist für die Antragsgegnerin hat im Streifall auszuscheiden. Unter Berücksichtung der wechselseitigen Interessen der Beteiligten und insbesondere des Kindeswohls kommt eine Räumungsfrist nicht in Betracht. Die Antragsgegnerin hat bislang zwar noch keine Wohnung aber anderweitig Unterkunft gefunden und hält sich bereits - soweit ersichtlich - nach Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht mehr in der bisherigen gemeinsamen Ehewohnung auf. Vor diesem Hintergrund würde die Einräumung einer Räumungsfrist der Antragsgegnerin die Möglichkeit eröffnen, wieder in die Ehewohnung zurückzukehren, was die Gefahr in sich bergen würde, dass der erbitterte Elternstreit zwischen den Beteiligten erneut aufflammen und die gemeinsamen Kinder weiter erheblich belasten würde. Bei dieser Gesamtabwägung war auch zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin bisher ernsthafte und intensive Bemühungen um eine anderweitige Unterkunft weder dargetan noch glaubhaft gemacht hat (vgl. OLG München, Beschluss vom 13. Juni 1997 - 12 WF 805/97 - FamRZ 1998, 1170; OLG Hamm, Beschluss vom 25. September 2013 – II-2 UF 58/13 –, Rn. 60, juris).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts fußt auf §§ 55 Abs. 2, 41, 48 Abs. 1 FamGKG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 70 Abs. 4 FamFG.

IV.

Der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung auf Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war mangels Erfolgsaussicht zurückzuweisen (§§ 76, 114 ZPO). Die Beschwerde war ohne Aussicht auf Erfolg.

Anlass die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht (§§ 76 FamFG, 127 Abs. 2, 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO).