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Entscheidung 3 W 106/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 3. Zivilsenat Entscheidungsdatum 05.10.2022
Aktenzeichen 3 W 106/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:1005.3W106.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde des Verfahrenspflegers wird der Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde/Spree vom 07.07.2022, Az. 22 VI 577/19, abgeändert:

Dem Verfahrenspfleger wird für seine Tätigkeit im Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 23.09.2021 eine weitere Vergütung in Höhe von 2.105,05 € bewilligt.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Beteiligten zu 1 mit Beschluss vom 22.12.2020 zum Verfahrenspfleger für die unbekannten Erben bestelltund festgestellt, dass die Verfahrenspflegschaft berufsmäßig geführt wird. Wirkungskreis war die Vertretung der unbekannten Erben im Verfahren der nachlassgerichtlichen Genehmigung eines Grundstückskaufvertrags. Mit Schreiben vom 04.02.2021 beantragte Rechtsanwalt J… die Festsetzung einer Vergütung für einen Zeitaufwand von 65 Minuten i.H.v. 50,28 €. Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts ließ die beantragte Vergütung im vereinfachten Justizverwaltungsverfahren mit der Verfügung vom 10.02.2021 zur Anweisung bringen. Rechtsanwalt J… stellte mit Schriftsatz vom 23.09.2021 einen korrigierten Vergütungsantrag. Er rechnete nunmehr nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ab und beantragte die Festsetzung der Vergütung i.H.v. weiteren 2.105,05 €. Nach Anhörung des Bezirksrevisors lehnte die Rechtspflegerin des Amtsgerichts mit Beschluss vom 07.07.2022 die beantragte Festsetzung der weiteren Vergütung unter Hinweis darauf ab, dass sich der vorausgegangene Bestellungsbeschluss nicht zu einer etwaigen Ausübung rechtsanwaltsspezifischer Arbeiten verhalte und der Rechtsanwalt zudem daran gebunden sei, dass er mit Antrag vom 04.02.2021 sein Wahlrecht hinsichtlich der Art seiner Vergütung bereits anderweitig ausgeübt habe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Verfahrenspflegers. Er ist mit näheren Ausführungen der Ansicht, dass eine „Bindungswirkung bei einer einmal getroffenen Abrechnungswahl“ nicht bestehe, und die Prüfung des verfahrensgegenständlichen Kaufvertrages eine anwaltsspezifische Tätigkeit dargestellt habe.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 20.07.2022 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Dem Verfahrenspfleger ist die mit Antrag vom 23.09.2021 geltend gemachte Vergütung insgesamt zu bewilligen.

1) Dem Verfahrenspfleger steht für seine Tätigkeit eine nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu bemessende Vergütung zu, deren Höhe der Beteiligte zu 2 nicht in Abrede stellt.

Mit dem Bestellungsbeschluss hat das Nachlassgericht festgestellt, dass die Pflegschaft berufsmäßig geführt wird.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Beschluss v. 24.9.2014 – XII ZB 444/13, BeckRS 2014, 21091 m.w.N.) ist § 1835 Abs. 3 BGB auf den anwaltlichen Verfahrenspfleger anwendbar. Danach kann ein anwaltlicher Verfahrenspfleger eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beanspruchen, soweit er im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen hat, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde (BGH a.a.O.). Sofern das Nachlassgericht bei Bestellung des Verfahrenspflegers nicht festgestellt hat, dass der Verfahrenspfleger eine anwaltsspezifische Tätigkeit ausübt - so wie hier -, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob dieser im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen hatte, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde (BGH a.a.O.). Das ist bei der rechtlichen Überprüfung eines Grundstückkaufvertrags der Fall, weil sie besondere Rechtskenntnisse voraussetzt, über die ein Laie in der Regel nicht verfügt. Für die Einordnung der Tätigkeit ist es ohne Belang, welche Vorstellungen der Verfahrenspfleger über den anwaltlichen Charakter der Tätigkeit bei dem Einreichen seines ersten Antrags auf Festsetzung der Vergütung hatte.

2) Der Vergütungsanspruch nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Verfahrenspfleger mit seiner Abrechnung vom 04.02.2021 bindend sein Wahlrecht für eine Vergütung nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz ausgeübt hätte.

Die Entscheidung des Rechtsanwalts, ob er seine Aufwendungen für die Tätigkeit als Verfahrenspfleger nach § 1835 Abs. 3 BGB in Verbindung mit Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes geltend macht oder ob er eine Vergütung nach § 1836 BGB in Verbindung mit dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz verlangt, bindet ihn nicht, solange keine rechtskräftige Entscheidung über den ersten Antrag gemäß § 168 FamFG erfolgt ist.

Bei dieser Entscheidung handelt es sich nicht um ein „Wahlrecht” i.S. des § 262 BGB mit der Folge aus § 263 Abs. 2 BGB, dass die einmal getroffene Wahl den Rechtsanwalt binden würde. Die Annahme einer Wahlschuld scheitert daran, dass § 263 BGB dem „Schuldner” das Wahlrecht einräumt, während es hier um ein Wahlrecht des Gläubigers geht. Es handelt sich auch nicht um einen Fall des § 315 BGB, in dem die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist. Einen solchen Fall enthält § 14 RVG, nach dem der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen hat; in diesen Fällen ist der Rechtsanwalt an die Ausübung seines Ermessens und an die von ihm getroffene Bestimmung der Gebühr innerhalb des vorgegebenen Rahmens grundsätzlich gebunden. Um einen solchen Ermessensfall handelt es sich aber nicht bei der Entscheidung des zum Verfahrenspfleger bestellten Rechtsanwalts zu der Frage, ob er seine Aufwendungen nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes oder des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes abrechnet. Diese Entscheidung konnte der Beschwerdegegner daher noch solange ändern, wie die Vergütung beziehungsweise die Auslagen nicht rechtskräftig festgesetzt worden sind (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 25.1.2007 – 15 W 311/06, BeckRS 2007, 5897 zur Vergütung eines Rechtsanwalts als Betreuer).

Solange der Festsetzungsbeschluss gemäß § 168 FamFG nicht in formelle (§ 45 FamFG) und damit auch in materielle Rechtskraft (analog § 322 ZPO) erwächst, kann der Verfahrenspfleger mithin seine zunächst getroffene Entscheidung revidieren und die Festsetzung der Vergütung nach dem Rechtsanwaltsgebührengesetz in einem neuen Antrag beantragen.Die Entscheidung des Nachlassgerichts gemäß § 168 FamFG ist der materiellen Rechtskraft im Sinne des § 322 Abs. 1 ZPO fähig (vgl. Krätzschel/Firsching/Graf, Nachlassrecht § 41 Rn. 135; BayObLG Beschluss vom 22.8.1997 – 3Z BR 211, 212/97, BeckRS 9998, 74306; Senatsbeschluss vom 19.08.2022 - 3 W 90/22 -).

Hier hat die Rechtspflegerin indes nicht durch Beschluss über den ursprünglichen Festsetzungsantrag entschieden, sondern im allgemeinen Justizverwaltungsverfahren. Mithin liegt schon kein Festsetzungsbeschluss vor, dessen materielle Rechtskraft einem korrigierten Festsetzungsantrag entgegenstehen könnte.

3) Der korrigierte Antrag ist schließlich auch innerhalb der Ausschlussfrist des § 1835 Abs. 1 S. 3 BGB gestellt worden.