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Entscheidung 3 W 115/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 3. Zivilsenat Entscheidungsdatum 26.10.2022
Aktenzeichen 3 W 115/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:1026.3W115.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 14.08.2020, Az. 6 VI 761/18, wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Beschwerdewert: 1.080,27 €

Gründe

I.

Der Erblasser verstarb am 21.07.2018. Mit Beschluss vom 04.09.2018 wurde der Antragsteller zum berufsmäßigen Nachlasspfleger mit dem Wirkungskreis „Sicherung und Verwaltung des Nachlasses und Erbenermittlung“ bestellt. Mit Beschluss vom 01.09.2020 wurde die Nachlasspflegschaft aufgehoben.

Mit Schreiben vom 30.04.2020 hat der Nachlasspfleger beantragt, für seine bis zu diesem Zeitpunkt ausgeführte Tätigkeit eine Vergütung von 3.061,50 € netto, also 3.643,19 € brutto festzusetzen sowie Auslagen in Höhe von insgesamt 216,10 € zu erstatten.

Das Nachlassgericht hat nach Anhörung der Erbprätendenten mit Beschluss vom 14.08.2020 die Vergütung nebst Auslagen auf 3.821,92 € festgesetzt und hierbei eine Kürzung von 37,37 € vorgenommen.

Bei der Festsetzung hat es den vom Nachlasspfleger angesetzten Stundensatz von 90,00 € netto zugrunde gelegt.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerdeführerin, eine der Miterbinnen, mit ihrer Beschwerde. Sie wendet ein, der angesetzte Stundensatz von 90,00 € sei zu hoch. Angemessen sei allenfalls ein Stundensatz von 80,00 €. Die 6 Ortstermine für die Beobachtung der auf dem zum Nachlass gehörenden Grundstück befindlichen Bäume seien überflüssig und unverhältnismäßig gewesen. Deshalb seien die hierfür angesetzten Stunden (649,70 € brutto) und die Fahrtkosten für 300 km von der Rechnung abzusetzen. Insgesamt sei sie nur bereit, von den geltend gemachten Kosten 2.741,65 € zu begleichen.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die nach §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Der Vergütungsanspruch eines berufsmäßigen Nachlasspflegers richtet sich nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1 und 2, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB i.V.m. den Vorschriften des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG). Danach hat das Nachlassgericht im Falle eines vermögenden (nicht mittellosen) Nachlasses grundsätzlich einerseits einen Stundensatz zu bestimmen und hierbei gemäß § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB ausschlaggebend auf die für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnisse des Pflegers sowie auf die Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte abzustellen, andererseits den Umfang dieser Geschäfte durch den konkreten Zeitaufwand, also die Zahl der zu vergütenden Stunden zu berücksichtigen. Hierbei ist die vom Nachlasspfleger vorzulegende Aufstellung über den Zeitaufwand vom Gericht lediglich auf ihre Plausibilität zu überprüfen (BGH Beschluss vom 14.03.2018, IV ZB 16/17). Einwendungen gegen die Festsetzung sind im Vergütungsverfahren nur insoweit zu berücksichtigen, als sie ihre Grundlage im Vergütungsrecht haben. Dies sind solche Einwendungen, die die Angemessenheit der Tätigkeit und des Zeitaufwandes betreffen. Nicht berücksichtigt werden können indessen Einwendungen, die darauf gestützt werden, dass der Pfleger sein Amt mangelhaft ausgeführt hat (Senatsbeschluss vom 23.12.2021, 3 W 83/21; Senatsbeschluss vom 12.01.2021, 3 W 131/20; BGH, XII ZB 459/10, Beschluss vom 11.04.2012, FamRZ 2012, 1051).

2.

Dies zu Grunde gelegt, besteht keine Veranlassung, die Vergütung zu kürzen.

a)

Der Beschluss des Nachlassgerichts vom 04.09.2018, mit dem der Beteiligte zu 1 zum Nachlasspfleger bestellt wurde, stellt ausdrücklich fest, dass die Pflegschaft berufsmäßig geführt wird. Der Nachlass ist nicht mittellos.

b)

Die Höhe des Stundensatzes von 90 € netto ist nicht zu beanstanden.

aa)

In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte finden sich bei Pflegschaften einfachen Schwierigkeitsgrades Stundensätze 33,50 € bis 65 € (Thüringer OLG, a. a. O., Rn. 13), 65 € (Schleswig Holsteinisches OLG, Beschluss vom 08.06.2016 - 3 Wx 12/16 Rn. 29, juris), 80 € (OLG Hamm, Beschluss vom 11.03.2014 - I-15 W 316/13, Rn. 32, juris) und von 100 € (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.10.2014 - 14 Wx 56/13, Rn. 23, BeckRS 2014, 124348), bei mittelschweren Pflegschaften Stundensätze von 70,00 bis 90 € (Thüringer Oberlandesgericht, a. a. O.), 90,00 € (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, a. a. O.; OLG Dresden FamRZ 2016, 847 unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung zu deutlich niedrigeren Stundensätzen), 100,00 € im Ballungsraum Frankfurt am Main (OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.04.2015 - 21 W 45/15 Rn. 16, juris) und vielfach auch von 110,00 € (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.09.2012 - I-3 Wx 308/11 Rn. 28, juris; OLG Celle, Beschluss vom 02.11.2011 - 7 W 53/11 Rn. 10, juris; KG, Beschluss vom 25.10.2011 - 1 W 488/10, FamRZ 2012, 818; OLG Hamm, Beschluss vom 13.01.2011 - I-15 W 632/10 Rn. 4, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 11.03.2014 - I-15 W 316/13 Rn. 32, juris) sowie bei schwieriger Abwicklung 115 € außerhalb großstädtischer Ballungsräume (Schleswig-Holsteinisches OLG, a. a. O.), 120 € (OLG Celle, a. a. O.), 125 € (Saarländisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 02.09.2014 - 5 W 44/14 Rn. 17, juris),130 € (OLG München, Beschluss vom 16.03.2015 - 31 Wx 81/14 Rn. 10, juris; OLG Celle, Beschluss vom 31.01.2018 - 6 W 8/18, BeckRS 2018, 874), 140 € (KG, Beschluss vom 10.07.2015 - 6 W 65/15) und 175 € (KG, Beschluss vom 27.02.2020 - 19 W 144/19, Rn. 4, juris). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, die sich im Einklang mit dieser Rechtsprechung befindet, begegnet ein Stundensatz von 90,00 € netto für eine Nachlasspflegschaft mittleren Schwierigkeitsgrades keinerlei Bedenken (vgl. Senat, Beschluss vom 12.01.2021, 3 W 131/20; Senat, Beschluss vom 23.12.2021, 3 W 55/20; Senat, Beschluss vom 04.10.2016 – 3 W 89/16).

bb)

Vorliegend handelt es sich um eine Nachlasspflegschaft mittleren Schwierigkeitsgrades, wie das Nachlassgericht zutreffend festgestellt hat. Zum Nachlass gehört ein mit einem baufälligen Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Es waren Maßnahmen zur Verkehrssicherung des Grundstücks zu treffen, da von diesem aufgrund jahrelanger Vernachlässigung Gefahren ausgingen. Zum Nachlass gehörten zudem mehrere Konten, es bestanden Versicherungsverhältnisse und Verträge mit Versorgern, mit denen korrespondiert werden musste. Zudem waren die Erben zu ermitteln. Damit handelte es sich um Pflegschaftsgeschäfte, die über eine als einfach zu bezeichnende Pflegschaft, von der nur in Ausnahmefällen ausgegangen werden kann, hinausgehen und jedenfalls als durchschnittlich einzuordnen sind.

c)

Die vom Nachlasspfleger zur Akte gereichte Aufstellung über seinen Zeitaufwand ist prüffähig und in den Einzelpositionen und ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen und Erläuterungen des Nachlasspflegers plausibel.

Insbesondere kann die Beschwerdeführerin nicht mit Erfolg einwenden, dass 6 Ortstermine auf dem zum Nachlass gehörenden Grundstück überflüssig und deshalb nicht erstattungsfähig seien. Auf dem Grundstück befanden sich nach den Schilderungen des Nachlasspflegers baufällige Gebäude und Bäume, von denen Gefahren durch herabfallende Äste ausgingen. Der Nachlasspfleger hat zudem ausgeführt, dass es Probleme damit gegeben habe, ein Unternehmen zu finden, welches die notwendigen Baumarbeiten durchführen wollte. Insofern ist es nicht zu beanstanden, dass der Nachlasspfleger regelmäßig das Objekt aufgesucht hat, um der Verkehrssicherungspflicht nachzukommen und mögliche akute Gefährdungen rechtzeitig festzustellen.

d)

Im Übrigen ist der Einwand einer mangelhaften Geschäftsführung im Vergütungsfestsetzungsverfahren regelmäßig nicht zu berücksichtigen, da dieses die Festsetzung einer angemessenen Vergütung für tatsächlich erbrachte Tätigkeiten zum Gegenstand hat. Das Nachlassgericht ist auch nicht berechtigt, die Vergütung des Nachlasspflegers für vermeintlich unzweckmäßige Tätigkeiten zu kürzen. Sofern aus der eingewandten mangelhaften Geschäftsführung Ersatzansprüche gegen den Nachlasspfleger resultieren können, müssen diese in einem Rechtsstreit vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden, für dessen Entscheidung dann das Prozessgericht und nicht - wie im Vergütungsfestsetzungsverfahren - der Rechtspfleger zuständig ist (BGH, Beschluss vom 11.04.2012, XII ZB 459/10; OLG Hamm, Beschluss vom 23.04.2020 – 10 W 26/19; Senatsbeschluss vom 12.01.2021, 3 W 131/20; OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.01.2019, 20 W 316/16).

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des Beschwerdewertes richtet sich nach der Beschwer der Beschwerdeführerin, die mit der Beschwerde anstrebt, 1.080,27 € weniger an Vergütung an den Nachlasspfleger aus dem Nachlass zu zahlen als dieser beantragt hat.