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Entscheidung 13 WF 198/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 11.01.2023
Aktenzeichen 13 WF 198/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0111.13WF198.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 02.11.2022 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.

Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 1.000 €.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die in einem Gewaltschutzverfahren ergangene Kostenentscheidung.

Die Antragsbeteiligten haben sich nach einer einjährigen Beziehung im August 2022 auf Veranlassung der Antragstellerin getrennt. Seitdem hat der Antragsgegner mehrfach mit der Antragstellerin Kontakt aufgenommen, um die Hintergründe für ihre Entscheidung zu erfahren.

Die Antragstellerin hat erstinstanzlich den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach GewSchG über ein Kontaktverbot gegen den Antragsgegner mit der Begründung beantragt, der Antragsgegner belästige sie massiv mit Telefonanrufen sowie Whatsapp-Nachrichten und fange sie bei Besorgungsgängen ab, verfolge sie, habe sich am 03.09.2022 in die Wohnung, in der sie sich auf einem Einsatz befunden habe, und am 04.10.2022 in ihre Wohnung gedrängt, dort den Ausgang versperrt und dabei auch einmal versucht, sie an sich zu drücken und zu küssen.

Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten.

Nachdem die Antragsbeteiligten im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben haben, hat das Amtsgericht durch die angefochtene Entscheidung die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie die Auferlegung der Verfahrenskosten allein auf den Antragsgegner begehrt.

Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss.

II.

Die Kostenbeschwerde der Antragstellerin ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2 und 65 Abs. 1 FamFG statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden. Da es sich bei der zugrundeliegenden Gewaltschutzsache um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit handelt, ist das Rechtsmittel unabhängig vom Erreichen der Mindestbeschwer von über 600,- € (§ 61 Abs. 1 FamFG) zulässig (BeckOK FamFG/Weber, 41. Ed. 1.10.2022, FamFG § 81 Rn. 40).

Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Eine Abänderung der Kostenentscheidung zu Gunsten der Antragstellerin ist nicht geboten.

Bei einer Erledigung des Verfahrens auf sonstige Weise oder aufgrund einer Rücknahme des Antrags sind die Verfahrenskosten gemäß §§ 83 Abs. 2, 81 FamFG nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil aufzuerlegen. Die vom erstinstanzlichen Gericht auf der Grundlage dieser Vorschrift getroffene Entscheidung ist dabei nicht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen. Vielmehr ist das Beschwerdegericht zu einer eigenständigen Ermessensausübung berufen (BGH FamRZ 2013, 1876; OLG Frankfurt, BeckRS 2018, 41133).

Nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG soll das Gericht die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn dieser durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat, was vorliegend nicht erkennbar ist.

Im Rahmen des dem Gericht nach § 81 Abs. 1 FamFG eingeräumten Ermessens ist sodann der Ausgang des Verfahrens grundlegendes Billigkeitskriterium (Bartels in: Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, Kommentar, § 81 Grundsatz der Kostenpflicht, Rn. 35; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 7. Juni 2010 – 9 UF 49/10 –, Rn. 11 - 13, juris).

Im Hinblick darauf ist hier bei der Kostenentscheidung wesentlich darauf abzustellen, ob ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten dem Antrag der Antragstellerin nach dem sich für das Familiengericht darstellenden Sach- und Streitstand hätte stattgegeben werden oder dieser hätte abgewiesen werden müssen. Gemessen daran, ist die Aufhebung der Verfahrenskosten gegeneinander angemessen; die Würdigung fällt im Ergebnis jedenfalls nicht vollständig zu Lasten des Antragsgegners mit der Folge einer vollständigen Freistellung der Antragstellerin von den Kosten aus.

Unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherung hat die Antragstellerin das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass des beantragten Kontaktverbots gemäß § 1 GewSchG zunächst glaubhaft gemacht.

Nach ihrem Vortrag hat der Antragsgegner sie am 04.10.2022 durch Schubsen in ihre Wohnung gedrängt und ist kurze Zeit später weiter in ihre Wohnung eingedrungen, womit der Tatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 2 a GewSchG erfüllt sein dürfte. Allerdings hat der Antragsgegner den Vortrag in Abrede gestellt und glaubhaft gemacht, die Antragstellerin nicht körperlich berührt, sowie die Wohnung auf Aufforderung der Antragstellerin verlassen zu haben. Die Darlegungs- und Feststellungslast liegt bei der Antragstellerin (Johannsen/Henrich/Althammer/Dürbeck, 7. Aufl. 2020, GewSchG § 1 Rn. 11). Dass der Antragsgegner mit seiner Entschuldigung „für sein Verhalten in der Vergangenheit“ am Ende des Anhörungstermins den Vorfall gestanden habe, liegt wegen der Unbestimmheit der Äußerung fern.

Den Vortrag der Antragstellerin zum Vorfall vom 03.09.2022, wonach der Antragsgegner an diesem Tag gegen 18.30 Uhr in ... in das Haus eingedrungen sei, in dem sie im Einsatz war, den Ausgang blockiert und sich erst auf mehrfaches Anschreien entfernt habe, hat der Antragsgegner zwar nicht substantiiert bestritten, sondern nur vorgetragen, was er gegen 21.00 Uhr gemacht hat. Allerdings setzt § 1 Abs. 2 Nr. 2 a GewSchG voraus, dass in die Wohnung oder das befriedete Besitztum der verletzten Person eingedrungen wird. Das Haus in ..., in welches der Antragsgegner eingedrungen sein soll, ist aber mangels anderweitiger Anhaltspunkte nicht dasjenige der Antragstellerin. Dass das Eindringen gegen den Willen des Berechtigten, also den Inhaber des Hausrechts erfolgte, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Eine Verletzung ihrer Freiheit (§ 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG) hat die Antragstellerin bereits nicht glaubhaft gemacht. Zwar hat der Antragsgegner nicht in Abrede gestellt, die Antragstellerin am Morgen des 16.09.2022 vor ihrem Haus zugeparkt zu haben, um sie zur Rede zu stellen. Schließlich hat der Antragsgegner auch nicht bestritten, dass er bei dem Zusammentreffen am 03.09.2022 die Haustür des Hauses, in dem sich die Antragstellerin zu einem Einsatz befand und am 04.10.2022 die Wohnungstür der Antragstellerin verstellt hat.

Entsprechend § 823 Abs. 1 BGB und § 239 StGB ist die Freiheit aber nur verletzt, wenn die körperliche Bewegungsfreiheit gegen den Willen des Betroffenen nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird, wofür das hier vorliegende nur äußerst kurzzeitige Behinderung des Wohnungsausgangs nicht ausreicht. Die gegebene bloße Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungs- und Entschlussfreiheit genügt nicht, auch wenn sie durch Drohung oder Zwang erfolgt ist (Johannsen/Henrich/Althammer/Dürbeck, 7. Aufl. 2020, GewSchG § 1 Rn. 5).

Dass der Antragsgegner die Antragstellerin dadurch unzumutbar belästigt hat, dass er sie wiederholt mittels Fernkommunikationsmitteln gegen ihren ausdrücklichen Willen verfolgt hat (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 b, 2. Alt. GewSchG), hat die Antragstellerin bereits nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Hierfür reicht der Verweis auf Telefonanrufe und Whatsapp-Nachrichten nicht aus.

Ob der Antragsgegner den Tatbestand des wiederholten Nachstellens im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2 b, 1 Alt. GewSchG) erfüllt hat, war im einzelnen jedenfalls aufklärungsbedürftig.

Mit dem Begriff des Nachstellens ist das systematische, zielgerichtete und hartnäckige Belästigen und Verfolgen einer Person gemeint, das darauf gerichtet ist, in den persönlichen Lebensbereich des Opfers einzugreifen, um dadurch auf seine Handlungs- und Entschließungsfreiheit einzuwirken. Dazu gehören etwa die wiederholte (körperliche) Verfolgung, Annäherung, Überwachung und Beobachtung, die ständige demonstrative Anwesenheit des Täters in der Nähe des Opfers und der dauernde aufdringliche Versuch der Kontaktaufnahme (Johannsen/Henrich/Althammer/Dürbeck, 7. Aufl. 2020, GewSchG § 1 aa). Dem mag der Vortrag der Antragstellerin entsprechen.

Allerdings muss die Belästigung gegen den ausdrücklichen Willen der verletzten Person erfolgen, dh die verletzte Person muss dem Täter unmissverständlich erklärt haben, dass sie den Kontakt nicht wünscht und diese (auch konkludent mögliche) Erklärung muss dem Täter zugehen (Johannsen/Henrich/Althammer/Dürbeck, 7. Aufl. 2020, GewSchG § 1 Rn. 11). Insoweit hat der Antragsgegner unwidersprochen vorgetragen, dass sich die Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt persönlich an ihn gewandt und um Einstellung von Kontaktaufnahmen gebeten habe. Ob es zu einer Umkehr der Feststellungslast kommt, weil der Antragsgegner mit einem Einverständnis der Antragstellerin von vorneherein nicht damit rechnen konnte, so dass ein ausdrückliches Verbot in diesem Fall nur Selbstverständliches ausgedrückt und daher überflüssig war (vgl. hierzu Johannsen/Henrich/Althammer/Dürbeck, 7. Aufl. 2020, GewSchG § 1 Rn. 11), kann dahinstehen, hätte jedenfalls weiterer Aufklärung bedurft, wobei die Nichterweislichkeit zu Lasten der Antragstellerin geht, die die Feststellungslast trägt.

Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf das Verbot der Schlechterstellung im Beschwerdeverfahren ist die, wie hier erfolgte anteilige Auferlegung der Verfahrenskosten auf beide Beteiligte unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 84 FamFG.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 55 Abs. 2, 49 Abs. 1, 41 FamGKG.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, § 70 Abs. 2 FamFG.