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Entscheidung 2 Ws 107/22, 2 Ws 107/22 (S)


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Strafsenat Entscheidungsdatum 24.11.2022
Aktenzeichen 2 Ws 107/22, 2 Ws 107/22 (S) ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:1124.2WS107.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Einziehungsbeteiligten zu 1. wird der Beschluss der 2. Strafkammer des Landgerichts Cottbus vom 14. April 2022 – in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 7. Juni 2022 – dahingehend geändert, dass die Kosten des Einziehungsverfahrens insgesamt der Staatskasse zur Last fallen.

Im Übrigen wird das Rechtsmittel als unbegründet verworfen.

Die Einziehungsbeteiligte zu 1. hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Cottbus hat mit Antragsschrift im selbständigen Einziehungsverfahren vom 19. Juli 2021 beantragt, gegen die Einziehungsbeteiligte zu 1. die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 337.508,80 € anzuordnen. Das Landgericht Cottbus hat die Eröffnung des Verfahrens durch Beschluss vom 14. April 2022 abgelehnt, nachdem die Einziehungsbeteiligten mit der … am 29. November 2021 einen öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag zur Abgeltung sämtlicher etwaige Ansprüche geschlossen haben, die Einziehungsbeteiligte zu 1. sich darin zu einer Zahlung von 80.853,56 € verpflichtete und Ansprüche der Geschädigten durch Erfüllung erloschen seien.

Das Landgericht hat unter Verweis auf eine entsprechende Anwendung von § 467 Abs. 1 und 3 StPO und den Erfüllungseintritt erst nach Eingang der Antragsschrift die Kosten des Einziehungsverfahrens zu 20 % der Einziehungsbeteiligten zu 1. und zu 80 % der Staatskasse auferlegt sowie darüber hinaus – in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 7. Juni 2022 – angeordnet, dass 80 % der notwendigen Auslagen der Einziehungsbeteiligten zu 1. der Staatskasse zur Last fallen.

Gegen die in dem Beschluss getroffene Kostenentscheidung hat die Einziehungsbeteiligte zu 1. sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass mangels Beteiligung eines Angeklagten die Staatskasse alle Kosten und Auslagen zu tragen habe und §§ 465, 467 StPO nicht entsprechend anzuwenden seien. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

1. Die fristgerecht angebrachte sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 464 Abs. 3 Satz 1 StPO). Dass die Anfechtung der Entscheidung über die Nichteröffnung durch die Einziehungsbeteiligten mangels Beschwer ausgeschlossen war, steht der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde nicht entgegen, weil ein Rechtsmittel gegen die Hauptentscheidung an sich statthaft war; die Beschränkung gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 gilt insoweit nicht (vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 65. Aufl. § 464 Rn. 19). Ferner ist im Hinblick auf die Höhe der anfallenden Rechtsanwaltsgebühren (4100, 4118, 4142 VV-RVG) der Beschwerdewert erreicht (§ 304 Abs. 3 StPO).

2. In der Sache hat das Rechtsmittel nur hinsichtlich der Entscheidung über die Verfahrenskosten Erfolg. Die vom Landgericht getroffene Auslagenentscheidung hingegen hält einer Überprüfung in der Rechtsmittelinstanz stand.

a) Grundlage für die zugleich mit der Entscheidung über die Nichteröffnung zu treffende Entscheidung über die Kosten des Verfahrens (§ 464 Abs. 1 StPO) und über die notwendigen Auslagen (§ 464 Abs. 2 StPO) im selbständigen Einziehungsverfahren (§§ 435ff. StPO) ist die hierfür speziell geltende Regelung gemäß § 472b StPO. Diese sieht für den in § 472b Abs. 3 StPO geregelten Fall, dass es wie hier – gleich aus welchem Grund (vgl. Löwe-Rosenberg/Hilger, StPO 26. Aufl. § 472b Rn. 8) – nicht zur Anordnung der Einziehung kommt, eine Auferlegung von Verfahrenskosten zum Nachteil des Einziehungsbeteiligten nicht vor. Da diese Vorschrift für das (selbständige) Einziehungsverfahren als lex specialis anzusehen ist, kommt eine Heranziehung der gemäß §§ 465, 467 StPO geltenden Regelungsinhalte nach allgemeiner Auffassung, der sich der Senat anschließt, grundsätzlich nicht in Betracht, so dass für eine Belastung des Einziehungsbeteiligten mit entstandenen Verfahrenskosten (vgl. § 472b Abs. 1 Satz 1 StPO) kein Raum ist (SK/Degener, StPO 5. Augl. § 472b Rn. 5; Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO 6. Aufl. § 435 Rn. 18; Löwe-Rosenberg/Hilger, aaO. § 472b Rn. 3; Löwe-Rosenberg/Gaede, StPO 27. Aufl. § 435 Rn. 53). Die angefochtene Kostenentscheidung ist insoweit rechtsfehlerhaft.

b) Im Übrigen ist die Kostenentscheidung, mit der das Landgericht aus Billigkeitsgründen (lediglich) 80 % der notwendigen Auslagen der Einziehungsbeteiligten zu 1. der Staatskasse auferlegt hat, im Ergebnis rechtsfehlerfrei.

Grundlage hierfür ist allerdings entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung nicht eine entsprechende Anwendung von § 467 Abs. 1, 3 StPO. Rechtsgrundlage ist vielmehr die spezielle Regelung in § 472b Abs. 3 StPO, gemäß der bei Nichtanordnung der Einziehung die dem Nebenbeteiligten erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt werden können. Insoweit gilt – auch für das selbständige Verfahren (Meyer-Goßner/Schmitt, aaO. § 472 Rn. 6; Löwe-Rosenberg/Gaede, aaO. § 435 Rn. 53) – der Grundsatz, dass der Einziehungsbeteiligte seine notwendigen Auslagen selbst trägt, er auch bei Nichtanordnung einer Nebenfolge keinen zwingenden Auslagenerstattungsanspruch gegen die Staatskasse hat und insoweit vielmehr eine Ermessensentscheidung Grundlage für die Auslagenerstattung ist (SK-Degener, aaO. Rn. 7, 10; Löwe-Rosenberg/Hilger, aaO. Rn. 8ff.). Die hiervon abweichende Auffassung, nach der im selbständigen Verfahren bei Nichtanordnung einer Nebenfolge die Staatskasse auch alle Auslagen zu tragen habe (so ohne weitere Begründung: Münchener Kommentar/Maier, StPO 1. Aufl. § 472b Rn. 6), wird vom Senat nicht geteilt.

Die gebotene Entscheidung über die Tragung der entstandenen notwendigen Auslagen hat das Landgericht unter Berücksichtigung des Gangs des Verfahrens und der Erfüllung des Einziehungsanspruches nach Antragstellung im selbstständigen Einziehungsverfahren im Ergebnis richtig getroffen.

3. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Der nur geringfügige Teilerfolg gibt zu einer abweichenden Bestimmung über die Kostentragung (§ 473 Abs. 4 StPO) keine Veranlassung. Vielmehr entspricht es der Billigkeit, die Beschwerdeführerin mit den gesamten Rechtsmittelkosten zu belasten, zumal sie die vom Landgericht getroffene Kostenentscheidung ersichtlich auch dann angefochten hätte, wenn diese so gelautet hätte, wie die Entscheidung des Senats (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Meyer-Goßner/Schmitt, aaO § 473 Rn. 26).