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Bundesbeamte - Nebentätigkeit - Wissenschaft - Forschung - Gebiet der wissenschaftlichen Forschung - Auftragsforschung -Ressortforschung - EFSA - Wissenschaftliche Gremien


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 20.12.2022
Aktenzeichen OVG 6 B 9/22 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2022:1220.OVG6B9.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen Art 5 Abs 3 GG, § 6 Abs 3 BNV, § 7 Abs 1 BNV, § 7 Abs 2 BNV, § 7 Abs 3 BNV, § 7 Abs 4 BNV, Verordnung (EG) Nr. 178/2002

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Mai 2018 geändert.

Der Bescheid des Bundesinstituts für Risikobewertung vom 24. Oktober 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 13. Mai 2015 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Verpflichtung zur teilweisen Ablieferung einer Nebentätigkeitsvergütung.

Die Klägerin war im maßgeblichen Zeitraum Wissenschaftliche Oberrätin (Besoldungsgruppe A 14) bei dem Bundesinstitut für Risikobewertung. Dieses genehmigte ihr mit Bescheid vom 29. Oktober 2009 für den Zeitraum vom 1. Juni 2009 bis 1. Juni 2012 die Mitarbeit im sogenannten Biohazard Panel der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als Nebentätigkeit mit einem Umfang von 20 Tagen pro Jahr.

Durch Bescheid vom 24. Oktober 2013 forderte das Bundesinstitut für Risikobewertung die Klägerin auf, ihre Einkünfte aus der Mitarbeit in dem Panel in den Jahren 2009, 2010 und 2012 abzuliefern, soweit sie kalenderjährlich 4.900,00 Euro überstiegen. Festgesetzt wurde ein Ablieferungsbetrag von 8.017,00 Euro. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies das Bundesinstitut für Risikobewertung durch Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2015 zurück und erhöhte den abzuliefernden Betrag auf 8.077,00 Euro.

Mit ihrer gegen die Bescheide gerichteten Klage hat die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht Berlin im Wesentlichen geltend gemacht, auf sie sei die Ausnahmevorschrift des § 7 Nr. 3 BNV anwendbar, wonach bei Tätigkeiten auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung keine Ablieferungspflicht bestehe.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Bundesinstituts für Risikobewertung vom 24. Oktober 2013 in Gestalt seines Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2015 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 24. Mai 2018 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Ablieferungspflicht folge aus § 6 Abs. 3 BNV. Die Ausnahmevorschrift des § 7 Nr. 3 BNV greife nicht ein, da die Klägerin die Vergütung nicht für Tätigkeiten auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung erhalten habe. Wissenschaftliche Forschung liege nicht schon dann vor, wenn in tatsächlicher Hinsicht neue Erkenntnisse gewonnen würden. Stattdessen müsse die Nebentätigkeit hierauf abzielen. Dies sei im Lichte der Aufgaben der EFSA und des Gremiums, in dem die Klägerin tätig gewesen sei, nicht der Fall gewesen. Der Vergleich mit den in § 7 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4 BNV genannten Tätigkeiten führe im Übrigen zu dem Schluss, der Begriff der wissenschaftlichen Forschung in § 7 Nr. 3 BNV sei enger zu verstehen, als der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG reiche.

Mit ihrer von dem Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Klägerin geltend, ihre Tätigkeit erfülle den Begriff der wissenschaftlichen Forschung in § 7 Nr. 3 BNV. Das angefochtene Urteil lasse nicht erkennen, warum die Tätigkeit zwar wissenschaftliche Forschung im Sinne des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewesen sei, nicht aber wissenschaftliche Forschung im Sinne von § 7 Nr. 3 BNV. Aus der Systematik des § 7 BNV ergebe sich keine Einschränkung dieses Begriffs. Die Arbeit in den Panels der EFSA stelle keine bloße Überprüfung wissenschaftlicher Informationen dar. Risiken würden nicht lediglich beschrieben, sondern ermittelt und bewertet.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Mai 2018 abzuändern und den Bescheid des Bundesinstituts für Risikobewertung vom 24. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 13. Mai 2015 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, maßgeblich für eine Forschungstätigkeit im Sinne von § 7 Nr. 3 BNV sei, ob diese das Ziel verfolge, neue Erkenntnisse für die Wissenschaft zu gewinnen. Nicht ausreichend sei, überhaupt neue Erkenntnisse zu gewinnen. Anders als der Beklagte betreibe die EFSA mangels Zuständigkeit keine eigene Forschung. Vielmehr sei sie für die wissenschaftliche Politikberatung auf EU-Ebene zuständig. Die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sehe ausdrücklich vor, Studien an Dritte zu vergeben, soweit neue Erkenntnisse gewonnen werden müssten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte sowie den Verwaltungsvorgang (zwei Bände) Bezug genommen. Dieser hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.

Der Bescheid des Bundesinstituts für Risikobewertung vom 24. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 13. Mai 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Denn der Beklagte war nicht zum Erlass der Bescheide ermächtigt.

Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung eines Ablieferungsbetrages ist § 6 Abs. 3 der Verordnung über die Nebentätigkeit der Bundesbeamten, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit (Bundesnebentätigkeitsverordnung - BNV -).

Gemäß § 6 Abs. 3 BNV hat ein Beamter Vergütungen für eine oder mehrere Nebentätigkeiten im Bundesdienst oder für sonstige Nebentätigkeiten, die er im öffentlichen oder in dem ihm gleichstehenden Dienst oder auf Verlangen, Vorschlag oder Veranlassung seines Dienstvorgesetzten ausübt, insoweit an seinen Dienstherrn im Hauptamt abzuliefern, als sie für die in einem Kalenderjahr ausgeübten Tätigkeiten die in § 6 Abs. 2 Satz 1 BNV genannten Bruttobeträge übersteigen. Für eine in die Besoldungsgruppe A 14 eingruppierte Beamtin wie die Klägerin nennt die Vorschrift einen Betrag von 4.900,00 Euro im Kalenderjahr.

Die Klägerin erhielt zwar als Beamtin Vergütungen für eine Nebentätigkeit im öffentlichen oder in dem ihm gleichstehenden Dienst der EFSA. Die EFSA ist eine Einrichtung der EU. Sie wurde errichtet auf der Grundlage des Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1).

Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts greift zu Gunsten der Klägerin jedoch die Ausnahme von der Ablieferungspflicht in § 7 Nr. 3 BNV ein. Gemäß dieser Vorschrift ist § 6 BNV nicht anzuwenden auf Vergütungen für Tätigkeiten auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung.

Die Tätigkeit der Klägerin in dem Gremium der EFSA erfolgte auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung.

Zur Bestimmung des von § 7 Nr. 3 BNV selbst nicht näher beschriebenen Begriffs der wissenschaftlichen Forschung ist auf die Rechtsprechung und Literatur zu Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zurückzugreifen. Auch wenn Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG das Verständnis einer Grundfreiheit, eines Abwehrrechts gegen staatliche Eingriffe, zugrunde liegt, gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die BNV dem Begriff der „wissenschaftlichen Forschung“ eine andere Bedeutung geben wollte, als Rechtsprechung und Literatur sie Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gegeben haben.

Gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sind Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre frei. Unter einer wissenschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist alles zu verstehen, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71 u.a. -, juris, Rn. 92).

Die Klägerin übte in diesem Sinne eine wissenschaftliche Tätigkeit aus. Dies ergibt sich aus einer Reihe von Regelungen in der Verordnung (EG) Nr. 178/2002.

So sieht Art. 28 Abs. 4 Buchstabe f) der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 die Einsetzung Wissenschaftlicher Gremien unter anderem für biologische Gefahren („Panel on biological hazards“ in der englischsprachigen Verordnungsfassung) vor. Aufgabe der Gremien ist nach Art. 28 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 die Erstellung der wissenschaftlichen Gutachten der EFSA. Die Frage, welche wissenschaftlichen Gutachten gemeint sind, klärt Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Gemäß Abs. 2 der Vorschrift ist Aufgabe der EFSA die wissenschaftliche Beratung sowie die wissenschaftliche und technische Unterstützung für die Rechtsetzung und Politik der Gemeinschaft in allen Bereichen, die sich unmittelbar oder mittelbar auf die Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit auswirken. Die EFSA stellt hiernach unabhängige Informationen über alle Fragen in diesen Bereichen bereit und macht auf Risiken aufmerksam. Zu den Aufgaben der EFSA gehören laut Art. 22 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ferner wissenschaftliche Beratung und wissenschaftliche und technische Unterstützung in Bezug auf die menschliche Ernährung im Zusammenhang mit der Rechtsetzung der Gemeinschaft sowie auf Antrag der EU-Kommission Hilfe bei der Information über Ernährungsfragen im Rahmen des Gesundheitsprogramms der Gemeinschaft, wissenschaftliche Gutachten zu anderen Fragen im Zusammenhang mit Tiergesundheit, Tierschutz und Pflanzengesundheit sowie wissenschaftliche Gutachten zu anderen Erzeugnissen als Lebensmitteln und Futtermitteln, die sich auf genetisch veränderte Organismen beziehen. Gemäß Art. 22 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 erstellt die EFSA zudem wissenschaftliche Gutachten, die als wissenschaftliche Grundlage für die Ausarbeitung und den Erlass von Gemeinschaftsmaßnahmen in den Bereichen ihres Auftrags dienen. Nach Art. 29 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 gibt die EFSA wissenschaftliche Gutachten auf Ersuchen der EU-Kommission und in allen Fällen ab, in denen das Gemeinschaftsrecht die Anhörung der EFSA vorsieht, ferner auf eigene Initiative zu Fragen innerhalb des Auftrags der EFSA.

Entgegen der Auffassung des Beklagten betrieb die Klägerin in dem Wissenschaftlichen Gremium auch wissenschaftliche Forschung.

Forschung im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist die geistige Tätigkeit mit dem Ziel, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 93, unter Bezugnahme auf den Bundesbericht Forschung III, Bundestags-Drucksache V/4335 S. 4). Die Freiheit der Forschung umfasst insbesondere die Fragestellung und die Grundsätze der Methodik sowie die Bewertung des Forschungsergebnisses und seine Verbreitung (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 94).

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin überzeugend und anhand verschiedener Beispiele ausgeführt, ihre Tätigkeit in dem Wissenschaftlichen Gremien habe unter anderem statistische Analysen, epidemiologische Studien, Metaanalysen, Entwicklung von Risikomodellen, Berechnung neuer Daten, Verknüpfung vorhandener Daten und die Entwicklung neuer Methoden sowie die Neuentwicklung von Risikomodellen umfasst. Das Gremium habe zur Erstellung seiner wissenschaftlichen Gutachten keine fertigen Programme verwendet.

Die vorgenannte Beschreibung erfüllt den Forschungsbegriff. Die Klägerin entfaltete in dem Wissenschaftlichen Gremium eine geistige Tätigkeit mit dem Ziel, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen. Dies gilt auch für statistische Analysen, von denen die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat schlüssig angemerkt hat, sie hätten eine Entscheidung über die Validität der von anderen Wissenschaftlern gewählten Methoden umfasst.

Soweit die Freiheit der Forschung nach dem oben Gesagten insbesondere die Fragestellung und die Grundsätze der Methodik sowie die Bewertung des Forschungsergebnisses und seine Verbreitung umfasst, bedeutet dies umgekehrt nicht, Forschung sei nur bei Erfüllung all dieser Merkmale gegeben. So schließt der Forschungsbegriff Auftragsforschung ein, bei der die Fragestellung durch einen Auftraggeber - im Falle der Klägerin etwa die EU-Kommission - festgelegt wird (Starck/Paulus in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl., 2018, Art. 5 Rn. 477; Fehling in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Stand November 2022, Art. 5 Abs. 3 Rn. 81). Auch die von den Wissenschaftlichen Gremien mitunter betriebene Bewertung der Forschung anderer erfüllt den Forschungsbegriff (vgl. Starck/Paulus, a.a.O., Rn. 488). Soweit der Beklagte darauf hinweist, die Klägerin habe wissenschaftliche Politikberatung betrieben, können sich bei jeder außeruniversitären Forschung Beschränkungen aus den Zielvorgaben der Einrichtung, dem konkreten Projekt und der funktionalen Eingliederung des Forschers in ein arbeitsteiliges System ergeben (vgl. Fehling, a.a.O., Rn. 78), ohne dass hierdurch die Qualifizierung der Tätigkeit als wissenschaftliche Forschung in Frage gestellt wird.

Der Annahme, die Klägerin habe wissenschaftlich geforscht, steht auch nicht entgegen, es könne sich um sogenannte Ressortforschung gehandelt haben.

Die als Ressortforschung bezeichnete Tätigkeit staatlicher Forschungseinrichtungen, die behördenmäßig in die allgemeine Staatsgewalt eingegliedert sind, stellt Forschung dar, wenn die Einrichtung über eine eigene Organisation verfügt, die Forschungsaufträge mit wissenschaftlichen Methoden und in freier Methodenwahl bearbeitet werden und die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse für den Regelfall vorgesehen ist (vgl. BAG, Urteil vom 19. März 2008 - 7 AZR 1100/06 -, juris, Rn. 34 unter Bezugnahme auf Starck/Paulus, a.a.O., Rn. 477). Nichts anderes kann für Einrichtungen der EU gelten, auf die die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 23 GG Hoheitsrechte übertragen hat.

Die Wissenschaftlichen Gremien der EFSA erfüllen die vorgenannten Voraussetzungen. Sie sind gemäß Art. 28 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 organisiert. Laut Art. 28 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sind sie in ihrem Zuständigkeitsbereich „verantwortlich“ für die Erstellung der wissenschaftlichen Gutachten und haben die Möglichkeit, bei Bedarf öffentliche Anhörungen zu veranstalten. Hierzu hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überzeugend ausgeführt, die Mitglieder des Gremiums hätten die Art und Weise, wie sie zu ihren Erkenntnissen gelangten, frei gewählt, es seien alle für eine forschende Tätigkeit kennzeichnenden wissenschaftlichen Techniken angewandt worden. Die von dem Wissenschaftlichen Gremium gefundenen Ergebnisse seien im EFSA-Journal veröffentlicht worden. Zwar sei der Veröffentlichung kein Peer Review durch Dritte vorausgegangen. Dies sei jedoch auch nicht erforderlich gewesen, da schon ein Peer Review innerhalb der EFSA stattgefunden habe.

Die EFSA als Institution ist ihrerseits bei der Abgabe wissenschaftlicher Gutachten selbständig. Art. 29 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 regelt keine Einschränkung ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit. Die EFSA wird insbesondere nicht lediglich im Auftrag zur Erfüllung von Aufgaben der Kommission tätig, der regelmäßig die ausschließlichen Verwertungsrechte zustünden. Ebenso wenig dient ihre Tätigkeit in erster Linie den Interessen und Zwecken eines staatlichen oder EU-Auftraggebers und nicht der Allgemeinheit (vgl. BFH, Urteil vom 4. April 2007 - I R 76/05 -, juris, Rn. 13).

Einer Verengung des Forschungsbegriffs wegen des öffentlich-rechtlichen Charakters der Wissenschaftlichen Gremien steht unabhängig hiervon entgegen, dass § 6 Abs. 3 BNV für die grundsätzliche Pflicht zur Ablieferung von Vergütungen eine Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst (gerade) voraussetzt. Da § 7 Nr. 3 BNV eine Ausnahme von § 6 Abs. 3 BNV darstellt, ist auch für die in § 7 Nr. 3 BNV angesprochenen Tätigkeiten typischerweise von einer Einbindung in behördliche Strukturen auszugehen, die nicht dem Idealbild des freien Forschens entspricht.

Der Hinweis des Beklagten, Art. 32 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sehe eine externe Beauftragung von zur Erfüllung des Auftrags der EFSA erforderlichen wissenschaftlichen Studien vor, besagt nichts darüber, wissenschaftliche Forschung könne ausschließlich durch Dritte - jenseits der Wissenschaftlichen Gremien - erfolgen.

Im Übrigen bekundet der Beklagte selbst, im Bereich seiner Behörde finde wissenschaftliche Forschung statt. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat plausibel ausgeführt, die von ihr für das Wissenschaftliche Gremium der EFSA entfalteten Tätigkeiten entsprächen denjenigen, die sie im Dienste des Beklagten erbringe.

Soweit Art. 28 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 bestimmt, dass die Wissenschaftlichen Gremien Beschlüsse fassen, denen für ihr Zustandekommen die Mehrheit ihrer Mitglieder zustimmen muss, folgt dies der grundsätzlichen Notwendigkeit, innerhalb eines Gremiums zu einem Ergebnis zu gelangen, und steht der Annahme wissenschaftlicher Forschung nicht entgegen. Überdies werden gemäß Art. 28 Abs. 7 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 Positionen von Minderheiten aufgezeichnet.

Hat die Klägerin nach alledem wissenschaftliche Forschung betrieben, so ist sie erst recht im Sinne von § 7 Nr. 3 BNV „auf dem Gebiet“ der wissenschaftlichen Forschung tätig geworden.

Dass § 7 Nr. 3 BNV die Ausnahme von der Ablieferungspflicht nicht für „wissenschaftliche Forschung“, sondern für „Tätigkeiten auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung“ vorsieht, lässt durch die Verwendung des Begriffs „Gebiet“ erkennen, dass nicht jeder einzelne Handgriff selbst wissenschaftliche Forschung darstellen muss. Stattdessen reicht es aus, wenn ein hinreichend deutliches Gesamtbild wissenschaftlichen Arbeitens mit forschenden Elementen besteht. Dies ist in Bezug auf die Tätigkeit der Klägerin aus den oben genannten Gründen der Fall.

Zu einer Relativierung der Anforderungen an die Tätigkeit der Klägerin „auf dem Gebiet“ der wissenschaftlichen Forschung führt auch ein Vergleich des § 7 Nr. 3 BNV mit den Fallgruppen des § 7 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4 BNV. Die in § 7 BNV Nr. 1 von der Ablieferungspflicht befreiten Lehr-, Unterrichts-, Vortrags- und Prüfungstätigkeiten werden häufig ausgeübt und bedürfen weder besonderer persönlicher noch besonderer sächlicher Voraussetzungen. Ihre Privilegierung lässt erkennen, dass der Verordnungsgeber für einen beträchtlichen Kreis von Tätigkeiten auf eine Ablieferung zu verzichten bereit war. Auch § 7 Nr. 2 und 4 BNV knüpfen nicht an aus dem Kreis üblicher Tätigkeiten herausragende inhaltliche Leistungen an, sondern ziehen allein den äußeren Rahmen einer gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Bestellung (§ 7 Nr. 2 BNV) bzw. der Tätigkeit für eine juristische Person des öffentlichen Rechts (§ 7 Nr. 4 BNV). Die Anforderungen an eine Tätigkeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung können nicht erheblich höher sein, ohne dass ein Wertungswiderspruch entstünde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Auslegung des Begriffs „auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung“ in § 7 Nr. 3 BNV zugelassen.