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Zahnarzt - Berufung - Übergangsregelung - berufsgerichtliches Verfahren - Verfahrenshindernis - Fehlen eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses - Urteilsentwurf - fehlende Unterschrift des zweiten Richters


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 90. Senat Entscheidungsdatum 30.11.2022
Aktenzeichen OVG 90 H 6.19 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2022:1130.OVG90H6.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 75 Abs 1 S 1 BlnHKG, § 92 BlnHKG, § 94 Abs 2 Nr 1 BlnHKG, § 24 KammerG, § 30 Abs 1 KammerG, § 33 Abs 1 KammerG, § 33 Abs 2 KammerG, § 130 VwGO, § 154 ff VwGO, § 21 Abs 1 S 1 GKG

Leitsatz

1. Das berufsgerichtliche Verfahren ist einzustellen, wenn ein Verfahrenshindernis vorliegt. Fehlt ein wirksamer Eröffnungsbeschluss, weil er nicht von der im Gesetz vorgeschriebenen Anzahl der mitwirkenden Richter unterschrieben wurde, ist das berufsgerichtliche Verfahren einzustellen.
2. Die Heilung oder Nachholung eines fehlenden Eröffnungsbeschlusses ist in der Berufungsinstanz nicht mehr möglich.

Tenor

Auf die Berufung des Beschuldigten wird das Urteil des Berufsgerichts für Heilberufe vom 21. Oktober 2019 aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Der Beschuldigte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der Beschuldigte, der auf seine Approbation als Zahnarzt verzichtet hat und der derzeit aufgrund einer Erlaubnis den zahnärztlichen Beruf in abhängiger Stellung ausübt, wendet sich mit seiner Berufung gegen das Urteil des Berufsgerichts für Heilberufe, mit dem es festgestellt hat, dass der Beschuldigte unwürdig sei, den Beruf des Zahnarztes auszuüben.

Der Beschuldigte ist am in B... geboren und deutscher Staatsangehöriger. Er ist geschieden und hat drei Kinder.

Er schloss im Jahre 1990 sein Studium der Zahnmedizin ab und erhielt im gleichen Jahr die Approbation als Zahnarzt. Nach seiner Zeit als Assistenzzahnarzt war er ab 1993 in Berlin als niedergelassener Zahnarzt in seiner eigenen Zahnarztpraxis tätig. Die Praxis musste er im Jahre 2005 aufgeben, nachdem er infolge von Unfällen arbeitsunfähig geworden und die Praxis in finanzielle Schieflage geraten war.

Der Beschuldigte ist im Zusammenhang mit der damaligen Praxis strafrechtlich in Erscheinung getreten. Mit Urteil vom 15. Mai 2006, rechtskräftig seit demselben Tag, wurde er in dem Verfahren (259 Ds) 13 Js 5201/04 (419/05) vom Amtsgericht Tiergarten wegen Betrugs und Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung für die Dauer von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt und die inzwischen erlassen wurde. Nach den Gründen dieses Urteils überredete der Beschuldigte einen Mitangeklagten in einem zwischen ihm und einer früheren Beschäftigten vor dem Arbeitsgericht Berlin geführten Kündigungsschutzprozess, wahrheitswidrig zu behaupten, diese frühere Mitarbeiterin habe sich geschäftsschädigend über den Beschuldigten geäußert und diesem damit Veranlassung gegeben, sie fristlos zu kündigen. Die gekündigte Mitarbeiterin verlor deswegen den Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht und schloss in der Berufungsinstanz einen für sie ungünstigen Vergleich.

Der Beschuldigte gründete in der Folgezeit die M... GmbH, deren Geschäftsführer insbesondere er war, und betrieb unter dieser Firma eine neue Zahnarztpraxis in Berlin. Im Jahre 2011 wurde der Beschuldigte angesprochen, ob er in Berlin-Zehlendorf ein Gesundheitszentrum eröffnen wolle. Da er selbst zu diesem Zeitpunkt über keine Bonität mehr verfügte, ihm die Idee jedoch zusagte, sprach er einen ehemaligen Geschäftspartner an, der bereit war, sich an dem Projekt zu beteiligen. Nach gemeinsamer Absprache wurden Praxisräume in Zehlendorf von dem Beschuldigten für 3.200,00 Euro monatlich angemietet, in denen im Jahr 2012 umfangreiche Bauarbeiten durchgeführt wurden. Am 24. Februar 2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der M... GmbH eröffnet, das Praxisprojekt in Zehlendorf wurde nicht realisiert.

Am 7. September 2015 erließ das Amtsgericht Tiergarten im Verfahren (331 Cs) 242 Js 499/14 (140/15) gegen den Beschuldigten einen Strafbefehl wegen Beitragsvorenthaltung in zwölf Fällen, Insolvenzverschleppung und Bankrott über eine Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 70,00 Euro. Der Strafbefehl ist seit dem 11. November 2015 rechtskräftig. Ausweislich des Strafbefehls unterließ der Beschuldigte in der Zeit vom 27. März 2013 bis zum 26. September 2013 als Geschäftsführer der M... in 12 Fällen, die für diese Monate zu entrichtenden, den Lohn- und Gehaltszahlungen der bei der Gesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer entsprechenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung und zur Arbeitsförderung in Höhe von insgesamt 6.547,73 Euro € in Kenntnis seiner Pflichten abzuführen.Der Beschuldigte unterließ es in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH ferner, spätestens am 21. Oktober 2013 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft zu stellen. Weiterhin unterließ es der Beschuldigte bei drohender Zahlungsunfähigkeit als Geschäftsführer der Gesellschaft, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, entgegen dem Handelsrecht vorsätzlich die Bilanz über das Vermögen in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen.

Der Beschuldigte wurde in der Strafsache aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten am 25. Mai 2016 festgenommen und befand sich bis zum 14. Dezember 2016 in Untersuchungshaft.

Das Landgericht Berlin verurteilte den Beschuldigten mit rechtskräftigem Urteil vom 14. Dezember 2016 wegen Betruges in 32 Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 7. September 2015 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten. Dem Verfahren liegt die betrügerische Einreichung von insgesamt 32 fiktiven Zahnarzthonorarforderungen durch den Beschuldigten als Geschäftsführer der M... GmbH bei der ärztlichen Verrechnungsstelle B... GmbH (PVS B...) im Rahmen eines Factoring-Vertrages zu Grunde. Der Beschuldigte verkaufte als Geschäftsführer der GmbH zwischen März 2012 und April 2013 unter Vorspiegelung ordnungsgemäßer Patientenverhältnisse und Behandlungen im Rahmen des Factoring Honorarforderungen an die Ärztliche Verrechnungsstelle und ließ sich Kaufpreise in entsprechender Höhe auszahlen. Es handelte sich dabei um Forderungen für in Wirklichkeit nicht erbrachte, zahnmedizinische und zahntechnische Leistungen. Hierdurch kam es im Zeitraum von 16 Monaten zu der Auszahlung von insgesamt 865.916,04 Euro an die GmbH, ohne dass die PVS im Gegenzug jeweils eine werthaltige Forderung erhielt.

Der Beschuldigte verbüßte zwei Drittel der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten in Haft. Mit Beschluss des Landgerichts Berlin vom 21. Juni 2018 – 594 StVK 133/18 - wurde die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe ab dem 3. September 2018 zur Bewährung ausgesetzt.

Der Vorstand der Zahnärztekammer hatte bereits am 4. Oktober 2017 beschlossen, ein berufsgerichtliches Verfahren gegen den Beschuldigten einzuleiten. Mit Schreiben des Untersuchungsführers vom 12. Dezember 2017, das dem Beschuldigten am 14. Dezember 2017 zugestellt wurde, wurde er über die Einleitung des Verfahrens informiert.

Das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin hörte ihn parallel dazu unter dem 29. November 2017 mit dem Ziel des beabsichtigten Widerrufs seiner Approbation als Zahnarzt an.

Der Beschuldigte verzichtete durch schriftliche Erklärung vom 23. März 2018 gegenüber dem Landesamt für Gesundheit und Soziales auf seine Approbation als Zahnarzt. Ebenfalls am 23. März 2018 beantragte der Beschuldigte die Wiedererteilung der Approbation. Diesen Antrag erneuerte er mit einem Schreiben vom 11. Oktober 2021.

Das Landesamt stellte die Entscheidung über den Wiedererteilungsantrag zurück und erteilte mit Urkunde vom 23. März 2018 die Erlaubnis zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs in abhängiger Stellung und unter Verantwortung eines approbierten Zahnarztes im Land Berlin zunächst für die Dauer von zwei Jahren. Diese Erlaubnis wurde mit Urkunde vom 3. März 2020 bis zum 22. März 2022 und nochmals mit Urkunde vom 11. März 2022 bis zum 22. März 2024 verlängert. Mit Schreiben vom 11. März 2022 stellte das Landesamt die Entscheidung über den Antrag auf Wiedererteilung der Approbation als Zahnarzt erneut zurück.

Der Beschuldigte übte und übt in verschiedenen Zahnarztpraxen im Land Berlin den zahnärztlichen Beruf in abhängiger Stellung und unter Verantwortung eines approbierten Zahnarztes aus.

Der Vorstand der Zahnärztekammer als Einleitungsbehörde hatte bereits am 28. Juni 2018 bei dem Berufsgericht für Heilberufe unter Beifügung eine Anschuldigungsschrift die Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahrens beantragt.

Über die Eröffnung des berufsgerichtlichen Verfahrens hat der Vorsitzende des erstinstanzlichen Berufsgerichts für Heilberufe B... am 18. Juni 2019 einen Beschlussentwurf gefertigt und diesen unterzeichnet. Der zur Mitwirkung berufene beisitzende Richter B... hat den Beschlussentwurf nicht unterzeichnet.

Mit Urteil vom 21. Oktober 2019 hat das Berufsgericht festgestellt, dass der Beschuldigte unwürdig sei, den zahnärztlichen Beruf auszuüben. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass der Beschuldigte sich eines einheitlich zu würdigenden und zu ahndenden Berufsvergehens schuldig gemacht habe. Die Pflichtverletzungen seien so schwerwiegend, dass der Beschuldigte deswegen im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 5 KammerG unwürdig sei, den zahnärztlichen Beruf auszuüben.Wegen der näheren Einzelheiten wird auf das veröffentlichte Urteil (VG Berlin, Urteil vom 21. Oktober 2019 – 90 K 8.18 T –, juris) Bezug genommen.

Der Beschuldigte hat gegen das seinem Verteidiger am 14. November 2019 zugestellte Urteil bei dem Berufsobergericht für Heilberufe am 14. November 2019 Berufung eingelegt und die Berufung beim Berufsobergericht für Heilberufe am 23. Dezember 2019 begründet. Das Urteil des Berufsgerichts für Heilberufe vom 21. Oktober 2019 sei unverhältnismäßig und abzuändern bzw. aufzuheben. Der Beschuldigte sei nicht (mehr) unwürdig, seinen zahnärztlichen Beruf auszuüben.

Der Beschuldigte beantragt in der Hauptverhandlung,

das Urteil des Berufsgerichts für Heilberufe vom 21. Oktober 2019 aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

Die Einleitungsbehördeerklärtin der Hauptverhandlung, sie werde keinen Antrag stellen. Auf gerichtliche Anfrage hatte sie zuvor schriftlich mitgeteilt, dass der Beschuldigte unverändert als Mitglied der Zahnärztekammer Berlin geführt werde. Nach § 2 Abs. 1 Kammergesetz gehörten der Kammer alle Zahnärzte an, die im Land Berlin ihren Beruf ausübten. Der Beschuldigte sei im Besitz einer Erlaubnis zur Ausübung der Zahnheilkunde, die ihm nach § 7a des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde (ZHG) aufgrund seines Verzichts auf die Approbation erteilt worden sei. Die Berufserlaubnis sei im Unterschied zur Approbation zwar zeitlich befristet und könne auf bestimmte Tätigkeiten beschränkt werden; im Übrigen aber hätten Personen, denen eine Erlaubnis zur Ausübung der Zahnheilkunde erteilt worden sei, die Rechte und Pflichten eines Zahnarztes.

Die ordnungsgemäß zur Berufungsverhandlung geladene Aufsichtsbehörde hat im Berufungsverfahren nicht Stellung genommen, keinen Antrag gestellt und ist der Hauptverhandlung ferngeblieben.

Dem Berufsobergericht für Heilberufe haben als Beiakten die Verwaltungsvorgänge der Einleitungsbehörde, die Akten des Landesamtes für Gesundheit und Sozialeszum Widerruf und dem Verfahren auf Wiedererteilung der Approbation als Zahnarzt sowie die Akten des Strafverfahrens 242 Js 499/14 (29103) V gegen den Beschuldigten vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Beschuldigten ist begründet.

I. Die Berufung des Beschuldigten ist zulässig.

Das Berufsobergericht für Heilberufe wendet nach §§ 92, 94 Abs. 2 Nr. 1 Berliner Heilberufekammergesetz (BlnHKG) vom 2. November 2018 (GVBl. S. 622) weiterhin das Berliner Kammergesetz (KammerG; vom 4. September 1978, GVBl. S.1937, S. 1980), zuletzt geändert durch Artikel IX des Gesetzes vom 18. November 2009 (GVBl. S. 674) an, da dem Beschuldigten ein Berufsvergehen vorgeworfen wird, das vor dem 30. November 2018, nämlich in den Jahren 2012 und 2013, begangen wurde (vgl. u.a. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. Mai 2022 – OVG 90 H 2.19 – juris Rn. 28). Nach der Übergangsregelung des § 92 BlnHKG sind auf Berufsvergehen, die vor dem 30. November 2018 begangen worden sind, die bis zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Rechtsvorschriften (vgl. § 94 Abs. 2 Nr. 1 BlnHKG) weiterhin anzuwenden. Dass zu den maßgeblichen Rechtsvorschriften nur die materiellen Vorschriften zum Vorliegen eines Berufsvergehens und die berufsrechtlichen Maßnahmen und nicht das Verfahrensrecht insbesondere zum berufsgerichtlichen Verfahren gehörten, geht aus der vorgenannten Übergangsregelung nicht hervor.

Die nach § 33 Abs. 1 KammerG eingeräumte Berufung ist vom Beschuldigten zulässig eingelegt worden. Er hat sie nach § 33 Abs. 2 KammerG rechtzeitig und ordnungsgemäß bei dem Berufsobergericht für Heilberufe eingelegt und gegenüber dem Berufsobergericht für Heilberufe innerhalb der gesetzlichen Frist begründet (vgl. näher OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Februar 2019 – OVG 90 H 2.18 – juris Rn. 48). Zwar war die Berufung nach § 33 Abs. 2 Satz 1 KammerG innerhalb der Monatsfrist bei dem erstinstanzlichen Berufsgericht einzulegen und nicht wie hier erfolgt bei dem Berufsobergericht. Die Berufungsfrist nach § 33 Abs. 2 Satz 2 KammerG wird aber auch gewahrt, wenn während ihres Laufes die Berufung bei dem Berufsobergericht eingelegt wird.

Es ist auch unschädlich, dass der Verteidiger des Beschuldigten in der Begründungsfrist keinen Antrag gestellt hat, sondern einen solchen erstmals in der Hauptverhandlung formuliert hat. § 33 Abs. 2 KammerG verlangt nur eine Begründung, nicht aber ausdrücklich einen Antrag wie einige Heilberufsgesetze anderer Länder (vgl. Willems, Das Verfahren vor den Heilberufsgerichten, 2009, Rn. 563) mit der Folge, dass ein fristwahrender Antrag nicht geboten ist. Die Notwendigkeit eines fristwahrenden Antrags ergibt sich auch nicht aus der Verweisungskette des § 24 KammerG, § 41 DiszG, § 64 Abs. 1 Satz 4, 5 BDG. Denn das Berufsobergericht für Heilberufe hat bereits entschieden, dass § 33 KammerG die Berufung in einem berufsgerichtlichen Verfahren abschließend regelt und eine Heranziehung des § 64 BDG ausgeschlossen ist (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. August 2022 – OVG 90 H 1.19 – EA S. 8; Urteil vom 25. September 2018 – OVG 90 H 2.13 – juris Rn. 22).

II. Die Berufung des Beschuldigten ist begründet. Das Berufsgericht für Heilberufe hat zu Unrecht festgestellt, dass der Beschuldigte unwürdig ist, den zahnärztlichen Beruf auszuüben. Das angefochtene Urteil des Berufsgerichts vom 21. Oktober 2019 ist aufzuheben und das Verfahren einzustellen, weil das Verfahrenshindernis des Fehlens eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses vorliegt.

Die Durchführung des berufsgerichtlichen Verfahrens setzt einen wirksamen Eröffnungsbeschluss voraus (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. September 2019 – OVG 90 H 1.18 – juris Ls. und Rn. 46 f.). Über die Eröffnung des berufsgerichtlichen Verfahrens entscheidet das Berufsgericht nach § 30 Abs. 1 KammerG durch Beschluss. Ein Eröffnungsbeschluss fehlt bzw. ist unwirksam, insbesondere wenn er nicht von der im Gesetz vorgeschriebenen Anzahl an Richtern erlassen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2011 – 4 StR 553/11 – juris Rn. 4, Julius/Schmidt, in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 6. Aufl. 2019, § 207 Rn. 18). Denn erst mit der Unterschrift steht fest, dass kein Entwurf, sondern eine verbindliche Entscheidung vorliegt, für die die zuständigen Richter die Verantwortung übernehmen (Julius/Schmidt, in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 6. Aufl. 2019, § 207 Rn. 18). Fehlt eine Unterschrift, liegt nur ein Urteilsentwurf vor (BGH, Urteil vom 27. Januar 1977 – IX ZR 147/72 – juris Rn. 5 m.w.N.; vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1985 – 2 BvR 498/84 – juris 2 f.; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 117 Rn. 3, der von der Unwirksamkeit des Urteils spricht).

Dies ist hier der Fall, denn der Eröffnungsbeschluss vom 18. Juni 2019 des Berufsgerichts für Heilberufe ist nicht von der im Gesetz vorgeschriebenen Anzahl an Richtern erlassen worden, weshalb er infolge der fehlenden Unterschrift ein Urteilsentwurf geblieben ist. Die Kammer für Heilberufe entscheidet nach den gesetzlichen Regelungen des § 19 Sätze 1 und 3 KammerG bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung in der Besetzung von zwei Richtern; die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit. Der Eröffnungsbeschluss des Berufsgerichts vom 18. Juni 2019 ist im Original lediglich von dem Vorsitzenden Richter der Kammer für Heilberufe und nicht von dem zweiten Richter B... unterschrieben worden. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. Dezember 2019, wonach ein wirksamer Eröffnungsbeschluss vorliegt, wenn die Eröffnung des Hauptverfahrens von den Richtern (mündlich) beschlossen wurde und lediglich der schriftliche Beschluss versehentlich von zweien der Richter nicht unterschrieben wurde (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2011 – 4 StR 553/11 – juris Rn. 5). Der hiesige erstinstanzliche Verfahrenslauf ist durch den Beschlussentwurf des Vorsitzenden der Kammer für Heilberufe vom 18. Juni 2019 und dessen Ladung zur mündlichen Verhandlung vom selben Tag gekennzeichnet. Mit Blick darauf deutet nichts darauf hin, dass dem Entwurf des Eröffnungsbeschlusses eine Beratung der Berufsrichter mit entsprechendem Ergebnis vorangegangen sein könnte. Der zweite Richter hat nach den Umständen des Verfahrens an der Entscheidung schlicht nicht mitgewirkt und hat sie infolgedessen auch nicht unterschrieben.

Die Heilung oder Nachholung eines fehlenden Eröffnungsbeschlusses ist in der Berufungsinstanz nicht mehr möglich. Über die Eröffnung des berufsgerichtlichen Verfahrens hat das Berufsgericht als erstinstanzliches Gericht zu entscheiden (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 1 KammerG). Das Berufsobergericht als Rechtsmittelgericht ist dazu nicht befugt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 1985 – 5 StR 193/85 – juris Rn. 6, Julius/Schmidt, in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 6. Aufl. 2019, § 207 Rn. 18, siehe auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. September 2014 – OVG 90 H 1.14 - EA S. 4; Willems, Das Verfahren vor den Heilberufsgerichten, 2009, Rn. 285).

Das damit vorliegende Verfahrenshindernis des Fehlens eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Einstellung des berufsgerichtlichen Verfahrens. Liegt ein Verfahrenshindernis vor, ist das berufsgerichtliche Verfahren einzustellen (vgl. nunmehr ausdrücklich § 75 Abs. 1 Satz 1 BlnHKG). Das Defizit des Fehlens eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses hat nämlich zur Folge, dass das Urteil des Berufsgericht keinen Bestand haben kann. Denn das Verfahren, auf dem das Urteil insoweit beruht, war unzulässig und hätte deshalb eingestellt werden müssen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. September 2019 – OVG 90 H 1.18 – juris Rn. 47 m.w.N.; Willems, Das Verfahren vor den Heilberufsgerichten, 2009, Rn. 284).

Der Senat als Berufsobergericht ist auch aus Rechtsgründen daran gehindert, das berufsgerichtliche Verfahren an das erstinstanzliche Berufsgericht zu verweisen, weil ein Verfahrenshindernis besteht und überdies die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nicht gegeben sind. Das hier anwendbare Berliner Kammergesetz enthält keine Regelungen, dass und unter welchen Voraussetzungen das Berufsobergericht das Urteil des Berufsgerichts aufheben und zur nochmaligen Verhandlung oder Entscheidung zurückverweisen kann. Selbst wenn man aus der Verweisungskette des § 24 KammerG, § 41 DiszG, § 64 Abs. 1 Satz 4, 5 BDG die Regelung des § 130 VwGO für anwendbar hielte (vgl. u.a. Köhler, in: Köhler/Baunack, BDG, 7. Aufl. 2021, § 66 Rn. 2; Wittkowski, in: Urban/Wittkowski, BDG, 2. Aufl. 2017, § 66 Rn. 2) liegen die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 VwGO vom Wortlaut und von Sinn und Zweck der Norm her nicht vor. Die Zurückverweisung ist neben dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 VwGO zusätzlich davon abhängig, dass dies von einem Beteiligten ausdrücklich beantragt wird (Stuhlfauth, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Aufl. 2021, § 130 Rn. 3). Schon daran fehlt es hier. Insbesondere die beteiligte Einleitungsbehörde hat in der Hauptverhandlung erklärt, in der auch die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 VwGO erörtert wurden, dass sie keinen Antrag stellen werde. Auch die materiellen Voraussetzungen der vorgenannten Norm für eine Zurückverweisung liegen nicht vor. Hier liegt kein Verfahrensmangel vor, der eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme notwendig machen würde (Nr. 1). Auch die Nr. 2 des § 130 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor, denn das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil gerade in der Sache entschieden, indem es festgestellt hat, dass der Beschuldigte unwürdig sei, den zahnärztlichen Beruf auszuüben. Der die Zurückverweisung wegen eines wesentlichen/schweren Verfahrensmangels ermöglichende § 81 Abs. 4 Satz 3 BlnHKG ist nach der Übergangsregelung des § 92 BlnHKG nicht anwendbar.

Mit dieser Entscheidung im berufsgerichtlichen Verfahren zum Vorliegen eines Verfahrenshindernisses wegen des Fehlens eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses hat der Senat keine Beurteilung oder Bewertung dazu getroffen, ob der Beschuldigte mit seinen mehrfachen Verfehlungen sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des zahnärztlichen Berufes ergibt (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 ZHG). Hierüber hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales als zuständige Behörde in dem anhängigen Verwaltungsverfahren auf Antrag des Beschuldigten über die Wiedererteilung der Approbation (vgl. § 7a ZHG) auf Grundlage der gesetzlichen Voraussetzungen selbständig und in eigener Verantwortung zu entscheiden.

III. 1. Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben, da sie bei richtiger Behandlung der Sache durch das erstinstanzliche Berufsgericht nicht entstanden wären (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG), weil das erstinstanzliche Berufsgericht das nach dem Akteninhalt offensichtliche und schwere (vgl. dazu Dörndorfer, in: Binz /Dörndorfer/Zimmermann, KostR/Dörndorfer, 39. Ed. 1.10.2022, GKG § 21 Rn. 3) Verfahrenshindernis des Fehlens eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses von sich aus hätte beachten müssen. Die Entscheidung über die Nichterhebung von Kosten trifft das Gericht (§ 21 Abs. 2 Satz 1 GKG); sie kann auch im Berufungsverfahren zusammen mit der Kostenentscheidung erfolgen. Das Rechtsmittelgericht ist allerdings zur Entscheidung über die Nichterhebung von Gerichtskosten des Ausgangsverfahrens nicht befugt, weshalb die Entscheidung hier auf die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens beschränkt wurde (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Oktober 2019 – OVG 3 L 191.19 – juris Rn. 2).

2. Die Kostenentscheidung, wonach der Beschuldigte die Kosten des Verfahrens trägt, ergibt sich aus § 24 KammerG in Verbindung mit § 41 DiszG, § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. dem den gesetzlichen Kostenregelungen der §§ 154 ff. VwGO zugrundeliegenden Veranlasserprinzip (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 1998 – 1 B 110/98 – juris Rn. 11; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. März 2020 – OVG 4 L 1/20 – juris Rn. 20). Obwohl der Beschuldigte im Ergebnis mit seiner Berufung durchdringt, hat er die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Der Einleitungsbehörde konnten Kosten nicht auferlegt werden, weil sie das Rechtsmittel im Berufungsverfahren nicht eingelegt hat (vgl. § 154 Abs. 2 VwGO). Die Einleitungsbehörde hätte die Kosten nur zu tragen, wenn sie unterlegen wäre (§ 154 Abs. 1 VwGO). Davon kann hier aber für das Berufungsverfahren sinnvollerweise nicht gesprochen werden, da das Verfahren einzustellen war wegen des Verfahrenshindernisses des Fehlens eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses durch das erstinstanzliche Gericht. Die – wie dargelegt – unrichtige Sachbehandlung durch das erstinstanzliche Berufungsgericht ermöglicht es mangels gesetzlicher Grundlage ferner nicht, die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 1998 – 1 B 110/98 – juris Rn. 11; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. März 2020 – OVG 4 L 1/20 – juris Rn. 20). Unter diesen Umständen ist für die Kostenverteilung zwischen den Beteiligten auf das der gesetzlichen Kostenregelungen der § 154 ff. VwGO zugrundeliegende Veranlasserprinzip zurückzugreifen, wonach derjenige Beteiligte die Kosten zu tragen hat, durch dessen Verhalten sie verursacht worden sind. Im vorgenannten Sinne hat der Beschuldigte durch seine Rechtsmittelschrift vom 14. November 2019 das Verfahren und damit die Kosten veranlasst.

3. Das Urteil ist unanfechtbar, weil das Kammergesetz für das berufsgerichtliche Verfahren eine Revisionsinstanz nicht eröffnet (vgl. dazu näher BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2013 – 3 B 13.13 – juris Rn. 4 f.).