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Entscheidung 13 WF 190/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 10.01.2023
Aktenzeichen 13 WF 190/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0110.13WF190.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 04.07.2022 - 52 F 115/20 - aufgehoben.

Das Amtsgericht Neuruppin wird verpflichtet, dem Antragsteller Einsicht in die Verfahrensakte zum Aktenzeichen 52 F 115/20 betreffend die Annahme des H… H… K… Freiherr von … durch den am …2022 verstorbenen K… H… P… Freiherr von … zu gewähren.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers hat die Landeskasse zu tragen.

Der Geschäftswert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller beanstandet die Versagung einer von ihm nach Beendigung eines Adoptionsverfahrens beantragten Akteneinsicht.

Mit Beschluss vom 22.06.2021 – 52 F 115/20 - (Bl. 70) hat das Amtsgericht die Annahme eines Cousins ersten Grades des Antragstellers durch den leiblichen Vater des Antragstellers als Annahme Volljähriger ausgesprochen. Vor Erlass dieser Entscheidung, die dem Antragsteller nicht bekannt gegeben worden ist, ist ihm mit Verfügung vom 04.05.2021 (Bl. 58R) Akteneinsicht gewährt worden. Mit Schriftsatz vom 31.05.2021 (Bl. 63) hat der Antragsteller gegen die geplante Adoption erbrechtliche Interessen und Verstöße gegen §§ 1741 Abs. 2 Satz 2 und 1753 Abs. 1 BGB eingewandt.

Mit Schriftsatz vom 14.07.2021 (Bl. 81) beantragt der Antragsteller erneut Akteneinsicht und macht mit Schriftsatz vom 27.07.2021 (Bl. 92) eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend. Er beruft sich auf seine Stellung als Beteiligter des Adoptionsverfahrens und das Übergehen seiner schriftsätzlich vorgebrachten Einwände durch die Annahmeentscheidung vom 22.06.2021.

Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 13.09.2021 (Bl. 109) die Gewährung von Akteneinsicht abgelehnt. Diese Entscheidung hat der Senat durch Beschluss vom 14.12.2021 - 13 UF 145/21 (Bl. 158) - auf die Beschwerde des Antragstellers vom 18.10.2021 (Bl. 125) aufgehoben und den Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht an die zur erneuten Entscheidung zuständige Stelle des Amtsgerichts Neuruppin zurückverwiesen.

Das Amtsgericht hat dem Angenommenen Gelegenheit zur Stellungnahme zum Akteneinsichtsgesuch des Antragstellers gewährt. Der Angenommene hat mit Schriftsatz vom 29.06.2022 (Bl. 254) eine Zustimmung zur Akteneinsicht des Antragstellers nicht erteilt.

Durch die angefochtene Entscheidung vom 04.07.2022 (Bl. 256) hat das Amtsgericht die Gewährung von Akteneinsicht abgelehnt und dies auf das Nichtvorliegen besonderer Gründe des öffentlichen Interesses gestützt, die trotz Fehlens einer entsprechenden Zustimmung des Angenommenen die Aufdeckung der Annahme und ihrer Umstände erfordern könnten.

Mit Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 12.08.2022 (Bl. 271) wendet sich der Antragsteller gegen die Versagung der Akteneinsicht und legt unter Wiederholung seines bisherigen Vortrags dar, auf die Gewährung von Akteneinsicht in das Annahmeverfahren zur Verwirklichung der erhobenen Gehörsrüge angewiesen sein.

Der Antragsteller beantragt,

ihm unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung Einsicht in die Akte des Familiengerichts Neuruppin in das Adoptionsverfahren Freiherr von …, K… H… P… u.a. zu gewähren,

hilfsweise, ihm unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung Einsicht in die o. g. Akte ab Bl. 60 d. A. zu gewähren,

hilfsweise, ihm unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung Kopien des den Adoptionsantrag vom 26.11.2020 genehmigenden Beschlusses und seiner Gründe zu gewähren.

Der Angenommene verweist mit Schriftsätzen vom 02.12.2022 und 20.12.2022 (Bl. 2, 8 der elektronischen Akte, im Folgenden: elA) auf die seiner Auffassung nach zutreffende Ablehnung der beantragten Akteneinsicht durch das Amtsgericht.

Die weiteren Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme (Bl. 4 ff. elA).

II.

1. Das Rechtsmittel des Antragstellers ist als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23ff. EGGVG statthaft und in zulässiger Weise erhoben (§§ 24 Abs. 1, 26 Abs. 2 EGGVG). Die Versagung der Akteneinsicht eines am Verfahren nicht beteiligten Dritten - zu denen der Gesuchsteller nach §§ 188, 193 FamFG zählt - stellt einen Akt der Justizverwaltung dar (vgl. OLG Frankfurt a. M. FamRZ 2020, 1581; OLG Hamm FamRZ 2012, 51; Musielak/Borth/Frank, 7. Aufl. 2022, FamFG § 13 Rn. 1, 2, 7). Da bereits die Erteilung von Auskünften aus einem laufenden Verfahren gegenüber Dritten nicht zum traditionellen Kernbereich der Rechtsprechung zählt (BVerfG FamRZ 2017, 1066; FamRZ 2015, 473), gilt dies erst recht für die Erteilung von Auskünften aus einem abgeschlossenen Verfahren - wie vorliegend - gegenüber einem Dritten, für deren Aufbewahrung und Verwaltung nicht der (ehemalige) Spruchkörper, sondern die Gerichtsverwaltung zuständig ist (BGH FamRZ 2015, 1176).

Der Bewertung der angefochtenen Entscheidung als Justizverwaltungsakt steht auch nicht entgegen, dass der Gesuchsteller als Rügeführer der von ihm mit Schriftsatz vom 27.07.2021 (Bl. 92) angebrachten Gehörsrüge Beteiligter des noch nicht abgeschlossenen Rügeverfahrens ist. Die Beteiligung am Rügeverfahren führt nicht zu einer Beteiligtenstellung an dem der Rüge zugrunde liegenden Verfahren. Der Gesuchsteller kann sich deshalb auch nicht darauf berufen, aufgrund seiner Beteiligung am Rügeverfahren Einsicht in die das Rügeverfahren betreffende Adoptionsakte als Beteiligter zu beanspruchen.

Da ein Dritter, anders als ein Verfahrensbeteiligter, keine Möglichkeit hat, gegen eine Versagung der Akteneinsicht im Rahmen einer gegen die Hauptsacheentscheidung erhobenen Beschwerde (§ 58 Abs. 2 FamFG) vorzugehen, ist gegen die Versagung von Akteneinsicht zugunsten Dritter aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG, und des Anspruchs auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, ein Rechtsmittel gegeben (vgl. BVerfG FamRZ 2017, 1066; FamRZ 2015, 473; Gietl, NZFam 2017, 681).

2. Das Rechtsmittel des Antragstellers ist in der Sache begründet.

Die Entscheidung des Amtsgerichts über die Gewährung oder Versagung von Akteneinsicht eines nicht am Adoptionsverfahrens beteiligten Dritten hat sich am Maßstab des §§ 13 Abs. 2 FamFG, 1758 BGB zu orientieren (vgl. Gietl, NZFam 2017, 681). Da das von § 1758 BGB sanktionierte Verbot der Offenbarung und Ausforschung auch die Umstände der Annahme Volljähriger umfasst (OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2020, 1758), setzt die Gewährung von Aktensicht vorliegend, da der Angenommene seine Zustimmung zur Aufdeckung der Annahme und ihrer Umstände nicht erteilt hat, voraus, dass besondere Umstände des öffentlichen Interesses dies erfordern, §§ 13 Abs. 2 FamFG, 1758 Abs. 1 BGB.

Zu den öffentlichen Interessen, die ein Geheimhaltungsinteresse des von § 1758 BGB geschützten Personenkreises überwiegen können, zählt die Durchsetzbarkeit grundgesetzlich geschützter Positionen eines Einzelnen. Wenn der Anspruch auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, im konkreten Fall verletzt würde, wenn die Offenbarung der Annahme unterbliebe, überwiegt das öffentliche Interesse an der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes das Geheimhaltungsinteresse (OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2020, 5082; BayObLG BeckRS 2010, 27257).

So liegt der Fall hier. Der Gesuchsteller hat hinreichend substantiiert dargelegt, bei Unterbleiben der Offenbarung der Annahme seinen Anspruch auf rechtliches Gehör mittels der Anbringung einer Anhörungsrüge nach § 44 FamFG nicht effektiv verwirklichen zu können. Die Geltendmachung einer Gehörsverletzung nach § 44 FamFG kommt auch für einen nicht an einem Adoptionsverfahren Beteiligten in Betracht, der eine Verletzung seines Anhörungsrechts nach § 193 FamFG geltend macht (BVerfG NJW 2014, 2635). Vorliegend ist der Gesuchsteller auf die Einsicht in die Adoptionsakte angewiesen, um überprüfen zu können, ob das Amtsgericht die von ihm vor der Entscheidung über die Annahme mit Schriftsatz vom 31.05.2021 vorgebrachten Einwände zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat. Ohne Einsicht in die Verfahrensakte bliebe er außerstande, von den für die Erhebung einer Anhörungsrüge erforderlichen Tatsachen - die Berücksichtigung seines schriftsätzlichen Vorbringens durch das Amtsgericht, etwa durch Weiterleitung des Schriftsatzes an die Verfahrensbeteiligten und deren schriftsätzliche Würdigung der vom Gesuchsteller vorgetragenen Argumente sowie deren etwaiger Eingang in die Gründe der Annahmeentscheidung - Kenntnis zu erlangen. Mangels Verpflichtung des erkennenden Gerichts zur Wiedergabe sämtlicher entscheidungserheblicher Aspekte in den Gründen seiner Entscheidung erstreckt sich das Akteneinsichtsrecht des Gesuchstellers auf die gesamte Verfahrensakte.

Das Recht eines Anzuhörenden auf rechtliches Gehör liefe leer, wenn dieser die Wahrung dieses Rechts nicht im Wege der Gehörsrüge effektiv überprüfen lassen könnte. Ohne Einsicht in die Verfahrensakte könnte der Gesuchsteller die Nichtberücksichtigung seiner mit Schriftsatz vom 31.05.2021 vorgebrachten Argumente durch das über die Annahme entscheidende Amtsgericht nur „ins Blaue hinein“ vermuten, was den Anforderungen an die Schlüssigkeit des Tatsachenvortrags einer Anhörungsrüge nach § 44 Abs. 2 Satz 4, Abs. 1 Nr. 2 FamFG nicht genügen würde.

3. Der die Akteneinsicht ablehnende Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin ist daher aufzuheben und das Amtsgericht zur Gewährung der Akteneinsicht zu verpflichten, § 28 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 EGGVG.

III.

Die Entscheidung über die Kostentragung beruht auf § 30 Satz 1 EGGVG, die Festsetzung des Geschäftswerts folgt § 36 Abs. 3 GNotKG (OLG Frankfurt, BeckRS 2020, 5082).

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht § 29 Abs. 2 EGGVG.