Gericht | OLG Brandenburg 11 . Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 04.01.2023 | |
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Aktenzeichen | 11 U 102/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0104.11U102.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 05.04.2022, Aktenzeichen 13 O 106/21, wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Potsdam ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.000,00 EUR festgesetzt.
I.
Die Klägerin verlangt von der beklagten Versicherungsgesellschaft im Wege der Stufenklage im Wesentlichen die Rückabwicklung eines fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrages und Auskunft nach erklärtem Widerspruch bzw. Rücktritt.
Unter dem 29.11.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten den Abschluss der streitgegenständlichen fondsgebundenen Rentenversicherung zur Vertragsnummer ATS… mit Beginn ab 01.12.2007 und einer monatlich zu zahlenden Prämie von 200,00 EUR. Die Beklagte gehörte jedenfalls zu diesem Zeitpunkt keinem Sicherungsfonds an.
Das Antragsformular vom 29.11.2007 enthielt u.a. folgende Angaben:
[...]
13. Unterschriften
Mit meiner Unterschrift bestätige ich die Richtigkeit obiger Angaben und dass ich die auf den Folgeseiten stehende Schlusserklärung des Antragstellers und der zu versichernden Person sowie die Verbraucherinformation gelesen habe. Ich bin damit einverstanden, dass diese Schlusserklärungen und die Verbraucherinformationen Bestandteil dieses Antrages sind. Mir ist bewusst, dass der Rückkaufswert in den ersten Jahren gering sein kann.
Es folgt eine Unterschriftszeile, gefolgt von jener Erklärung:
Mir ist bekannt, dass ich innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Abschluss des Vertrages zurücktreten kann. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung. Ich bestätige, dass ich eine Durchschrift meines Antrages, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen für die Fondsgebundene Rentenversicherung erhalten habe.
Dem schließt sich eine weitere Unterschriftszeile an. Wegen der Einzelheiten wird auf den als Anlage K1 vorgelegten Antrag Bezug genommen.
Mit der Antragstellung erhielt die Klägerin weitere Vertragsunterlagen bestehend aus den Verbraucherinformationen zur fondsgebundenen Rentenversicherung, den allgemeinen Angaben für die Steuerregelung, illustrativen Angaben über die Kostenbelastung des Versicherungsvertrages, Fondsinformationen, den Bedingungen für die fondsgebundene Rentenversicherung, Teil lI der Bedingungen für die fondsgebundene Rentenversicherung, den besonderen Bedingungen, den Hinweisen zur Datenverarbeitung und die Gebührentabellen ausgehändigt. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage K4 vorgelegten Vertragsunterlagen Bezug genommen.
Der Vertragsschluss sollte im sogenannten Antragsmodell erfolgen. Die Beklagte übersandte der Klägerin mit Schreiben vom 12.12.2007 den Versicherungsschein und verwies zugleich auf die bereits bei Antragsstellung übergebenen Vertragsunterlagen. Ferner belehrte die Beklagte die Klägerin wie folgt:
„Sie haben die Möglichkeit, innerhalb von 30 Tagen nach Abschluss des Vertrages vom Vertrag zurückzutreten. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung.“
Wegen der Einzelheiten wird auf das als Anlage BLD 1 vorgelegte Schreiben Bezug genommen. Weitere Belehrungen über das Rücktrittsrecht befanden sich auf der Rückseite des Antragsformulars und in den Verbraucherinformationen.
In der Folge zahlte die Klägerin die monatlichen Beiträge. Auf Antrag der Klägerin vom 13.01.2008 vereinbarten die Parteien eine einmalige Zuzahlung in Höhe von 10.000,00 EUR, woraufhin die Beklagte ihr unter dem 31.01.2008 einen entsprechenden Nachtrag zum Versicherungsschein übersandte.
Im weiteren Vertragsverlauf veranlasste die Klägerin insgesamt drei Umschichtungen des Fondsvermögens bzw. Fondswechsel in den Jahren 2008, 2013 und 2015, eine fünfmonatige Beitragspause im Jahr 2020 und beantragte am 26.10.2020 eine endgültige Beitragsfreistellung. Insgesamt zahlte sie Beiträge in Höhe von 40.000,00 EUR ein.
Mit Schreiben vom 10.12.2020 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten den Widerspruch bzw. Rücktritt zu dem streitgegenständlichen Vertrag.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass der Vertragsschluss vorliegend nicht im Wege des sog. Antragsmodells, sondern nach dem sog. Policenmodell erfolgt sei, weil die von der Beklagten übergebenen Verbraucherinformationen unvollständig gewesen seien. Insofern seien ihr keine Informationen über die Zugehörigkeit der Beklagten zu einem Sicherungsfonds erteilt worden. Da sie auch nicht über ihr Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. belehrt worden sei, habe die Widerspruchsfrist bislang nicht zu laufen begonnen. Selbst wenn von einem Vertragsschluss im Wege des sog. Antragsmodells auszugehen sei, sei sie weder in drucktechnisch ausreichend hervorgehobener Form noch inhaltlich zutreffend über ihr Rücktrittsrecht belehrt worden. Zudem habe sie die Belehrung durch die Beklagte nicht bestätigt. Ihr stehe daher ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Prämien einschließlich der von der Beklagten gezogenen Nutzungen abzüglich der Kosten zu. Derzeit sei sie mangels Kenntnis der angefallenen Kosten und der Höhe der von der Beklagten gezogenen Nutzungen jedoch nicht in der Lage, ihren Zahlungsanspruch zu konkretisieren, weshalb ihr insoweit ein Auskunftsanspruch gegen die Beklagte zustehe.
Ergänzend, insbesondere wegen der erstinstanzlichen Sachanträge und des streitigen Beklagtenvortrags, wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 05.04.2022 vollumfänglich abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Klägerin schon dem Grunde nach kein Rückabwicklungsanspruch und damit auch kein Auskunftsanspruch zustehe. Ein etwa bestehendes Widerspruchs- bzw. Rücktrittsrecht sei jedenfalls verwirkt.
Gegen das am 11.04.2022 zugestellte Urteil richtet sich die Klägerin mit ihrer durch anwaltlichen Schriftsatz am 09.05.2022 eingelegten und innerhalb der verlängerten Frist mit Schriftsatz vom 30.06.2022 begründeten Berufung. Insoweit führt sie aus, dass das Landgericht zu Unrecht von der Verwirkung des Widerspruchs- bzw. Rücktrittsrechts ausgegangen sei. Voraussetzung hierfür seien nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gravierende Umstände, die im Streitfall nicht gegeben seien. Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH komme eine Verwirkung im vorliegenden Fall ohnehin nicht in Betracht.
Überdies hätte das Landgericht zunächst feststellen müssen, dass der Vertragsschluss vorliegend im Policenmodell erfolgt sei, nachdem die Beklagte unstreitig keine Informationen zur Nichtzugehörigkeit zu einem Sicherungsfonds erteilt habe. Da die Beklagte auch keine Widerspruchsbelehrung erteilt habe, habe die Klägerin dem Vertragsschluss noch im Jahr 2020 widersprechen können. In derartigen Fallkonstellationen könne die Beklagte grundsätzlich kein schutzwürdiges Vertrauen für sich in Anspruch nehmen. Zudem sei auch die Rücktrittsbelehrung - wie erstinstanzlich ausgeführt - fehlerhaft.
Die Klägerin beantragt,
das am 05.04.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam zum Az. 13 O 106/21 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen,
1. in Bezug auf den mit ihr geschlossenen Versicherungsvertrag über eine fondsgebundene Lebensversicherung zur Versicherungsnummer ATS… hinsichtlich der seit dem 14.12.2007 gezahlten Versicherungsbeiträge Auskunft zu erteilen
a. über die Höhe der darin enthaltenen Verwaltungskosten,
b. über die Höhe der darin enthaltenen Abschlusskosten,
c. über die Höhe der darin enthaltenen Kosten für das Todesfall-
risiko,
d. über die Höhe der Fondsgewinne bzw. -verluste,
e. über die Höhe der aus den gezahlten Beiträgen gezogenen
Nutzungen, wobei die Nutzungen aus den zuvor genannten
Verwaltungskosten und Abschlusskosten separat auszuweisen
sind,
2. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern,
3. nach Erteilung der unter Ziffer a) beantragten Auskunft einen noch zu bestimmenden Betrag nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2020 an sie zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Ergänzend behauptet sie, dass allenfalls ein Fondsgewinn in Höhe von 1.490,32 EUR zu berücksichtigen sei.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 05.04.2022, Aktenzeichen 13 O 106/21, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil der Senat auch in der abschließenden Besetzung nach wie vor der einstimmigen Auffassung ist, dass das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
1.
Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss vom 09.11.2022 Bezug genommen. Hieran hält der Senat – nach erneuter Prüfung – auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in dem anwaltlichen Schriftsatz der Klägerin vom 01.12.2022 (Bl. 307 ff. GA) fest, das er zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Neue Gesichtspunkte tatsächlicher oder rechtlicher Art, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen oder weiterer Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung bedürfen, ergeben sich daraus jedoch nicht. Insofern ist lediglich ergänzend Folgendes auszuführen:
a.
Der Verweis auf das Urteil des OLG Frankfurt vom 15.06.2022 (7 U 233/20) verfängt bereits deshalb nicht, weil der dort entschiedene Streitfall ohne Weiteres erkennbar gerade nicht mit dem hiesigen vergleichbar ist. Das OLG Frankfurt hatte über eine andere Rücktrittsbelehrung (vgl. Rn. 3, zitiert nach juris) mit Vertragsschluss im Jahr 2004 zu entscheiden. Im Übrigen wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Würdigung, ob die Form einer Belehrung ausreicht, allein dem jeweiligen Tatrichter obliegt (vgl. BGH, Urt. v. 06.05.2020 - IV ZR 102/19, Rn. 14, zitiert nach juris).
Falsch ist in diesem Zusammenhang die Behauptung, die streitgegenständliche Rücktrittsbelehrung sehe für den Fristbeginn unzutreffend nur den Erhalt des Versicherungsscheins vor. Offensichtlich stellt die Klägerin hierbei ohne Bezug auf den vorliegenden Einzelfall auf die älteren, hier nicht einschlägigen Belehrungen der Beklagten, wie jene, die der zitierten Entscheidung des OLG Frankfurt (7 U 233/20) zugrunde lagen, ab.
b.
Die Beklagte war auch nicht gehalten, der Klägerin die Anforderungen an das Rücktrittsrecht über den Gesetzeswortlaut hinaus zu erklären. So musste sie über eine etwaige Form der Rücktrittserklärung nicht belehren, weil von ihr nicht verlangt werden konnte, die insoweit unklare gesetzliche Bestimmung des § 8 Abs. 5 VVG a.F. auszulegen. Ebenso wenig konnte vom Versicherer eine Erläuterung der dem Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. entsprechenden Formulierung "nach Abschluss des Vertrages" gefordert werden (BGH, Urt. v. 17.10.2018 - IV ZR 106/17, Rn. 68, zitiert nach juris).
c.
Auch die wörtliche Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags, wonach die Belehrung in den Vertragsunterlagen „versteckt“ gewesen sei, verhilft der Berufung nicht zum Erfolg, zumal sich die Klägerin mit den diesbezüglichen Ausführungen des Senats in dem Hinweisbeschluss, weshalb dies hier nicht der Fall ist, nicht auseinandersetzt.
d.
Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelführerin ist eine Entscheidung, die die Zulassung der Revision beinhaltet, auch nicht mit Blick auf die Entscheidungen des OLG Karlsruhe vom 28.06.2019 (12 U 134/17) bzw. 20.10.2015 (12 U 439/14) sowie des BGH vom 21.03.2018 (IV ZR 512/15) erforderlich. Ungeachtet des Umstands, dass auch die beiden letztgenannten Entscheidungen nicht vorliegen, sind diese älteren Entscheidungen bereits durch die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung überholt. Der Senat befindet sich mit seiner Einschätzung, dass sich die Klägerin jedenfalls nach Treu und Glauben nicht auf eine unterlassene Angabe zur (Nicht-)Zugehörigkeit zu einem Sicherungsfonds berufen kann, im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 22.06.2022 - IV ZR 14/21, Rn. 18 f.), soweit überhaupt von einer entsprechenden Angabepflicht in diesem Fall auszugehen ist (verneinend zum Beispiel auch OLG Hamm, Urt. v. 26.08.2021 - 20 U 60/21, Rn. 33 ff. und OLG Frankfurt, Urt. v. 21.06.2021 - 12 U 157/20, Rn. 57 ff.). Im Übrigen scheint sich nunmehr auch das OLG Karlsruhe in neueren Entscheidungen der bereits in dem Hinweisbeschluss des Senats vom 09.11.2022 zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung anzuschließen, ohne sich ausdrücklich von seinen früheren Entscheidungen zu distanzieren (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.03.2021 - 12 U 43/21, Rn. 59, zitiert nach juris).
e.
Schließlich kommt mit Blick auf die bereits erwähnte Entscheidung des EuGH in Sachen Rust-Hackner (Urt. v. 19.12.2019 – C-355/18, C-356/18, C-357/18, C-479/18 = NJW 2020, 667) weder eine Aussetzung des Verfahrens noch eine (erneute) Vorlage in Betracht.
Wenn den Mitgliedstaaten wie bereits ausgeführt die Regelung der Modalitäten der Ausübung des Rücktrittsrechts im Einzelnen überlassen bleibt, können damit naturgemäß auch Einschränkungen einhergehen (vgl. EuGH, Beschl. v. 28.05.2020 - C-803/19, Rn. 27; EuGH, Urt. v. 19.12.2019 - C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18, Rn. 62, zitiert jeweils nach juris). Eine solche Einschränkung des im deutschen Recht vorgesehenen Widerspruchsrechts ergibt sich dabei aus dem in § 242 BGB geregelten Grundsatz von Treu und Glauben. Das Gebot der praktischen Wirksamkeit der europarechtlichen Vorgaben aus den Lebensversicherungsrichtlinien steht der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung aus § 242 BGB nicht entgegen, weil zum einen die Ausübung des Widerspruchsrechts in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und weil zum anderen die nationalen Gerichte ein missbräuchliches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des EuGH berücksichtigen dürfen (vgl. BGH, Urt. v. 16.07.2014 - IV ZR 73/13, Rn. 42; nachfolgend BVerfG, Beschl. v. 02.02.2015 - 2 BvR 2437/14, Rn. 44; OLG Hamburg, Beschl. v. 06.08.2020 - 9 U 35/20, Rn. 16 f.; zitiert jeweils nach juris).
Zum Einwand von Treu und Glauben ist entgegen der Ansicht der Berufung eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union mithin nicht erforderlich. Die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt. Die Anwendung auf den Einzelfall obliegt dem nationalen Gericht und beeinträchtigt die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 25.11.2020 - IV ZR 318/18, Rn. 21, zitiert nach juris, m.w.N.).
Daran ändert auch die Entscheidung des EuGH vom 09.09.2021 nichts. Zwar hat der Gerichtshof der Europäischen Union dort entschieden, Art. 14 Abs. 2 der RL 2008/48/EG sei dahin auszulegen, dass es bei einem unter diese Richtlinie fallenden Kreditvertrag dem Kreditgeber verwehrt sei, sich gegenüber der Ausübung des Widerrufsrechts auf den Einwand der Verwirkung zu berufen, wenn eine der in Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehenen zwingenden Angaben nicht erfolgt sei. Diese Entscheidung bezieht sich jedoch – wie bereits dargetan – auf eine andere Richtlinie und andere – nämlich dort inhaltlich wesentliche – Richtlinienverstöße und steht damit nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des EuGH im Urteil vom 19.12.2019 in der Rechtssache Rust-Hackner. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der EuGH mit seinem Urteil vom 09.09.2021 etwas an der Rechtsprechung zu Widerspruchs- bzw. Rücktrittsbelehrungen in Versicherungsverträgen ändern wollte (Senat, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O., sowie v. 22.09.2021 - 20 U 121/19, BeckRS 2021, 40016). Auf diesen Gesichtspunkt geht das OLG Rostock in seinen gegenläufigen Entscheidungen vom 09.11.2021 und 08.03.2022 (4 U 51/21, BeckRS 2021, 41766 und BeckRS 2022, 3725) nicht ein, weshalb auch diese Entscheidungen an der Rechtsauffassung des Senats sowie daran, dass die maßgeblichen Rechtsfragen geklärt sind, nichts ändern (so schon Senat, Beschl. v. 17.08.2022 - 11 U 237/21, Rn. 19 ff., m.w.N.).
Mit ihrer gegenteiligen Ansicht verkennt die Klägerin auch, dass die Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/EG in Art. 14 abschließende Bestimmungen zur Widerrufsfrist enthält; die zeitlichen Voraussetzungen des Widerrufsrechts unterliegen der Vollharmonisierung. Aus diesem Grund darf eine in der Verbraucherkreditrichtlinie nicht vorgesehene zeitliche Beschränkung des Widerrufsrechts auch nicht durch nationale Rechtsvorschriften erfolgen (EuGH, Urt. v. 09.09.2021, a.a.O., Rn. 116 f., zitiert nach juris). Demgegenüber liegt den im Streitfall in Rede stehenden Lösungsrechten im Bereich der Lebensversicherung die Lebensversicherungs-Richtlinien 90/619/EWG, 92/96/EWG und 2002/83/EG zu Grunde, welche die Modalitäten der Ausübung des Rücktrittsrechts einschließlich etwaiger Einschränkungen dieses Rechts einer Regelung durch das nationale Recht überlassen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-209/12, NJW 2014, 452, Endress, Rn. 22 ff.). Grenzen ergeben sich hier lediglich aus dem Gebot der praktischen Wirksamkeit (zusammenfassend: OLG Hamm, Beschl. v. 25.08.2022 - 20 U 155/22, Rn. 20; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 09.02.2022 - 12 U 80/21, Rn. 13, zitiert jeweils nach juris).
Auch aus dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 22.07.2022 (VGH B 70/21) folgt nichts anderes, da der Gerichtshof die angegriffene Entscheidung des OLG Koblenz vor allem auch unter dem Aspekt bemängelte, dass das Fachgericht nicht ausreichend begründet habe, weshalb es selbst abschließend entscheiden könne (vgl. Senat, Beschl. v. 30.11.2022 - 11 U 89/22 - nicht veröffentlicht; siehe auch OLG Hamm, Beschl. v. 25.08.2022 - 20 U 155/22, Rn. 23, zitiert nach juris). Der Verfassungsgerichtshof hat aber offengelassen, was für diejenigen Fälle gilt, über welche der Gerichtshof der Europäischen Union mit dem Urteil vom 19.12.2019 (Rust-Hackner) entschieden hat. Gerade um einen solchen Fall geht es aber vorliegend. Der Verfassungsgerichtshof hat ferner eine Argumentation ausdrücklich unbeanstandet gelassen, welche - wie hier - auf den unterschiedlichen Harmonisierungsgrad der genannten Richtlinien abstellt (OLG Hamm, a.a.O.).
2.
Da demnach ein Leistungsanspruch schon dem Grunde nach nicht besteht, bleibt auch das hierauf gerichtete Auskunftsbegehren ohne Erfolg. Die Auskunft kann nur verlangt werden, wenn und soweit vom Bestehen eines Zahlungsanspruches ausgegangen werden kann, zu dessen Durchsetzung die Auskunft dienen soll (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.2015 – IV ZR 213/14, Rn. 26, zitiert nach juris).
Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.
5.
Die Revision war in Ermangelung der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG nicht zuzulassen. Die vorliegende Rechtssache beruht hinsichtlich des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Klägerin auf den Besonderheiten des hier zu entscheidenden Einzelfalls. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt; die Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofes.