Gericht | VG Potsdam 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 28.10.2022 | |
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Aktenzeichen | 3 K 1967/18 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2022:1028.3K1967.18.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 227 ZPO, § 5 Abs 1 Nr 2 ZPO, § 5 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 45 Abs 2 ZPO |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse. Er war Inhaber einer ihm 1991 erteilten Waffenbesitzkarte, in der zuletzt fünf Waffen eingetragen waren, sowie einer Munitionserlaubnis für eine der eingetragenen Waffen.
Mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts vom wurde er wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen, weil er am 22. Juni 2015 bei einer (nach der Fahrt) gemessenen Blutalkoholkonzentration von 1,83 Promille ein Fahrzeug fuhr. Mit rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Prenzlau vom 26. Januar 2016 wurde der Kläger wegen vorsätzlichem Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 StVG, § 53 StGB) zu einer Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt. Ihm wurde zur Last gelegt, am 22., 25. und 26. Juni 2015 vorsätzlich ein Fahrzeug geführt zu haben, obwohl sein Führerschein sichergestellt war.
Der Kläger gestand eine Alkoholproblematik ein und unterzog sich verschiedenen Entgiftungs-, Rehabilitations- bzw. Therapiemaßnahmen. Mit Schreiben vom 7. November 2017 wurde dem Kläger wegen Zweifeln am Bestehen der waffenrechtlichen Eignung die Möglichkeit eingeräumt, den Verdacht einer Alkoholabhängigkeit durch Vorlage eines fachärztlichen Zeugnisses, das Auskunft über die geistige und körperliche Eignung zum Umgang mit Schusswaffen und Munition gibt, auszuräumen. Daraufhin trug der Kläger unter Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens der Dekra vom 24. Januar 2017, das er zur Wiedererlangung seiner Fahrerlaubnis einholte, vor, seit Juli 2015 alkoholabstinent zu sein. Es handele sich um eine stabile Abstinenz, die durch rückfallmindernde suchtberatende Maßnahmen und sein soziales Umfeld gestützt würden. Bei ihm bestehe die Motivation, die Abstinenz auch künftig beizubehalten. Dies bestätige das vorgelegte Gutachten.
Mit Bescheid vom 3. Januar 2018 widerrief der Beklagte die waffenrechtlichen Erlaubnisse (Ziffer 1) und ordnete an, die noch im Besitz des Klägers befindlichen Waffen und Munition binnen eines Monats nach Zustellung des Bescheids einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen (Ziffer 2). Zur Begründung wurde ausgeführt, das vorgelegte Gutachten der Dekra bestätige – was zutrifft – eine Alkoholabhängigkeitserkrankung im Fall des Klägers. Daher sei dieser im Umgang mit Schusswaffen und Munition gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 WaffG persönlich nicht geeignet, zudem fehle ihm die persönliche Zuverlässigkeit. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG lägen Tatsachen für die Annahme vor, er werde nicht vorsichtig oder sachgemäß mit Waffen und Munition umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren. Das vorgelegte Gutachten, das im Rahmen der Wiedererlangung der Fahrerlaubnis eingeholt wurde, könne die Annahme der Unzuverlässigkeit nicht widerlegen, weil im Waffenrecht andere Maßstäbe gälten. Ungeachtet einer Alkoholabstinenz bestehe die Alkoholerkrankung ein Leben lang fort, es sei jederzeit mit einem Rückfall in die „nasse“ Phase zu rechnen.
Mit dagegen erhobenen Widerspruch trägt der Kläger im Kern vor, es bestünde keine akute Abhängigkeit vom Alkohol. Es gelänge ihm seit längerer Zeit und aller Voraussicht nach auch künftig, abstinent zu leben. Ein Hang zum Alkoholkonsum bestehe daher nicht mehr, § 6 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erfasse trockene Alkoholiker nicht. Das vorgelegte Gutachten der Dekra habe die Eignungszweifel ausgeräumt. Auch während seiner akuten Alkoholerkrankung habe er sich im Umgang mit Waffen stets beanstandungsfrei verhalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2018 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Das Gutachten belege nur eine Abstinenz für einen begrenzten Zeitraum, während eine Alkoholabhängigkeit lebenslang fortbestehe. § 6 Abs. 1 Nr. 2 WaffG knüpfe allein an das Vorliegen der Erkrankung an, unabhängig von Art und Ausprägung. Medizinisch-psychologische Gutachten seien insoweit irrelevant.
Mit der am 18. Mai 2018 beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) und an das Verwaltungsgericht Potsdam verwiesenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen und trägt in Bezug auf eine vom Beklagten erst im Rahmen des Klageverfahrens angenommene Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b WaffG vor, die Regelvermutung sei vorliegend entkräftet. Erforderlich sei eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlungen und der Persönlichkeit des Betroffenen. Die Ursache der von ihm verübten Fahrlässigkeitsstraftat liege in der Alkoholproblematik, die er inzwischen überwunden habe. Die Regelvermutung sei durch die Feststellungen im vorgelegten Gutachten der Dekra widerlegt. Ein Einspruch gegen den Strafbefehl, mit dem er wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden sei, erschien ihm wirtschaftlich nicht lohnenswert, er hätte allenfalls ein geringfügig vorteilhafteres Ergebnis erzielen können. Er habe nur Wege in seinem Jagdrevier befahren, die nicht zum öffentlichen Straßenverkehr gehörten, im Übrigen läge ein Verbotsirrtum vor. Er habe nicht vorsätzlich gehandelt. Die Taten hätten sich unmittelbar nach der Beschlagnahme des Führerscheins ereignet, zu diesem Zeitpunkt habe er noch unter Schock gestanden und sich gegenüber seinen Kollegen nicht getraut, den Verlust der Fahrerlaubnis einzuräumen. Die Taten stünden daher in einem vergleichsweise milden Licht.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid des Beklagten vom 3. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. April 2018 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und trägt ergänzend vor, das Waffengesetz unterscheide nicht, in welcher Phase sich der Alkoholerkrankte befinde. Angesichts der Verurteilungen ergäbe sich im Fall des Klägers eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit auch aus § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b WaffG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die Strafbefehle des Amtsgerichts Prenzlau vom 14. Oktober 2015 (Az.: 22 Cs 3117 Js 22787/15) und vom 26. Januar 2016 (Az.: 22 Cs 3117 Js 33208/15) Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung über die Sache verhandeln und entscheiden, da in der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, § 102 Abs. 2 VwGO. Dem der Einzelrichterin am Tag der mündlichen Verhandlung vorgelegte Antrag auf Terminsverlegung vom 27. Oktober 2022 war nicht zu entsprechen. Ein erheblicher Grund im Sinne des § 173 VwGO i.V.m. § 227 ZPO war nicht ersichtlich.
Ein erheblicher Grund kann darin liegen, dass ein Prozessbevollmächtigter erkrankt ist. Wird eine Terminsverlegung erst unmittelbar vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und glaubhaft gemacht sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit besteht. Gerade bei kurzfristig gestellten Anträgen auf Terminsverlegung bestehen wegen der damit verbundenen Missbrauchsgefahr hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit (VGH Mannheim, Beschluss vom 4. November 2020 – A 11 S 3308/20 –, juris Rn. 10 m.w.N.; OVG Münster, Beschluss vom 20. Oktober 2020 – 1 A 1856/20.A –, juri, Rn. 14). Grundsätzlich ist die Verhandlungsunfähigkeit durch Vorlage eines ärztlichen Attestes nachzuweisen, aus dem sich die Unmöglichkeit der Teilnahme an der Verhandlung ergibt (BVerwG, Beschluss vom 29. April 2004 – 1 B 203/03 –, juris Rn. 4). Daran fehlt es hier.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stützte seinen Antrag auf Terminsverlegung auf eine akute Magen- und Darmerkrankung, die ihn daran hindere, den anberaumten Termin wahrzunehmen. Er hat eine Erkrankung aber nicht glaubhaft gemacht, insbesondere war kein ärztliches Attest beigefügt. Auch konnte die Geschäftsstelle den Prozessbevollmächtigten des Klägers am Tag der mündlichen Verhandlung telefonisch nicht erreichen, um nach Rücksprache mit der Einzelrichterin um Vorlage eines Attests zu bitten. Auf Grundlage des Vorbringens konnte das Gericht nicht beurteilen, ob eine Verhandlungs- und Reiseunfähigkeit bestand. Einzustellen war hierbei auch, dass bereits ein Termin zur mündlichen Verhandlung auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers wegen einer vorgebrachten akuten Magen-Darm-Erkrankung aufgehoben wurde.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Sie ist zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben. Die wirksame Klageerhebung, die gemäß § 90 Satz 1 VwGO zur Rechtshängigkeit der Streitsache führt, wahrt die Klagefrist insbesondere auch dann, wenn das angerufene Gericht örtlich unzuständig ist (BVerwG, Urteil vom 24. Juli 1963 – VI C 190.60 –, juris Orientierungssatz).
Die Klage ist aber unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 3. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
1. Rechtsgrundlage für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Waffenbesitzkarte ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1994 – 1 C 31/92 –, juris Rn. 33).
Eine Erlaubnis setzt nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG unter anderem voraus, dass der Antragsteller die erforderliche persönliche Eignung im Sinne des § 6 WaffG und die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 WaffG besitzt.
a) Es kann dahinstehen, ob der Kläger (noch) „abhängig von Alkohol“ und damit als persönlich ungeeignet im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG anzusehen ist oder ob er die Zweifel an seiner waffenrechtlichen Eignung ausgeräumt hat. Insoweit sei aber angemerkt: In der Rechtsprechung wird davon ausgegangen, dass das mit dem Besitz und Gebrauch von Waffen verbundene Risiko bei Alkoholabhängigen dann nicht erhöht ist, wenn es sich um trockene Alkoholiker handelt und aufgrund der Vorgeschichte und der medizinischen Situation davon auszugehen ist, dass mit einem Rückfall nicht zu rechnen ist (OVG Greifswald, Beschluss vom 19. Dezember 2019 – 2 LB 758/18 –, juris Rn. 24; vgl. auch VG München, Beschluss vom 11. Juni 2021 – M 7 S 21.185 –, juris Rn. 44). Daher wird der Begriff der Alkoholabhängigkeit gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG nicht im Sinne einer medizinischen, lebenslang bestehen bleibenden Alkoholabhängigkeit verstanden, sondern als Abhängigkeit im Sinne eines nicht beherrschbaren Zwangs zum Alkohol (OVG Greifswald, Beschluss vom 19. Dezember 2019 – 2 LB 758/18 –, juris Rn. 24 unter Verweis auf den Begriff der „Trunksucht“ durch das BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1994 – 1 C 31/92 –; VG München, Beschluss vom 11. Juni 2021 – M 7 S 21.185 –, juris Rn. 44). Angesichts der allgemeinen Verfügbarkeit von Alkohol und der damit einhergehenden hohen Rückfallgefahr seien aber strenge Maßstäbe anzulegen, bevor eine positive Prognose im Hinblick auf die waffenrechtliche Eignung gestellt werden könne (VGH München, Urteil vom 29. Juni 2016 – 21 B 16.527 –, juris Rn. 36; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 – 3 C 32/07 –, juris Rn. 16). Diese könne durch Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, das im Rahmen des fahrerlaubnisrechtlichen Verfahrens eingeholt wird, getroffen werden (vgl. VGH München, Beschluss vom 6. Juli 2022 – 24 ZB 22.319 –, juris Rn. 20; VGH Kassel, Beschluss vom 22. November 2016 – 4 B 2306/16 –, juris Rn. 21 f.; VGH München, Urteil vom 29. Juni 2016 – 21 B 16.527 –, juris Rn. 39). Denn ob eine körperliche Einschränkung in Form einer Alkoholabhängigkeit vorliege, könne nach Waffenrecht und Fahrerlaubnisrecht nur einheitlich beantwortet werden (VGH Kassel, Beschluss vom 22. November 2016 – 4 B 2306/16 –, juris Rn. 21 f.; VGH München, Urteil vom 29. Juni 2016 – 21 B 16.527 –, juris Rn. 39).
Allerdings wird vorausgesetzt, dass Alkoholabstinenz eingehalten wird und die vollzogene Änderung im Umgang mit Alkohol stabil und motivational ist. Letzteres erfordere eine Prognose, inwieweit die inneren und äußeren Bedingungen einer Stabilisierung des geänderten Verhaltens nicht entgegenstehen (VGH Kassel, Beschluss vom 22. November 2016 – 4 B 2306/16 –, juris Rn. 14; VGH München, Urteil vom 29. Juni 2016 – 21 B 16.527 –, juris Rn. 40; Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung der Bundesanstalt für Straßenwesen, gültig ab 1. Februar 2022, Nr. 3.13 Alkohol, S. 74; BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 – 3 C 32.07 –, juris Rn. 20).
Diese Anmerkungen vorangestellt, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob zum Zeitpunkt der Fertigung des Gutachtens der Dekra vom 24. Januar 2017, das auf eine Untersuchung im Januar 2017, also bereits etwa anderthalb Jahre nach dem im Juli 2017 eingeschlagenen Weg der Alkoholabstinenz des Klägers, gestützt ist, eine hinreichend gefestigte Motivationslage sowie stabile Alkoholabstinenz schon vorliegen konnte (vgl. für den Fall einer zwölfjährigen Alkoholabstinenz [allerdings ohne Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens] VGH München, Urteil vom 29. Juni 2016 – 21 B 16.527 –, juris Rn. 36).
b) Der Kläger ist jedenfalls als waffenrechtlich unzuverlässig zu qualifizieren.
Die Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit erfordert von der Behörde regelmäßig eine Prognoseentscheidung, die gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar ist. Bei der auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellenden Prognose ist der allgemeine ordnungsrechtliche Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG), nämlich zum Schutz der Allgemeinheit diese vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu schützen. Es wird nicht der Nachweis verlangt, dass der Betroffene den waffenrechtlichen Anforderungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht genügen wird. Es reicht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit aus, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2015 – 6 C 1.14 –, juris Rn. 17; Beschluss vom 2. November 1994 – 1 B 215.93 –, juris Rn. 10).
Unter Zugrundelegung dieser gesetzlichen Anforderungen ist die Einschätzung des Beklagten, der Kläger sei waffenrechtlich unzuverlässig, gerechtfertigt.
aa) Zwar dürfte eine Unzuverlässigkeit des Klägers nicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG resultieren, auf den der Bescheid u.a. gestützt ist. Danach besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen vorliegen, die die Prognose eines nicht vorsichtigen oder unsachgemäßen Umgangs mit Waffen und Munition oder einer nicht sorgfältigen Verwahrung dieser Gegenstände rechtfertigt. Es dürfte hierfür nicht ausreichen, dass der Kläger 2015 stark alkoholisiert mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,83 Promille ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt hat (vgl. aber VG Köln, Urteil vom 14. September 2022 – 8 K 2784/21 –, juris Rn. 39 zum wortlautidentischen § 17 Abs. 3 Nr. 2 BJagdG), sondern es zusätzlich Anhaltspunkte für einen Waffenumgang im alkoholisierten Zustand bedarf (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2014 – 6 C 30/13 –, juris Rn. 19; OVG Münster, Urteil vom 28. Februar 2013 – 20 A 2430/11 –, juris Rn. 24; Gade, 3. Aufl. 2022, WaffG § 5 Rn. 13b; zum Verhältnis von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 5 WaffG vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 26. Oktober 2018 – 1 S 1726/17 –, juris Rn. 46 ff.).
bb) Der Kläger ist aber als waffenrechtlich unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b WaffG einzustufen.
Dem Gericht ist es nicht verwehrt, die Annahme der Unzuverlässigkeit des Klägers auf einen anderen Tatbestand als in dem Bescheid genannt zu stützen. Denn es hat von Amts wegen zu prüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt mit dem objektiven Recht im Einklang steht und im Rahmen dieser Prüfung alle einschlägigen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen, ohne dass es darauf ankommt, ob diese von der den Bescheid erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsakts angeführt worden sind oder nicht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2014 – OVG 3 B 14.12 –, juris Rn. 29).
Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, die wegen einer vorsätzlichen Straftat oder wegen einer fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind und wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind. Diese Voraussetzungen sind im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung in der Person des Klägers erfüllt. Dieser wurde vom Amtsgericht Prenzlau mit Strafbefehl vom 14. Oktober 2015 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) und damit wegen einer gemeingefährlichen Straftat zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen sowie mit Strafbefehl vom 26. Januar 2016 wegen vorsätzlichem Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt. Die Strafbefehle sind rechtskräftig und stehen einem Urteil gleich, vgl. § 410 Abs. 3 StPO.
Ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der gesetzlichen Regelvermutung rechtfertigt, ist nicht gegeben.
Eine Abweichung von der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG kommt nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Erforderlich ist danach eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt (BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2008 – 3 B 12.08 – juris Rn. 5 m.w.N.; VGH München, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 21 CS 18.659 – juris Rn. 19; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. August 2014 – OVG 11 N 116.12 – juris Rn. 16).
Derartige Umstände liegen nicht vor. Die tatbezogene Prüfung gibt keinen Anlass, von der gesetzlichen Regelvermutung abzuweichen.
Der dem Strafbefehl des Amtsgerichts Prenzlau vom 14. Oktober 2015 lag eine typische Trunkenheitsfahrt zugrunde, die höchstens insoweit vom Normalfall abweicht, als dass die vom Kläger nach dem Vorfall entnommene Blutprobe eine ungewöhnlich hohe Blutalkoholkonzentration von 1,83 Promille aufwies. Eine Fahrt mit einer derartigen Blutalkoholkonzentration stellt kein Bagatelldelikt dar. Auch sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die den Kläger zu dieser Trunkenheitsfahrt genötigt hätten und diese deshalb in einem besonders milden Licht erscheinen lassen würden. Denn der Kläger befand sich in keiner Notsituation. Weder die Tat selbst noch die hiermit im Zusammenhang stehenden Umstände geben auch nur ansatzweise einen Hinweis darauf, dass die Verfehlung besonders milde zu bewerten wäre.
Soweit der Kläger vorträgt, die Trunkenheitsfahrt sei allein auf die zum damaligen Zeitpunkt bestandene Alkoholproblematik, die er aber durch eine dauerhafte Abstinenz überwunden habe, zurückzuführen, kann die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit durch die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht entkräftet werden (VGH Mannheim, Beschluss vom 13. April 2007 – 1 S 2751/06 –, juris Rn. 10; VG Minden, Gerichtsbescheid vom 14. September 2007 – 8 K 570/07 –, juris Rn. 21; in diese Tendenz auch VGH Kassel, Beschluss vom 22. November 2016 – 4 B 2306/16 – juris 22; a.A. aber (noch) VGH Kassel, Urteil vom 22. November 1994 – 11 UE 1428/93 –, juris Rn. 35 f.; offen gelassen VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 6. November 2006 – 4 K 1745/06 –, Rn. 4). Denn aus waffenrechtlicher Sicht ist ohne Belang, wie eine Wiederholungsgefahr im Hinblick gerade auf den Straftatbestand, der Gegenstand der Verurteilung gewesen ist, einzuschätzen ist. Daher ist unerheblich, wenn nach Verurteilung wegen Trunkenheit im Straßenverkehr die Fahreignung wiedererlangt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. September 1991 – 1 CB 24/91 –, juris Rn. 9). Die auf die Frage der Zuverlässigkeit bezogene Regelvermutung kann durch eine spätere Entwicklung, die in einem anderen Rechtsbereich – hier für das Fahrerlaubnisrecht – für die Frage der Eignung von Bedeutung ist, nicht durchbrochen werden. Anderenfalls würde die gesetzgeberische Entscheidung überspielt, im Waffenrecht im Interesse einer gesteigerten Effektivität der Gefahrenabwehr sowohl Zuverlässigkeit als auch Eignung zu verlangen (so VGH Mannheim, Beschluss vom 13. April 2007 – 1 S 2751/06 –, juris Rn. 10; vgl. auch VGH Kassel, Beschluss vom 22. November 2016 – 4 B 2306/16 –, juris Rn. 22).
Auch hinsichtlich der der Verurteilung wegen vorsätzlichem Fahrens ohne Fahrerlaubnis zugrundeliegenden Taten liegen keine ein Abweichen von der gesetzlichen Regelvermutung rechtfertigende Umstände vor. Soweit der Kläger diesbezüglich einwendet, es sei fraglich, ob die von ihm befahrenen Strecken, die in seinem Jagdrevier lägen, zum öffentlichen Straßenverkehr gehörten und damit der Straftatbestand erfüllt sei; jedenfalls läge insoweit ein Verbotsirrtum vor, von einer vorsätzlichen Tat könne daher nicht ausgegangen werden, führt dies nicht zum Erfolg. Denn die Behörde darf ebenso wie das Gericht regelmäßig von der Richtigkeit des Strafurteils ausgehen (BVerwG, Beschluss vom 27. März 2007 – 6 B 108/06 – juris Rn. 6; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Februar 2015 – OVG 11 S 70.14 – juris Rn. 5; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. August 2014 – OVG 11 N 116.12 –, juris Rn. 6). Etwas anderes ergibt sich nur in Ausnahmefällen, etwa dann, wenn ohne weiteres erkennbar ist, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht oder wenn die Waffenbehörde bzw. das Gericht ausnahmsweise in der Lage ist, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Februar 2015 – OVG 11 S 70.14 –, juris Rn. 5). Davon kann hier nicht ausgegangen werden.
Auch das Vorbringen des Klägers, er habe sich aufgrund der kurz zuvor ereigneten Trunkenheitsfahrt in einer Schockstarre befunden und aus Scham, den Verlust der Fahrerlaubnis gegenüber den Kollegen einzugestehen, gehandelt, kann die Annahme eines Ausnahmefalls nicht rechtfertigen. Ungeachtet der Frage, ob die Angaben insbesondere zum Vorliegen einer Schockstarre glaubhaft sind (vgl. insbesondere die Einlassungen des Klägers im Rahmen der medizinisch-psychologischen Begutachtung, S. 12 d. Dekra-Gutachtens vom 24. Januar 2017), ist insbesondere einzustellen, dass die Tat nicht ein einmaliges Fehlverhalten betrifft, sondern der Kläger an nahezu drei aufeinanderfolgenden Tagen trotz der zuvor erfolgten Sicherstellung des Führerscheins gefahren ist. Er handelte auch nicht in einer Notsituation.
Da der Kläger als waffenrechtlich unzuverlässig anzusehen ist, sind die waffenrechtliche Erlaubnisse gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG zu widerrufen, ohne dass ein behördliches Ermessen besteht. Dies gilt insbesondere dann, wenn die für die Erteilung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG vorausgesetzte Zuverlässigkeit nicht mehr besteht (VGH München, Beschluss vom 4. Mai 2018 – 21 CS 17.2566 –, juris Rn. 16).
2. Gegen die in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids angeordneten und auf § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG beruhenden Pflichten, die im Besitz des Klägers befindlichen Waffen und Munition unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen, bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insbesondere sind die Maßnahmen verhältnismäßig.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
BESCHLUSS
Der Streitwert wird auf 8.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. In Anlehnung an Ziffer 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit werden für den Widerruf der Munitionserwerbsberechtigung und der Waffenbesitzkarte einschließlich einer Waffe ein Betrag von 5.000 Euro angesetzt sowie für jede weitere darin eingetragene Waffe jeweils 750 Euro hinzugerechnet. Die Verpflichtungen in Ziffer 2 des Streitwertkatalogs wirken sich nicht streitwerterhöhend aus.