Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Gegenvorstellung

Gegenvorstellung


Metadaten

Gericht VG Cottbus 8. Kammer Entscheidungsdatum 23.01.2023
Aktenzeichen VG 8 K 712/22 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2023:0123.8K712.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 103 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 152a VwGO, § 153 VwGO

Tenor

Der Antrag des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Gründe

Über den Antrag, mit dem der Kläger sinngemäß begehrt, das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 14. Juli 2021 – VG 3 K 1612/19 – auf seine hiergegen gerichtete Gegenvorstellung vom selben Tage hin aufzuheben und das Verfahren wieder aufzugreifen, darf die Einzelrichterin, der der Rechtsstreit mit Beschluss der Kammer vom 29. Dezember 2022 gemäß § 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Entscheidung übertragen worden ist, gemäß § 122 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, da der gesetzlich nicht vorgesehene Antrag nicht geeignet ist, ein Klage-, Rechtsmittel- oder Wiederaufnahmeverfahren einzuleiten (vgl. auch Bundessozialgericht, Beschluss vom 29. Mai 1991 – 4 RA 12/91 –, juris Rn. 9).

1. Der Antrag ist zurückzuweisen. Gegenvorstellungen gegen Urteile sind gesetzlich nicht vorgesehen und unstatthaft. Denn gemäß § 318 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 173 Satz 1 VwGO ist das Gericht an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden. Insofern hat es keine Befugnis, ein dergestalt bindendes Urteil auf eine Gegenvorstellung hin abzuändern oder aufzuheben (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 8. März 1995 – 11 C 25/93 –, juris Rn. 1; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 13. August 1986 – 5 TG 2642/85 –, juris Rn. 2 und 4; Bundessozialgericht, Beschluss vom 29. Mai 1991 – 4 RA 12/91 –, juris Rn. 10 f.). Dementsprechend betrifft auch das auf Art. 17 des Grundgesetzes (GG) gestützte Recht der Verfahrensbeteiligten, gegenüber dem Gericht Änderungen von Entscheidungen anzuregen, nur solche (Zwischen-)Entscheidungen, die von Amts wegen geändert werden können (vgl. W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 152a Rn. 7).

Auch soweit der Kläger die Verletzung des verfassungsrechtlich in Art. 103 Abs. 1 GG verankerten Grundsatzes des rechtlichen Gehörs rügt, gilt nichts Anderes. Zwar wurde in der Rechtsprechung erwogen, inwieweit die Fachgerichte in besonderen Ausnahmefällen aus verfassungsrechtlichen Gründen etwa wegen offenkundiger Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und 103 Abs. 1 GG gehalten sein könnten, grob rechtswidrige gerichtliche Entscheidungen aufzuheben oder abzuändern (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, juris Rn. 4 ff.; und Beschluss vom 8. Juli 1986 – 2 BvR 152/83 –, juris Rn. 12 ff.; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 8. März 1995 – 11 C 25/93 –, juris Rn. 1; Bundessozialgericht, Beschluss vom 29. Mai 1991 – 4 RA 12/91 –, juris Rn. 11). Dem ist der Gesetzgeber jedoch mit Einführung der Anhörungsrüge in § 152a VwGO begegnet, mit der nunmehr eine gesetzlich normierte, fachgerichtliche Rechtsschutzmöglichkeit in Form eines außerordentlichen Rechtsbehelfs zur Verfügung steht, so dass auch aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Notwendigkeit mehr besteht, auf nicht normierte außerordentliche Rechtsbehelfe wie die Gegenvorstellung zurückzugreifen. Diese wird vielmehr durch § 152a VwGO ausgeschlossen (vgl. W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, Vorb § 124 Rn. 9a).

2. Die Gegenvorstellung des Klägers war hier auch nicht als Anhörungsrüge in diesem Sinne auszulegen. Denn auch diese wäre hier unstatthaft.

Gemäß § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO ist das Verfahren auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten vielmehr nur dann fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist (Nr. 1).

Hier wendet sich der Kläger jedoch gegen ein erstinstanzliches Urteil, das mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung bzw. mit einer Berufung (§§ 124, 124a VwGO) und ggf. auch einer Revision (§§ 132, 133 VwGO) angreifbar ist. Da diese auch auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützt werden können (§124a Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO und §§ 133 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr: 3 VwGO), ist die Anhörungsrüge hier ausgeschlossen.

Die hier in seiner Gegenvorstellung erhobenen Rügen hätte der Kläger demgemäß im Rahmen seines Antrags auf Zulassung der Berufung gegen das hier in Rede stehende Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus erheben können. Dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg diesen Antrag mit Beschluss vom 1. November 2021 – OVG 10 N 70/21 – mangels fristgemäßer Begründung als unzulässig verworfen hat, ändert hieran nichts. Eine Anhörungsrüge ist auch dann ausgeschlossen, wenn das gesetzlich vorgesehene Rechtsmittel nicht mehr eingelegt werden kann oder erfolglos war. Soweit der Kläger der Auffassung ist, dass bei einer „krass rechtswidrigen Entscheidung“, wie er sie hier behauptet, ein „Durchbrechen der Rechtskraft in einem Rechtsstaat wohl möglich“ sein müsse, ist darauf hinzuweisen, dass das Grundgesetz im Bereich des Art. 19 Abs. 4 GG wie auch in dem des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs zwar das Offenstehen des Rechtswegs sichert, jedoch keinen unbegrenzten Rechtsweg eröffnet. Vielmehr fordert das Rechtsstaatsprinzip, dass jeder Rechtsstreit um der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens willen irgendwann ein Ende findet. Wann dies der Fall ist, entscheidet das Gesetz. Insofern genügt die Möglichkeit, eine behauptete Rechtsverletzung bei einem gerichtlichen Verfahrenshandeln einer einmaligen gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen. Ist ein Rechtsmittel gegen die gerichtliche Entscheidung gegeben, das auch zur Überprüfung der behaupteten Verletzung des Verfahrensgrundrechts führen kann, ist dem Anliegen der Justizgewährung hinreichend Rechnung getragen (vgl. zum Ganzen: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, juris Rn. 17 f., 49 f.).

3. Schließlich war die Gegenvorstellung auch nicht in einen Antrag nach § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 578 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) umzudeuten. Der bloße Hinweis seines anwaltlichen Prozessbevollmächtigten, dass der Kläger „möglicherweise diesen Antrag stellen wollte“, lässt weder hinreichend ein entsprechendes, unbedingtes Klagebegehren erkennen, das ohnehin den falschen Beklagten bezeichnete, noch genügt es den Anforderungen der §§ 578, 587 ZPO, wonach die Klageschrift die Erklärung enthalten muss, ob die Wiederaufnahme des Verfahrens durch eine Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO) oder eine Restitutionsklage (§ 580 ZPO) erfolgt. Da die Gegenvorstellung des Klägers, deren Bescheidung er ausdrücklich begehrt und deren Erwägungen er hier zur Begründung wiederholt und weiter ausführt, bereits vom 14. Juli 2021 stammt, ist sein nunmehriger Antrag, den er ursprünglich am 31. März 2022 beim Sozialgericht Cottbus anhängig gemacht hatte, auch von vorn herein nicht geeignet, die einmonatige Klagefrist des § 586 Abs. 1 und 2 ZPO zu wahren, nachdem das angegriffene Urteil bereits am 1. November 2021 rechtskräftig geworden ist. Ebenso wenig hat der Kläger Wiederaufnahmegründe im Sinne der §§ 579 f. ZPO vorgetragen, namentlich genügt, soweit er maßgeblich ein strafbares Verhalten von Zeugen und Gerichtspersonen behauptet, dies allein nicht für die Annahme eines Wiederaufnahmegrundes im Sinne von § 580 Nr. 1 bis 5 ZPO, der vielmehr eine entsprechende strafrechtliche Verurteilung voraussetzt (vgl. MüKoZPO/Braun/Heiß, 6. Aufl. 2020, ZPO § 580 Rn. 15).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO analog. Mangels entsprechenden Gebührentatbestandes im Kostenverzeichnis des Gerichtskostengesetzes (Anlage I zu § 3 Abs. 2) ist das Verfahren gerichtskostenfrei; die ursprüngliche Festsetzung eines vorläufigen Streitwertes ist gegenstandslos.