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Entscheidung 6 U 26/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 6. Zivilsenat Entscheidungsdatum 17.01.2023
Aktenzeichen 6 U 26/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0117.6U26.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 17. März 2022 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az. 13 O 156/21, wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel auf Unterlassung vermeintlich unlauterer Handlungen nach UWG in Anspruch betreffend die Abgabe von für den professionellen Nutzerkreis bestimmten Corona-Antigen-Schnelltests an Verbraucher. Daneben begehrt er den Ersatz des von ihm für einen Testkauf aufgewendeten Geldbetrages sowie die Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten. Die Beklagte verlangt widerklagend die Erstattung der zur Abwehr der klägerischen Abmahnung entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Der Kläger betreibt unter anderem den Webshop „https: <u>www.m...de/</u>“ und verkauft dort neben anderen Produkten Corona-Antigen-Schnelltests. Die Beklagte vertreibt über ihre Webseite „https://www.m-m...de/“ sowie über die Verkaufsplattform eBay ebenfalls unter anderem Corona-Antigen-Schnelltests. Sie bot im Frühjahr 2021 dabei auch den für die Abgabe an Verbraucher nicht zugelassenen Antigentest „JOYSBIO SARS-CoV-2 Antigen Rapid Test Kit (Colloidal Gold)“ (im Folgenden: JOYSBIO) auf der Verkaufsplattform eBay zum Kauf an (K2). In dem Angebot heißt es: „Dieses Angebot des Coronatests richtet sich ausschließlich an gewerbliche Kunden (Ärzte, Personen aus dem Gesundheitswesen) mit entsprechendem Fachpersonal. Mit dem Kauf bestätigen Sie, dass Sie die Bestellung für gewerbliche/medizinische Zwecke tätigen und Sie die Produkte an entsprechendes Fachpersonal übergeben.“ Unter der Bezeichnung „Rücknahme“ hieß es weiter: „Verbraucher können den Artikel zu den unten angegebenen Bedingungen zurückgeben“.

Der Kläger erlangte am 11. Mai 2021 Kenntnis von diesem Angebot und forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 12. Mai 2021 zur Abgabe einer Unterlassungserklärung des Inhalts auf, es bei Meidung einer Vertragsstrafe zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd Medizinprodukte, die unter die Abgabebeschränkung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV) fallen, ohne entsprechende Genehmigung an andere als die im Medizinproduktegesetz (MPG) oder die in § 3 Abs. 4 oder Abs. 4a MPAV benannten Einrichtungen oder Personen abzugeben. Zur Begründung führte der Kläger aus, der Test könne trotz des Hinweises der Beklagten von jedermann, also auch von Verbrauchern, gekauft werden. Die Beklagte wies die Ansprüche mit anwaltlichem Schreiben vom 25. Mai 2021 als unberechtigt zurück (K6).

Nach Absenden der Abmahnung bestellte der Kläger noch am 12. Mai 2021 einen Test der Marke „JOYSBIO“ über das eBay-Angebot der Beklagten. Diese forderte den Kläger mit Email vom selben Tag auf, einen Nachweis zu erbringen, dass er zum berechtigten Personenkreis gemäß § 3 Abs. 4 bzw. 4a MPAV gehöre und wies ihn zugleich darauf hin, dass eine Stornierung der Bestellung erfolgen werde, sollte der Nachweis nicht bei ihr eingehen. In der Folge wurde der bestellte Test nicht an den Kläger versendet.

Der Kläger veranlasste sodann über den privaten eBay-Account eines Bekannten am 27. Mai 2021 eine weitere Bestellung bei der Beklagten, und zwar des - zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nicht zur Abgabe an Verbraucher zugelassenen - „Green Spring SARS-CoV-2 Antigen Schnelltest Set (Kolloidales Gold)“ (im Folgenden: Green Spring). Das Bestellformular sah bei dieser Gelegenheit ein Kontrollkästchen vor, in das der Besteller im Rahmen des Bestellvorgangs ein Häkchen zu setzen hatte zum Nachweis, dass die bestellende Person die notwendige Berechtigung innehatte. Nach Zahlung von 8,60 € durch den Kläger stellte die Beklagte am 28. Mai 2021 eine Rechnung über den Kauf aus, in der der nämliche Tag als Versanddatum vermerkt war (K 7). Dieser Test wurde an den Besteller versandt, wann er zuging, ist nicht vorgetragen.

Am 31. Mai 2021 wurde dem Antigen-Test „Green Spring“ vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (im Folgenden: BfArM) eine befristete Sonderzulassung zu Eigenanwendung gemäß § 11 MPG erteilt und damit zur Abgabe an Verbraucher freigegeben.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24. Juni 2021 forderte der Kläger die Beklagte unter Bezugnahme auf die Bestellung vom 27. Mai 2021 erneut zur Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung auf (K8). Dies wies die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 30. Juni 2021 zurück (K9).

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte gehe unlauter vor, indem sie Corona Antigen-Schnelltests, die nicht für die Eigenanwendung zugelassen seien, auf der Verkaufsplattform eBay vertreibe. Bei eBay handele es sich nicht um eine reine B2B Plattform, es sei daher und infolge der gesonderten Belehrung über die Verbrauchern eröffnete Rückgabemöglichkeit davon auszugehen, dass die Beklagte den Test „JOYSBIO“ auch an Verbraucher verkauft habe. Auch der Verkauf des Tests „Green Spring“ am 27. Mai 2021 sei als unlauter zu bewerten, weil die Beklagte das Produkt noch vor dessen Zulassung für die Eigenanwendung an einen Verbraucher abgegeben habe. Maßgeblich für die Bestimmung des Abgabezeitpunkts sei das Datum des Vertragsschlusses. Wie aus der Rechnung der Beklagten vom 28. Mai 2021 erkennbar sei, habe die Beklagte den Test zudem bereits vor seiner Zulassung für die Eigenanwendung am 31. Mai 2021 versandt. Zudem hätte der konkret versendete Test ohnehin nicht an Verbraucher abgegeben werden dürfen, weil er die bei einer Abgabe an Verbraucher erforderliche Kennzeichnung als „Test zur Eigenanwendung - Befristete Sonderzulassung zur Eigenanwendung nach § 11 MPG in Deutschland (BfArM Gz.5640-S474/21)“ weder auf der Umverpackung noch in der Gebrauchsanweisung enthalten habe.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es ihr zu untersagen, im Wettbewerb handelnd Medizinprodukte, die unter die Abgabebeschränkung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV) fallen, ohne entsprechende Genehmigung an andere als die im Medizinproduktegesetz oder die in § 3 Abs. 4 oder Abs. 4a MPAV benannte Einrichtungen oder Personen abzugeben, wie in Anlage K2 und K3 geschehen;

2. für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, anzudrohen;

3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 8,60 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger nicht streitwerterhöhende vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.134,55 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, dem Kläger stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Er habe in der Abmahnung vom 12. Mai 2021 nicht auf eine konkrete Verletzungshandlung Bezug genommen, sondern nur vermutet, dass sie nicht für die Eigenanwendung zugelassene Tests auch an Verbraucher abgebe. Da die Verkaufsplattform nicht ausschließlich B2C, sondern auch B2B Transaktionen vermittele, könne aus dem bloßen Angebot von nicht für die Eigenanwendung zugelassenen Tests allerdings nicht darauf geschlossen werden, dass sie diese auch an Verbraucher abgebe. Zu der Bestellung vom 27. Mai 2021 hat sie vorgetragen, sie habe den „Green Spring“-Test nicht vor dem 31. Mai 2021 versendet und damit erst nach seiner Sonderzulassung für die Eigenanwendung abgegeben. Für die Beurteilung, zu welchem Zeitpunkt die Abgabe des Tests erfolgt sei, sei der Zeitpunkt des Eingangs der Ware beim Kunden maßgeblich; ein Zugang der Ware vor dem 31. Mai 2021 sei selbst dann unmöglich, wenn sie den Test am 28. Mai 2021 versandt hätte. Ein etwaiger Verstoß gegen die MPAV sei ihr auch deshalb nicht vorzuhalten, weil der Besteller im Rahmen des Kaufvorganges im Internet durch Setzen eines Kontrollhäkchens bestätigt habe, dass er zu dem nach § 3 Abs. 4 bzw. 4a MPAV berechtigten Personenkreis gehöre. Schließlich hat die Beklagte geltend gemacht, dass der Kläger rechtsmissbräuchlich handele. Dazu hat sie die Ansicht vertreten, die Abmahnung vom 24. Juni 2021 sei nach § 8c Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 UWG unzulässig und der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter übten wegen vermeintlicher Wettbewerbsverstöße im Internethandel eine umfangreiche Abmahntätigkeit aus.

Die Beklagte hat im Wege der Widerklage gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der ihr durch zur Abwehr der Abmahnung vom 12. Mai 2021 entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.134,55 € erhoben, den sie vorprozessual gegenüber dem Kläger mit Fristsetzung zum 2. Juni 2021 geltend gemacht hatte.

Sie hat widerklagend beantragt,

den Kläger zu verurteilen, an sie 1.134,55 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. Juni 2021 zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, die von ihm ausgesprochene Abmahnung sei berechtigt gewesen. Insbesondere komme dem Umstand, dass er den Testkauf erst nach der Abmahnung vom 12. Mai 2021 getätigt habe, keine Bedeutung zu, da der Testkauf nicht die Verletzungshandlung als solche darstelle, sondern diese lediglich nachweise.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage bis auf einen Teil des Zinsanspruches stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei abzuweisen, weil eine unlautere Handlung nicht nachgewiesen sei und es deshalb an einer Wiederholungsgefahr fehle. Der Beklagte habe nicht gegen § 3 Abs. 4 MPAV verstoßen, weil die Vorschrift auf die „Abgabe“ von In-vitro-Diagnostika abstelle, es mithin erforderlich sei, dass der Anwender in den tatsächlichen Besitz des Produkts gelange. Der Abschluss eines Kaufvertrags bzw. der Versand bei Internetgeschäften genügten nicht. Anlässlich des Testkaufs am 12. Mai 2021 sei das Produkt aber noch nicht einmal versendet worden und hinsichtlich des Testkaufs vom 27. Mai 2021 habe der Kläger nicht vorgetragen, dass der Testkäufer das Produkt vor dem 31. Mai 2021 erhalten habe, ab diesem Tag sei das Produkt aber für die Eigenanwendung zugelassen gewesen und ein Abgabeverbot habe nicht mehr bestanden. Konkrete Anhaltspunkte für eine Erstbegehungsgefahr seien nicht vorgetragen.

Mangels Unterlassungsanspruchs stehe dem Kläger auch kein Anspruch auf Schadensersatz zu. Ein Anspruch auf Erstattung entstandener Abmahnkosten bestehe nicht, weil das Abmahnschreiben die gerügte Verletzungshandlung in tatsächlicher Hinsicht nicht so detailliert geschildert habe, dass deutlich werde, was konkret beanstandet und abgestellt bzw. künftig unterlassen werden solle.

Die Widerklage sei nach § 13 Abs. 5 Satz1 UWG ganz überwiegend begründet. Die Beklagte könne die Erstattung der ihr entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen, denn sie habe sich nach der unzureichenden Abmahnung des Klägers anwaltlicher Hilfe versichern dürfen. Unbegründet sei die Widerklage allerdings, soweit die Beklagte Zinsen in der in § 288 Abs. 2 BGB bestimmten Höhe verlange, ihr stünden lediglich Zinsen nach § 288 Abs. 1 BGB zu.

Der Kläger hat gegen das ihm am 21. März 2022 zugestellte Urteil mit am 31. März 2022 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 16. Mai 2022 eingegangenem Schriftsatz begründet. Er wendet sich gegen das landgerichtliche Urteil, soweit es die Klage abgewiesen und der Widerklage ganz überwiegend stattgegeben hat.

Er ist der Ansicht, das Landgericht habe zu Unrecht einen Verstoß der Beklagten gegen die Vorschriften der MPAV verneint. Das gesamte, nicht ausschließlich an Fachkreise gerichtete Verkaufsangebot der Beklagten bei eBay belege, dass die Beklagte Antigentests auf SARS-Cov-2 zur professionellen Anwendung auch an Verbraucher und damit an andere als die in § 3 Abs. 4, 4a MPAV genannten Personen bzw. Einrichtungen abgebe. Dass das Angebot ausdrücklich an Verbraucher gerichtet sei, ergebe sich bereits daraus, dass die Beklagte innerhalb des Verkaufsangebots Verbraucher auf das (nur ihnen zustehende) gesetzliche Widerrufsrecht hinweise. Die Beklagte prüfe bei Abschluss des Geschäftes auch nicht, ob es sich beim Käufer um eine im Sinne des MPAV zum Empfang berechtigte Person handele. Das Vorhalten eines Kästchens, das der Besteller zum Nachweis seiner Berechtigung ankreuzen könne, sei unzureichend.

Dass die Beklagte die Vorgaben der MPAV nicht einhalte, sei jedenfalls mit dem Testkauf vom 27. Mai 2021 nachgewiesen worden, denn bei Abschluss des Kaufvertrages und Absendung der Bestellung sei der streitgegenständliche Test nicht auf der Liste der für die Eigenanwendung zugelassenen Produkte aufgeführt gewesen, gleichwohl aber einem Verbraucher überlassen worden. Die inkriminierte Verletzungshandlung sei damit vor der Sonderzulassung am 31. Mai 2021 begangen worden. Jedenfalls mit der Übergabe des Medizinprodukts an das Transportunternehmen sei die Abgabe bewirkt, weil der Verkäufer ab diesem Zeitpunkt keinen Einfluss mehr auf die tatsächliche Gewahrsamsbegründung durch den Kunden habe und damit die Gefahr einer unsachgemäßen Anwendung bestehe. Da beim Versendungskauf ein Fall der Schickschuld vorliege, habe der Unternehmer mit der Übergabe an die Transportperson seine Leistung erbracht.

Selbst wenn aber auf einen möglichen Zugang des Produkts beim Verbraucher abzustellen und eine Abgabe erst für den 31. Mai 2021 festzustellen wäre, liege ein Verstoß gegen die MPAV vor. Denn der dem Testkäufer auf die Bestellung vom 27. Mai 2021 übersandte Test habe auch am 31. Mai 2021 nicht über die notwendige Sonderzulassung verfügt, weil die Packung nicht die für die Abgabe an Verbraucher vorauszusetzende Aufschrift „Test zur Eigenanwendung - Befristete Sonderzulassung zur Eigenanwendung nach § 11 MPG in Deutschland (BfArM Gz.5640-S474/21)“ getragen und der Packung nicht der für die Abgabe an Verbraucher erforderliche Beipackzettel beigelegen habe.

Die Beklagte habe deshalb gegen eine Marktverhaltensregel verstoßen und unlauter im Sinne des § 3a UWG gehandelt. Er, der Kläger, könne im Ergebnis die begehrte Unterlassung und die Erstattung der Kosten für den Testkauf sowie der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts enthalte das Abmahnschreiben vom 12. Mai 2021 alle erforderlichen Angaben.

Infolge der berechtigten Abmahnung stehe der Beklagten nicht der widerklagend geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Rechtsverteidigung zu.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung

die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd Medizinprodukte, die unter die Abgabebeschränkung der Medizinprodukte-Abgabenverordnung (MPAV) fallen, ohne entsprechende Genehmigung an andere als die im Medizinproduktegesetz oder die in §§ 3 Abs. 4 bzw. 4a MPAV benannten Einrichtungen oder Personen abzugeben, wie in Anlage K2 und K3 geschehen;

2. dem Kläger 8,60 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen;

3. an den Kläger nicht streitwerterhöhende vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.134,55 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, sowie

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und rügt, die Anträge des Klägers spiegelten die behauptete Verletzungshandlung nicht wider. Die Testbestellung vom 27. Mai 2021 sei zudem von der ursprünglichen Abmahnung nicht umfasst.

Ein Verstoß gegen die MPAV liege nicht vor, weil auf die Testbestellung vom 12. Mai 2021 nichts versendet worden sei und der auf die Bestellung vom 27. Mai versandte Test erst beim Kunden eingegangen sei, als der Test bereits für die Eigenanwendung zugelassen gewesen sei. Sie habe zudem im Lauf des Bestellprozesses die Ankaufberechtigung des Bestellers im Sinne des § 3 Abs. 4, 4a MPAV hinreichend abgefragt. Soweit der Kläger behaupte, dass die Testverpackung bzw. die Produktinformation nicht die für die Abgabe an Verbraucher erforderliche Kennzeichnung enthielten, sei dies unerheblich, weil die gesetzlichen Voraussetzungen der Anlage 3 zur § 3 Abs. 4 MPAV allein durch die Entscheidung des BfArM, den Test in die entsprechende Liste aufzunehmen erfüllt würden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO) ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage sowohl betreffend den Unterlassungsanspruch als auch die Zahlungsansprüche abgewiesen und der auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichteten Widerklage zum ganz überwiegenden Teil stattgegeben.

1

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

a

Die Klage ist in allen drei Klageanträgen zulässig erhoben. Die von der Beklagten insoweit erhobenen Bedenken greifen nicht durch.

aa

Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG zur Geltendmachung des streitgegenständlichen Unterlassungsanspruches anspruchsberechtigt. Die Anspruchsberechtigung setzt ein Mitbewerberverhältnis zwischen Kläger und Beklagten voraus, sowie, dass der Mitbewerber Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt. Als Zulässigkeitsvoraussetzung ist die Anspruchsberechtigung im Wege des Freibeweises festzustellen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 8 UWG Rn. 3.29d).

Unstreitig ist, dass der Kläger wie die Beklagte Corona-Schnelltests im Fernabsatz vertreibt, er ist damit Mitbewerber der Beklagten im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Dass er entsprechende Tests nur in unerheblichem Maße oder nur gelegentlich vertreiben würde und ihm deshalb nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG die Anspruchsberechtigung fehlen würde, lässt sich entgegen der Ansicht der Beklagten allerdings nicht feststellen. Der Kläger hat durch Vorlage von Screenshots der eigenen Webseite nachgewiesen, dass er im Internet mehrere Corona-Schnelltests zum Kauf anbietet. Dem ist die Beklagte mit ihrem Vorbringen, im Hinblick auf die Vielzahl der von dem Kläger betriebenen Geschäfte sei schwerlich vorstellbar, dass der Kläger gleichzeitig jedes seiner vorbenannten Geschäfte mit hinreichend wirtschaftlichem Erfolg betreiben könne, so dass seine offenbar umfangreiche Abmahntätigkeit hierin ihre Rechtfertigung finde, nicht hinreichend entgegengetreten. Es ist zudem nicht maßgeblich, ob das maßgebliche Geschäft mit Erfolg betrieben wird. Mit der durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs mit Wirkung zum 2. Dezember 2020 eingefügten Bedingung soll Missbrauchsmöglichkeiten vorgebeugt werden, die sich aus einer nur pro forma, aber nicht ernsthaft und nachhaltig betriebenen Geschäftstätigkeit ergeben und sich durch ein Missverhältnis der Abmahntätigkeit zur sonstigen Geschäftstätigkeit auszeichnen können (BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 - I ZR 128/21 - Zweitmarkt für Lebensversicherungen II, Rn. 14). Nach der Gesetzesbegründung sowie mit Blick auf die erforderliche Effektivität der Durchsetzung des Lauterkeitsrechts dürfen dabei keine zu hohen Hürden an Umfang und Dauer der Geschäftstätigkeit gestellt werden (BT-Drs. 19/2084, 26). Auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmers kommt es für dessen Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG deshalb nicht an.

bb

Der Beklagten ist auch nicht darin zu folgen, dass der Kläger rechtsmissbräuchlich vorgehe und ihm deshalb die Prozessführungsbefugnis fehle, § 8c Abs. 1 UWG. Die dazu von der Beklagten vorgetragenen Indizien genügen für die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht.

Ein Missbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (BGH, Urteil vom 6. April 2000 - I ZR 76/98 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung, BGHZ 144, 165; Urteil vom 4. Juli 2019 - I ZR 149/18 - Umwelthilfe, GRUR 2019, 966 Rn. 3). Im Falle der gerichtlichen Geltendmachung eines wettbewerblichen Unterlassungsanspruches ist das Vorliegen eines Missbrauchs, da eine Prozessvoraussetzung betreffend, im Wege des Freibeweises zu prüfen (BGH, Versäumnisurteil vom 26. April 2018 - I ZR 248/16 - Abmahnaktion II, GRUR 2019, 199, Rn. 20). Grundsätzlich ist von der Zulässigkeit der Geltendmachung des Anspruches auszugehen, deshalb geht ein non-liquet zu Lasten des jeweiligen Beklagten. Dieser muss entsprechend Tatsachen darlegen für das Vorliegen eines Missbrauches und dafür Beweis antreten (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 8c Rn. 42 m.w.N.).

Die Beklagte hat ihre Ansicht, der Kläger gehe rechtsmissbräuchlich vor, damit begründet, dass der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter unberechtigte Abmahnungen, wie mit Schreiben vom 12. Mai 2021, aussprächen und eine umfangreiche Abmahntätigkeit im Hinblick auf vorgebliche Verstöße gegen die MPAV auch gegenüber Dritten entfalteten. Entsprechende Aspekte können zwar zu der Feststellung eines missbräuchlichen Vorgehens beitragen, lassen für sich genommen bei der zur Bewertung vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller Umstände auch unter Berücksichtigung der in § 8c Abs. 2 UWG aufgeführten Konkretisierungen des Missbrauchsverbots einen Rückschluss allerdings noch nicht zu, dass der Kläger mit seinem Vorgehen gegenüber der Beklagten überwiegend sachfremde Ziele verfolgt.

cc

Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Kläger auch keine prozessual unzulässige Klageänderung eingeführt, indem er geltend macht, der Verstoß der Beklagten gegen § 3 Abs. 4, 4a MPAV beruhe nicht nur auf der Abgabe von nicht für die Eigenanwendung zugelassenen Corona-Tests an Verbraucher, sondern auch auf einem Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht für die zur Eigenanwendung bestimmten Medizinprodukte. Eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO setzt eine Änderung des Streitgegenstandes nach Eintritt der Rechtshängigkeit voraus. An einer solchen nachträglichen Änderung fehlt es hier, denn der Kläger hat bereits mit der Klageschrift den behaupteten Verstoß gegen die Abgabebeschränkung nach MPAV sowohl mit der Versendung des Tests an einen Verbraucher als auch mit der Versendung eines nicht ordnungsgemäß für Verbraucher gekennzeichneten Tests begründet.

dd

Soweit die Beklagte schließlich moniert, die Klageanträge spiegelten die behauptete Verletzungshandlung nicht wider, soweit der Kläger geltend mache, dass die Sonderzulassung für die Eigenanwendung nach der MPAV auch eine ordnungsgemäße Kennzeichnung des Medizinproduktes voraussetze, steht dies der Zulässigkeit des Unterlassungsantrags nicht entgegen, sondern betrifft dessen Begründetheit.

b

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger kommt weder ein Anspruch zu auf Unterlassung des inkriminierten Verhaltens (Klageantrag 1) noch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Aufwendungen und Kosten (Klageantrag 2 und 3).

aa

Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, § 3a UWG iVm § 3 Abs. 4, 4a MPAV gegenüber dem Beklagten nicht zusteht. Es fehlt sowohl an der einen Unterlassungsanspruch begründenden Wiederholungs-, wie auch an einer Erstbegehungsgefahr.

(1)

Ein der Beklagten vorzuhaltender, eine Wiederholungsgefahr begründender Wettbewerbsverstoß ist nicht dargetan. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte eine infolge eines Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregelung unlautere geschäftliche Handlung begangen hat (1.1, 1.2). Selbst wenn eine unlautere geschäftliche Handlung festzustellen wäre, begründete dies keinen Unterlassungsanspruch, weil dem Kläger selbst unlauteres Verhalten vorzuhalten ist (1.3).

(1.1)

Zwar behauptet der Kläger einen Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung im Sinne der §§ 3, 3a UWG, der grundsätzlich einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG begründen könnte. Er macht insoweit geltend, dass die Beklagte beim Verkauf von Corona-Schnelltests im Internet die Vorgaben des § 3 Abs. 4, 4a MPAV nicht beachtet habe, indem sie Produkte an Verbraucher abgegeben habe, die nur für einen näher bezeichneten beschränkten Kreis professioneller Nutzer bestimmt waren. Den geltend gemachten Verstoß unterstellt, könnte ein die Unlauterkeit des Geschäfts begründender Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG vorliegen. § 3 Abs. 4, 4a MPAV enthält Vorgaben dazu, an welche Personengruppen In-vitro-Diagnostika speziell auch für den Nachweis des Coronavirus Sars-Cov-2 ausgegeben werden dürfen. Die Vorschriften stellen damit eine produktbezogene Absatzbeschränkung mit dem Ziel des Gesundheitsschutzes von Verbrauchern dar. Bestimmungen, die produktbezogene Absatzverbote oder Absatzbeschränkungen regeln, sind regelmäßig Marktverhaltensregelungen im Sinn des § 3a UWG (vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2009 - I ZR 189/07 - Golly Telly, WRP 2010, 869).

Der Anwendung des § 3a UWG steht im Streitfall auch nicht entgegen, dass die RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die nach ihrem Art. 4 in ihrem Anwendungsbereich die vollständige Harmonisierung der Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken bezweckt, welche die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen, keinen dieser Vorschrift vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Denn der Richtlinie steht von vorneherein eine nationale Regelung nicht entgegen, die in ihren Ausnahmebereich fällt (BGH, Urteil vom 27.04.2017 - I ZR 215/15 - Aufzeichnungspflicht, WRP 2017, 941 Rn. 28), dazu zählen nach § 3 Abs. 3 der RL 2005/29/EG Rechtsvorschriften in Bezug auf Gesundheitsaspekte.

(1.2)

Es lässt sich aber ein Verstoß gegen die Vorgaben des § 3 Abs. 4, 4a MPAV weder in Bezug auf den Bestellvorgang vom 12. Mai 2021 noch vom 27. Mai 29021 feststellen.

(1.2.1)

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, fehlt es im Zusammenhang mit dem Bestellvorgang vom 12. Mai 2021 betreffend den Test „JOYSBIO“ mangels Abgabe des Tests an einem Verstoß gegen § 3 Abs. 4, 4a MPAV.

§ 3 Abs. 4 und 4a MPAV reglementieren die Abgabe von In-vitro-Diagnostika, die für den direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV- 2 bestimmt sind, dahingehend, dass diese nur an Ärzte, bestimmte näher bezeichnete Einrichtungen und Arbeitgeber erfolgen darf, sofern die Diagnostika nicht für die Eigenanwendung zugelassen oder Gegenstand einer befristeten Sonderausnahme sind. Unstreitig verfügt der von dem Kläger am 12. Mai 2021 bestellte Test „JOYSBIO“ nicht über eine solche (Sonder-)Zulassung. Es fehlt aber gleichwohl an einem relevanten Verstoß, weil der Test nicht an den Kläger abgegeben worden ist.

Dem Schutzzweck des Medizinproduktegesetzes (MPG) entsprechend, wie er in § 1 dahingehend formuliert worden ist, dass es „Zweck dieses Gesetzes ist [..], den Verkehr mit Medizinprodukten zu regeln und dadurch für die Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte sowie die Gesundheit und den erforderlichen Schutz der Patienten, Anwender und Dritte zu sorgen“, setzt die Abgabe eines Medizinproduktes einen Wechsel in dem Besitz bzw. der Verfügungsgewalt hinsichtlich des von dem Gesetz erfassten Artikels voraus (Ratzel, in: Deutsch/Lippert/Ratzel/Tag/Gassner, Medizinproduktegesetz, 3. Aufl. 2017, § 3 Rn. 17; Rehmann/Wagner, MPG, 3. Aufl. 2018 § 3 Rn. 17). Denn der durch die Abgabebeschränkung bewirkte Schutz der Patienten vor Diagnostika, die für Laien nicht geeignet sind, wird erst relevant, wenn das betreffende Produkt tatsächlich in deren Hände gelangt. Unstreitig ist der am 12. Mai 2021 bestellte Test allerdings noch nicht einmal an den Kläger abgesandt worden und hat demnach den Verfügungsbereich des Klägers nicht erreicht.

Soweit der Kläger geltend macht, bereits das Angebot entsprechender Tests im Internet stelle einen relevanten Verstoß gegen die Regelung in § 3 Abs. 4, 4a MPAV dar, ist ihm nicht zu folgen. Das Vorrätighalten oder Feilbieten dieser Produkte begründet noch nicht die konkrete Gefahr, die das MPAV zu verhindern sucht (vgl. Rehmann/Wagner, a.a.O.), sondern ist Gegenstand der Regelungen des Heilmittelwerbegesetzes (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG). Einen Verstoß gegen die dort enthaltenen Regelungen macht der Kläger vorliegend allerdings weder nach dem Wortlaut seines Klageantrags noch nach dem Inhalt der Klagebegründung geltend.

(1.2.2)

Auch im Zusammenhang mit dem Bestellvorgang vom 27. Mai 2021 betreffend den Test „Green Spring“ ist ein Verstoß der Beklagten gegen § 3 Abs. 4, 4a MPAV nicht festzustellen.

Die am 27. Mai 2021 unter Nutzung des privaten eBay-Accounts eines Bekannten des Klägers aufgegebene Bestellung führte zwar unstreitig zu einer Versendung des Tests. Eine Zustellung der Sendung kann allerdings erst für den 31. Mai 2021 festgestellt werden, mithin für einen Zeitpunkt, an dem dem Test „Green Spring“ die Sonderzulassung für die Weitergabe an Verbraucher erteilt worden war. Die Beklagte hat einen früheren Zugang bestritten und der regelmäßige Postlauf spricht ebenfalls für eine Zustellung an diesem Tag. Dabei ist, mangels substantiierten anderweitigen Vortrags der Beklagten, von einer Versendung des Tests, wie auf der Rechnung vermerkt, am Freitag, dem 28. Mai 2021 auszugehen. Die Zustellung konnte deshalb nach dem regelmäßigen Lauf der Dinge nicht vor Montag, dem 31. Mai 2021 erwartet werden. Für einen früheren Zugang hat der für das Vorliegen des behaupteten Wettbewerbsverstoßes darlegungs- und beweisbelastete Kläger keinen Beweis angetreten.

Aufgrund der mit Wirkung zum 31. Mai 2021 erteilten Sonderzulassung widersprach die Abgabe des Tests zum Zeitpunkt der Erlangung des unmittelbaren Besitzes durch den Testkäufer nicht mehr dem Verbot in § 3 Abs. 4, 4a MPAV. Der Ansicht des Klägers ist nicht zu folgen, jedenfalls für den Fall der Versendung von Corona-Schnelltests müsse für die Abgabe im Sinne des MPAV nicht auf den Zeitpunkt des Zugangs beim Käufer, sondern auf den der Übergabe an die Transportperson abgestellt werden, so dass mithin die Rechtslage am 28. Mai 2021, zu dem eine Sonderzulassung des Tests „Green Spring“ noch nicht erteilt war, maßgeblich sei. Es entspricht zwar zivilrechtlichen Grundsätzen, dass der Verkäufer bei dem als Schickschuld bewerteten Verkauf im Versandhandel seine Leistung erfüllt, sobald der Verkaufsgegenstand an eine geeignete Transportperson übergeben und diese mit dem Transport beauftragt ist. Erfüllungsort in zivilrechtlicher Hinsicht ist demnach grundsätzlich die Niederlassung des Verkäufers und die Gefahr geht nach § 447 Abs. 1 BGB über mit Auslieferung der Sache an das Transportunternehmen (vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2003 - VIII ZR 302/02, NJW 2003, 2153). Allerdings gelten diese Regelungen, wie § 475 Abs. 2 BGB zeigt, bereits nicht uneingeschränkt. Zudem wirft die Übertragung zivilrechtlicher Grundsätze auf die Auslegung öffentlich-rechtlicher Ordnungsvorschriften systematische Bedenken auf. Regelungen betreffend die Frage, wann eine Kaufvertragsverpflichtung erfüllt ist und wer die Gefahr auf dem Transportweg trägt, dienen dem Interessenausgleich in der privatrechtlichen Beziehung zwischen Käufer und Verkäufer. Sie können keine Anknüpfungspunkte bieten für die Bestimmung der Reichweite eines zum Schutz des Verbrauchers bestehenden öffentlich-rechtlichen Abgabeverbotes.

Soweit der Kläger weiter die Ansicht vertritt, die Gefahr unsachgemäßer Anwendung durch den Verbraucher entstehe bereits mit Übergabe des Tests an das Transportunternehmen, da der Verkäufer danach keinen Einfluss mehr auf die tatsächliche Übergabe an den Verbraucher nehmen könne, stellt er für die Bestimmung der Reichweite des Verbots unzutreffenderweise auf die Person des Verkäufers ab. Es kommt nach dem Schutzzweck der MPAV allerdings nicht darauf an, ob der Verkäufer schuldhaft gehandelt oder alles in seiner Macht Stehende zur Verhinderung der mit der Ausgabe von nicht für die Eigenanwendung zugelassenen Tests verbundenen Gefahren getan hat, sondern ob für den Käufer eine Gefahr unsachgemäßer Anwendung bestehen kann. Eine solche kann aber nur dann vorliegen, wenn sich das Medizinprodukt in dessen tatsächlicher Verfügungsgewalt befindet.

(1.2.3)

Entgegen der Ansicht des Klägers unterlag die Abgabe des „Green Spring“-Tests bei dessen Zugang beim Testkäufer am 31. Mai 2021 auch nicht deshalb dem Verbot nach § 3 Abs. 4, 4a MPAV, weil die versandte Packung nicht über den Aufdruck: „Test zur Eigenanwendung - Befristete Sonderzulassung zur Eigenanwendung nach § 11 MPG in Deutschland (BfArM GZ: 5640-S-474/21) und eine entsprechende Information auf dem Beipackzettel verfügte. Das Fehlen entsprechender Angaben, das die Beklagte, die das Paket versendet hat und entsprechend über Kenntnisse in Bezug auf die Ausgestaltung der Packung verfügen muss, lediglich mit Nichtwissen und damit nicht erheblich bestritten hat, kann dabei unterstellt werden. Denn auch wenn die Angaben, wie vom Kläger behauptet, gefehlt haben sollten, führte dies nicht zu dem von dem Kläger geltend gemachten Verstoß gegen § 3 Abs. 4, 4a MPAV. Zwar macht der Kläger zu Recht geltend, dass In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung grundsätzlich bestimmten Anforderungen im Hinblick auf Informationspflichten unterliegen, wenn auch möglicherweise nicht in dem von ihm behaupteten Umfang (vgl. bis zum 25.05.2022: § 11 Abs. 2 MPG: Verpflichtung zur Beigabe von Informationen auf Deutscher Sprache; § 7 MPG in Verbindung mit Anhang I RL 98/79 Ziff. 8.4 lit. k: deutliche Hervorhebung, wenn Produkt zur Eigenanwendung bestimmt ist; seit dem 26.05.2022: § 1 Medizinprodukte–EU-Anpassungsgesetz [MPEUAnpG] in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2, Abs. 10 und Anhang 1 (Kapitel III) Ziff. 20.1 VO (EU) 2017/745). Allerdings war die Erteilung der Sonderzulassung zum maßgeblichen Zeitpunkt nach den Vorgaben des damals geltenden § 11 MPG nicht davon abhängig, dass die von dem Kläger als fehlend gerügte Kennzeichnung des Produkts als „zur Eigenanwendung“ erfolgt war. Ob eine Verletzung der vorgenannten Informationspflichten für sich genommen einen - eigenständigen - wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch begründen könnte und in welchem Umfang diese Informationspflichten bestehen, bedarf im Übrigen keiner Entscheidung, weil der den Gegenstand des Unterlassungsantrags bestimmende Klageantrag zu 1) ausdrücklich auf etwaige Verstöße gegen § 3 Abs. 4, 4a MPAV und nicht auf Verstöße gegen § 11 MPG Bezug nimmt.

(1.3)

Im Übrigen bestünde der klägerseits geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch dann nicht, wenn die Beklagte, wie der Kläger vertritt, im Zusammenhang mit der Bestellung vom 27. Mai 2021 ihren Verpflichtungen nach § 3 Abs. 4, 4a MPAV nicht nachgekommen wäre. Der Kläger könnte sich auf einen etwaigen Verstoß nämlich nicht berufen, weil die Bestellung vom 27. Mai 2021 unter bewusster Falschangabe betreffend die Berechtigung zum Erwerb des Produktes und damit in unlauterer Art und Weise ausgelöst worden ist.

Grundsätzlich ist es zwar zulässig, Testmaßnahmen zur Aufdeckung von Lauterkeitsverstößen eines Gewerbetreibenden durchzuführen. Der Unternehmer, der sich mit seinem Angebot an die Öffentlichkeit wendet, muss solche Maßnahmen im Interesse der Allgemeinheit und der betroffenen Mitbewerber dulden. Dies gilt jedoch nur solange, wie sich der Tester wie ein normaler Nachfrager verhält (BGHZ 43, 359, 267 - Warnschild; Urteil vom 26. Juni 1981 - I ZR 71/79, GRUR 19811, 827 - Vertragswidriger Testkauf; Urteil vom 25. April 1991 - I ZR 283/89, GRUR 1991, 843, Rn. 13 m.w.N.; Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 4 Rn. 4.161). Das bedeute nicht, dass jedes heimliche Vorgehen das Einschalten einer Testperson unzulässig machte, sonst könnte der Test niemals erfolgreich durchgeführt werden. Testmaßnahmen sind allerdings dann unlauter, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine begangene oder bevorstehende Verletzung vorliegen, der Tester vielmehr lediglich die Absicht verfolgt, einen Mitbewerber „hereinzulegen“ oder wenn er mit verwerflichen Mitteln, insbesondere rechtswidrigen Handlungen, oder bei fehlenden Anhaltspunkten für begangene oder bevorstehende Rechtsverletzungen auf einen Wettbewerbsverstoß hinwirkt (BGH, Urteil vom 25. Februar 1992 - X ZR 41/90 - Nicola, BGHZ 117, 264f.; Urteil vom 15. Juli 1999 - I ZR 204/96, GRUR 1999, 1017, 1019 - Kontrollnummernbeseitigung I; Urteil vom 11. Mai 2017 - I ZR 60/16 - Testkauf im Internet, GRUR 2017, 1140 Rn. 31). Ist dies, wie vorliegend, der Fall, ist das Unterlassungsbegehren rechtsmissbräuchlich.

Der Kläger oder die von ihm beauftragte Testperson hat sich mit der Bestellung vom 27. Mai 2021 zunächst über die auf der Webseite der Beklagten enthaltenen Hinweise hinweggesetzt, dass das Angebot von Coronatests sich ausschließlich an gewerbliche Kunden (Ärzte, Personen aus dem Gesundheitswesen) mit entsprechendem Fachpersonal richte und dass mit dem Kauf bestätigt werde, dass die Bestellung für gewerbliche/medizinische Zwecke betätigt und die Produkte entsprechendem Fachpersonal übergeben werden. Dass dieser Hinweis auf der Webseite enthalten war, steht aufgrund der landgerichtlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil fest, die der Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Testperson hat zudem mit dem Setzen eines Häkchens in den dazu vorgegebenen Kasten die Erklärung abgegeben, über die zum Erwerb der Produkte notwendige Berechtigung zu verfügen. Der Kläger hat nicht wirksam bestritten, dass das Setzen des Häkchens Voraussetzung für den Abschluss des Bestellvorgangs war. Er hat schriftsätzlich den dahingehenden Vortrag „vorsorglich“ in Zweifel gezogen und dazu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, es sei ihm „nicht mehr sicher erinnerlich gewesen, ob bei dem Bestellvorgang ein Kästchen zu setzen war“. Da es sich um einen Vorgang aus seiner eigenen Wahrnehmung bzw. derjenigen, der für ihn handelnden Testperson, handelt, genügt dies für ein erhebliches Bestreiten nicht.

Infolge dieses unredlichen Verhaltens des vom Kläger eingeschalteten Testkäufers, das darauf angelegt war, Vorsorgemaßnahmen der Beklagten zur Verhinderung eines Wettbewerbsverstoßes zu umgehen, ist es dem Kläger verwehrt, sich auf einen Verstoß der Beklagten gegen § 3 Abs. 4, 4a MPAV zu berufen. Es fehlt damit an einer Wiederholungsgefahr.

(2)

Der Unterlassungsanspruch ist auch unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr nicht begründet. Die Annahme einer Erstbegehungsgefahr setzt ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür voraus, dass der Anspruchsgegner sich in naher Zukunft rechtswidrig verhalten wird (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 - I ZR 96/20 - Kurventreppenlift, WRP 2022, 54 Rn. 35; Urteil vom 7. März 2019 – I ZR 53/18, GRUR 2019, 947 Rn. 32 – Bring mich nach Hause, m.w.N.). Solche Anhaltspunkte ergeben sich vorliegend nicht bereits daraus, dass die Beklagte auf die Bestellung vom 27. Mai 2021 hin den Test versandt hat, obwohl dessen Sonderzulassung für den Eigengebrauch erst am 31. Mai 2021 erteilt worden ist und auch nicht daraus, dass die Beklagte auf ihrer Webseite einen Hinweis darauf vorhielt, dass Verbrauchern ein Rückgaberecht zustehe. Denn die Versendung erfolgte in Ansehung der Bestellung vom 27. Mai 2021, in der der Testkäufer angegeben hatte, zu dem für den Kauf entsprechender Produkte qualifizierten Personenkreis zu gehören. Mit dem Abfordern einer entsprechenden Erklärung vor Abschluss des Bestellvorgangs hatte die Beklagte die ihr obliegenden Anforderungen im Rahmen der MPAV erfüllt, dafür Sorge zu tragen, dass die der MPAV unterliegenden Tests nur an berechtigte Personen abgegeben werden. Weitere Kontrollmaßnahmen oblagen ihr nicht. Weder die MPAV noch das MPG verpflichten den Unternehmer, entsprechende Prüfungen vorzunehmen, vielmehr führt er sie im Eigeninteresse aus, zur Meidung der in § 4 Abs. 3 MPAV statuierten Ordnungswidrigkeit. Eine Verpflichtung zu weitergehenden Kontrollen kann wegen ihrer den Verkäufer belastenden Wirkungen nicht im Wege der Rechtsfortbildung aus dem Schutzzweck der MPAV abgeleitet werden, sondern bedürfte einer Regelung durch den Gesetzgeber. Dieser hat Kontrollpflichten dort, wo nach der ihm zustehenden Abwägung der gegenseitigen Schutz- und Freiheitsinteressen notwendig, beispielsweise in § 10 Abs. 3, § 2 Abs. 2 JuSchG, eingeführt. Der in Ausübung politischen Ermessens zu treffenden Entscheidung des Gesetzgebers, an anderer Stelle entsprechende Kontrollpflichten (nicht) zu implementieren, kann die Rechtsprechung nicht vorgreifen.

Dass die Beklagte auf ihrer Webseite einen Hinweis auf ein Rückgaberecht für Verbraucher vorhielt, begründet ebenfalls nicht das ernsthafte Risiko, dass sie sich an die Vorgaben der § 3 Abs. 4, 4a MPAV nicht halten werde. Denn dass sie Tests, die nicht für die Eigenanwendung zugelassen waren, nur an den berechtigten Personenkreis abgibt, hat sie durch den entsprechenden Hinweis und die Notwendigkeit, die Berechtigung durch das Setzen eines Häkchens zu bestätigen, hinreichend deutlich gemacht. Zudem war die Beklagte auch im B2C-Geschäft tätig und konnte im Hinblick darauf, dass in der ersten Hälfte des Jahres 2021 infolge der grassierenden Corona-Epidemie auch die normativen Grundlagen für die der Bevölkerung zur Verfügung gestellten Tests einer fortwährenden Bearbeitung unterlagen, bereits Vorsorge treffen für eine mögliche Ausgestaltung der Webseite, sollte das zu bestellende Produkt eine Sonderzulassung für den Eigengebrauch erhalten. Im Übrigen erlaubt § 3 Abs. 4 Nr. 1 MPAV die Abgabe an Ärzte ohne weitere Einschränkungen, so dass kein Verstoß gegen die Vorschrift vorliegt, wenn dem betreffenden Arzt das In-vitro-Diagnostikum nicht in Ausübung seiner gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit, sondern als Verbraucher überlassen wird. Im Hinblick auf diese nicht auszuschließende Fallgestaltung ist der Hinweis auf ein Rückgaberecht für Verbraucher nicht unsachgemäß.

b

Ein Anspruch auf den mit dem Klageantrag zu 2. geltend gemachten Ersatz der Kosten für den Testkauf nach § 9 Satz 1 UWG besteht nicht, nachdem dieser aus den aufgezeigten Gründen einen Verstoß gegen § 3 UWG nicht aufgedeckt hat.

c

Schließlich kann der Kläger auch keine Erstattung der vorgerichtlich im Zusammenhang mit der Abmahnung der Beklagten entstandenen Rechtsanwaltskosten (Klageantrag zu 3) verlangen, weil die Abmahnung sowohl mit Schreiben vom 12. Mai 2021 wie auch mit Schreiben vom 24. Juni 2021 aus den aufgezeigten Gründen unberechtigt erfolgt ist.

2

Die Berufung bleibt ferner ohne Erfolg soweit sie sich gegen die auf die Widerklage erfolgte Verurteilung des Klägers zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten für die Abwehr der Abmahnung des Klägers vom 12. Mai 2021 richtet. Nachdem die Abmahnung mangels wettbewerbsrechtlichen Verstoßes der Beklagten unberechtigt erfolgt ist, hat die Beklagte gegenüber dem Kläger nach § 13 Abs. 5 Satz 1 UWG einen Anspruch auf Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen. Dass der geltend gemachte, nach einem Gegenstandswert von 15.000 € unter Ansatz einer 1,3fachen Gebühr nach VV RVG Nr. 2300 zzgl. einer Post- und Telekommunikationspauschale nach VV RVG Nr. 7002 und 19 % Umsatzsteuer (VV RVG Nr. 7008) berechnete Anspruch der Höhe nach diesen Anforderungen entspricht, hat der Kläger nicht in Zweifel gezogen.

III.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil der von den Umständen des Einzelfalls geprägten Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

 Streitwert II. Instanz:

 25.000 €, vgl. § 39 Abs. 1, § 43 Abs. 1, § 47 Abs. 1, § 48 Abs. 1, § 51 Abs. 1 und 2 GKG, §§ 3 ff. ZPO