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Entscheidung 3 U 53/21, 3 U 37/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 3. Zivilsenat Entscheidungsdatum 17.01.2023
Aktenzeichen 3 U 53/21, 3 U 37/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0117.3U53.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil des Landgerichts Neuruppin vom 28.05.2021 sowie die Berufung der Klägerin gegen das Schlussurteil des Landgerichts Neuruppin vom 04.02.2022, Az. jeweils 1 O 33/20, werden zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Berufungsverfahren zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Streithelfer, die diese selbst tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die in Ziffer 1 genannten Urteile des Landgerichts Neuruppin sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Wert des Berufungsverfahrens: 70.929,78 €

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche nach Beendigung eines Gewerbemietverhältnisses über eine Gasstätte in dem Erholungsbad (X).

Die Beklagte pachtete mit Pachtvertrag vom 05.11.2014 von der Klägerin als Eigentümerin eine Gewerbefläche im Erholungsbad (X) zum Betrieb eines Schank- und Speisegaststättenbetriebs innerhalb des Objekts (X), beginnend ab dem 15.11.2014. Der Pachtvertrag enthielt als Anlage eine Inventarliste, die die zur verpachteten Gaststätte gehörigen Gegenstände auflistet. Wegen der Einzelheiten des Pachtvertrages wird auf die Anlage K 1, Bl 19 ff Bezug genommen. Die Beklagte leistete vereinbarungsgemäß am 07.01.2015 Sicherheit für Schäden an der Pachtsache durch eine selbstschuldnerische Kautionsbürgschaft der … Allgemeine Versicherung AG in Höhe von 20.000 €. Nach dem Inhalt des Pachtvertrags war die Kaution drei Monate nach Beendigung des Pachtverhältnisses zurückzuzahlen, wenn der Verpächterin kein fälliger Anspruch aus dem Pachtvertrag zusteht.

Mit Aufhebungsvertrag vom 19.07.2019 (Blatt 54 ff) hoben die Parteien das Pachtverhältnis zum 31.08.2019 auf. Die Klägerin verpflichtete sich hierin zu einer Ausgleichszahlung an die Beklagte in Höhe von 58.000 €. Zudem enthält der Aufhebungsvertrag folgende Bestimmungen:

„ § 4 Einrichtungsgegenstände - Der Verpächter übernimmt die Einrichtungsgegenstände, welche vom Pächter in den Räumen untergebracht waren, gemäß der als Anlage beigefügten Inventarliste gegen eine Zahlung in Höhe von 32.000 €. [ ]. Die Übergabe findet am 31.08.2019 statt und bei der Übergabe der Einrichtungsgegenstände wird durch die Parteien ein Übergabeprotokoll gefertigt.“

Ferner enthält § 2 des Aufhebungsvertrages unter der Überschrift „Räumung des Pachtgegenstandes“ folgende Regelung:

„... Sind Arbeiten für die Beseitigung von Mängeln der Pachtsache erforderlich, haben diese bis zur Beendigung des Pachtverhältnisses zu erfolgen. Die Parteien fertigen ein Übergabeprotokoll.“

Die Klägerin hat erstinstanzlich als Anlage K 3.1 (Bl 97 der Akte) eine von beiden Parteien unterzeichnete Liste „Rückgabe Inventar (Y) an (X) vom 31.08.2019 vorgelegt, in der Mängel an den Inventargegenständen aufgelistet sind und bezeichnet ist, welche Gegenstände fehlen. Ferner hat sie eine aufgrund dieser Liste gefertigte Aufstellung über die vorgefundenen Mängel einschließlich der für deren Beseitigung veranschlagten Kosten vorgelegt. (Anlage K 2, Blatt 81 ff). Diese endet mit einer Kostenschätzung von 70.929,78 €.

Drüber hinaus hat sie eine weitere, ebenfalls von beiden Parteien unterzeichnete Inventarliste „Verkauf von (Y) an (X)“ vorgelegt (Bl 110 ff), in der ebenfalls Mängel und fehlendes Inventar aufgelistet sind. Aus einer hierzu von der Klägerin gefertigten Kostenaufstellung (Bl 117 ff) ergibt sich, dass die Klägerin davon ausging, dass bei der Rückgabe Gegenstände im Wert von 24.010,00 € fehlten.

Die Klägerin nahm die Kautionsbürgschaft in Anspruch, worauf hin ihr von der … Allgemeine Versicherung AG 20.000 € ausbezahlt wurden.

Mit Schreiben vom 05.09.2019 wandte sich die Klägerin an die Beklagte. In diesem Schreiben heißt es unter anderem:

„...“ zur Aufrechnung der bevorstehenden Instandsetzung sowie der fehlenden Gerätschaften behalten wir vorerst die letzte Rate der im Auflösungsvertrag festgesetzten Summe ein. Des Weiteren behalten wir uns vor, die uns vorliegende Bürgschaft zur Aufrechnung heranzuziehen, sollte es die noch zu beziffernde Summe notwendig machen.“

Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl 124 ff Bezug genommen.

Die Klägerin hat mit Antrag vom 07.01.2020 beim Amtsgericht Wedding einen Mahnbescheid gegen die Beklagte über eine Hauptforderung in Höhe von 42.939, 78 €, begründet mit „Schadensersatz aus Pachtvertrag vom 01.07.2019“, beantragt. Der Mahnbescheid wurde antragsgemäß am 09.01.2020 erlassen und ist der Beklagten am 15.01.2020 zugestellt worden.

Die Anspruchsbegründung erfolgte am 10.08.2020.

Die Klägerin hat im streitigen Verfahren erstinstanzlich vorgetragen, ihr stünden abzüglich der bereits aus der Kautionsbürgschaft erhaltenen Zahlung in Höhe von 20.000 € sowie einer offenen Gegenforderung der Beklagten aus dem Aufhebungsvertrag in Höhe von 7.990 € wegen der im Übergabeprotokoll aufgelisteten Defizite des übernommenen Inventars aufgrund der sich aus der Anlage K 2 ergebenden Mängel noch Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte in Höhe von insgesamt 42.939,78 € zu.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie Schadensersatz in Höhe von 42.939,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, es fehle für den Schadensersatzanspruch an der erforderlichen Fristsetzung. Zudem hat sie die Einrede der Verjährung erhoben.

Hilfsweise hat sie die Aufrechnung erstrangig mit einem Anspruch aus dem Pachtaufhebungsvertrag in Höhe eines Teilbetrages von 7.900 € und zweitrangig mit einem Anspruch auf Zahlung von 20.000 € aus der unzulässigen Inanspruchnahme der Mietkaution erklärt.

Hilfsweise für den Fall, dass die Klage ganz oder teilweise für unbegründet erachtet werde und die Hilfsaufrechnung nicht zum Tragen komme, hat sie widerklagend beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 27.990 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Hilfswiderklage abzuweisen.

Sie hat ihrerseits gegen die Forderung der Beklagten aus der Hilfswiderklage die Aufrechnung mit den klageweise geltend gemachten Schadensersatzansprüchen wegen der Beschädigung der Pachtsache erklärt.

Sie hat sich insoweit darauf berufen, die Beklagte sei spätestens bei Übergabe der Pachtsache und nochmals mit e-mail vom 13.09.2019 unter Übersendung der Mängelaufstellung (Anlage K 2) aufgefordert worden, die Mängel zu beseitigen.

Die Beklagte hat sich im Hinblick auf die zur Aufrechnung gestellten Forderungen neben der fehlenden Fristsetzung auch eingewandt, dass es an einer wirksamen Aufrechnung fehle, da die Forderungen nicht hinreichend spezifiziert worden seien.

Das Landgericht hat mit Teilurteil vom 28.05.2021 die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch der Klägerin sei verjährt. Die Verjährungsfrist betrage gemäß §§ 548 Abs. 1 Satz 1 BGB, 581 Abs. 2 BGB 6 Monate ab dem Zeitpunkt des Rückerhalts der Pachtsache, die am 31.08.2019 erfolgt sei. Fristende sei der 02.03.2020 gewesen.

Die Zustellung des Mahnbescheids habe die Verjährung nicht gehemmt, da der geltend gemachte Anspruch nicht hinreichend individualisiert worden sei. Die Gesamtsumme hätte insbesondere nach Teilansprüchen aufgeschlüsselt werden müssen, da es sich um eine Zusammenfassung verschiedener Teilforderungen und nicht lediglich um Schadenspositionen desselben Schadensersatzanspruchs gehandelt habe. Eine hinreichende Individualisierung ergebe sich auch nicht aus der Forderungsaufstellung in der Tabelle „Rückgabe Inventar (Y) an (X)“. Diese weise zwar die von der Klägerin geltend gemachte Gesamtforderung aus und schlüssele diese nach Teilbeträgen auf. Sie hätte dem Mahnbescheid allerdings zwecks Individualisierung beigefügt werden müssen. Die Klägerin habe auch nicht vorgetragen, wie und wann diese Tabelle der Beklagten vor Zustellung des Mahnbescheids zugegangen sein soll. Sie habe sich in der mündlichen Verhandlung nur auf den Zugang des der Tabelle zugrundeliegende Übergabeprotokolls berufen. Dieses weise aber keine Beträge in Geld aus, durch deren Aufsummierung die Beklagte hätte erkennen können, dass es sich um eine verrechnete Teilsumme gehandelt habe.

Über die Hilfswiderklage hat das Landgericht das Verfahren fortgesetzt und mit Schlussurteil vom 04.02.2022 der Hilfswiderklage abgesehen von einem Teil des Zinsantrages stattgegeben.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kaufpreisanspruch der Beklagten bestehe, da die Klägerin eingeräumt habe, dass Inventar im Umfang des geltend gemachten Anspruchs übergeben worden sei. Zudem sei die Klägerin aufgrund der Inanspruchnahme der Bürgschaft um 20.000 € ungerechtfertigt bereichert, da sie die Bürgschaft zu Unrecht in Anspruch genommen habe. Sie habe den Beweis für das Vorliegen eines Sicherungsfalls nicht geführt.

Dass die der Inanspruchnahme der Bürgschaft zugrunde liegenden Ansprüche bestehen, könne nicht festgestellt werden. Vertragliche Ansprüche scheiterten daran, dass der Beklagten keine Frist zur Erfüllung gesetzt worden sei gemäß §§ 280, 281 BGB.

Zu Ansprüchen aus § 823 BGB habe die Klägerin trotz Hinweises nichts vorgetragen.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das Teilurteil vom 28.05.2021 und das Schlussurteil vom 04.02.2022 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Gegen das Teilurteil (3 U 53/21) und das Schlussurteil (3 U 37/22) hat die Klägerin jeweils form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Im Hinblick auf das Teilurteil rügt die Klägerin, dass das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass der Mahnbescheid die Verjährung nicht gehemmt habe. Es handele sich um eine unzulässige Überraschungsentscheidung, da das Landgericht mit Verfügung vom 19.10.2020 mitgeteilt habe, dass es von einer hinreichenden Individualisierung ausgehe. Ein anderslautender Hinweis sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Deshalb habe sie davon ausgehen dürfen, dass das Landgericht von einer Hemmung der Verjährung ausgegangen sei und die Klage nicht wegen Verjährung abweise.

Der Anspruch sei nicht verjährt. Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Beklagten die Zusammensetzung der mit dem Mahnantrag geltend gemachten Summe spätestens mit Erhalt der im Verfahren als Anlage K 2 bezeichneten Inventarliste mit E-Mail vom 10.010.2019 bekannt gewesen sei. Die Gesamtforderung habe sich als Summe verschiedener Einzelposten auf 70.929,78 € belaufen. Dazu sei mit der Kautionsbürgschaft in Höhe von 20.000 € sowie einer unstreitigen Forderung der Beklagten in Höhe von 7.990 € wegen der Übernahme von Inventar aufgerechnet worden.

Dies sei schon vorgerichtlich geschehen, indem die Klägerin erklärt habe, man werde den Betrag mit der ausstehenden Forderung verrechnen.

Eine Nachfristsetzung sei nicht erforderlich gewesen. Im Aufhebungsvertrag hätten die Parteien den Pachtvertrag zum 31.08.2019 beendet. In diesem sei die Beklagte verpflichtet worden, die Pachträume und das Inventar in funktionsfähigem Zustand zurückzugeben. Dies sei nicht erfolgt. Bei der Übergabe hätten die Parteien vereinbart, dass die Beklagte innerhalb der zweiwöchigen Schließzeit die Mängel beseitige. Dies sei nicht geschehen.

Im Hinblick auf das Schlussurteil beruft sich die Klägerin darauf, dass - sofern die innerprozessuale Bedingung der sogenannten unechten Hilfswiderklage überhaupt eingetreten sei - der Zahlungsanspruch durch die Aufrechnung mit dem der Klägerin zustehenden Schadensersatzanspruch erloschen sei.

Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es hinsichtlich vertraglicher Ansprüche an einer Fristsetzung nach § 281 Abs. 1 BGB fehle. Diese ergebe sich aus der e-mail Korrespondenz der Parteien, insbesondere aus den e-mails der Klägerin vom 04.03.2019 (Anlage K 6, Bl 298), vom 13.09.2019 (Anlage K 7, Bl 300), e-mail vom 18.09.2019 (Anlage K 8, Bl 304) und der e-mail vom 10.10.2019 mit den entsprechenden Listen (Anlage K 10, Bl 313).

Auch die übrigen Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch wegen der Verschlechterung der Pachtsache lägen vor. Der Schadensersatz setze sich zusammen aus Wertersatz für fehlendes Inventar, Schadensersatz für Schäden an der Pachtsache und Aufwendungsersatz für erforderliche Arbeiten aufgrund der Beschädigungen, wie sie sich aus dem von beiden Parteien unterzeichneten Protokoll vom 31.08.2019 und der darauf beruhenden Liste (Anlage K 2) ergäben.

Ergänzend trägt die Klägerin zu den einzelnen Schäden und zum Umfang der Schadensersatzforderung schriftsätzlich vor. Wegen der Einzelheiten dieses Vortrags wird auf die Seiten 7 bis 10 der Berufungsbegründung im Verfahren 3 U 37/22 Bezug genommen. Die Klägerin meint, es sei zur Höhe der Schäden ein Sachverständigengutachten, wie bereits erstinstanzlich angeboten, einzuholen.

Die Klägerin beantragt,

1. das Teilurteil des Landgerichts Neuruppin vom 28.05.2022, AZ. 1 O 33/20, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 42.939,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. das am 04.02.2022 verkündete Schlussurteil des Landgerichts Neuruppin, Az. 1 O 33/20, aufzuheben, hilfsweise das Schlussurteil abzuändern und die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen der Klägerin zurückzuweisen.

Im Hinblick auf die Abweisung der Klage durch das Teilurteil vom 28.05.2022 beruft sich die Beklagte weiterhin auf die Einrede der Verjährung. Zwar sei es zutreffend, dass der Beklagten die Anlage K2 mit der e-mail vom 10.10.2019 übermittelt worden sei. Aber auch anhand dieser Anlage sei eine hinreichende Individualisierung des mit dem Mahnantrag geltend gemachten „Schadensersatz aus Pachtvertrag vom 01.07.2019“ nicht erfolgt. Auch aus dieser Anlage gehe nicht hervor, wie die Klägerin auf die mit dem Mahnbescheid geforderte Hauptforderung von 42.939,78 € gekommen sein wolle. Insbesondere die Verrechnungsoperationen der Klägerin seien nicht bekannt oder erkennbar gewesen. Ein Aufrechnung oder Abrechnung der Kautionsbürgschaft vor Zustellung des Mahnbescheides habe die Klägerin zu keinem Zeitpunkt vorgetragen. Dass die Klägerin eine interne Berechnung vorgenommen habe, reiche nicht aus.

Im Übrigen seien auch die Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch nicht gegeben, da es an der erforderlichen Fristsetzung zur Schadensbeseitigung nach § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB fehle. Darüber hinaus sei der Anspruch weiterhin nicht schlüssig vorgetragen.

Dies gelte auch, soweit sich die Berufung gegen die Verurteilung durch das Schlussurteil richte. Aufrechenbare Ansprüche der Klägerin bestünden nicht.

Der Senat hat mit Beschluss vom 13.12.2022 in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Verfahren 3 U 53/21 und 3 U 37/22 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegten sowie ordnungsgemäß begründeten Berufungen der Klägerin haben in der Sache keinen Erfolg.

1.

a)

Das Landgericht hat zwar, was in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist, unzulässig über die Klage durch Teilurteil entschiede. Gegenstand der Klage war ein Zahlungsanspruch der Klägerin, gegen den die Beklagte mit dem Anspruch die Aufrechnung erklärt hat, der gleichzeitig - für den Fall, dass die Klage erfolglos bleibt und über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht entschieden wird -, Gegenstand der Hilfswiderklage ist. Schon deshalb bestand die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen, so dass der Erlass eines Teilurteils unzulässig war. Ein Teilurteil darf bei Klage und Widerklage dann nicht ergehen, wenn Klage und Widerklage denselben Gegenstand betreffen oder in einem untrennbaren Zusammenhang stehen. Das ist auch dann der Fall, wenn mit der Forderung der Widerklage gegen die Klage aufgerechnet ist, auch bei der Hilfswiderklage (Zöller/Feskorn § 301, Rn 9; Brandenburgisches Oberlandesgericht, 6 U 106/09).

b)

Die Unzulässigkeit eines Teilurteils endet aber immer dann, wenn sich die prozessuale Situation so entwickelt hat, dass es nicht mehr zu widersprüchlichen Entscheidungen kommen kann, etwa durch Verbindung der Rechtsmittel gegen Teil- und Schlussurteil zu einem einheitlichen Verfahren (Zöller/Feskorn, § 301, Rn 23; sieh z.Bsp OLG Saarbrücken, Urteil vom 30.01.2022, 1 U 322/01; BGH, NJW 1991, 3036). Dies ist hier geschehen. Der Senat hat die Verfahren - nach Gewährung rechtlichen Gehörs- nach § 145 ZPO mit Beschluss vom 13.12.2022 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.

2.

Die Berufung gegen das Teilurteil vom 28.05.2021 hat keinen Erfolg.

Die Klägerin hat schon deshalb keinen Anspruch auf den geltend gemachten Schadensersatz, weil ein etwaiger Anspruch verjährt ist.

Die Verjährungsfrist beträgt, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, und was auch von keiner der Parteien in Abrede gestellt wird, sechs Monate ab Rückgabe des Pachtobjektes, § 548 BGB, endete also, wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, am 02.03.2020 um 24:00 Uhr.

Der Ablauf der Verjährungsfrist wurde nicht durch die Zustellung des Mahnbescheides am 15.01.2020 gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB), da der Anspruch im Mahnbescheid nicht hinreichend gemäß § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO individualisiert worden ist. Deshalb konnte die Zustellung des Mahnbescheides keine Hemmung der Verjährung nach §§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB bewirken.

a)

Zur Hemmung der Verjährung führt der Mahnbescheid nur unter der Voraussetzung, dass der auf seinen Erlass gerichtete Mahnantrag die gemäß § 690 Abs. 1 Nr. 3 erforderliche Bezeichnung des Anspruchs unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung enthält (BGH, Urteil vom 05.08.2018, II ZR 314/16).

Ein im Mahnverfahren geltend gemachter Anspruch ist dann im Sinne von § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hinreichend individualisiert, wenn er durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden kann, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Wann diese Anforderungen erfüllt sind, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (BGH, Urteil vom 05.08.2018, II ZR 314/16; BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 - III ZR 198/14, BGHZ 206, 41 Rn. 19; Urteil vom 13. Oktober 2015 - II ZR 281/14, NJW 2016, 1083 Rn. 17).

Wenn mehrere Einzelansprüche und nicht nur unselbständige Rechnungsposten eines einheitlichen Schadens geltend gemacht werden, gehört es zur notwendigen Individualisierung des Anspruchs, dass die Zusammensetzung des geltend gemachten Betrags bereits aus dem Mahnbescheid erkennbar ist (BGH, Urteil vom 05.08.2018, II ZR 314/16; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 - VII ZR 155/11, NJW 2013, 3509 Rn. 17; Urteil vom 13. Oktober 2015 - II ZR 281/14, NJW 2016, 1083 Rn. 25). Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung ist allerdings nicht, dass aus dem Mahnbescheid für einen außenstehenden Dritten ersichtlich ist, welche konkreten Ansprüche mit dem Mahnbescheid geltend gemacht werden; es reicht aus, dass dies für den Antragsgegner erkennbar ist. Im Mahnbescheid kann zur Bezeichnung des geltend gemachten Anspruchs auch auf Rechnungen oder andere (vorprozessuale) Urkunden Bezug genommen werden. Diese sind jedenfalls dann zur Individualisierung des Anspruchs geeignet, wenn sie dem Mahnbescheid in Abschrift beigefügt werden oder dem Gegner bereits zugegangen sind (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 - II ZR 281/14, NJW 2016, 1083 Rn. 18). Entsprechend kommt es bei einer Falschbezeichnung im Mahnbescheid, auch bei einer fehlerhaften Bezifferung des geltend gemachten Betrags, für die Individualisierung des Anspruchs auf den für den Antragsgegner erkennbar gewordenen Rechtsverfolgungswillen an (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 229/09, NJW-RR 2010, 1455 Rn. 13).

b)

Wann diesen Anforderungen Genüge getan ist, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (BGH, Urteil vom 23.01.2008, VIII ZR 46/07).

Verfolgt ein Kläger, wie hier der Fall, mehrere Ersatzansprüche wegen verschiedener Mängel nach Beendigung eines Mietverhältnisses, teilweise als Schadensersatz, teilweise aufgrund unterlassener Schönheitsreparaturen, so liegen in aller Regel mehrere Einzelansprüche vor, so dass, um dem Erfordernis der Individualisierung zu genügen, die einzelnen Mängel, aus denen die Ansprüche resultieren, im Mahnantrag zu bezeichnen sind und nicht lediglich in einer Summe zusammengefasst werden dürfen. Einzelne Mängel, auch wenn sie aus ein und demselben Vertragsverhältnis resultieren, sind keine Rechnungsposten, sondern Gegenstand verschiedener, aus dem Vertrag abgeleiteter Einzelansprüche. Sie müssen individualisiert werden (OLG Celle, Beschluss vom 28.02.2022, 2 U 124/21; OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.03.2020, 5 U 540/19; BGH, Urteil vom 12.04.2007, VII ZR 236/05; OLG Celle, Urteil vom 20.03.2014,16 U 57/13).

c)

Dies zugrunde gelegt, wird der Mahnbescheidsantrag diesen Anforderungen nicht gerecht, selbst wenn der Beklagten, was in der Berufungsinstanz unstreitig geblieben ist, die Anlage K 2 mit den dort genannten Summen bekannt war.

Wie sich der geltend gemachte Betrag zusammensetzt, war für die Beklagte auch bei Kenntnis dieser Anlage nicht hinreichend erkennbar.

Die Beklagte konnte der der e- mail vom 10.10.2019 beigefügten Anlage K 2 allenfalls entnehmen, dass die Klägerin für die dort aufgelisteten Schäden eine Summe von 70.929,28 € geltend machen wollte.

Die mit dem Mahnantrag geltend gemachte Forderung ist aber um fast die Hälfte niedriger als die Summe, die sich aus der Auflistung in der Anlage K 2 ergibt. Die Beklagte konnte schon aufgrund dieser erheblichen Abweichung des mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Betrages von der vorgerichtlichen Aufstellung nicht erkennen, für welche der zahlreichen Schäden, die in der Anlage aufgelistet waren, Ersatz verlangt wird und für welche nicht (mehr). Es war für die Beklagte auch nicht erkennbar, dass sich die Summe im Vergleich zur Anlage K2 deshalb reduziert hat, weil die Klägerin die ursprüngliche Summe mit Gegenforderungen der Beklagten verrechnet hatte. Dass die Klägerin eine Verrechnung mit einem Gegenanspruch von 7.990,00 € als Gegenforderung aus der Aufhebungsvereinbarung vorgenommen hat, hat sie der Beklagten zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt. Gleiches gilt für die Inanspruchnahme der Kautionsbürgschaft. Eine Aufrechnung oder Abrechnung vor Beantragung des Mahnbescheides hierüber hat die Klägerin nicht vorgetragen und ergibt sich auch nicht aus dem vorgelegten e-mail-Verkehr. Es war also für die Beklagte nicht erkennbar, gegen welche der Einzelforderungen mit welchen Gegenansprüchen eine Aufrechnung erfolgen sollte. Welche Ansprüche wegen welcher Mängel in welcher Höhe Gegenstand des Mahnverfahrens sein sollten, konnte sie nicht nachvollziehen. Damit konnte der Mahnbescheid der Beklagten die Beurteilung, ob und in welcher Höhe sie sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen wollte oder nicht, nicht in ausreichendem Maße ermöglichen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.03.2020, 5 U 540/19).

Die Klage wurde somit zu Recht abgewiesen, die Berufung hat insoweit keinen Erfolg.

3.

Die Berufung gegen das Schlussurteil bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

a)

Das Landgericht hat sich zutreffend mit der hilfsweise erhobenen Widerklage befasst, da die prozessuale Bedingung, unter der diese erhoben worden ist, eingetreten ist (Abweisung der Klage).

b)

Soweit das Landgericht ausgeführt hat, dass der Beklagten der tenorierte Zahlungsanspruch zustand, kann auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen werden. Die Berufung richtet sich nicht dagegen, die Forderung der Beklagten wird durch das Berufungsvorbringen nicht in Frage gestellt.

c)

Die Forderung der Beklagten ist nicht durch die Aufrechnung der Klägerin erloschen.

Der Klägerin stand kein - zwar verjährter (s.o.), aber aufrechenbarer - Gegenanspruch zu, der dem Anspruch der Beklagten in unverjährter Zeit gegenüberstand.

Die Klägerin macht einen Schadensersatzanspruch wegen Mängeln der Pachtsache bei Rückgabe geltend. Unabhängig davon, ob diese überhaupt hinreichend substantiiert vorgetragen sind, ist der Anspruch bereits deshalb zu verneinen, weil sich eine Fristsetzung nach § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB auch den nunmehr vorgelegten e-mails nicht entnehmen lässt.

Mit dem Landgericht geht der Senat davon aus, dass vorliegend eine Fristsetzung zur Nacherfüllung erforderlich war. Dies wird auch von keiner der Parteien in Abrede gestellt.

Zwar hat der Bundesgerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung aus 2018 (VIII ZR 157/17, NJW 2018, 1746) entschieden, dass es bei Substanzverletzungen wegen Verletzung der Obhutspflichten aus dem Mietvertrag keiner Fristsetzung bedürfe, da es sich um Schadensersatz neben der Leistung und nicht um Schadensersatz statt der Leistung handele. § 546 BGB sage nichts dazu, in welchem Zustand die Mietsache zurückzugeben sei, deshalb sei Inhalt der Leistungspflicht nur die Rückgabe, nicht aber die Rückgabe in mangelfreiem Zustand.

Dennoch bestand hier eine Pflicht zur Fristsetzung hinsichtlich sämtlicher der hier geltend gemachten Mängel, auch soweit es sich nicht um Schönheitsreparaturen handelt, wo eine Fristsetzung ohnehin grundsätzlich erforderlich ist. Dies ergibt sich aus der oben zitierten Aufhebungsvereinbarung. ln dieser ist ausdrücklich geregelt, dass die Beklagte die Mängel bis zur Übergabe beseitigt. Vereinbart ist also neben der - bestehenden Pflicht zur Rückgabe- eine neue bzw. eigenständige Leistungspflicht, nämlich die Pflicht zur Rückgabe im mangelfreien Zustand. Durch diese Vereinbarung wird also (abweichend von § 546 BGB) eine besondere Qualität der Rückgabe geschuldet. Zusätzlich vereinbarte Pflichten sind aber nicht Bestandteil der Rückgabepflicht, sondern selbständige Nebenleistungspflichten, für deren zu vertretende Nichterfüllung der Mieter nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3 i.V. mit § 281 BGB haftet (Beck OGK, § 280, Rn 156).

d)

Die Fristsetzung im Sinne des § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB muss eine bestimmte und eindeutige Aufforderung zur Leistung enthalten. Sie muss mehr sein als ein höfliches Drängen auf Vertragserfüllung. Die Aufforderung an den Schuldner, sich zu seiner Leistungsbereitschaft zu erklären, genügt nicht (BGH, NJW 2016, 3654; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 281, Rn 9).

Eine diesen Anforderungen genügende Fristsetzung findet sich in keiner der vorgelegten e- mails.

Aus der e-mail vom 04.09.2019 ergibt sich keine Aufforderung zur Leistung, d.h. zur Beseitigung von Mängeln. In dieser Nachricht forderte die Klägerin die Beklagte nicht zur Behebung von Schäden auf, sondern kündigte lediglich an, die letzte Rate der im Auflösungsvertrag festgesetzten Summe einzubehalten und die Bürgschaft zur Aufrechnung heranzuziehen.

In der e-mail von 13.09.2019 führt die Klägerin aus, dass sie die Kosten der Mangelbeseitigung bewertet habe, nennt eine Summe und bittet um Mitteilung, wie die Beklagte - neben dem bereits einbehaltenen Geld, die restliche Summe ausgleichen werde. Soweit eine Frist von 7 Tagen gesetzt wird, bezieht diese sich ausschließlich auf fehlende Geräte und Möbel aus der mit dem Pachtaufhebungsvertrag vereinbarten Inventarübernahme und erstreckt sich nicht auf die streitgegenständlichen Mängel.

Auch die e-mail vom 18.09.2019 enthält keine Frisetzung nach § 281 Abs. 1 BGB . In dieser Nachricht fordert die Klägerin die Beklagte auf, die Differenz zwischen dem einbehaltenen Geld und der Gesamtsumme zu zahlen.

Schließlich ist auch die e-mail vom 10.10.2019 nicht zum Nachweis einer Fristsetzung nach § 281 Abs.1 BGB geeignet. Auch aus dieser Nachricht ergibt sich lediglich, dass die Klägerin allein die Zahlung einer Geldsumme geltend gemacht hat. Eine Aufforderung zur Mangelbeseitigung enthält auch dies e-mail nicht.

Auch die Berufung gegen das Schussurteil kann damit keinen Erfolg haben.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 19,711 ZPO.

5.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.