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Entscheidung 9 WF 4/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 23.01.2023
Aktenzeichen 9 WF 4/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0123.9WF4.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 1. November 2022 - Az. 32 F 92/22 - abgeändert und der Antragstellerin für das Scheidungsverfahren (einschließlich der Folgesache Versorgungsausgleich) ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin … in … bewilligt.

2. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet,

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

Mit der am 21. November 2022 eingegangenen sofortigen Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die mit Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 1. November 2022 erfolgte Ablehnung ihres Antrages auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das von ihr beabsichtigte Scheidungs(verbund)verfahren.

Die gemäß § 113 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist - im Ergebnis - begründet. Die Antragstellerin verfügt tatsächlich über kein für die Durchführung des beabsichtigten Scheidungs(verbund)verfahrens einzusetzendes Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 3 ZPO.

Der Senat sieht sich indes veranlasst ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die vorgebrachten Beschwerdegründe die hier erreichte antragsgemäße Abänderung tatsächlich nicht tragen, die Gründe der angefochtenen Entscheidung und des Nichtabhilfebeschlusses vom 19. Dezember 2022 vielmehr für sich betrachtet der Überprüfung standhalten. Der Senat teilt (in ständiger Rechtsprechung) ausdrücklich die Auffassung des Amtsgerichts, dass frei verfügbares und gerade nicht - etwa durch einen Verwertungsausschluss nach § 168 Abs. 3 VVG - verbindlich für die Altersversorgung gebundenes Kapital grundsätzlich nach § 115 Abs. 3 ZPO für Verfahrenskosten einzusetzen ist. Dem Umstand, dass der Senat das vorhandene Vermögen der Antragstellerin bei der … Lebensversicherung AG im Rahmen der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe in dem Trennungsunterhaltsverfahren der Beteiligten (Beschluss vom 15. August 2022, Az. 9 UF 26/22) möglicherweise/offenbar übersehen und unberücksichtigt gelassen hat, kann keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen werden. Einen Anspruch auf fortgesetzt fehlerhafte Entscheidungen gibt es naturgemäß nicht.

Im Streitfall ist allerdings zu berücksichtigen, dass die in Rede stehende Lebensversicherung der Antragstellerin Gegenstand des mit dem Scheidungsverfahren notwendig durchzuführenden Versorgungsausgleichs sein wird. Nach Lage der Akten ist das angesparte Kapital der Antragstellerin bei dieser Versicherungsgesellschaft insgesamt seit 2003 und damit in vollem Umfang innerhalb der seit 1. Juli 1988 und bis zum heutigen Tage andauernden Ehezeit erworben worden. Die von der Antragstellerin aus dieser offenbar privat begründeten Altersvorsorge erworbenen Anrechte sind erkennbar auch nicht ausschließlich auf Kapital, sondern jedenfalls auch auf eine Rentenleistung gerichtet. Dieses Anrecht fällt demnach gemäß § 2 Abs. 2 VersAusglG in den im Zuge des beabsichtigten Scheidungsverfahrens durchzuführenden Versorgungsausgleich. Unterliegt das erworbene Vermögen von rund 10.000 EUR jedoch grundsätzlich dem Versorgungsausgleich, so kann schon nicht festgestellt werden, dass überhaupt ein die Schonvermögensgrenze von 5.000 EUR übersteigendes Vermögen der Antragstellerin vorhanden ist (und bleibt). Jedenfalls verbietet es sich in Ansehung des bevorstehenden Versorgungsausgleichsverfahrens, die Antragstellerin - jedenfalls derzeit - zu Verfügungen über diesen Vermögenswert zu veranlassen, die zwar wirksam sind, auch weil das Leistungsverbot des § 29 VersAusglG vor Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens ohnehin nicht gilt, sie aber dem Vorwurf einer Einwirkung auf ihr Vorsorgevermögen zu Lasten des Antragsgegners aussetzen würden. Unter diesem rechtlichen Aspekt erscheint die Verweisung der Antragstellerin auf das erworbene Vorsorgevermögen jedenfalls derzeit als unzumutbar. Die Antragstellerin wird allerdings damit rechnen müssen, dass sie nach Abschluss des Scheidungsverbundverfahrens ein ihr zur freien Verfügung verbliebenes Kapitalvermögen oberhalb der Schongrenze auch aus dem Vertrag mit der … Lebensversicherung AG für die entstandenen Verfahrenskosten tatsächlich einzusetzen haben wird.

Über sonstige einzusetzende Vermögenswerte verfügt die Antragstellerin nach ihren ergänzenden und glaubhaft gemachten Angaben (auch im Schriftsatz vom 22. September 2022) nicht.

Die Antragstellerin ist - auch unter Berücksichtigung inzwischen unbestritten vorhandener zusätzlicher Einnahmen wegen Trennungsunterhaltsleistungen des Antragsgegners von 300 EUR monatlich - aus ihren laufenden Einkünften nicht in der Lage und deshalb auch nicht verpflichtet, zu den ihr entstehenden Verfahrenskosten auch nur durch Ratenzahlungen beizutragen.

Der Scheidungsantrag ist im Übrigen schlüssig begründet und bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Damit liegen die nach §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 121 Abs. 1 ZPO erforderlichen Voraussetzungen für die antragsgemäße (ratenfreie) Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nebst anwaltlicher Beiordnung derzeit vor, so dass die angefochtene Entscheidung entsprechend abzuändern war.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 127 Abs. 4 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) liegen nicht vor.