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Entscheidung 1 AR 3/23 (SA Z)


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Zivilsenat Entscheidungsdatum 19.01.2023
Aktenzeichen 1 AR 3/23 (SA Z) ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0119.1AR3.23SA.Z.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Für die Entscheidung über die Beschwerde vom 7. Mai 2020 gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 28. April 2020 und das Verfahren über die Beschwerde vom 26. Mai 2020 gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 15. Mai 2020 ist das Landgericht Cottbus zuständig.

Gründe

I.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 28. April 2018 wurde die Betreuerin als Berufsbetreuerin eingesetzt. Streitig ist die Höhe der ihr aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung, insbesondere der in Ansatz zu bringende Stundensatz.

Das Amtsgericht Königs Wusterhausen hat mit Beschluss vom 28. April 2020 die Vergütung für die Betreuerin für ihre Tätigkeit in der Zeit vom 31. Juli 2018 bis 30. Oktober 2019 festgesetzt. Mit weiterem Beschluss vom 15. Mai 2020 hat das Amtsgericht Königs Wusterhausen die Vergütung für die Zeit vom 31. Oktober 2019 bis 30. April 2020 festgesetzt. Gegen diese beiden Entscheidungen hat der Bezirksrevisor des Landgerichts Cottbus Beschwerde eingelegt, denen das Amtsgericht nicht abgeholfen und dem zuständigen Beschwerdegericht - welches jedenfalls zu diesem Zeitpunkt das Landgericht Cottbus war - zur Entscheidung vorgelegt hat.

Während des Beschwerdeverfahrens hat der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach Berlin verlegt. Daraufhin hat das Amtsgericht Königs Wusterhausen das Betreuungsverfahren (auch als Dauerverfahren oder Bestandsverfahren bezeichnet) durch Beschluss vom 15. Juni 2020 an das Amtsgericht Köpenick abgegeben, welches dieses Verfahren auch übernommen hat.

Das Landgericht Cottbus hat sich daraufhin mit Beschluss vom 17. Februar 2021 für die die Vergütung betreffenden Beschwerden für unzuständig erklärt und das Beschwerdeverfahren an das Landgericht Berlin abgegeben. Das Landgericht Cottbus ist davon ausgegangen, dass die Abgabe des Betreuungsverfahrens durch das Amtsgericht Königs Wusterhausen die Betreuungsangelegenheit insgesamt erfasst und daher (automatisch) auch zum Übergang des Beschwerdeverfahrens an das dem jetzt zuständigen Amtsgericht übergeordneten Beschwerdegericht führt.

Nach dieser Entscheidung hat der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt erneut gewechselt und ist nunmehr in den Bezirk des Amtsgerichts Oldenburg in Holstein verzogen. Das Amtsgericht Köpenick hat daraufhin das Betreuungsverfahren am 11. Oktober 2021 an das Amtsgericht Oldenburg abgegeben.

Daraufhin hat sich nunmehr das Landgericht Berlin mit Verfügung vom 28. September 2022 seinerseits für die Beschwerden für unzuständig erklärt. Auch das Landgericht Berlin ist davon ausgegangen, dass die Abgabe des Betreuungsverfahrens an das Amtsgericht Oldenburg die Betreuungsangelegenheit insgesamt erfasst und daher (wiederum automatisch) auch zum Übergang des Beschwerdeverfahrens an das dem jetzt zuständigen Amtsgericht übergeordnete Beschwerdegericht, welches das Landgericht Lübeck ist, führt.

Das Landgericht Lübeck hat - nachdem den Verfahrensbeteiligten zuvor rechtliches Gehör zur Zuständigkeitsfrage gewährt wurde - die Verfahren dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt. Das Landgericht Lübeck ist der Auffassung, dass die Abgabe des Dauer- bzw. Bestandsverfahrens an ein anderes Amtsgericht nicht die Betreuungsangelegenheit insgesamt erfasst und daher nicht automatisch auch zum Übergang des Beschwerdeverfahrens an das dem jetzt zuständigen Amtsgericht übergeordnete Beschwerdegericht führt. Vielmehr müsse das die Vergütung der früheren Betreuerin betreffende Beschwerdeverfahren als „Einzelverfahren“ dort entschieden werden, wo das Rechtsmittel ursprünglich eingelegt wurde.

II.

Auf die Vorlage des Verfahrens durch das Landgericht Lübeck ist die Zuständigkeit des Landgerichts Cottbus für die Entscheidung über die Beschwerden des Bezirksrevisors auszusprechen.

1. Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 FamFG durch das Brandenburgische Oberlandesgericht zu entscheiden, da das nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht der an dem Zuständigkeitskonflikt beteiligten Beschwerdegerichte der Bundesgerichtshof ist und das zu seinem Bezirk gehörende Landgericht Cottbus zuerst mit den Beschwerden befasst gewesen ist.

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 FamFG liegen vor. Die Landgerichte Cottbus und Berlin haben die Beschwerdeverfahren aus wichtigem Grund abgegeben, das Landgericht Berlin zuletzt - über das Amtsgericht Oldenburg - an das Landgericht Lübeck, welches sich seinerseits zur Übernahme der Sache nicht bereit erklärt hat.

3. Zuständig ist das Landgericht Cottbus.

a) Gemäß § 4 FamFG kann ein Gericht die Sache aus wichtigem Grund an ein anderes Gericht abgeben. Gemäß § 273 FamFG ist als wichtiger Grund in der Regel anzusehen, wenn sich der gewöhnliche Aufenthalt der Betroffenen geändert hat und die Aufgaben der Betreuerin im Wesentlichen am neuen Aufenthaltsort der Betroffenen zu erfüllen sind.

b) Grundsätzlich sind §§ 4, 273 FamFG auch auf in der Beschwerdeinstanz anhängige Verfahren anwendbar (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 22. Dezember 2020 - 2 AR 26/20 – juris; Beschluss vom 26. August 2014, 2 AR 28/14; BayObLG, Beschluss vom 26. April 1991, AR 1 Z 40/91, juris - zum früheren § 46 FGG; OLG Bremen, FamRZ 2014, 1394; OLG Frankfurt a. M., FamRZ 2018, 1854; OLG Karlsruhe, NJW 1958, 2073, zum früheren § 46 FGG; BeckRS 2016, 20029, Rn. 12). Hierfür spricht nicht nur der unbeschränkte Wortlaut des § 4 FamFG, der sich allgemein auf „Gerichte“ bezieht und damit Beschwerdegerichte nicht ausschließt, sondern auch die systematische Stellung der Vorschrift innerhalb des die allgemeinen Vorschriften enthaltenden Abschnitts 1, dem sich erst im Abschnitt 2 Regelungen zum Verfahren im ersten Rechtszug anschließen (vgl. auch § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Gleiches gilt für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 5 FamFG in Streitfällen.

Die Abgabe kann – ebenso wie die Zuständigkeitsbestimmung – im Beschwerdeverfahren direkt vom abgebenden zum übernehmenden Beschwerdegericht vollzogen werden und ist insbesondere nicht auf die Fälle beschränkt, in denen das erstinstanzliche Gericht nochmals befasst werden muss, sei es wegen einer nach § 68 Abs. 1 FamFG noch erforderlichen Abhilfeentscheidung, sei es aufgrund einer nach § 69 Abs. 1 Satz 2, 3 FamFG anstehenden Zurückverweisung (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 26. August 2014, a. a. O.; OLG Frankfurt a. M., a. a. O.). Auch dies folgt daraus, dass sich aus dem Wortlaut der §§ 4, 5 FamFG und ihrer systematischen Stellung innerhalb der allgemeinen, den ersten Rechtszug ebenso wie das Beschwerdeverfahren betreffenden Vorschriften nichts Abweichendes ergibt. Hinzu kommt, dass sich das Beschwerdeverfahren unnötig verzögerte und es daher unzweckmäßig wäre, wenn die Sache zunächst an das übernahmepflichtige erstinstanzliche Gericht (hier: Amtsgericht Oldenburg) abgegeben bzw. verwiesen werden müsste, das sie sogleich – ohne weitere Entscheidungs- und Ermittlungsbefugnisse – dem zur Übernahme des Beschwerdeverfahrens verpflichteten Beschwerdegericht vorzulegen hätte.

c) Im vorliegenden Fall fehlte es jedoch an einem wichtigen Grund für eine Abgabe sowohl vom Landgericht Cottbus an das Landgericht Berlin, als auch vom Landgericht Berlin an das Landgericht Lübeck. Insoweit verbleibt es bei der Zuständigkeit des Landgerichts Cottbus. Als wichtiger Grund ist in der Regel anzusehen, wenn sich der gewöhnliche Aufenthalt der Betroffenen geändert hat. Insoweit hat nach einer Abgabe des Betreuungsverfahrens (des Dauerverfahrens oder Bestandsverfahrens) durch ein Amtsgericht an ein anderes Amtsgericht grundsätzlich das dem jetzt zuständig gewordenen Amtsgericht übergeordnete Landgericht auch über noch anhängige Beschwerden gegen Entscheidungen des abgebenden Amtsgerichts zu entscheiden, selbst wenn das Rechtsmittel schon vor der Abgabe eingelegt, aber noch nicht beschieden war (so BayObLG, FamRZ 1996, 1157 (noch zum FGG); LG Darmstadt, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 5 T 318/17 –, juris; Keidel-Sternal, FamFG, 20. Auflage, § 4 Rn. 39).

Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht, wenn der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens - wie hier - keinen direkten Zusammenhang zum Bestandsverfahren aufweist und es insoweit unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit keinen sachlichen Grund für eine Abgabe gibt.

Wie das vorlegende Landgericht Lübeck zutreffend ausführt, fehlt es für die hier vorliegende Konstellation an einer gesetzlichen Regelung zur Zuständigkeit. Insoweit besteht keine gesetzliche Regel, dass die Zuständigkeit des mit einem Rechtsmittel befassten Landgericht automatisch endet, wenn das diesem Verfahren zugrunde liegende Bestandsverfahren an ein anderes Amtsgericht abgegeben wird. Maßgeblich für die die Zuständigkeit betreffende Beurteilung eines sachlichen Grundes sind insoweit Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte. Entscheidend sind dabei die Interessen und das Wohl des Betroffenen. Besondere Bedeutung hat die Frage, ob die Notwendigkeit einer persönlichen Anhörung des Betroffenen besteht oder entstehen kann (Jürgens/Kretz, Betreuungsrecht, 6. Aufl., § 273 FamFG, Rn. 9).

Dem genannten Grundsatz der Zuständigkeit des dem für das Bestandsverfahren zuständigen Amtsgerichts übergeordneten Beschwerdegerichts liegt insoweit die Erwägung zugrunde, dass auch über Beschwerden durch dieses Gericht sachnäher und insoweit auch leichter entschieden werden kann. Denn es ist nach den maßgeblichen Interessen und dem Wohl des Betroffenen in der Regel vorzugswürdig, dass ein ortsnahes Gericht die Entscheidungen trifft (OLG München, FGPrax 2008, 67; OLG Karlsruhe, FamRZ 1994, 449). Nur ein sach- und ortsnäheres Gericht wird etwa in Fragen der Verlängerung oder Beendigung der Betreuung oder deren Umfangs, der Betreuerbestellung und ggf. notwendiger weiterer, die Rechte der Betroffenen einschränkender Maßnahmen eine sachgerechte Entscheidung treffen können. Erst recht gilt dies für alle Entscheidungen, in dem der Betroffene angehört werden muss.

Anderseits gilt bei der Zuständigkeitsfrage auch der Grundsatz, dass das abgebende Gericht unter dem Gesichtspunkt der Abgabereife grundsätzlich gehalten ist, zunächst alle Verfügungen und Entscheidungen zu treffen, die im Zeitpunkt der Abgabe von Amts wegen oder auf Antrag ergehen müssen (Senat, Beschluss vom 9. April 2021, 1 AR 12/21 (SA Z); Beschluss vom 10. März 2020, 1 AR 4/20 (SA Z); Beschluss vom 4. November 2019, 1 AR 49/19 (SA Z); Beschluss vom 22. Juni 2016, 1 (Z) Sa 19/16; KG, FGPrax 2012, 19; OLG München, FGPrax 2008, 67; Keidel/Giers, FamFG, 20. Aufl., § 273, Rn. 13; Bienwald/Sonnenfeld/Harm, Betreuungsrecht, 6. Aufl., § 273 FamFG, Rn. 20; MünchKomm./Schmidt-Recla, FamFG, 3. Aufl., § 273, Rn. 13). Dem wiederum liegt die Erwägung zu Grunde, dass bestimmte, unmittelbar anstehende Entscheidungen leichter, schneller und zweckmäßiger von dem Gericht getroffen werden können, das mit dem Verfahren bereits befasst und folglich vertraut war (Senat a. a. O.; BayObLG FamRZ 1997, 439). Auch dabei handelt es sich um eine Frage der Zweckmäßigkeit im Interesse der Betroffenen.

Nach diesen Grundsätzen ist für die hier zu treffende Beschwerdeentscheidung das ursprünglich mit der Sache befasste Landgericht Cottbus zuständig. In den die Vergütungsfestsetzungen betreffenden Zeiträumen hatte der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk des Amtsgerichts Königs Wusterhausen. Auch die zu vergütende Betreuerin übte ihre Tätigkeit im Bezirk des Amtsgerichts Königs Wusterhausen aus. Dieses Amtsgericht hat auch die streitige Vergütung festgesetzt. Die dagegen gerichteten Rechtsmittel hat der Bezirksrevisor des Landgerichts Cottbus eingelegt. Dies alles spricht eher für die Zuständigkeit des Landgerichts Cottbus. Die zu treffende Beschwerdeentscheidung betrifft auch weder die unmittelbaren Rechte des Betroffenen noch wird sie Einfluss auf dessen Status oder seine tatsächliche Betreuung haben. Gegenstand der noch anhängigen Rechtsmittelverfahren ist allein die Frage der Höhe der durch die Staatskasse (somit durch das Land Brandenburg) an die Betreuerin zu erstattenden Vergütung. Konkret ist ausschließlich im Streit, welcher Stundensatz für die Betreuerin angemessen ist. Diese Entscheidung erfordert weder eine Beteiligung des Betroffenen noch seiner neuen Betreuerin, schon gar nicht ist eine persönliche Anhörung erforderlich. Auch im Übrigen ergäbe sich aus der Ortsnähe des Landgerichts Lübeck kein irgendwie sachlicher Vorteil, vielmehr ist es für die zu treffende Entscheidung ohne Belang, wo sich der Betroffene aufhält und welches Amtsgericht mit dem Bestandsverfahren befasst ist, so dass es einen wichtigen Grund für eine Abgabe nicht gab und nicht gibt.