Gericht | OLG Brandenburg Senat für Notarsachen | Entscheidungsdatum | 19.01.2023 | |
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Aktenzeichen | Not 1/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0119.NOT1.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Antrag des Antragstellers wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die beabsichtigte Wiederbesetzung einer ausgeschriebenen Notarstelle in dem Amtsgerichtsbezirk B…, in dem auch er seit dem 1.4.2021 seinen Amtssitz hat. Die Gesamtbevölkerungszahl im Amtsgerichtsbezirk B… betrug Mitte 2020 101.290 Einwohner, die Bevölkerungsentwicklung ist rückläufig (Bl. 33, 53).
Neben dem Antragsteller haben im selben Amtsbezirk B… bislang noch der Notar B... in F... und die Notarin G... in Fa… ihre Amtssitze. Letztere wird zum 28.2.2023 aus dem Amt ausscheiden. Der Antragsgegner hat die Frage der Wiederbesetzung oder Einziehung der Amtsstelle geprüft. Die Notarkammer (Bl. 21 ff.) hat sich im Hinblick auf die Richtwerte der Einwohnerzahl je Notarstelle, das Urkundenaufkommen der Amtsstelle und die Aspekte der Erhaltung einer durchmischten Altersstruktur für die Wiederbesetzung der Notarstelle der Notarin G... ausgesprochen. Der Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts hat die Wiederbesetzung nach Anhörung des Präsidenten des Landgerichts … unter Berücksichtigung der Ausführungen der Notarkammer ebenfalls befürwortet (Bl. 26). Die Ländernotarkasse (Bl. 27 ff.) hat mitgeteilt, dass unter wirtschaftlichen Aspekten keine Einwände gegen die Wiederbesetzung der Stelle bestehen (Bl. 30); das Gebührenaufkommen der Stelle sei für eine Wiederbesetzung wirtschaftlich hinreichend. Die Gefahr, dass Einkommensergänzung in Anspruch genommen werden müsste, bestehe nicht.
Der Antragsgegner hat die Stelle im Justizministerialblatt für das Land Brandenburg vom ...2022 ausgeschrieben (Bl. 38). Zwei Bewerbungen sind bisher eingegangen (Bl. 66).
Mit seinem Eilantrag macht der Antragsteller geltend, der Antragsgegner habe nicht ausreichend geprüft, ob seine Entscheidung, die freiwerdende Stelle der Notarin G... wieder zu besetzen, zu einer die Unabhängigkeit der übrigen Notare im Amtsgerichtsbezirk gefährdenden Situation führe. Die Frage, wie seine Stelle von der Entscheidung berührt würde, finde lediglich in der Darstellung der Urkundenzahlen der letzten Jahre Berücksichtigung, die zwar im Landesvergleich überdurchschnittlich sei, woraus sich aber nichts über die Werthaltigkeit der errichteten Urkunden ableiten ließe. Hieraus aber ergäbe sich erst die Erkenntnis über die Frage der Überlebensfähigkeit eines Notariats. Die Grundlagen der Einschätzung der Ländernotarkasse, dass eine "Gefährdung zur Einkommensergänzung" im Amtsgerichtsbezirk nicht bestehe, blieben im Dunkeln. Ausweislich der aktuellen wirtschaftlichen Situation sei die Annahme der Ländernotarkasse, dass sich die Urkundenzahlen künftig auf gleichbleibendem Niveau bewegen würden, unzutreffend. Denn die Bundesrepublik Deutschland befinde sich offenkundig in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation. Angesichts aktuell rasanter Preissteigerungen und Rohstoffknappheit stehe der Wohnungsbau vor dem Einbruch. Darüber hinaus träfen die Folgen der Inflation Notare ebenso wie die übrige Bevölkerung. Es sei unrealistisch eine Prognoseentscheidung auf der Basis der Entwicklung in den vergangenen Jahren zu treffen. "Im Sog der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung" sei mit einem Rückgang der Urkundenzahlen zu rechnen. Es wäre insoweit veranlasst gewesen, auf eine Untersuchung der Ländernotarkasse hinzuwirken, inwieweit die Notare bereits die Auswirkungen der aktuellen wirtschaftlichen Lage spürten. Der Antragsgegner hätte berücksichtigen müssen, dass sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen gewissermaßen über Nacht ändern könnten, zumal die gesamtwirtschaftliche Lage und die sich daraus entwickelnden Probleme bereits zum Zeitpunkt der Wiederbesetzungsentscheidung jedenfalls absehbar gewesen seien. Hinzu käme die unstreitige Prognose über die Rückläufigkeit der Bevölkerungsentwicklung im Amtsbezirk bis 2030. Es sei eine Prognose für die Zukunft zu treffen.
Der für den Erlass der einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund folge aus dem Grundsatz der Ämterstabilität.
Der Antragsteller beantragt,
es dem Antragsgegner vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Notarstelle in Fa…, ausgeschrieben im Justizministerialblatt für das Land Brandenburg Nr. …, ... Jahrgang, vom ...2022, S. …, mit einem Bewerber zu besetzen bzw. eine Bestallungsurkunde auszuhändigen, solange nicht über die Frage der Neubesetzung oder Einziehung der Notarstelle erneut ermessensfehlerfrei entschieden wurde.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Er zweifelt bereits an der Zulässigkeit des Antrags, weil es nach dem Vortrag des Antragstellers, auch bei der gebotenen großzügigen Betrachtung, völlig fernliegend - mithin unmöglich - erscheine, dass die Lebensfähigkeit seines Notariats durch die Wiederbesetzung der in Rede stehenden Notarstelle gefährdet werden könnte. Als seit April 2021 einer von drei Notaren mit Amtssitz in B… habe er bisher keine eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten gemeldet und auch mit der Antragsschrift nicht mitgeteilt, sondern lediglich Vermutungen über ein künftiges Absinken des Urkundenaufkommens aufgrund gesamtwirtschaftlicher Erwägungen und der Prognose der Bevölkerungsentwicklung im Landkreis angestellt.
Laut Stellungnahme der Ländernotarkasse vom 16.8.2022 wiesen alle drei Stellen durchgängig ein deutlich oberhalb unzureichender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit liegendes Aufkommen auf und überträfen mit Abstand diese als Mindesterwartung bezeichnete Schwelle, wobei sich für 2022 sogar eine Aufkommensverlagerung von Fa… zugunsten der Stelle des Antragstellers abgezeichnet habe.
Tatsächliche Anhaltspunkte für ein Absinken des Urkunden- und Gebührenaufkommens der im Amtsbereich eingerichteten Notarstellen bestünden nicht. Seit 2020 sei vielmehr ein - auch inflationsbedingt - überproportionales Ansteigen des durchschnittlichen Gebührenaufkommens um 20 % im Jahr 2021 und erneut 25 % in den Monaten Januar bis August 2022 zu verzeichnen. Trotz der Pandemie und Ukrainekrieg sei ein Absinken des Aufkommens der Notare gerade nicht feststellbar.
Überdies bestehe kein Anordnungsanspruch, weil die angegriffene Organisationsentscheidung rechtmäßig sei und den Antragsgegner nicht in seinen Rechten verletze. Bei der Prognose des Antragstellers, es sei "damit zu rechnen, dass sich die Urkundenzahlen im Sog der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung nach unten entwickeln werden", handle es sich offenbar um einen spekulativen Gedankengang, der nicht zur Grundlage einer Bedürfnisprüfung nach § 4 BNotO gemacht werden könne.
Dem Senat liegen Stellungnahmen der Notarkammer vom 7.11.2022 (Bl. 80 f.) und der Ländernotarkasse vom 27.10.2022 (Bl. 78 f.) vor. Er entscheidet ohne mündliche Verhandlung, §§ 111b BNotO, 123 III VwGO, 922 ZPO. Die Beteiligten haben sich umfassend zur Sach- und Rechtslage geäußert. Es ist nicht zu erwarten, dass eine mündliche Erörterung zu einem weiteren Erkenntnisfortschritt führen könnte.
II.
1. Der Antrag des Antragstellers ist zulässig.
Der Antrag ist gemäß §§ 111b I 1 BNotO, 123 I 1 VwGO statthaft. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Unterlassungsantrag gegen die Bestellung eines weiteren Notars bzw. die Wiederbesetzung einer bestehenden Notarstelle zulässig sein kann, wenn der Antragsteller die Möglichkeit dartut, durch die Wiederbesetzung einer frei werdenden Notarstelle in seinen Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG beeinträchtigt zu werden. Dies ist der Fall, wenn er Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen können, die Lebensfähigkeit seines Notariats, das heißt seine wirtschaftliche Unabhängigkeit, sei gefährdet (vgl. BGH MDR 1998, 1377; MDR 2001, 1263; Senat BeckRS 2005, 14689). Ob wirklich eine Rechtsbeeinträchtigung vorliegt, ist Frage der Begründetheit des Antrags (vgl. BGH NJW 1971, 1179).
Der Antragsteller behauptet eine solche Gefährdung der Lebensfähigkeit seines Notariates durch die beabsichtigte Neubesetzung der frei werdenden Notarstelle und führt Umstände an, aus denen er die Prognose eines Rückgangs des Urkundenaufkommens herleitet. Dies genügt - noch - für die Zulässigkeit des Antrags. Bei der gebotenen großzügigen Auslegung (vgl. Senat a. a. O.) liegt eine Beeinträchtigung der Lebensfähigkeit des Notariats noch nicht von vornherein außerhalb des Möglichen.
Antragsgegner des Untersagungsantrags, mit dem die Neubesetzung der Notarstelle und die Aushändigung der Bestallungsurkunde, also die Ernennung, einstweilen verhindert werden soll, ist gemäß § 111c BNotO die Behörde und nicht das Land Brandenburg. Denn die Organisationsentscheidung, die Notarstelle neu auszuschreiben, erfolgte durch die Landesjustizverwaltung als hoheitliche Maßnahme im Sinne von § 111c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Hs. 2 BNotO, sodass das Justizministerium auch für den auf Unterlassung gerichteten Antrag richtiger Antragsgegner ist. Im Übrigen wäre die Ernennung einer im laufenden Stellenbesetzungsverfahren erfolgreichen Bewerber*in auch ein Verwaltungsakt im Sinne von § 111c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Hs. 1 BNotO. Nach entsprechendem Hinweis vom 03.01.2023 und mit Zustimmung des Antragsteller im Schriftsatz vom 09.01.2023 legt der Senat den Antrag des Antragstellers so aus, dass er gegen das Justizministerium als Antragsgegner gerichtet ist (vgl. dazu auch Schoch/Schneider, Kommentar zur VwGO, § 78 Rn 62).
2. Der Antrag ist unbegründet und deshalb abzuweisen
Es fehlt am Anordnungsanspruch. Der Antragsteller hat keinen Anspruch gegen den Antragsgegner, die Wiederbesetzung der frei werdenden Notarstelle bis zu einer erneuten Ermessensentscheidung zu unterlassen. Es ist nicht feststellbar, dass die beabsichtigte Maßnahme ihn in seinen subjektiven Rechten beeinträchtigen könnte. Der Antragsgegner hat sich bei seiner Entscheidung, die frei werdende Notarstelle wieder zu besetzen in den Grenzen des ihm von § 4 BNotO eingeräumten Organisationsermessens gehalten und subjektive Rechte des Antragstellers nicht verletzt.
Die Bedarfsermittlung und Besetzung von Notarstellen gemäß § 4 BNotO (Bedürfnisprüfung) geschieht - wie grundsätzlich die Organisation staatlicher Aufgaben - ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit und dient nicht dazu, Berufsaussichten Interessierter oder den Besitzstand amtierender Notare zu wahren. So besteht etwa zwischen Bewerbern um ein Notaramt beziehungsweise Amtsinhabern und der Justizverwaltung grundsätzlich keine Rechtsbeziehung, die eine Rücksichtnahme auf deren Belange bei der Einrichtung von Stellen einforderte. Der Pflicht der Landesjustizverwaltungen, die Zahl der Notarstellen gemäß § 4 BNotO festzulegen, korrespondiert insbesondere kein Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG (z.B.: Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 2008 - NotZ 15/08 -DNotZ 2009, 309 f, Rn. 6; vom 14. April 2008 - NotZ 118/07 - ZNotP 2008, 329, 330, Rn. 11 und vom 23. Juli 2007 - NotZ 42/07 - NJW 2007, 3723, 3726, Rn. 23 m.w.N.).
Einer der Ausnahmefälle, in denen § 4 BNotO eine Schutzfunktion zugunsten eines Notars oder Notarbewerbers entfaltet (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Juli 2007 aaO Rn. 24 m.w.N.), liegt nicht vor. In der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass die Justizverwaltung gehalten ist, den Notaren eine Berufsausübung zu ermöglichen, die dem gesetzlichen Leitbild entspricht. Seine Aufgabe, als unabhängiger und unparteiischer Berater der Beteiligten (vgl. § 14 BNotO) auf eine möglichst gerechte Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen hinzuwirken, kann er nur erfüllen, wenn ihm ein solches Maß an wirtschaftlicher Unabhängigkeit gewährleistet ist, dass er sich nötigenfalls wirtschaftlichem Druck widersetzen kann. Vor diesem Hintergrund kann sich ein amtierender Notar gegen die Besetzung einer Notarstelle in seinem Amtsgerichtsbezirk mit der Begründung zur Wehr setzen, es würden unter Verstoß gegen § 4 BNotO so viele Notarstellen besetzt, wie gerade noch oder nicht mehr lebensfähig sind (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 2008 aaO S. 310, Rn. 7 und vom 11. Juli 2005 - NotZ 1/05 - DNotZ 2005, 947, 949 m.w.N.).
Dass die Voraussetzungen hierfür im Streitfall erfüllt sind, hat der Antragsteller weder vorgetragen noch ist dies ansonsten ersichtlich. Er hat nicht mit Substanz dargetan und glaubhaft gemacht (§§ 111b BNotO, 123 III VwGO, 920 II, 294 ZPO), dass die beabsichtigte Wiederbesetzung der Notarstelle der noch amtierenden Notarin G... die übrigen Notariate im Amtsgerichtsbezirk in ihrer Lebensfähigkeit, also das Mindestmaß ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit, gefährden könnte.
Abzustellen ist hierbei auf den unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Gebührenaufkommens dieses Bezirkes erzielbaren Gewinn, nicht auf den individuellen Verdienst des Antragstellers, den dieser in Konkurrenz mit den beiden anderen Notaren in seinem Amtsbereich zu erzielen vermag (BGH DNotZ 2005, 947, Rn. 16; NJW 2001, 3548, NJW-RR 2004, 861).
Das maßgebliche gemeldete Gebührenaufkommen der drei Notarstellen im Bezirk B… lag im Jahr 2020 bei 391.200 € und im Jahr 2021 bei 472.344 € und damit 2020 rund 35 % und 2021 rund 30 % unter dem Landesdurchschnitt. Auf jede der drei Amtsstellen entfiel somit ein durchschnittlicher Anteil von rund 157.448 €. Hinzu kommen nicht meldepflichtige Gebühren in nicht bekannter Höhe. Im Jahr 2022 war in den ersten acht Monaten eine Steigerung der gemeldeten Gebühren um 25 % gegenüber den ersten acht Monaten des Vorjahres zu verzeichnen, während sich die gemeldeten Gebühren im selben Zeitraum landesweit um lediglich 4 % erhöht haben, so dass der Abstand zum Landesschnitt sich verringert hat (Stellungnahme der Ländernotarkasse vom 27.10.2022, Bl. 78). Eine sinkende Tendenz ist somit nicht erkennbar, sondern vielmehr ein Anstieg seit 2020. Vor dem Hintergrund dieser tatsächlichen Entwicklung war der Antragsgegner auch nicht gehalten, auf eine Untersuchung der Ländernotarkasse hinzuwirken, inwieweit die Notare bereits die Auswirkungen der aktuellen wirtschaftlichen Lage spürten. Dass das bisherige Gebührenaufkommen für die Gewährleistung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit eines Notariats nicht genüge, hat der Antragsteller nicht darzulegen versucht; in Ansehung dessen, dass eine Einkommensergänzung nach den unwidersprochen gebliebenen Schätzungen der Ländernotarkasse ab einem meldepflichtigen Gebührenaufkommen von rund 135.000 € vermieden wird, liegt solches auch fern.
Der Antragsteller stützt seine Einwände gegen die Besetzungsentscheidung vielmehr auf eine von derjenigen des Antragsgegners abweichende - negative - Zukunftsprognose für die Geschäftsentwicklung, die er aus allgemeinen Erwägungen herleitet, namentlich der herrschenden schwierigen wirtschaftlichen Situation. Wegen rasanter Preissteigerungen und Rohstoffknappheit stünde der Wohnungsbau vor dem Einbruch, Presseberichten zufolge hätten einzelne Bauprojekte bereits beendet werden müssen, weil Preise nicht mehr mit der nötigen Sicherheit zu kalkulieren seien. Folgen der Inflation träfen die Notare. Die Zahlen der zurückliegenden Jahre könnten unter diesen Bedingungen nicht für Prognosen dienen, "im Sog der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung" sei mit sinkenden Urkundenzahlen zu rechnen, überdies sei die Bevölkerungsentwicklung im Amtsbezirk rückläufig. Die Zurückhaltung beim Kauf von Immobilien führe zwangsläufig zu Einbrüchen bei der Anzahl der zu beurkundenden Kaufverträge. Der Fachkräftemangel führe zu Problemen, Handwerksbetriebe schlössen, etwa im Bäckerhandwerk oder Heizungs-, Sanitär- oder Dachdeckerunternehmen. Die Effekte dieser Umstände zeigten sich typischerweise mit Verzögerung, die Stellungnahme der Notarkammer zu ansteigendem Gebührenaufkommen stehe dem deshalb nicht entgegen, sie greife zwei Jahre zurück. Aufgrund der kriegerischen Entwicklung habe sich die wirtschaftliche Lage seit Februar 2022 bekanntermaßen äußerst volatil entwickelt. Eine sichere Prognose über die künftige Entwicklung sei schlicht nicht möglich. Im Hinblick auf hohe Energiepreise würden sich diejenigen, die einen Wohnimmobilienkauf beabsichtigten, einen Kauf sehr genau überlegen, und jedenfalls von einem Kauf einer Immobilie mit Gasheizung absehen. Wer Schenkungen zu warmer Hand im Wege der vorweggenommenen Erbfolge beabsichtige, werde damit vorsichtig sein, erst einmal sich selbst absichern und die Entscheidung auf einen späteren Zeitpunkt verschieben, das gelte vor allem für ältere Menschen, die mit den Folgen von Krieg und Verlust möglicherweise aus eigenem Erleben noch vertraut seien.
Diese Erwägungen gehen über allgemeine Behauptungen und Vermutungen nicht hinaus. Sie vermögen nicht die Prognose zu rechtfertigen, die Geschäfte in den drei Notariaten des Amtsgerichtsbezirks könnten sich im Fall der beabsichtigten Wiederbesetzung der Notarstelle so negativ entwickeln, dass ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit hiervon berührt würde (vgl. auch BGH ZNotP 2009, 364 zu den Anforderungen an die Substanz zum Gefährdungsvorbringen).
Tatsächliche Anhaltspunkte für ein absehbares Absinken des Gebührenaufkommens trägt der Antragsteller nicht vor. Unstreitig ist das Gebührenaufkommen im betroffenen Amtsbezirk seit 2020, also während der von der Pandemie betroffenen Jahre, überproportional angestiegen. Keineswegs ist derzeit absehbar, dass es in den kommenden Jahren zu einer Situation kommen könnte, die die Lebensfähigkeit der drei Notarstellen im Amtsgerichtsbezirk B… ernstlich in Frage stellen könnte. Infolge der nahezu vollständigen Rücknahme der pandemiebedingten Beschränkungen lässt sich auch aus der Corona-Pandemie keine negative Zukunftsprognose mehr herleiten. Soweit er sich zur Begründung seiner Behauptung, eine Prognose lasse sich überhaupt nicht treffen, auf den Fachkräftemangel in Deutschland stützen möchte, lassen seine Ausführungen nichts dazu erkennen, dass dieser sich im betroffenen Amtsbezirk künftig wirtschaftlich dahin auswirken könnte, dass hiermit ein Rückgang des Urkundenaufkommens verbunden sein könnte. Dasselbe gilt für seine Behauptung, Geschäfte im Wege vorweggenommener Erbfolge seien nicht mehr zu erwarten, weil sich zukünftige Erblasser im Angesicht des in der Ukraine herrschenden Krieges oder hoher Energiepreise lieber selbst absichern wollten. Insoweit handelt es sich um eine durch keine Tatsache unterlegte Vermutung. Nichts anderes gilt für seine Sorge, wegen des Anstiegs der Energiepreise könnte das Interesse am Erwerb von Wohneigentum nachlassen. Mit dem Argument, dass Wohneigentümer grundsätzlich in der Lage sind, Niedrigenergielösungen oder Möglichkeiten der Energiegewinnung viel flexibler umzusetzen als dies beispielsweise Mietern möglich ist, was den Erwerb von Immobilieneigentum aktuell auch attraktiv machen könnte, ließe sich auch das Gegenteil vertreten, so dass auch dieser Einwand dem Antrag nicht zum Erfolg zu verhelfen vermag.
Der Senat folgt der Argumentation des Antragstellers darin, dass dieser als Notar an den Folgen der Inflation teilnimmt; dies dürfte sich für ihn allerdings auch weiterhin - wie bereits die Entwicklung in den vergangenen beiden Jahren gezeigt hat - in einer Erhöhung des Gebührenaufkommens auswirken.
Auch der für die kommenden Jahre prognostizierte Bevölkerungsrückgang führt letztlich nicht zu einem dem Antragsteller günstigen Ergebnis. Die Bevölkerungszahlen im Bezirk des Amtsgerichts B… sind seit vielen Jahren rückläufig, ohne dass dies die wirtschaftliche Unabhängigkeit der drei Notarstellen im Bezirk beeinträchtigt hätte. Ein dramatischer Bevölkerungsrückgang ist derzeit auch nicht vorauszusagen (vgl. Bevölkerungsvorausberechnung für das Land Brandenburg 2020 - 2030 des LBV, Bl. 53).
Der mit der Antragsschrift verbundene Antrag auf Akteneinsicht in die „einschlägigen Behördenvorgänge“ geht ins Leere. Unabhängig davon, dass dieser Antrag an die entsprechende Behörde zu richten wäre und nicht an das Gericht, das die Vorgänge nicht noch einmal beigezogen hat, erschließt sich nicht, um welche Vorgänge, die der Antragsteller noch nicht kennt, es sich dabei handeln soll. Das Vorbringen des Antragsgegners, dass dem Antragsteller bereits auf seinen Antrag hin Akteneinsicht gewährt wurde, blieb unwidersprochen und wird im Übrigen belegt durch die der Antragsschrift beigefügten Unterlagen aus den Behördenakten.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 111b BNotO i.V.m. § 154 I VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 111 g II 1 BNotO i.V.m. § 52 I, 53 II Nr. 1 GKG (vgl. BGH NJW 2004, 861 f.; Beschluss vom 26.6.2009 - NotZ 7/09 - juris; MDR 1998, 1377).
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht statthaft, §§ 111b I 1 BNotO, 152 I VwGO (vgl. BGH, Beschluss vom 8.7.2010 - NotZ 5/10, DNotZ 2011, 75).