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Mitbestimmung; Eingruppierung; Höhergruppierung; Ablehnung einer Höhergruppierung; Überleitung von Beschäftigten; neues Entgeltschema; Maßnahmebegriff; Sinn und Zweck der Mitbestimmung bei Eingruppierung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 60. Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) Entscheidungsdatum 01.11.2022
Aktenzeichen OVG 60 PV 5/22 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2022:1101.OVG60PV5.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 87 Nr 1 PersVG BE, § 87 Nr 4 PersVG BE, § 29d TVÜ-Länder

Leitsatz

Die Ablehnung eines Antrages eines Beschäftigten auf Höhergruppierung bei der tariflichen Überleitung in ein neues Entgeltschema unterliegt der Mitbestimmung des Personalrats nach § 87 Nr. 1 PersVG Berlin.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Mitbestimmung bei der Ablehnung von Anträgen auf Höhergruppierung nach § 29d des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder).

Mit dem genannten Tarifvertrag wurden die von ihm erfassten Beschäftigten am   1. November 2006 nach bestimmten Regelungen übergeleitet (§ 3 TVÜ-Länder). Dazu wurden ihre Vergütungsgruppen den Entgeltgruppen des TV-L zugeordnet  (§ 4 TVÜ-Länder). § 29d TVÜ-Länder regelt die Überleitung der Beschäftigten, für die sich ab 1. Januar 2020 Verbesserungen in der Eingruppierung ergeben. Danach sind unter bestimmten Voraussetzungen die Beschäftigten auf Antrag in die Entgeltgruppe eingruppiert, die sich nach § 12 TV-L ergibt. Der Antrag konnte bis zum 31. Dezember 2020 gestellt werden und wirkt auf den 1. Januar 2020 zurück.

Der Beteiligte lehnte es ab, den Antragsteller an der ablehnenden Entscheidung über Anträge der Beschäftigten nach § 29d TVÜ-Länder zu beteiligen. Das gilt auch für den vor dem 31. Dezember 2020 gestellten Antrag der Beschäftigten A ... .

Mit seinem am 5. August 2021 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Antrag hat der Antragsteller eine Verletzung seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Nr. 1 oder Nr. 4 PersVG Berlin geltend gemacht und sich zur Begründung im Wesentlichen auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2021 - BVerwG 5 P 3.20 - berufen.

Er hat beantragt,

festzustellen, dass die Ablehnung der Anträge der Beschäftigten in den Bibliotheken auf Höhergruppierung gemäß § 29d TVÜ-Länder wie im Fall F ... seinem Mitbestimmungsrecht unterliegt.

Der Beteiligte hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass nach der Berliner Rechtslage eine Mitbestimmung bei der Eingruppierung nur im Falle der Ersteingruppierung bei der Einstellung erfolge.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Er sei zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt, weil für den Beteiligten klar erkennbar sei, welche Beschäftigten neben den namentlich aufgeführten gemeint seien. Der Antrag sei auch begründet. Nach § 87 Nr. 1 PersVG bestimme der Personalrat mit bei Einstellungen. Darum gehe es hier zwar nicht, denn die Beschäftigten, die die Anträge nach § 29d TVÜ-Länder stellten, seien längst eingestellt. Allerdings sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass jedenfalls die Ersteingruppierung anlässlich der Einstellung gemäß § 87 Nr. 1 PersVG Berlin mitbestimmungspflichtig sei. Zudem habe    das Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 19. Oktober 2021 - BVerwG 5 P 3.20 - betont, dass unter Eingruppierung die Einreihung des Arbeitnehmers in ein kollektives Entgeltschema zu verstehen sei. Sie sei ein Akt strikter Rechtsanwendung auf der Grundlage von abstrakt-generell bestimmten tätigkeits- oder personenbezogenen Faktoren, die für die Wertigkeit der jeweiligen Arbeitnehmertätigkeiten im Verhältnis zueinander von Bedeutung seien und den Leistungsgrund für das Entgelt bildeten. Die Mitbestimmung des Personalrats hierbei sei kein Mitgestaltungs-, sondern ein Mitbeurteilungsrecht. Die Kontrolle der Vereinbarkeit der Eingruppierung mit den anzuwendenden tarifrechtlichen Vorgaben diene der Wahrung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, der Lohngerechtigkeit und der Transparenz der Entgeltpraxis, mithin der Stärkung des Friedens innerhalb der Dienststelle. Die Mitbestimmung des Personalrats bei der Eingruppierung sei zudem nicht auf die erstmalige Eingruppierung aus Anlass der Einstellung eines Arbeitnehmers beschränkt, sondern erstrecke sich auf die Überprüfung einer bestehenden Eingruppierung aus Anlass einer wesentlichen Veränderung der Eingruppierungssituation. Das erfasse auch die Anwendung eines neuen Entgeltschemas. Dabei spiele es keine Rolle, ob sich infolge der neuen Eingruppierung die Höhe der Vergütung im Ergebnis ändere. Die Maßnahme, an welche die Mitbestimmung anknüpfe, liege in der dem Dienststellenleiter auferlegten Überprüfung der bestehenden Eingruppierung anhand der abstrakt-generellen Merkmale der neuen Entgeltordnung und der (gegebenenfalls konkludenten) Kundgabe des hierbei gefundenen Ergebnisses. Daraus folge, dass zur Einstellung die Eingruppierung gehöre und als Eingruppierung nicht nur die erstmalige, sondern auch die erneute Einreihung eines Arbeitnehmers in eine betriebliche Vergütungsordnung bzw. ein kollektives Entgeltschema anzusehen sei. Eine solche erneute Einreihung löse der rechtzeitige Höhergruppierungsantrag aus, ohne dass es auf das Ergebnis des Antrags (Höhergruppierung oder Ablehnung) ankomme. Zum gleichen Ergebnis gelange man, wenn man Eingruppierungen, die nicht wie bei der Einstellung Ersteingruppierungen seien, als Höher- oder Rückgruppierungen ansehe. Dann richte sich die Mitbestimmung nach § 87 Nr. 4 PersVG, wonach der Personalrat bei Höhergruppierungen mitbestimmt. Eine Beschränkung nur auf tatsächlich vorgenommene Höhergruppierungen und der Ausschluss von ablehnenden Entscheidungen über Höhergruppierungsanträge nach dem hier einschlägigen Tarifvertrag lasse sich nicht überzeugend begründen. Das Ergebnis vertrage sich mit dem Zweck der Mitbestimmung bei der Eingruppierung und Höhergruppierung. Die angestrebte Mitbeurteilung werde gleichermaßen bei der tatsächlichen Höhergruppierung als auch bei der Ablehnung eines Höhergruppierungsantrags erreicht. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, die Lohngerechtigkeit und die Transparenz der Entgeltpraxis, mithin die Stärkung des Friedens innerhalb der Dienststelle, könnten nicht nur durch eine fehlerhafte Höhergruppierung, sondern auch durch eine fehlerhafte Ablehnung einer solchen gefährdet sein.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Beteiligten. Er macht im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht überdehne den Wortlaut des Gesetzes, das einen Mitbestimmungstatbestand der Eingruppierung anders als andere Personalvertretungsgesetze nicht kenne. Zwar sei anerkannt, dass die Mitbestimmung bei der Einstellung nach § 87 Nr. 1 PersVG Berlin auch die erstmalige Eingruppierung anlässlich der Einstellung umfasse. Hier gehe es indes um die Prüfung einer Höhergruppierung anlässlich der Änderung des Tarifvertrages. Die vom Verwaltungsgericht herangezogene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betreffe eine andere Rechtslage nach Landesrecht, das einen eigenen Mitbestimmungstatbestand der Eingruppierung vorsehe. Ferner sei die Ablehnung einer Höhergruppierung keine mitbestimmungspflichtige Höhergruppierung. Das Mitbestimmungsrecht sei auf eine tatsächliche Höhergruppierung beschränkt.

Der Beteiligte beantragt,

den Beschluss vom 25. März 2022, VG 62 K 12/21, zu ändern und den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten verwiesen, die Gegenstand des Anhörungstermins vor dem Senat waren.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag des Antragstellers zu Recht stattgegeben. Die Ablehnung der Höhergruppierung gemäß § 29d TVÜ-Länder durch den Beteiligten wie in dem Anlassfall unterliegt der Mitbestimmung des Antragstellers nach § 87 Nr. 1 PersVG Berlin. Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die oben wiedergegebenen, nach Ansicht des Senats zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts zum Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nach § 87 Nr. 1 PersVG Berlin in diesen Fällen Bezug genommen. Mit Blick auf den Vortrag der Beteiligten im Beschwerdeverfahren ist Folgendes zu ergänzen:

1. § 87 Nr. 1 PersVG Berlin regelt die Mitbestimmung bei der Einstellung. Einen gesonderten Mitbestimmungstatbestand der Eingruppierung kennt das Landesrecht nicht, lediglich eine Mitbestimmung bei Höhergruppierung (Nr. 4 der Norm) und Herabgruppierung (Nr. 6 der Norm). Allerdings ist allgemein anerkannt, dass die Beteiligung des Personalrats bei der Einstellung auch die Eingruppierung erfasst (BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1979 - BVerwG 6 P 15.79 - juris Rn. 23; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. April 2015 - OVG 60 PV 5.14 -). Insoweit hat die ausdrückliche Benennung der Eingruppierung in einem Personalvertretungsgesetz lediglich klarstellenden Charakter; aus der Nichterwähnung der Eingruppierung in einem Personalvertretungsgesetz lässt sich keine Abweichung von Personalvertretungsgesetzen, die die Eingruppierung ausdrücklich aufführen, herleiten (BVerwG a.a.O.). Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Maßnahmebegriffs bei der Eingruppierung, der an die Überprüfung einer bestehenden Eingruppierung aus Anlass einer wesentlichen Veränderung der Eingruppierungssituation anknüpft und unabhängig davon zu bejahen ist, ob als Ergebnis der Überprüfung eine Änderung der Eingruppierung steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2021 - BVerwG 5 P 3.20 - juris Rn. 14 f.), geht der Senat jedenfalls in Überleitungsfällen, in denen wie hier erstmals ein neues Entgeltschema auf die Tätigkeit eines Beschäftigten angewendet wird, von einem Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 87 Nr. 1 PersVG Berlin aus (a.A. Germelmann, PersVG Berlin, 4. Aufl. 2022, § 87 Rn. 34a). Die Situation ist im Grunde nicht anders zu bewerten als die erste Eingruppierung bei der Einstellung, bei der ebenfalls erstmals ein Beschäftigter in ein für ihn neues Entgeltschema eingeordnet wird – bis auf den Unterschied, dass der Beschäftigte sich in dem einen Fall durch die Einstellung erstmals in den Anwendungsbereich eines neuen Entgeltschemas begibt und in dem anderen Fall das neue Entgeltschema durch eine tarifliche Überleitung auf bereits Beschäftigte erstmals angewendet wird.

Richtig ist zwar, dass der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2021 vor dem Hintergrund eines Landespersonalvertretungsgesetzes ergangen ist, das den Mitbestimmungstatbestand der Eingruppierung ausdrücklich aufführt (ebenso etwa der vom OVG Mecklenburg-Vorpommern entschiedene Fall: Beschluss vom 14. September 2022 - 7 LB 157/19 OVG - juris). Dieser Umstand war für das Bundesverwaltungsgericht aber nicht ausschlaggebend, sondern der schon beschriebene Maßnahmebegriff bei der Eingruppierung, der unabhängig davon zu bejahen ist, ob als Ergebnis der Überprüfung eine Änderung der Eingruppierung steht. Die ausdrückliche Erwähnung eines Mitbestimmungstatbestandes der Eingruppierung hat für das Bundesverwaltungsgericht, wie ausgeführt, nur klarstellenden Charakter; aus der Nichterwähnung der Eingruppierung in einem Personalvertretungsgesetz lässt sich deshalb keine Abweichung von Personalvertretungsgesetzen, die die Eingruppierung ausdrücklich aufführen, herleiten (s.o.).

Für dieses Verständnis spricht ferner der vom Bundesverwaltungsgericht beschriebene Sinn und Zweck der Mitbestimmung bei der Eingruppierung, nämlich die Einräumung eines Mitbeurteilungs- und Kontrollrechts der Personalvertretung bei der Anwendung der tariflichen Vorgaben durch die Dienststelle zur Wahrung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, der Lohngerechtigkeit und der Transparenz der Entgeltpraxis, mithin der Stärkung des Friedens innerhalb der Dienststelle (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2021, a.a.O. Rn. 13). Insoweit unterscheidet sich die Bedeutung der Mitbestimmung bei der erstmaligen Eingruppierung anlässlich der Einstellung nicht von der erstmaligen Anwendung eines neues Entgeltschemas auf die Beschäftigten. Demgemäß ist dem Senat bekannt, dass verschiedene Dienststellen im Land Berlin anders als der Beteiligte den hier vertretenen Standpunkt teilen und ihre Personalvertretungen in den Überleitungsfällen unabhängig davon, ob es im Ergebnis zu einer Höhergruppierung kommt, beteiligen. Bei dem Beteiligten sind nach den Angaben seiner Vertreter im Anhörungstermin vor dem Senat rund 40 Anträge gestellt worden, von denen bislang etwa die Hälfte abgelehnt wurde und es in den übrigen Fällen zu einer Höhergruppierung gekommen ist. Ob dabei der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und die Lohngerechtigkeit gewahrt wurden, kann der Antragsteller wirksam kontrollieren, wenn er bei der Prüfung aller Anträge auf Höhergruppierung beteiligt wird und mitbestimmt.

2. Ob sich ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers auch oder ergänzend aus  § 87 Nr. 4 PersVG Berlin (Mitbestimmung bei Höhergruppierung) ergibt, kann nach dem Vorstehenden unentschieden bleiben. Das Bundesverwaltungsgericht hat bezogen auf die Rechtslage in Niedersachsen, das einen eigenständigen Mitbestimmungstatbestand der Eingruppierung kennt, die Ablehnung eines Höhergruppierungsantrages nicht unter den dortigen Mitbestimmungstatbestand der Höhergruppierung gefasst (BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2021, a.a.O, Rn. 12). Aber hat es betont, dass der Maßnahmebegriff nicht an das Ergebnis der Eingruppierung anknüpft, sondern an die der Dienststelle obliegende Überprüfung anhand der generell-abstrakten Merkmale der neuen Entgeltordnung (a.a.O. Rn. 15). Und es hat im Beschluss vom 18. Dezember 1979 (dort Rn. 23) zu der lediglich klarstellenden Bedeutung einer ausdrücklichen Erwähnung des Mitbestimmungstatbestands der Eingruppierung in einem Personalvertretungsgesetz ausgeführt, dass sich ohne ausdrücklichen Mitbestimmungstatbestand die Mitbestimmung bei Ersteingruppierungen aus der Mitbestimmung bei Einstellung ergebe; Eingruppierungen, die nicht wie bei der Einstellung Ersteingruppierungen sind, würden als Höher- oder Rückgruppierungen von den entsprechenden Mitbestimmungstatbeständen erfasst. Das deutet jedenfalls auf ein Verständnis hin, wonach die Erwähnung oder Nichterwähnung der Eingruppierung im Mitbestimmungskatalog eines Personalvertretungsgesetzes keine Unterschiede bei der Mitbestimmung begründet, solange eine Mitbestimmung bei der Einstellung sowie bei Höher- und Herabgruppierung normiert sind.

Die Rechtsbeschwerde ist wegen der grundsätzlich klärungsbedürftigen Frage zuzulassen, ob die Ablehnung einer Höhergruppierung aus Anlass einer tariflichen Überleitung der Beschäftigten in eine neue Entgeltordnung nach § 87 PersVG Berlin mitbestimmungspflichtig ist.