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Prüfungsrecht des Landesrechnungshofs - Rechtsanwaltskammer - (intendiertes) Ermessen


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 26.01.2023
Aktenzeichen OVG 10 N 75/22 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2023:0126.OVG10N75.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 111 Abs 2 LHO

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 9. November 2022 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt das Zulassen einer Ausnahme von der durch den Landesrechnungshof Brandenburg beabsichtigten Prüfung ihrer Haushalts- und Wirtschaftsführung nach § 111 Abs. 2 der Landeshaushaltsordnung (LHO). Der Landesrechnungshof teilte der Klägerin im Jahr 2015 mit, dass er beabsichtige, die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Klägerin für das Geschäfts- und Rechnungsjahr 2014 zu prüfen. Die Klägerin erhob hiergegen Klage zum Verwaltungsgericht Potsdam, die ohne Erfolg blieb (VG 1 K 5027/15). Die gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts durchgeführte Berufung hat der Senat mit Urteil vom 7. April 2022 (OVG 10 B 2.18) zurückgewiesen. Die Klägerin beantragte unter dem 23. Mai 2018 beim Beklagten die Erteilung einer Ausnahme von der Prüfung durch den Landesrechnungshof gemäß § 111 Abs. 2 LHO. Mit Bescheid vom 3. September 2018 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die Klage hiergegen hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) liegen, soweit sie hinreichend dargelegt sind (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO), nicht vor.

1. Mit den von der Klägerin angeführten und hier allein zu prüfenden Gründen sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht aufgezeigt. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Dezember 2010 - 1 BvR 2011/10 -, juris Rn. 17 m.w.N.) und nicht nur die Begründung, sondern auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung derartigen Zweifeln unterliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, juris Rn. 9).

Die Klägerin stellt die Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage.

a) Die Klägerin meint der Sache nach, § 111 Abs. 2 LHO sehe ein intendiertes Ermessen dahin vor, dass wenn „kein erhebliches finanzielles Interesse des Landes“ bestehe, von einer Prüfung durch den Landesrechnungshof grundsätzlich abzusehen sei. Nur in atypischen Fällen sei dann eine Prüfung nach entsprechender Ermessenausübung veranlasst.

Das verfängt nicht. § 111 Abs. 2 LHO bestimmt, dass für landesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts das zuständige Ministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium der Finanzen und dem Landesrechnungshof Ausnahmen von Absatz 1 zulassen kann, soweit kein erhebliches finanzielles Interesse des Landes besteht. Der in Bezug genommene § 111 Abs. 1 S. 1 LHO bestimmt, dass der Landesrechnungshof die Haushalts- und Wirtschaftsführung der landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts prüft, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

Schon in Anbetracht des dargestellten Wortlauts und der Systematik ist es danach deutlich, dass § 111 Abs. 2 LHO keinen Fall des intendierten Ermessens in dem von der Klägerin für sich in Anspruch genommenen Sinn darstellt. Vielmehr formuliert die gesetzliche Regelung klar als Grundsatz, dass der Landesrechnungshof juristische Personen des öffentlichen Rechts prüft (§ 111 Abs. 1 LHO). Dass dies auch die Klägerin betrifft, hat der Senat schon in seinem Urteil vom 7. April 2022 (OVG 10 B 2.18 –, juris Rn. 42 ff.) ausführlich dargelegt und stellt auch die Klägerin nicht in Abrede. Nach dem ebenfalls klaren Wortlaut des § 111 Abs. 2 LHO regelt dieser eine Ausnahme von dieser Grundregel. Ausnahmen sind prinzipiell restriktiv auszulegen. Hier kommt noch hinzu, dass der Gesetzgeber selbst die Ausnahme noch einer weiteren Restriktion unterworfen hat: Ein Absehen von der Prüfung kommt von vorneherein nur in Betracht, „soweit kein erhebliches finanzielles Interesse des Landes besteht“. In allen anderen Fällen ist schon gar kein Raum für ein Absehen von der Prüfung im Ermessenswege.

Die Klägerin sucht mit ihrem Zulassungsantrag dieses auf der Hand liegende Verhältnis und Normgefüge in sein Gegenteil zu verkehren. Ein solches Normverständnis widerspricht – wie aufgezeigt – Wortlaut, Regelungszusammenhang und Regelungszweck von § 111 Abs. 2 LHO und ist daher abzulehnen.

Insbesondere ist das Argument der Klägerin, ein in ihrem Sinne anzunehmendes intendiertes Ermessen folge aus dem Regelungszweck des § 111 Abs. 2 LHO, nicht überzeugend. Die Klägerin will dieses eher fernliegende Auslegungsergebnis aus seiner nicht näher begründeten Annahme ableiten, dass das Ermessen aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit dahin gelenkt werde, dass bei fehlendem finanziellem Interesse des Landes keine Prüfung durch den Landesrechnungshof erfolgen solle. § 111 Abs. 2 LHO sei Ausdruck einer Ressourcenschonung. Die von vornherein personell und sachlich begrenzten Mittel des Landesrechnungshofes sollten nur dort eingesetzt werden, wo die Prüfung im fiskalischen Interesse des Landes auch angezeigt sei. Das sei immer dort der Fall, wo erhebliche finanzielle Interessen des Landes dies erforderlich machten. Ungeachtet dessen, dass es für diese Annahme angesichts von Wortlaut und Systematik nicht den geringsten Anhalt gibt, trifft sie auch nicht zu. Sinn des Prüfungsrechts des Landesrechnungshofs ist es in der Tat Ressourcen zu sparen. Nur nicht in der Gestalt, wie die Klägerin dies meint. Sinn ist es, die landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts dadurch zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit anzuhalten, dass etwaige Missstände in diesen Bereichen durch die unabhängige Prüfung des Landesrechnungshofs aufgedeckt und in der Folge beseitigt werden. Daran müsste auch die Klägerin ein Interesse haben, hängt ihre eigene Legitimation doch in einem nicht nur geringen Maße davon ab, dass die von ihr vereinnahmten und verwalteten öffentlichen Gelder ordnungsgemäß verwendet werden. Nähme man also den von der Klägerin angenommenen Regelungszweck ernst, würde allenfalls etwas für ein intendiertes Ermessen gerade mit dem Ziel einer regelmäßigen Prüfung bei ihr und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts des Landes Brandenburg sprechen. Dementsprechend wäre die Annahme einer Ausnahme nach § 111 Abs. 2 LHO besonders rechtfertigungsbedürftig. Zu einer solchen Rechtfertigung trägt der von der Klägerin ohne jeden normativen Anknüpfungspunkt angenommene Normzweck nichts bei.

b) Soweit die Klägerin aufbauend auf ihrem Fehlverständnis des § 111 Abs. 2 LHO und des darin enthaltenen Ermessens meint, ein atypischer Fall liege hier nicht vor, erübrigen sich Ausführungen hierzu, da schon die Prämisse der Klägerin evident unzutreffend ist. Der Senat weist insoweit nur darauf hin, dass die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, nach denen die Ermessenserwägungen des Beklagten zur Verweigerung der Ausnahme nicht zu beanstanden seien, überzeugen. Der Senat tritt ihnen bei. Insbesondere kann die Klägerin nicht einwenden, die bei der letzten Prüfung im Jahr 1998 festgestellten Missstände seien kein tragfähiger Ermessensgesichtspunkt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, ungeachtet des Zeitablaufes zeigten die damaligen Befunde doch, dass die Feststellung von Verstößen im Rahmen der Überprüfung durch den Landesrechnungshof keinesfalls abwegig sei und durch die sonstig durchgeführten Überprüfungen bzw. Prüfmöglichkeiten (Rechtsaufsicht, Kammerversammlung, Vorgehen einzelner Kammermitglieder usw.) gerade nicht von vornherein ausgeschlossen seien. Auch ist angesichts des wiederholt vorgebrachten Arguments der Klägerin erneut darauf hinzuweisen, dass es keinen Unterschied macht, dass ihr Haushaltsvolumen auf Beiträgen der Rechtsanwälte beruht. Wie das Verwaltungsgericht und auch der Senat bereits ausgeführt haben, blendet dieses Vorbringen aus, dass es sich bei den durch Mitgliedsbeiträge aufgebrachten Mitteln um Einnahmen öffentlich-rechtlicher Körperschaften und damit um Gelder der öffentlichen Hand handelt.

2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten sind gegeben, wenn die Rechtssache überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich über- schreitende Schwierigkeiten verursacht und sich diese auf Fragen beziehen, die für den konkreten Fall entscheidungserheblich sind. Dabei ist es zur Darlegung des Zulassungsgrundes erforderlich, dass die Fragen, in Bezug auf die sich solche Schwierigkeiten stellen, konkret bezeichnet werden. Ferner ist regelmäßig zu erläutern, worin die besondere Schwierigkeit besteht. Ergibt sich die Schwierigkeit schon aus dem Begründungsaufwand des erstinstanzlichen Urteils, so genügt der Antragsteller seiner Darlegungslast indes mit erläuternden Hinweisen auf die einschlägigen Passagen des Urteils. Erblickt der Antragsteller die Schwierigkeiten des Falles hingegen darin, dass das Gericht auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen ist oder notwendige Rechtsfragen nicht oder unzutreffend beantwortet hat, so hat er diese Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise darzustellen und ihren Schwierigkeitsgrad plausibel zu machen (OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 18. Mai 2022 – OVG 10 N 4.21 –, juris Rn. 42).

Die Klägerin meint, die Bestimmung des Regelungsgehaltes und die damit verbundene Frage nach dem intendierten Ermessen beträfen eine Rechtsfrage, zu der ein Meinungsstand fehle, und schon deswegen übersteige die Durchdringung des Sach- und Streitstandes das normale Maß verwaltungsrechtlicher Rechtsfragen. Das ist unzutreffend, da die Frage – wie vom Senat unter 1. dargelegt – sich durch einfache Auslegung des Gesetzes mit einem eindeutigen Auslegungsergebnis beantworten lässt.

3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Berufungsverfahren geklärt werden muss. Das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO verlangt daher zur Begründung einer grundsätzlichen Bedeutung neben der Bezeichnung der Frage Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und zur Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechts- oder Tatsachenfrage. Nicht klärungsbedürftig ist eine Frage, deren Beantwortung sich ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Mai 2021 – OVG 10 N 5/21 – juris Rn. 24).

Eine solche grundsätzliche Bedeutung liegt hier nicht vor. Die Klägerin hält für grundsätzlich bedeutsam, ob § 111 Abs. 2 LHO einen Fall intendierten Ermessens darstelle und eine Ausnahme von der Prüfungsbefugnis des Landesrechnungshofes nach § 111 Abs. 2 LHO als Regelfall zuzulassen sei, wenn – wie im konkreten Fall vom Verwaltungsgericht festgestellt – ein erhebliches finanzielles Interesse des Landes Brandenburg an der Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Klägers nicht bestehe. Die Beantwortung dieser Frage bedarf nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens, da sie sich nach den vorstehenden Ausführungen des Senats durch einfache Auslegung des Gesetzes mit einem eindeutigen Auslegungsergebnis beantworten lässt. Soweit die Klägerin der Sache nach wohl auch für grundsätzlich bedeutsam hält, welche Kriterien für die damit eröffnete Ermessensausübung zu beachten sind, lässt sich dies nicht grundsätzlich klären, sondern ist eine Frage des Einzelfalls.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).