Gericht | OLG Brandenburg 10. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 09.02.2023 | |
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Aktenzeichen | 10 U 55/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0209.10U55.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 24.02.2022 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und unter Ziffer 1 wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 47.498,49 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2020 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Dieses Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 47.498,49 € festgesetzt.
I.
Die Parteien streiten über die teilweise Rückzahlung einer geleisteten Vergütung aus einem Werbevertrag.
Die Klägerin ist eine von elf in Deutschland existierenden Allgemeinen Ortskrankenkassen und für die Bundesländer Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zuständig.
Die Parteien schlossen im August 2018 einen Werbevertrag, nach dem die Beklagte im Zeitraum November 2018 bis Dezember 2019 zielgruppenspezifische Banner- und Display-Werbung inklusive zielgruppenspezifische Ansprache im Onlinemarketing (Targeting) mit 12 Millionen Seitenaufrufen (sog. page impressions) über die Amazon Advertising Platform (AAP) auf amazon.de und Amazon-Partnerseiten erbringen sollte. Die Parteien vereinbarten eine Vergütung von 49.800 € netto bzw. 59.262 € brutto, welche die Klägerin im September 2018 vereinbarungsgemäß vorab an die Beklagte zahlte.
In dem Vertrag wurde eingangs als Leistungszeitraum November 2018 - Dezember 2019 bestimmt und festgelegt: „[Die Beklagte] schaltet für die [Klägerin] zielgruppenspezifische Banner- und Displaywerbung inkl. Targeting mit 12 Million Page Impressions auf [amazon]....“ Danach folgt: „Folgende Leistungen sind enthalten:“ und sechs Punkte, von denen der erste Punkt „Integration der [Beklagten] in die AAP, Desktop und Mobile mit 12 Million Page Impressions“ lautet und die weiteren Punkte die Erstellung eines Projektplans, die Durchführung eines Workshops, die Erstellung und Anpassung aller Grafik-Templates, Monitoring und ein monatliches Reporting betreffen.
In dem Vertrag war eine Vorauszahlungspflicht der Klägerin vereinbart sowie folgende Rückzahlungsverpflichtung: „Werden im Voraus bezahlte Leistungen während der Vertragslaufzeit nicht abgerufen oder aus sonstigen Gründen nicht erbracht, kann die (Gesundheitskasse) den darauf entfallenden Anteil eines im Voraus gezahlten Entgeltes zurückfordern.“
Schließlich regelte der Vertrag, dass die Beklagte berechtigt war, die Kampagne mit Einbindung der Klägerin für bis zu sechs Monate zu verschieben oder durch eine oder mehrere andere, inhaltlich und systematisch gleichwertige und vergleichbare Leistungen zu kompensieren.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag, Anlage K1, Bl. 7 GA, Bezug genommen.
Nach den Berichten der Beklagten wurden im Leistungszeitraum nur 2.381.851 Impressions erreicht, was 19,85% von 12 Millionen entspricht. Die Beklagte bot in einem Gespräch alternative Kampagnen an (Google Ad Words Kampagnen, Google Suchkampagnen, Google Displaykampagnen, Printkampagnen wie beispielsweise Couponkampagnen, programmatische Banner- und Display Kampagnen), welches die Klägerin ablehnte, u.a. weil sie insoweit an andere Partner gebunden war.
Die Klägerin forderte von der Beklagten 81,15% der Vorauszahlung zurück, was der Klageforderung entspricht. In der zweiten Aufforderung setzte sie eine Frist bis zum 10. Mai 2020. Wegen des genauen Inhalts wird auf Anlage K4 (Bl. 19 GA) Bezug genommen.
Die Beklagte hat behauptet, sie habe keinen Einfluss auf die von der Klägerin ausgewählten Targets. Noch weniger habe sie Einfluss auf die entsprechend den Targets stattgefundenen Ausspielungen der Page Impressions. Sie ist außerdem der Ansicht gewesen, dass aufgrund der neben den 12 Mio. Page Impressions festgelegten und erfüllten Leistungspflichten (Projektplan, Workshop, Strategiefestlegung, Zielgruppenselektion, Erstellung und Anpassung von Templates, Monitoring, u.a.) eine etwaige Rückforderung nicht nach dem Verhältnis der avisierten zu erreichten Impressions berechnet werden könne. Sie hat mit in erster Instanz nachgelassenem Schriftsatz geltend gemacht, die weiteren Leistungen würden mindestens 60% ihrer Leistung ausmachen.
Im Übrigen wird im Hinblick auf die tatsächlichen Feststellungen, die erstinstanzlichen Anträge und die Begründung auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit am 24.02.2022 verkündetem Urteil die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 47.498,49 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2020 verurteilt.
Gegen dieses ihr am 28.02.2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit per Fax am 25.02.2022 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 28.02.2022 hat die Beklagte als elektronisches Dokument einen Schriftsatz eingereicht und darin ausgeführt die Übermittlung der Berufung am vorangegangenen Freitag sei aus technischen Gründen als elektronisches Dokument nicht möglich gewesen, gleichzeitig hat sie vorsorglich die Einlegung der Berufung wiederholt. Die Berufung hat die Beklagte nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.02.2022 eben an diesem Tag begründet.
Sie bringt vor, dass die Nichterreichung der 12 Millionen Impressions nicht von der Beklagten zu vertreten sei. Die Ausspielung der Impressions sei nicht oder nur geringfügig vorhersehbar. Die von der Klägerin ausgewählten Selektoren hätten sich als zu engmaschig erwiesen, insbesondere die Beschränkung auf Kunden aus B…, B… und M…. Sie behauptet erneut, dass die anderen Arbeiten 60% des Auftragsvolumens ausgemacht hätten und daher Grundlage für eine Rückzahlungsverpflichtung allenfalls ein Betrag von 23.704,80 € (40% der Auftragssumme) sein könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 24.02.2022, Az. 2 O 92/21 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Bezugnahme auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen.
II.
Die zulässige Berufung hat nur im Hinblick auf einen Teil der Zinsforderung Erfolg und ist im Übrigen unbegründet.
1.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie rechtzeitig eingelegt und begründet worden.
Die Berufung ist innerhalb der Frist des § 517 ZPO eingelegt worden. Dabei kann offen bleiben, ob dies schon durch den (nur) per Fax am 25.02.2022 eingegangen Schriftsatz erfolgt ist, der entgegen § 130d Satz 3 ZPO keine Darlegung der Gründe für die vorübergehende Unmöglichkeit einer Übermittlung als elektronisches Dokument enthielt und für den auch nachträglich keine Gründe dargelegt worden sind, warum in dem Schriftsatz selbst diese Gründe nicht dargelegt werden konnten. Denn die Berufungsfrist ist jedenfalls durch den am 28.02.2022 und damit noch innerhalb der Berufungsfrist eingegangenen Schriftsatz gewahrt. Mit diesem Schriftsatz hat die Beklagte die Einlegung der Berufung ausdrücklich wiederholt.
Die Berufungsbegründungsfrist erfolgte innerhalb der verlängerten Frist und ist daher gewahrt, unabhängig davon, welcher der beiden Schriftsätze als wirksame Berufungseinlegung anzusehen ist.
2.
Die Berufung ist in der Hauptsache unbegründet und hat nur im Nebenpunkt hinsichtlich der Höhe des Zinssatzes Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte mit Ausnahme eines Teils des Zinsausspruchs zu Recht und mit zutreffender und überzeugender Begründung zur Zahlung verurteilt.
a)
Ob das Landgericht seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, wird in der Berufung nicht geprüft, § 513 Abs. 2 ZPO. Im Übrigen werden Zulässigkeitsmängel der Klage nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
b)
Der vom Landgericht zugesprochene Anspruch ergibt sich dem Grunde nach aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag, nämlich der Klausel, dass für während der Vertragslaufzeit nicht abgerufene oder aus sonstigen Gründen nicht erbrachte Leistungen das darauf entfallende Entgelt zurückgefordert werden kann.
Der Höhe nach besteht der Anspruch so wie vom Landgericht zutreffend berechnet. Der Vertrag enthält insoweit die klare Regelung, dass für nicht abgerufene oder aus sonstigen Gründen nicht erbrachte Leistungen der darauf entfallende Anteil des im Voraus gezahlten Entgelts zurückgefordert werden kann. Mit dem Landgericht legt der Senat den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag dabei so aus, dass bei der Bemessung der tatsächlich erbrachten Leistungen der Beklagten und bei der Bemessung der vorab bezahlten Leistungen alleine auf die „Page Impressions“ abzustellen ist und die weiteren nach dem Vertrag geschuldeten und dort beschriebenen Nebenleistungen der Beklagten hierbei nicht zu berücksichtigen sind.
Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. In einem zweiten Auslegungsschritt sind sodann die außerhalb des Erklärungsakts liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BGH, Urteil vom 19. Januar 2000 - VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, 1002, juris-Rn. 20). Dabei sind grundsätzlich alle Nebenumstände des Vertragsschlusses einschließlich des Inhalts von Vorverhandlungen oder anderer (laufender) Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten oder unter Umständen sogar auch nur eines Vertragspartners mit einem oder mehreren Dritten heranzuziehen (Wendtland, in BeckOK BGB, 57. Ed. 01.02.2021, § 157 BGB Rn. 14). Zu ermitteln ist der objektive Sinn der Bestimmungen. Dabei ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass eine vertragliche Bestimmung nach dem Willen der Parteien einen bestimmten, rechtserheblichen Inhalt haben soll. Deshalb ist einer möglichen Auslegung der Vorzug zu geben, bei welcher der Vertragsnorm eine tatsächliche Bedeutung zukommt, wenn sich diese Regelung ansonsten als ganz oder teilweise sinnlos erweisen würde (BGH, Urteil vom 07.03.2005 - II ZR 194/03, NJW 2005, 2618, juris-Rn. 21). Weiter gilt das Gebot der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung und der Berücksichtigung des durch die Parteien beabsichtigten Zwecks des Vertrags (BGH, Urteil vom 17. März 2011 - I ZR 93/09, GRUR 2011, 946). Bei Auslegung eines Vertrags ist insbesondere zu berücksichtigen, in welchem Umfang die Parteien nach ihrer Interessenlage im Abschlusszeitpunkt jeweils das wirtschaftliche Risiko späterer Entwicklungen tragen sollten (BGH, Urteil vom 09. Mai 2003 - V ZR 240/02, NJW-RR 2003, 1053, juris-Rn. 10).
Nach diesen Grundsätzen ergibt sich, dass der Vertrag so auszulegen ist, dass im Hinblick auf die Rückzahlungsverpflichtung mit Leistungen nur die Page Impressions gemeint waren.
Dafür spricht zunächst der Wortlaut, nämlich dass die Parteien als Gegenleistung für die Zahlungspflicht der Klägerin alleine auf die Page Impressions abgestellt haben und es insoweit heißt: „Die [Klägerin] zahlt für das Schalten von Banner- und Displaywerbung mit 12 Million Page Impressions auf [amazon]: 49.800,00 EUR zzgl. MwSt.“ Die weiteren Leistungen sind hier hingegen nicht genannt. Für eine solche Auslegung spricht weiter, dass es auf der Titelseite unter „Umfang“ „Banner- und Displaywerbung (…) 12 Million Page Impressions“ heißt und auch hier die weiteren Leistungen nicht erwähnt werden. Auch in der Leistungsbeschreibung heißt es einleitend, dass die Beklagte für die Klägerin Banner- und Displaywerbung inkl. Targeting mit 12 Million Impressions schaltet. Dass es im Vertrag an weiterer Stelle heißt: „Folgende Leistungen sind enthalten“ und (neben der erneuten Erwähnung von 12 Mio. Page Impressions) dann in Bulletpoints die Nebenleistungen aufgezählt werden spricht vom Wortlaut ebenfalls dafür, dass die Nebenleistungen bei der Bemessung der tatsächlich erbrachten gegenüber der geschuldeten Leistung keine Rolle spielen sollten, sondern in dem Preis für die Hauptleistung, nämlich die 12 Mio. Page Impressions, enthalten waren.
Für die vom Senat vorgenommene Auslegung spricht weiter, dass im Vertrag einzig für die Zahl der Page Impressions eine Quantifizierung in Zahlen vorgenommen wurde. Ein Großteil der Nebenleistungen ist dagegen noch nicht einmal isoliert betrachtet mengenmäßig definiert, insbesondere was die Anzahl und Anpassung der Grafik-Templates und das Monitoring während des Kampagnenzeitraums betrifft. Der Umfang der Nebenleistungen ist jedenfalls im Verhältnis zu den Page Impressions bzw. der Gesamtleistung nicht in Prozentsätzen oder irgendwie anders quantifizierbar festgelegt. Dies spricht dafür, dass die Vertragsparteien diese auch nicht bei der Berechnung einer Rückforderung für tatsächlich nicht erbrachte Leistungen berücksichtigen wollten. Denn dann hätte eine zahlenmäßige Festlegung nahegelegen, insbesondere da für die Klägerin bei Vertragsschluss überhaupt keine Möglichkeit bestand, die Höhe der einzelnen Kosten der Beklagten für die Nebenleistungen abzuschätzen und damit den Anteil dieser Nebenleistungen an der Gesamtleistung vorherzusehen und zu berechnen.
Dass die Parteien im Rahmen anderer Verträge die Abrechnung von nur teilweise erbrachten Leistungen anders gehandhabt hätten oder dieses Thema zum Inhalt von Vorverhandlungen gemacht hätten, macht die Beklagte nicht geltend, in dieser Hinsicht ergeben sich also keine abweichenden Auslegungsansätze.
Für die vom Senat vorgenommene Auslegung spricht weiter das wirtschaftliche Interesse der Klägerin, das bei einem Werbevertrag im Wesentlichen alleine in der Anzahl der Page Impressions liegt. Die Erstellung eines Projektplans, die Durchführung von Workshops, Monitoring und Reporting haben isoliert betrachtet, wenn es also dann nicht zur Schaltung der Werbung und den Seitenaufrufen käme, keinen Nutzen für die Klägerin. Einer solchen Auslegung steht auch nicht entgegen, dass die Nebenleistungen Aufwand für die Beklagte bedeuteten und sie daher ein Interesse an der Vergütung auch dieser Leistungen hatte, denn die hier vorgenommene Auslegung führt zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und auch den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werdenden Ergebnis. Denn die Vereinbarung einer konkreten Zahl von Page Impressions und einer Rückzahlungsverpflichtung für nicht erbrachte Leistungen weist das wirtschaftliche Risiko, dass die geschuldeten Page Impressions nach Vertragsschluss nicht wie erhofft erfolgen, eindeutig der Beklagten zu. Auch grundsätzlich trifft bei einem Werkvertrag den Unternehmer nach Vertragsschluss das Risiko, dass und mit welchem Aufwand er das vereinbarte Werk herstellen kann. Dass die Beklagte ihr Werk nicht vollständig erbringen konnte und damit Erlöse für in den Vertragspreis mit eingerechnete Fixkosten bzw. Nebenleistungen nicht im erhofften Maß verdienen konnte, fällt daher in ihre Risikosphäre. Den Vertrag insoweit so auszulegen, dass den Interessen der Klägerin an einer vorhersehbaren und an den tatsächlichen Ergebnissen ausgerichteten Vergütung Vorrang vor den Interessen der Beklagten an der Vergütung von tatsächlich erbrachten Nebenleistungen erhält, ist daher ein vernünftiges und letztlich den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werdendes Ergebnis, auch weil den Vertragsparteien die Möglichkeit offengestanden hätte, die Nebenleistungen in dem Vertrag zu quantifizieren, einen Mindestvergütungsbetrag oder anders konkret festzulegen, dass die Nebenleistungen unabhängig von der Zahl der Page Impressions vergütet werden, wenn sie einen anderen Inhalt der Regelung gewollte hätten.
Der Anspruch ist auch nicht deswegen teilweise ausgeschlossen, weil die Klägerin die Zielgruppen aus Sicht der Beklagten zu eng festgelegt hat. Insoweit kann offenbleiben, ob sich eine solche Beschränkung des Anspruchs im Grundsatz entweder aus einer (ggfs. ergänzenden) Vertragsauslegung unter Berücksichtigung des Grundgedankens des § 162 BGB oder als Schadensersatzanspruch wegen einer Nebenpflichtverletzung aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB ergibt. Denn die Voraussetzungen dieser Vorschriften würden schon deswegen nicht vorliegen, weil sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht ausreichend ergibt, dass die Beklagte durch die Auswahl von Zielgruppen eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt bzw. gegen Treu und Glauben gehandelt hat. Dass die geschuldete Werbung anhand von Zielgruppen beschränkt werden sollte, war offensichtlich Grundlage des Vertrags, so dass sich aus der Festlegung von Zielgruppen als solches keine Vertragsverletzung ergeben kann. Eine solche Verletzung ergibt sich für den Senat auch nicht aus der Art und Weise der Auswahl. Soweit die Beklagte insoweit darauf abstellt, dass die Klägerin die Zielgruppen nicht hätte geographisch beschränken dürfen, so kann sich daraus angesichts der sich schon aus dem Namen der Klägerin ergebenden offensichtlichen geographischen Beschränkung ihres Tätigkeitsbereichs, keine Vertragsverletzung ergeben. Dass die Klägerin die Zielgruppen in sachlicher Hinsicht zu eng ausgewählt hätte, macht die Beklagte schon nicht konkret geltend, sie trägt weder die tatsächlich vorgenommene Zielgruppenauswahl vor, noch welche Zielgruppenauswahl aus ihrer Sicht nahegelegen hätte, um das Vertragsziel gemeinsam zu erreichen. Schließlich ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten auch nicht, dass ein Verstoß gegen die im Werkvertragsrecht bestehende Hinweispflicht gegeben ist. Sind dem Besteller Umstände bekannt, die bei der Werkserrichtung Gefahren erzeugen oder die geeignet sind, Mängel des Werks hervorzurufen oder dessen rechtzeitige Erstellung zu behindern, ist der Besteller zur Unterrichtung des Unternehmers dann verpflichtet, wenn dieser die genannten Umstände nicht kennt und auch nicht unschwer erkennen kann (MüKoBGB/Busche, 9. Aufl. 2023, BGB § 631 Rn. 111). Dass hier solche Umstände in der Person der Klägerin vorlagen, diese also bei Vertragsschluss wusste, dass 12 Mio. Page Impressions mit den von ihr gewählten Zielgruppen innerhalb des vereinbarten Zeitrahmens nicht erreichbar waren, trägt die Beklagte nicht konkret vor. Dagegen spricht im Übrigen auch der Vortrag der Beklagten, wonach die Ausspielung der Impressions nicht oder nur geringfügig vorhersehbar ist.
Der Vertrag ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht so auszulegen, dass die Vergütungspflicht in voller Höhe bestehen sollte, wenn das Nichterreichen der 12 Millionen Page Impressions nicht von der Beklagten zu vertreten war. Schon allein die Vereinbarung einer Rückzahlungspflicht sogar für Leistungen, die „während der Vertragslaufzeit nicht abgerufen“ wurden, spricht gegen eine solche Auslegung. Denn unter Leistungsabruf wird typischerweise die einseitige Entscheidung des Auftraggebers verstanden, die Leistung zu verlangen. Wenn die Rückzahlungspflicht aber sogar für nicht abgerufene Leistungen bestand, dann muss sie erst Recht für nicht erbrachte Leistungen bestanden haben, selbst wenn die Beklagte die Nichterbringung nicht zu vertreten hatte.
c)
Eine Rückforderung ist auch nicht nach der Regelung im Vertrag ausgeschlossen, nach der die Beklagte unter anderem bei nicht rechtzeitiger Durchführung oder fehlender Durchführung der Kampagne mit dem Vertragspartner wegen Umständen, die die Beklagte nicht zu vertreten hatte, zur Verschiebung oder Ersatz der Kampagne durch andere Leistungen berechtigt war. Die Voraussetzungen der Regelung liegen nämlich schon nicht vor, denn die Kampagne ist rechtzeitig, also in zeitlicher Hinsicht wie geplant, durchgeführt worden. Ansprüche der Beklagten aus dieser Vorschrift scheiden schon deswegen aus. Die Regelung kann auch nicht so auslegt werden, dass sie auch dann anwendbar sein sollte, wenn das Vertragsziel während der tatsächlich vereinbarten Vertragslaufzeit nicht rechtzeitig erreicht werden sollte. Hiergegen spricht die konkrete Vereinbarung eines Leistungszeitraums, denn dies zeigt, dass die Parteien nicht davon ausgingen, dass die Kampagne insgesamt länger als der im Vertrag bestimmte Zeitraum dauern würde.
Im Übrigen wären aber auch – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – die alternativ angebotenen Leistungen inhaltlich und systematisch nicht gleichwertig und vergleichbar. Die angebotenen Leistungen anderer Werbeplattformen (Google) sind schon deswegen nicht vergleichbar, weil die Parteien konkret die Werbung bei der Amazon Advertising Platform vereinbart haben. Printkampagnen hingegen sind mit der Begründung des Landgerichts nicht systemisch vergleichbar.
d)
Ob der Vertrag, wie die Beklagte in erster Instanz noch geltend gemacht hat, wegen eines Verstoßes gegen das Verbot unzulässiger Werbemaßnahmen durch Krankenkassen nichtig war, welches zum damaligen Zeitpunkt allerdings nur in entsprechender Anwendung des § 12 Abs. 1 bis 3 UWG als Unterlassungsanspruch einer Krankenkasse gegen unzulässige Werbemaßnahmen einer anderen Krankenkasse bestand (vgl. BGS, NZS 2019, 937 Rn. 18, beck-online), kann offen bleiben. Wenn der Vertrag nichtig war, ergäbe sich der Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Eine etwaige Nichtigkeit des Vertrages hätte hierauf keinen Einfluss, denn einem solchen Anspruch stünde § 814 BGB selbst dann nicht entgegen, wenn man insoweit auch ohne konkrete Behauptung der Beklagten unterstellen würde, dass die Klägerin eine Nichtigkeit des Vertrags kannte. Denn § 814 BGB ist im Sonderfall der Leistung unter Vorbehalt nicht anwendbar (HK-BGB/Volker Wiese, 11. Aufl. 2021, BGB § 814 Rn. 3). Ein solcher Vorbehalt lag hier in der Vereinbarung, dass für nicht erbrachte Leistungen die Vergütung zurückgefordert werden kann.
3.
Der Zinsanspruch ergibt sich dem Grunde nach aus § 286 Abs. 1 BGB, er ist aber nur in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gerechtfertigt. Den höheren Zinssatz nach § 288 Abs. 2 BGB kann die Klägerin nur bei einer Entgeltforderung verlangen. Voraussetzung für das Vorliegen einer Entgeltforderung ist, dass die Geldforderung die Gegenleistung für eine von dem Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung ist (BGH, Urteil vom 21.04. 2010 - XII ZR 10/08, Rn. 23 – beck-online). Dem hier geltend gemachten Rückzahlungsanspruch liegt aber keine Gegenleistung der Klägerin zugrunde. Dementsprechend wird beispielsweise auch der Anspruch auf Rückzahlung eines unabgerechneten Vorschusses nach Mietvertragsende nicht als Entgeltforderung angesehen, ebenso Ansprüche auf Rückgewähr nach Rücktritt (MüKoBGB/Ernst, 9. Aufl. 2022, BGB § 286 Rn. 99) sowie Anspruch auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen (OLG Oldenburg, Urteil vom 30.03.2015 – 13 U 71/14).
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Insoweit gilt ein Rechtsmittel auch dann als erfolglos, wenn die angefochtene Entscheidung - so wie hier - nur in einem Nebenpunkt in nur verhältnismäßig geringfügigem Umfang zur Hauptforderung abgeändert wird (vgl. Herget, in: Zöller, ZPO, 34. Auflage, § 97 Rn. 1; MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 97 Rn. 5).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10; 711 Satz 1 und 2; 709 Satz 2 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, sondern auf einer Anwendung anerkannter Rechtssätze auf den Einzelfall beruht.
5.
Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 93 ZPO.