Gericht | OLG Brandenburg 3. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 07.12.2021 | |
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Aktenzeichen | 3 U 121/20 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:1207.3U121.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 13.08.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam – 12 O 180/17 –wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.655,91 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 12.953,15 € seit dem 6. 11. 2015 bis zum 29.11.2016, aus 13.251,96 € seit dem 30.11.2016 und aus 13.655,91 € seit dem 7.12.2017 sowieeinen Betrag von 514,67 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2017 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden der Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 13.655,91 € festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten aus gepfändetem Recht Schadensersatz wegen der Verletzung anwaltlicher Pflichten. Die Beklagte vertrat den Halbbruder des Klägers in dem Verfahren 2 O 117/14 vor dem Landgericht Potsdam, in dem der Halbbruder den Kläger auf Zahlung von 940.800,07 € in Anspruch nahm.
Diesem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der gemeinsame Vater verstarb am ...1976. Er wurde von seiner Ehefrau, der Mutter des Klägers, dem Kläger und seinem Halbbruder beerbt. Die Ehefrau des Vaters und Mutter des Klägers verstarb am ...1992. Der Halbbruder ist nicht Erbe der Ehefrau seines Vaters geworden. Er wurde zwar für ehelich erklärt, jedoch von der Ehefrau des Vaters nicht adoptiert. Der ursprüngliche Erbschein, der den Halbbruder des Klägers als Miterben nach der Ehefrau seines Vaters auswies, ist mit Beschluss vom 7.8.2014 von dem Amtsgericht Schöneberg eingezogen worden.
Nach dem Beitritt der DDR bestand der Nachlass des Vaters noch aus einem Anspruch auf Rückübertragung gemäß § 3 Abs. 1 VermG. Der Anspruch bezog sich auf folgende Grundstücke:
- Grundstück in W..., Gemarkung W..., Flur 144/3 Flurstücke 208, 209, 210, 240, 234, Flur 10 Flurstücke 36, 48 mit insgesamt 34.0375 ha
- Teilfläche des Flurstücks 144 der Flur 4 der Gemarkung W... mit 7,6885 ha.
Der Kläger stellte den Antrag auf Übertragung für sich und mit dessen Vollmacht für seinen Halbbruder bei dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen. Das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen hat den Rückgabeantrag der Antragsteller mit Bescheid vom 29.11.1993 bestandskräftig dahin entschieden, dass eine Rückübertragung des Unternehmens (Teilfläche des Flurstücks 144) gemäß § 4 Abs. 1 VermG ausgeschlossen ist und den Antragstellern stattdessen ein Anspruch auf Auskehrung des Verkaufserlöses gegen den Verfügungsberechtigten (Treuhandanstalt Berlin) gemäß § 16 Abs. 1 InVorG zusteht. Die übrigen Flächen wurden an die Antragsteller zurückübertragen.
Der Kläger und sein Halbbruder trafen am 28.6.1994 (Anl. K5 – Bl. 39 d A.) folgende Vereinbarung zur Erbauseinandersetzung
„… Du (der Halbbruder) erklärst dich bereit, deinen gesamten Erbanspruch von 1/2 am ehemaligen Bauernhof gemäß Grundbuch von W..., Bl. 1191, auf mich (den Kläger) zu übertragen. Als Ausgleich werde ich dir nach Unterschrift des notariell beglaubigten Vertrags den Betrag von DM 350.000,- überweisen. Dieser Betrag wird spätestens 60 Tage nach erfolgter Grundbuchänderung fällig. Du verpflichtest dich hiermit zugleich, keine weiteren Forderungen aus dem Erbanspruch in W... zu stellen, sei es in Grundstücken oder Geld.“
Der Kläger traf für sich und seinen Halbbruder mit dessen Vollmacht mit der Treuhandanstalt am 10.8.1994 eine Vereinbarung gemäß § 31 Abs. 5 VermG i.V.m. § 16 Abs. 1 InVorG über die Auskehrung des Verkehrswerts i.H.v. 4.090.000,00 DM.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 23.12.1994 übertrug der Halbbruder seinen Anteil an dem Grundstück in W... an den Beklagten für einen Betrag von 350.000,00 DM.
Am 9.2./12. 2. 1995 (Anl. K6 – Bl. 27 d.A.) traf der Kläger mit seinem Halbbruder folgende ergänzende Vereinbarung:
„In Ergänzung unserer privatschriftlichen Vereinbarungen sowie des notariellen Kaufvertrags über die ideelle Hälfte des von unseren Eltern ererbten Grundbesitzes in W... sind wir uns darüber einig, dass mit Zahlung des anteiligen Kaufpreises wechselseitig keine Ansprüche mehr bestehen und damit alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Nachlass unserer verstorbenen Eltern ausgeglichen sind. Dies schließt auch die Erlösauskehr für die Teilfläche von Flurstück 144 mit 76.865 m² zu einem Preis von 55,21 DM/qm ein.“
Der Halbbruder beauftragte die Beklagte 2013 mit der rechtlichen Vertretung gegenüber dem Kläger. Die Beklagte beantragte zunächst mit Schriftsatz vom 2.4.2014 für die beabsichtigte Klage auf Zahlung von 940.800,07 € die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Das Landgericht bewilligte die Prozesskostenhilfe und im nachfolgenden Prozess wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte das Landgericht in diesem Verfahren aus, dass etwaige Ansprüche jedenfalls verjährt seien und ein wirksamer Erbverzicht vorliege. Das Brandenburgische Oberlandesgericht wies den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz wegen mangelnder Erfolgsaussicht zurück, sodass ein Berufungsverfahren nicht durchgeführt wurde.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7.1.2016 wurden gegen den Halbbruder Kosten in Höhe von 12.953,15 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit dem 6.11.2015 zugunsten des Klägers festgesetzt. Hinzu kommen Kosten der Zwangsvollstreckung für den Antrag auf Erlass eines Pfändung- und Überweisungsbeschlusses i.H.v. 275,59 € und für die Abnahme der Vermögensauskunft i.H.v. 407,18 €. Der Kläger hat Schadensersatzansprüche des Halbbruders, die diesem gegen die Beklagte zustehen könnten, mit Pfändung- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Köln vom 12.8.2016 gepfändet.
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe aus dem gepfändeten Recht ein Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung des Anwaltsvertrages und aus § 826 BGB gegen die Beklagte zu. Die Beklagte habe erkennen müssen, dass der Erbverzicht offensichtlich wirksam gewesen sei. Sie habe auf die Prozessrisiken nicht hingewiesen und hätte den Halbbruder über die materielle Aussichtslosigkeit aufklären müssen. Zudem hätte sie ihn darauf hinweisen müssen, dass das Risiko bestehe, mit den Kosten der Gegenseite belastet zu werden. Hieraus seien dem Halbbruder Schadensersatzansprüche in der geltend gemachten Höhe entstanden. Zudem habe die Beklagte die Kosten der erfolglosen Zwangsvollstreckung zu tragen.
Der Kläger hat beantragt,
1. an den Kläger 13.655,91 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 12.953,15 € seit dem 6.11.2015, aus 13.251,96 € seit dem 30.11.2016 und aus dem Betrag der Klageforderung seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. an den Kläger einen Betrag von 514,67 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2017 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich darauf berufen, sie habe auf der Grundlage der Information des Halbbruders gehandelt. Danach habe der Halbbruder von der Auszahlung des Betrages von 4 Millionen DM von der Treuhand nichts gewusst. Er sei der Auffassung gewesen, sein Bruder habe ihn getäuscht und betrogen, da er für das Grundstück nur einen Betrag von 350.000 DM erhalten habe. Der Mandant habe die Klage gewünscht. Die Beklagte habe ihm erläutert, dass er die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung und sittenwidrigen Schädigung beweisen müsse. Auch sei die Chance, Ansprüche durchzusetzen, wegen der möglichen Verjährungseinrede gering. Sie habe ihm auch erklärt, dass er die Kosten der Gegenseite tragen müsse, auch wenn ihm Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Er habe dennoch ausdrücklich die Klageerhebung gewünscht, weil er zumindest die Aussicht auf einen Teilerfolg gesehen habe. Eine Aussichtslosigkeit des Prozesses habe nicht bestanden, weil der Erbverzicht unwirksam sei, da formbedürftig.
Das Landgericht hat mit Beweisbeschluss vom 28.3.2018 die Vernehmung des Halbbruders als Zeugen angeordnet. Der Halbbruder hat bei seiner Vernehmung im Wege der Amtshilfe vor dem Amtsgericht Köln die Aussage verweigert.
Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung die Klage zurückgewiesen. Es hat dazu ausgeführt, der Kläger habe nicht beweisen können, dass die Beklagte eine Pflicht aus dem Anwaltsvertrag verletzt habe. Vielmehr sei aufgrund der Gesamtumstände und der Indizien davon auszugehen, dass der Halbbruder das Gerichtsverfahren unabhängig von einer objektiven rechtlichen Bewertung gegen den hiesigen Kläger durchführen wollte.
Wegen des Sach- und Streitstandes 1. Instanz wird im Übrigen auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Gegen das Urteil des Landgerichts, dass dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 7.9.2020 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 1.10.2020 Berufung eingelegt und die Berufung am 7.12.2020 nach Fristverlängerung begründet. Er rügt, dass das Landgericht seinen unbestrittenen Tatsachenvortrag nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt habe. So gehe das Landgericht nicht auf das Schreiben der Beklagten vom 6.5.2014 an ihren Mandanten ein, in dem es im Hinblick auf die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe heißt:
„Ende Mai werden wir dann wohl endlich erfahren, ob und ggf. in welcher Höhe die Klage Aussicht auf Erfolg hat.“
Zudem komme den beiden eidesstattlichen Erklärungen des Halbbruders entgegen der Ansicht des Landgerichts Beweiswert zu. Der Schluss des Landgerichts, der Halbbruder hätte auf jeden Fall seinen Bruder verklagt, sei nicht nachvollziehbar.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 13.8.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam – 12 O 180/17 – den Beklagten zur Zahlung von
1. 13.655,91 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 12.953,15 € seit dem 6.11.2015, aus 13.251,96 € seit dem 30.11.2016 und aus dem Betrag der Klagforderung seit Rechtshängigkeit,
2. 514,67 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2017
zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist zulässig und begründet.
1.
Der Kläger hat aus dem gepfändeten Recht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung ihrer Pflichten aus dem Anwaltsvertrag gegenüber seinem Halbbruder gemäß § 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 611, 675 BGB.
Die Beklagte hat den Halbbruder des Klägers nicht hinreichend über die offensichtliche Aussichtslosigkeit seiner Klage gegen den Kläger belehrt.
a)
In den Grenzen des Mandats hat der Rechtsanwalt dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziele zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (vgl. BGH NJW 2007, 2485 m.w.Nw.).Der konkrete Umfang der anwaltlichen Pflichten richtet sich nach dem erteilten Mandat und den Umständen des einzelnen Falles. Ziel der anwaltlichen Rechtsberatung ist es, dem Mandanten eigenverantwortliche, sachgerechte (Grund-) Entscheidungen („Weichenstellungen”) in seiner Rechtsangelegenheit zu ermöglichen. Dazu muss sich der Anwalt über die Sach- und Rechtslage klar werden und diese dem Auftraggeber verständlich darstellen (vgl. BGH a.a.O. m.w.Nw.).
Ein pflichtwidriges Verhalten des Rechtsanwalts ist vom Mandanten darzulegen und zu beweisen, selbst soweit es dabei um negative Tatsachen geht. Der Rechtsanwalt darf sich aber nicht damit begnügen, eine Pflichtverletzung zu bestreiten oder ganz allgemein zu behaupten, er habe den Mandanten ausreichend unterrichtet. Vielmehr muss er den Gang der Besprechung im Einzelnen schildern, insbesondere konkrete Angaben dazu machen, welche Belehrungen und Ratschläge er erteilt und wie darauf der Mandant reagiert hat (BGH a.a.O. m.w.Nw.).
b)
Im Streitfall ging es um die rechtliche Beurteilung einer Möglichkeit des Mandanten, sich von den Vereinbarungen mit seinem Halbbruder zur Erbauseinandersetzung aus den Jahren 1994 und 1995 noch im Jahr 2013 zu lösen und in welchem Umfang ein weitergehender Anspruch des Mandanten aufgrund seines Erbrechts bei der Auseinandersetzung besteht oder, ob ggf. dem Mandanten ein durchsetzbarer Anspruch auf Schadensersatz zusteht.
aa)
Die Parteien des Vorprozesses haben sich am 28.6.1994 zumindest über eine Teilauseinandersetzung des Nachlasses geeinigt. Beschränkt sich die Auseinandersetzung auf einzelne Nachlassgegenstände (gegenständliche Teilauseinandersetzung), werden diese durch Übereignung aus dem Nachlass herausgelöst und ganz oder bruchteilsweise an einzelne Miterben oder Dritte übertragen. Der übrige Nachlass bleibt (einstweilen) ungeteilt. Hier haben sich die Parteien des Vorprozesses jedenfalls darauf geeinigt, dass der Kläger das Grundstück in W... von seinem Halbbruder zu Alleineigentum gegen eine Zahlung von 350.000,00 DM erhält.Als schuldrechtliche Teilungsgrundlage ist der Erbteilungsvertrag grundsätzlich formfrei; auch eine förmliche Verständigung über Nachlassbestand und -wert muss er nicht enthalten. § 2371 gilt nicht. Soweit der Vertrag formpflichtige Abreden enthält, sind die dafür geltenden Bestimmungen einzuhalten (z.B. § 313 S. 1 BGB a.F. für Verpflichtungen zur Grundstücksübereignung) – auch dann, wenn am jeweils fraglichen Grundstück Bruchteilseigentum im Verhältnis der Erbteile begründet wird (vgl.Münchener Kommentar zum BGB 8. Auflage 2020 § 2042 BGB, Rn. 37 m.w.Nw.). Zwar wird diese Form in der nur handschriftlichen Vereinbarung vom 28.6.1994 nicht eingehalten. Jedoch ist der Übertragungsvertrag vom 23.12.1994 notariell beurkundet worden und zudem sind etwaige Formmängel durch Eintragung in das Grundbuch geheilt worden (§ 313 S. 2 BGB a.F.). Die Vereinbarung ist nicht als – allerdings formfrei mögliche - Abschichtungsvereinbarung zu verstehen, bei der ein Miterbe statt seinen Erbanteil zu übertragen auf seine Miterbenstellung verzichtet. Der in der Vereinbarung enthaltene Verzicht des Halbbruders auf jegliche weiteren Forderungen aus dem Erbanspruch spricht darüber hinaus für eine endgültige Auseinandersetzung der Erben. Eine endgültige Vereinbarung über die Auseinandersetzung enthält aber jedenfalls die Vereinbarung vom 9.2./12.2.1995 mit der der Halbbruder des Klägers auf seinen Erbanteil an der Forderung gegenüber der Treuhandanstalt verzichtete. Diese Vereinbarung unterlag keinem Formerfordernis.
bb)
Beide Vereinbarungen sind mit den nach dem Vorbringen der Beklagten mit ihrem Mandanten erörterten Gründen nicht zu Fall zu bringen. Das musste die Beklagte aus den ihr vorliegenden Unterlagen und den von ihr dargelegten Mitteilungen ihres Mandanten erkennen.
aaa)
Eine Anfechtung wegen eines etwaigen Irrtums ihres Mandanten gemäß § 119 BGB - unabhängig vom Vorliegen eines Anfechtungsgrundes - war gemäß § 121 Abs. 2 BGB wegen des Ablaufs der Zehnjahresfrist ausgeschlossen.
bbb)
Eine Anfechtung wegen Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB scheitert an einer Täuschungshandlung des Klägers. Eine Täuschung nach § 123 Abs. 1 Alt. 1 kann durch positives Handeln (Vorspiegeln falscher Tatsachen) – ausdrücklich wie schlüssig – erfolgen. Bei einer Aufklärungspflicht genügt auch Unterlassen.
Hinsichtlich des übertragenen Grundstückes hatte der Kläger nach dem eigenen Vorbringen seinem Halbbruder seinerzeit mitgeteilt, dass er den Wert des Grundstücks auf ca. 800.000,00 DM schätze. Mithin wusste der Mandant, dass er mit 350.000,00 DM weniger als die Hälfte des Wertes erhielt.
Auch hinsichtlich des Anspruchs gegen die Treuhandanstalt fehlt es ausweislich des Wortlauts beider Vereinbarungen an einer Täuschung durch den Kläger. In der Vereinbarung vom 28.6.1994 hat der Mandant der Beklagten dem Kläger u.a. bestätigt, dass ihm Schreiben des Landesamtes für offene Vermögensfragen vom 21.10.1993 und 29.11.1993 bekannt sind und er damit der Rückübertragungsbescheid kannte, aus dem sich der Anspruch gegen die Treuhandanstalt dem Grunde nach ergibt. Zudem hat der Mandant der Beklagten in dieser Vereinbarung bestätigt, verschiedene Schreiben der Treuhandanstalt zu kennen. Die Behauptung des Mandanten, er habe erst im Jahr 2013 von der Zahlung der Treuhandanstalt erfahren, wird durch den Wortlaut der Vereinbarung vom 9.2./12.2.1995 widerlegt. Denn im Text ist die Erlösauskehr für die Teilfläche von Flurstück 144 im letzten Satz aufgeführt. Der Kläger hat seinem Bruder auch nicht arglistig die Höhe der Erlösauskehr verschwiegen. Denn in dem Schriftstück wird die Größe der Fläche (76.865 qm) und der erhaltene Preis von 53,21 DM/qm mitgeteilt. Ob der Mandant der Beklagten dies auch erfasst hat, ist unerheblich. Eine Täuschung liegt nur dann vor, wenn der Täuschende durch sein Verhalten beim Erklärungsgegner vorsätzlich einen Irrtum erwecken oder aufrechterhalten möchte. Diese subjektive Voraussetzung lässt sich anhand der Mitteilung des Kaufpreises pro Quadratmeter nicht feststellen.
Zudem war die Anfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB wegen des Ablaufs der Zehnjahresfrist (§ 124 Abs. 3 BGB) nicht mehr möglich.
ccc)
Aus den genannten Gründen sind die Vereinbarungen auch nicht gemäß § 138 Abs. 1, Abs. 2 BGB nichtig. Dem Mandanten war die Zahlung der Treuhandanstalt bekannt. Umstände zu den Voraussetzungen für ein sittenwidriges Verhalten des Klägers – eine Zwangslage, Unerfahrenheit, Mangel an Urteilsvermögen oder erhebliche Willensschwäche des Mandanten der Beklagten sind nicht ersichtlich.
cc)
Schadensersatzansprüche scheiden aus; sei es wegen Verletzung vertraglicher Aufklärungspflichten oder aus Delikt gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB oder aus § 826 BGB. Der Mandant der Beklagten war bei der Unterzeichnung der Vereinbarungen über alle wesentlichen Gesichtspunkte informiert.
dd)
Der geltend gemachte Anspruch konnte zudem nicht in der geltend gemachten Höhe bestehen, weil der Mandant der Beklagten nur zu ¼ Miterbe nach seinem Vater war. Dies wusste die Beklagte, nachdem sie die Nachlassakte eingesehen hatte, aus der ersichtlich war, dass ihr Mandant nicht gesetzlicher Erbe der Ehefrau seines Vaters war.
c)
Die Beratungsleistung der Beklagten war schon nach ihrer eigenen Darlegung mangelhaft. Die Klage war schon unabhängig von der unstreitig eingetretenen Verjährung ohne Erfolgsaussicht. Der Beklagten lagen alle wesentlichen Unterlagen für diesen rechtlichen Schluss vor. Dass sie ihren Mandanten über die Erfolglosigkeit der beabsichtigten Klage schon dem Grunde nach aufgeklärt hat, ergibt sich aus ihrem Vortrag nicht. Insbesondere ergibt sich aus ihrer Darstellung der Besprechungstermine nicht, dass sie mit ihrem Mandanten zu dessen Behauptung, keine Kenntnis von der Zahlung an seinen Bruder zu haben, den Wortlaut der Vereinbarung vom 9.2./12. 2. 1995 besprochen hat und ihm erklärt hätte, dass damit seine Behauptung widerlegt wird.
d)
Der Senat teilt nicht die Ansicht des Landgerichts, der Mandant der Beklagten hätte auf jeden Fall die Klage gegen seinen Halbbruder erheben wollen und deshalb hafte die Beklagte nicht.Hinsichtlich der Kausalität greift im Grundsatz der Anschein eines beratungsgerechten Verhaltens ein, wenn bei vernünftiger Betrachtungsweise nur eine Entscheidung nahe gelegen hätte (vgl. BGH NZI 2014, 665). Diese Vermutung wird widerlegt, wenn sich der Mandant beratungsresistent zeigt (vgl. OLG Düsseldorf Hinweisbeschluss v. 31.8.2020 – I-24 U 155/19, BeckRS 2020, 33570). Dass der Mandant der Beklagten auf jeden Fall wegen seines schlechten Verhältnisses zu seinem Halbbruder die Klage erhoben hätte, vermag der Senat nicht festzustellen. Denn nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten war der Mandant entschlossen, den Anspruch gerichtlich geltend zu machen, weil er zumindest die Aussicht auf einen Teilerfolg sah. Das spricht dafür, dass der Mandant bei einer hinreichenden Aufklärung über die Aussichtslosigkeit der Klage von ihr abgesehen hätte.
e)
Die Klageforderung ist der Höhe nach gerechtfertigt. Dem Mandanten der Beklagten sind aufgrund ihrer Pflichtverletzung die Kosten für den gegnerischen Anwalt und die durch den Verlust des Prozesses angefallenen Vollstreckungskosten als Schaden entstanden.
2.
Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, liegen nicht vor. Der Senat entscheidet aufgrund einer Würdigung der Umstände des hier vorliegenden Einzelfalles und weicht dabei nicht von bestehender höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung ab, so dass die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).