Gericht | OLG Brandenburg 4. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 12.01.2023 | |
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Aktenzeichen | 4 U 113/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0112.4U113.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 04.05.2021, Az. 12 O 93/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 25.000 € festgesetzt.
I.
Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin auf Schadenersatz wegen vermeintlich unzulässiger Abschalteinrichtungen in Anspruch.
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 01.09.2016 den streitgegenständlichen gebrauchten BMW X5 mit einer Laufleistung von 89.000 km zu einem Kaufpreis von 28.790 € brutto. Die Erstzulassung datiert vom ….11.2011. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter und entwickelter Dieselmotor des Typs N57 (Applikation N57D3000) mit der Schadstoffklasse Euro 5 verbaut. Zur Reduktion der Stickstoffemissionen verfügt der Motor über eine Abgasrückführung. Eine Abgasnachbehandlung durch einen SCR- oder einen NOx-Speicherkatalysator findet nicht statt. Das Fahrzeug des Klägers ist von einem amtlichen Rückruf nicht betroffen.
Mit Schreiben vom 05.03.2020 machte der Kläger Schadenersatzansprüche gegenüber der Beklagten geltend und verlangte die Zahlung von 28.790 € zuzüglich Deliktszinsen von 4% seit dem 01.09.2016 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.
Der Kläger hat behauptet, dass in Fahrversuchen der Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) im realen Straßenverkehr (u.a.) bei Motortypen der Beklagten im Mittel höhere NOx-Werte gemessen worden seien, als in dem für die Schadstoffklasse maßgeblichen Standardmessverfahren. Diese Motortypen seien nach Auffassung des Klägers mit dem Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs vergleichbar. Daraus schließt der Kläger auf das Vorhandensein mehrerer unzulässiger Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerung, durch die die Abgasrückführung (ganz oder teilweise) gezielt inaktiviert werde. So existiere ein Thermofenster, wodurch die Abgasreinigung nur in einem Temperaturbereich von + 20 bis + 30 Grad Celsius richtig funktioniere. Außerhalb dieses Temperaturbereichs sei die Wirkungsweise der Abgasrückführung dagegen iterativ reduziert und schließlich ganz abgeschaltet. Nur unter den Bedingungen auf dem Prüfstand funktioniere die Abgasreinigung optimal. Unter anderen (realen) Bedingungen werde das Abgasrückführungsventil dagegen komplett geschlossen. Dementsprechend sei die elektronische Fehlerdiagnose des Fahrzeugs (OBD) so verändert worden, dass die (gezielte) Abschaltung der Abgasrückführung nicht als Fehler ausgegeben werde.
Diese Abschalteinrichtungen verstießen gegen die relevante Abgasnorm (VO 715/2007 EG), insbesondere sei der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 der VO nicht einschlägig. Der Vorstand der Beklagten habe diesen Verstoß bewusst aus Kostengründen in Kauf genommen, weil die Abgasgrenzwerte andernfalls nur mit höherem technischen und wirtschaftlichen Aufwand einzuhalten gewesen wären. Die Beklagte habe das Vorhandensein dieser Abschalteinrichtungen den zuständigen Behörden im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens bewusst verschwiegen.
Der Kläger sei davon ausgegangen, ein wertstabiles und technisch einwandfreies Fahrzeug zu erwerben, welches die gesetzlichen Schadstoffwerte einhalte. Dabei seien ihm Sparsamkeit, Umweltfreundlichkeit und der Wiederverkaufswert des Fahrzeugs besonders wichtig gewesen. Bei Kenntnis der zahlreichen Manipulationen hätte er vom Kauf dieses Fahrzeugs Abstand genommen.
Der Kläger hat als Schadenersatz den Kaufpreis sowie Deliktszinsen verlangt. Erstinstanzlich hat er beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32.834,80 € nebst Zinsen aus 28.790 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW vom Typ BMW X5 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer …,
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des im Antrag 1. genannten Fahrzeuges seit dem 05.03.2020 in Verzug befindet,
3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.564,26 € freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erstinstanzlich das Vorhandensein von Abschalteinrichtungen bestritten und die entsprechenden Behauptungen des Klägers als ins Blaue hinein qualifiziert. Auf die Überschreitung der Grenzwerte im Realbetrieb (die im Übrigen auch nur unwesentlich sei) komme es schon nicht an. Ein „illegales Thermofenster“ existiere nicht. Vielmehr hänge der Grad der Abgasrückführung aufgrund physikalischer Notwendigkeiten von einer Vielzahl von Parametern ab, nicht jedoch von der Außentemperatur. Im Übrigen sei eine Anpassung der Abgasrückführungsrate aus Gründen des Motorschutzes erforderlich und damit zulässig. Die vom Kläger herangezogenen Messwerte im Realbetrieb seien schon nicht vergleichbar, weil sie andere Motortypen beträfen.
Der Rückruf von ca. 6.000 Fahrzeugen des Typs M550d und 750d mit dem (nicht baugleichen) Motor N57D30S1 sei nicht wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung erfolgt. Vielmehr seien diese Fahrzeuge bereits seit dem Serienanlauf 2012 mit einer korrekten Software ausgeliefert worden. Aufgrund eines Daten- bzw. Zuordnungsfehlers seien zu einem späteren Zeitpunkt Dateneinträge aus einem Software-Stand übernommen worden, der nur für Fahrzeuge mit NOx-Speicherkatalysator und mit SCR-System entwickelt worden war. Die betroffenen Fahrzeuge seien jedoch nur mit einem NOx-Speicherkatalysator ausgestattet gewesen.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 04.05.2021, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen verwiesen wird (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), abgewiesen und einen Anspruch des Klägers wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung abgelehnt. Denn eine sittenwidrige Schädigung komme nur dann in Betracht, wenn die Beklagte die Mitarbeiter des KBA bei der Erteilung der Typgenehmigung arglistig getäuscht habe. Die Ausführungen des Klägers dazu seien nicht durch konkrete Tatsachen belegt und damit offensichtlich bloße Spekulation. Bei Abschalteinrichtungen, wie etwa einem Thermofenster, die im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeiten wie auf dem Prüfstand, könne ohne konkrete Anhaltspunkte nicht unterstellt werden, dass die Verantwortlichen in dem Bewusstsein gehandelt hätten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Eine lediglich fahrlässige Fehleinschätzung der Rechtslage begründe weder eine Sittenwidrigkeit noch einen Schädigungsvorsatz. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV bzw. Art 5 VO (EG) 715/2007. Bei den in Bezug genommen Regelungen handele es sich nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Er wendet sich insbesondere gegen die Auffassung des Landgerichts, wonach das bisherige Klägervorbringen keinen hinreichend substantiierten Sachvortrag enthalte. Der Rückruf des KBA sei nicht erforderlich, um von einer unzulässigen Anschalteinrichtung ausgehen zu können. Ein vom Oberlandesgericht Frankfurt eingeholtes Sachverständigengutachten (Dipl.-Ing. F…) bestätige, dass der Motor mit entsprechenden Sensoren ausgestattet sei und diese im laufenden Fahrbetrieb Eingriffe in die Emissionskontrollsysteme vornähmen. Eine Notwendigkeit zum Zwecke des Motorschutzes habe der Gutachter, dessen Feststellungen auch auf den streitgegenständlichen Motor übertragbar seien, verneint. Zu Unrecht sei daher das Landgericht den Beweisangeboten (Zeugen- und Sachverständigenbeweis) nicht nachgegangen. Das Ausgangsgericht sei auch rechtsfehlerhaft zu dem Schluss gekommen, dass die Überschreitung der Grenzwerte im normalen Fahrbetrieb nicht auf eine unzulässige Abschaltvorrichtung hinweise. Es sei vielmehr charakteristisch für eine derartige Funktion, dass sie die Einhaltung der Grenzwerte im NEFZ bewirke, nicht hingegen im normalen Fahrbetrieb. Der Kläger ist der Ansicht, dass die NOx-Grenzwerte auch außerhalb des NEFZ einzuhalten seien. Dass der streitgegenständliche Motortyp mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet sei, ergebe sich auch aus dem Rückruf mehrerer tausend Fahrzeuge des Typs BMW 750 und BMW M550, die ebenfalls mit einem N57-Motor ausgestattet seien.
Nach den Maßstäben der Bekanntmachung der Europäischen Kommission vom 26.01.2017 zur Erkennung von Abschaltvorrichtungen müsse davon ausgegangen werden, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung vorhanden sei. Dort würden selbstverständlich auch die Werte im Realbetrieb herangezogen. Die Kommission gehe davon aus, dass es Unklarheiten bei der Auslegung des Verbotes von Abschalteinrichtungen von vornherein nicht gegeben habe. Auch bei schweren Nutzfahrzeugen sei es den Herstellern gelungen, dass die Emissionswerte im Realbetrieb nicht über den zulässigen Grenzwerte lägen; dies sei allein darauf zurückzuführen, dass es bei diesen Fahrzeugen deutlich strengere Kontrollen gegeben habe. Die Hersteller könnten sich überdies auch nicht auf einen entschuldigenden Rechtsirrtum berufen. Hierfür wäre ein Ersuchen an die Kommission mit der Bitte um Auslegung des Begriffs der Abschaltvorrichtung erforderlich gewesen. Nach den Vorgaben der Europäischen Kommission bestehe bei Prüfungen auf der Straße im Realbetrieb (Kategorie 3) und Überschreitung der Grenzwerte um das 2 bis 5-fache ein Verdacht auf das Vorhandensein einer unzulässigen Abschaltvorrichtung. Ein gerichtlicher Sachverständiger müsse überdies auch die weiteren von der Kommission vorgesehenen Messungen der Kategorie 1 (NEFZ mit minimalen Abweichungen), der Kategorie 2 (NEFZ mit begrenzter Änderung der physikalischen Reaktion des Motorsystems) sowie Kategorie 4 (überraschende Prüfungen) vornehmen. Bei Überschreitung der Messwerte müsse die Beklagte diese Überschreitungen ausführlich darlegen und erklären, um ihrer sekundären Darlegungslast nachzukommen. Wichtig dabei sei, dass nicht alleiniger Bezugspunkt die in der Verordnung 715/2007 festgesetzten Grenzwerte seien, sondern auch auf die Emissionszunahme im Vergleich zum durchgeführten NEFZ-Test abgestellt werde. Bereits die erstinstanzlich eingeführten DUH Messungen, die als NEFZ-Prüfungen auf der Straße durchgeführt worden seien und damit einer Prüfung der Kategorie 2 der Leitlinien der Kommission entsprächen, belegten, dass die Emissionen die zulässigen NEFZ-Referenzwerte im Realbetrieb um den Faktor 3 bis 7,7 überschreiten würden. Die Messung an einem BMW 740d XDrive mit dem Motor N57 und der Abgasnorm Euro 5 habe einen Wert von 816 mg/km NOx ergeben. Bei einem BMW 525d mit gleichem Motortyp und Abgasnorm habe sich ein Wert von 806 mg/km NOx ergeben. Die Abgasrückführung werde außerhalb des Temperaturbereichs von 17 bis 33° C reduziert bzw. deaktiviert. Diese Einschätzung werde durch ein vom Landgericht Hannover eingeholtes Sachverständigengutachten von Prof. Dr.-Ing. B… ebenfalls bestätigt. Zudem werde die Abgasrückführung bei einem Drehmoment von über 200 Nm komplett abgeschaltet. Auch die Messungen der Untersuchungskommission Volkswagen würden nach den Maßstäben der EU-Kommission die dort genannten Schwellenwerte deutlich übersteigen und auf das Vorhandensein von Abschaltvorrichtungen hindeuten. Vor dem Hintergrund der Bekanntmachung der Kommission könne sich die Beklagte auch nicht pauschal auf einen angeblichen Motorschutz berufen; die von ihr angegebene Dauerhaltbarkeit und der langfristige Schutz des Motors stellten ohnehin keine zulässige Rechtfertigung dar, wie die Europäische Kommission im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH in den Leitlinien dargestellt habe. Wie das von der Beklagten angebotene Softwareupdate belege, habe es überdies bei der Herstellung der Fahrzeuge technische Alternativen zu Abschaltvorrichtungen gegeben, um den Stickoxidausstoß ohne Schaden am Motor zu reduzieren. Die Beklagte habe sich bei der Entwicklung nur gegen deren Einsatz entschieden. Auch hinsichtlich des Thermofensters habe das Landgericht die Darlegungs- und Beweislast verkannt. Das Vorliegen einer solchen Vorrichtung sei unstreitig, für die Ausnahme der Zulässigkeit nach Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007 trage hingegen die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast, der sie nicht hinreichend nachgekommen sei. Dass es sich bei der temperaturgesteuerten Abschalteinrichtung um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art, 3 Nr. 10 VO 715/2007 handele, sei auch nach der Entscheidung des EuGH in der Sache C-693/18 nicht mehr zu diskutieren. Dieser habe auch die Auffassung des Klägers bestätigt, dass die Grenzwerte auf dem Prüfstand auch unter normalen Betriebsbedingungen einzuhalten seien.
Neben dem Thermofenster sei eine weitere, als „hard cycle beating“ zu bezeichnende Abschalteinrichtung implementiert, die erkenne, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befinde. Anhand von Drehzahl, Leistung, Beschleunigung, Zeit und Geschwindigkeit sowie anhand der Lenkradstellung und dem Ausschalten von Nebenverbrauchern könne der Prüfstand erkannt werden. Dies werde ausgenutzt, um die Emissionsstrategie zu ändern. Die On-Board-Diagnose (OBD) sei dementsprechend manipuliert, dass sie – entgegen ihrer sonstigen Funktionsweise – die Überschreitung der Emissionsgrenzwerte nicht als Fehler anzeige.
Das Verhalten der Beklagten sei sittenwidrig. Die Gründe der Beklagten zur Verwendung des Thermofensters hätten insbesondere in der Erzielung eines höheren Gewinns durch Einsparung von weiteren Entwicklungskosten bestanden. Die Rechtslage sei insoweit eindeutig gewesen; bereits in einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 1998 sei darauf hingewiesen worden, dass eine anormale Emissionsstrategie, die bei niedrigen Temperaturen unter normalen Betriebsbedingungen zu einer Verringerung der Wirkung des Emissionsminderungssystems führe, als Abschaltvorrichtung gelte. Die Beklagte habe die Abschalteinrichtungen bei der Typengenehmigung bei der zuständigen Behörde (NSAI in Irland) auch nicht angegeben. Hierzu obliege der Beklagten überdies eine sekundäre Darlegungslast, die darlegen müsste, alle relevanten Angaben gemacht zu haben. Davon sei indes nicht auszugehen, da diese andernfalls der Beklagten keine Teil-Genehmigung für die Abgasreinigung erteilt hätte.
Mit Schriftsatz vom 22.07.2022 hat der Kläger zu einer weiteren unzulässigen Abschalteinrichtung vorgetragen: Dabei handele es sich um eine „Kaltstartheizen“-Funktion, die bei praktisch allen Motorsteuerungen des Motors B37 und B47 vorhanden sei. Diese habe der sachverständige Zeuge Dr. H… bei einer Untersuchung von 69 untersuchten Binärdateien der Motorsteuerungen von Fahrzeugen aus den Jahren 2011 bis 2018 festgestellt. Diese Funktion werde nur im Prüfstand aktiviert, da ihr Einsatz auch im Realbetrieb schädlich für den Abgasstrang sei und zu häufigeren Wartungsintervallen führen würde. Hintergrund sei, dass der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute NOx-Speicherkatalysator eine sehr hohe Temperatur erreichen müsse (zwischen 250 bis 500 Grad Celsius), um NOx wirksam zu filtern. Bleibe der Katalysator zu kalt, könne NOx nicht wirksam reduziert werden. Im NEFZ mit geringer Last, Drehzahl und Geschwindigkeit könnten diese Temperaturen nicht, oder allenfalls am Ende, erreicht werden, so dass das Einhalten von Grenzwerten nicht erreicht werden könne. Daher habe die Beklagte das „Kaltaufheizen“ entwickelt, das unter sehr engen – realistischerweise nur im Prüfstand auftretenden – Bedingungen nach Motorstart die Verbrennung so regele, dass Kraftstoff unverbrannt den Motor verlassen könne und erst im Abgasstrang verbrannt werde, um diesen sehr schnell auf Temperatur zu bekommen. Die Beklagte habe diese Funktion weder dem KBA noch der irischen Zulassungsbehörde offengelegt. Auch wenn diese Funktion erst einmal bei den Motoren B37 und B47 festgestellt worden seien, mache dies deutlich, dass in den Motoren der Beklagten Abschaltvorrichtungen implementiert worden seien. Daher sei auch bei dem hier streitgegenständlichen Motor vom Vorhandensein einer unzulässigen Abschaltvorrichtung auszugehen. Die Erkenntnisse zum „Kaltaufheizen“ seien erst im Juni 2021 dem Kläger bekannt geworden. Erstinstanzlich habe daher ein entsprechender Vortrag nicht erfolgen können.
Mit Schriftsatz vom 20.12.2022 hat der Kläger weitere Unterlagen vorgelegt, aus denen nach seiner Ansicht auf das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeug geschlossen werden könne. Aus einer Präsentation der Bosch AG vom 02.10.2015 ergebe sich der Einsatz von insgesamt 44 unzulässigen Funktionen, der auch aus Sicht der Bosch AG „mehr als fragwürdig“ gewesen sei. Dies ergebe sich aus der gewählten Überschrift „Zusammenstellung der Funktionen, die ein besonderes Potential für nicht behördenkonforme Applikationen bieten“. Von diesen Funktionen seien 14 (einzeln bezeichnete) in Fahrzeugen der Beklagten implementiert worden.
In der Berufungsinstanz rechnet sich der Kläger unter Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung von 500.000 km und einem Kilometerstand von 168.634 km einen Gebrauchsvorteil von 5.578,26 € an. Er beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 04.05.2021
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 23.211,74 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.03.2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW vom Typ BMW X5 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer …,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.088,97 € Deliktszinsen zu zahlen, Zug um Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des im Antrag 1. genannten Fahrzeugs,
3. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des im Antrag 1. genannten Fahrzeuges seit dem 20.03.2020 in Verzug befindet,
4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.564,26 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Auch weiterhin habe der Kläger keine greifbaren Anhaltspunkte für das Vorhandensein unzulässiger Abschaltvorrichtungen dargelegt. Der streitgegenständliche Motor sei – anders als Motoren der Daimler AG in anderen Verfahren - weder von einem Rückruf noch von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft betroffen. Es gebe auch kein Softwareupdate für die Abgasbehandlung des Fahrzeugs. Die Emissionen im Realbetrieb seien kein Indiz für das Vorhandensein unzulässiger Abschaltvorrichtungen. Denn die Grenzwertangaben bezögen sich allein auf die Prüfstandsmessungen im NEFZ. Der dortige Prüfzyklus sei auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers mit den Leistungsanforderungen der tatsächlichen Fahrprofile nur selten in Einklang zu bringen. Ein Realbetrieb – nach willkürlichen oder vorgegebenen Parametern – sei kein Maßstab für Euro 5 und 6-Fahrzeuge gewesen. Die DUH-Messungen seien daher im hiesigen Verfahren ohne Relevanz. Wie in einem Parallelverfahren gutachterlich bestätigt, seien die über den Grenzwerten liegenden Messungen der DUH, des Umweltbundesamtes sowie des KBA auf deutlich höhere Motorlasten und veränderte Umgebungsbedingungen zurückzuführen. Die Abgasrückführungsrate müsse an unterschiedliche Parameter angepasst werden. Dies geschehe einerseits, um den Motor zu schützen, zum anderen aber auch, um zu verhindern, dass es zu einer erhöhten Rußbildung komme, was bei einer hohen Abgasrückführungsrate der Fall sei. Eine „richtige“ oder „falsche“ Abgasrückführungsrate gebe es daher nicht. Bei dem Motor N57 werde kein „Thermofenster“ verwandt. Im Übrigen sei der Vortrag, dass ein Thermofenster per se einen Sittenwidrigkeitsvorwurf begründe, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unzutreffend. Es liege nunmehr ein gerichtliches Sachverständigengutachten (Sachverständigenbüro M… B…) über einen zehn Jahre alten Motor des Typs N57 mit der Abgasnorm 5 vor. Danach hätten die NOx-Emissionen bei RDE-Fahrten lediglich das 2,34-fache des Prüfstandsgrenzwertes betragen. Der Rückruf von Fahrzeugen des Typs 750d bzw. M550d betreffe die Abgasnorm Euro 6 und die damit im Zusammenhang stehende NOx-Abgasnachbehandlung. Zulassungsrelevante Tatsachen seien im Typengenehmigungsverfahren nicht verschleiert worden. Nicht relevant sei die vom Kläger zitierte Bekanntmachung der Kommission vom 26.01.2017. Denn das streitgegenständliche Fahrzeug mit dem Motor der Schadstoffklasse Euro 5 sei deutlich vor Inkrafttreten dieser Bekanntmachung zugelassen worden. Soweit ähnliche Grundsätze für schwere Nutzfahrzeuge gegolten hätten, seien derart detaillierte Angaben zu den einzelnen Emissionsstrategien im Pkw-Bereich eben gerade nicht gefordert worden. Das vorgelegte Gutachten des Gutachters F… betreffe den Motortyp N47 und sei auch sonst unergiebig; eigene Untersuchungen am Fahrzeug habe der Gutachter nicht vorgenommen. Dass der Motor Sensoren habe und von zahlreichen Parametern, wie etwa der Drehzahl, gesteuert werde, sei unstreitig, belege aber das Vorhandensein unzulässiger Abschaltvorrichtungen in keiner Weise. Dies gelte auch für das Gutachten des Prof. Dr. B…, das auch einen anderen Motortyp (N47) betreffe. Denn dieser habe den Messungen der DUH eine Relevanz zugeschrieben, die nicht einmal den Anforderungen des aktuellsten Prüfstandards für Straßenfahrten entsprächen. Die dort festgestellten Emissionen wichen überdies lediglich geringfügig von den über 10 Jahr später eingeführten Anforderungen für Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6d ab. Selbst bei Anlehnung eines Standards für Fahrzeuge der Schadstoffklasse EU 6d-temp sei der dort geltende Konformitätsfaktor von 2,1 bei einem BMW 320d (Schadstoffklasse Euro 5) nur leicht überschritten worden. Schließlich sei die vom Kläger behauptete Funktion des Kaltstartheizens in keinem Fahrzeug der Beklagten aktiv, zumal das streitgegenständliche Fahrzeug gar nicht über einen NOx-Katalysator verfüge.
Mit Schriftsatz vom 03.01.2023 hat die Beklagte ein in einem Verfahren vor dem LG Frankfurt a.M. eingeholtes schriftliches Sachverständigengutachten zu einem Fahrzeug der Beklagten mit dem Motortyp N57 und der Abgasnorm Euro 5 vorgelegt. Dieses Gutachten komme zu dem Ergebnis, dass in dem Fahrzeug weder eine Prüfstandserkennung eingebaut sei, noch dass die Emissionen temperaturabhängig gesteuert würden.
II.
Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
In der Sache bleibt die Berufung ohne Erfolg.
Dem Kläger stehen gegen die Beklagte die geltend gemachten Schadensersatzansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Mangels eines Vertragsverhältnisses oder einer vertragsähnlichen Beziehung zwischen den Parteien kommen vertragliche Ansprüche von vornherein nicht in Betracht. Doch auch die Voraussetzungen für eine deliktische Haftung der Beklagten gemäß § 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV oder Art. 5 VO (EG) 715/2007, §§ 831, 31 BGB sind - wie der Senat mehrfach in vergleichbaren Fällen (und mit weitgehend demselben Klägervortrag) bereits entschieden hat (Urteile vom 22.12.2021 - 4 U 19/21 - zu einem BMW 116d, N47 Euro 5; vom 16.03.2022 - 4 U 82/21 - zu einem BMW 520d, N47 Euro 6; vom 11.05.2022 - 4 U 155/21 - zu einem BMW 318d, N47 Euro 6, und - 4 U 23/21 - zu einem BMW X 1, N47 Euro 5; vom 08.06.2022 - 4 U 148/21 - zu einem BMW 330d, N57 Euro 5, und – 4 U 153/21 – zu einem BMW 116d, Euro 6; vom 15.06.2022 - 4 U 154/21 - zu einem BMW 330d xDrive Touring, N 57, Euro 5) - und woran sich im Ergebnis auch mit der jüngsten Entwicklung in den beim EuGH anhängigen Verfahren nichts geändert hat - nicht erfüllt.
1.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadenersatz aus § 826 BGB. Nach dieser Vorschrift ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt. Die erforderliche Sittenwidrigkeit liegt vor, wenn die schädigende Handlung nach ihrem Inhalt bzw. ihrem Gesamtcharakter im Widerspruch zum Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden steht und daher mit den grundsätzlichen Wertungen der Rechts- und Sittenordnung unvereinbar ist.
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., BGH, Beschl v. 29.09.2021 – VII ZR 126/21 – Rn. 10; Urteil v. 16.09.2021 – VII ZR 322/20 – Rn. 13; Urteil v. 13.07.2021 - VI ZR 128/20 - Rn. 11; Urteil v. 30.07.2020 - VI ZR 5/20 - Rn. 29; Urteil v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 - Rn. 15, jeweils m.w.N.). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urteil v. 16.09.2021 – VII ZR 322/20 – Rn. 13; Beschl. v. 09.03.2021 - VI ZR 889/20 - Rn. 12; Beschl. v. 19.01.2021 - VI ZR 433/19 - Rn. 14; Urteil v. 30.07.2020 - VI ZR 5/20 - Rn. 29).
Dies vorangestellt hat der Kläger - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - weder hinreichend dazu vorgetragen, dass die behaupteten Abschalteinrichtungen überhaupt in seinem Fahrzeug eingebaut sind (dazu a), noch dazu, dass ihre Installation verwerflich wäre (dazu b), und schließlich auch nicht zu dem erforderlichen Vorsatz einer Schädigung des Klägers (dazu c).
a)
Der Kläger hat nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer (unzulässigen) Abschalteinrichtung ausgestattet ist. Es kann deshalb offenbleiben, ob der Auffassung zu folgen ist, wonach die Frage der Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung als Voraussetzung einer Haftung der Beklagten gemäß § 826 BGB bereits infolge der Tatbestandswirkung einer bestandskräftig erteilten Typengenehmigung der Prüfung durch Zivilgerichte entzogen sei, es sei denn, es lasse sich feststellen, dass die Typengenehmigung erschlichen wurde (insoweit ablehnend: BGH, Urteil vom 08.12.2021 – VIII ZR 190/19 – Rn. 79 ff., juris; Beschluss vom 14.12.2021 – VIII ZR 386/20 – Rn. 34, juris; offengelassen: BGH, Beschluss vom 23.05.2022 – VIa ZR 433/21 – juris).
aa)
Die (moderate) Überschreitung der zulässigen Grenzwerte für Stickoxide im Realbetrieb bei Einhaltung der Grenzwerte im Prüfstandsbetrieb ist als solche grundsätzlich nicht geeignet, den Rückschluss auf eine unzulässige Abschalteinrichtung zu ziehen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 29.06.2021, I- 13 U 434/20). Vielmehr ist die Überschreitung der Prüfstandswerte im Realbetrieb ein normaler Umstand, der deshalb allein nicht als Indiz für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung dienen kann (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 19.01.2021 - 16a U 196/19 -, Rn. 59 ff., juris). Denn der Realbetrieb ist gegenüber dem Prüfstandsbetrieb - neben anderen Parametern - durch einen deutlich höheren Leistungsabruf gekennzeichnet, so dass der (zwangsläufig) höhere Kraftstoffverbrauch zwingend mit höheren Emissionen einhergeht.
Der Kläger benennt Messungen unter Realbedingungen an zwei Fahrzeugen mit dem Motortyp N57 und der Abgasnorm Euro 5 (BMW 740d XDrive und BMW 525d), bei denen es nur zu moderaten Überschreitungen der Prüfstandswerte gekommen ist (816 bzw. 806 mg/km). Die Beklagte hat zu einer Emissionsmessung an einem 10 Jahre alten BMW 525d mit einem Motor N57 und der Abgasnorm Euro 5 vorgetragen, wonach die NOx-Emissionen im Realbetrieb das 2,34-fache des Prüfstandswertes betragen. Der Motortyp N57 mit der Abgasnorm Euro 5 wurde im Rahmen des Berichts der Untersuchungskommission Volkswagen nicht geprüft. Der bei der Prüfung eines BMW 530d (Motor N57, Euro 6) festgestellte erhöhte Wert für „NEFZ warm“ ist ausweislich des Berichts nicht plausibel und resultiert aus einer Partikelfilterregeneration (s. S. 30 d. Berichts). Der in dem Bericht noch als „unauffällig“ qualifizierte BMW 320d hat einen Motor vom Typ N47. In der vorgelegten Tabelle mit den Messungen der TU Graz, die das Umweltbundesamt veranlasst hat (Anlage KC 1), finden sich keine Fahrzeuge der Beklagten mit dem Motortyp N57 und der Abgasnorm Euro 5, sondern lediglich solche mit der Abgasnorm Euro 6. Bei den übrigen vorgelegten Messungen (insbesondere der DUH) ist nicht erkennbar, welcher Motortyp bei den gemessenen Fahrzeugen eingebaut ist. Die von dem Kläger aufgeführten Messungen von (möglicherweise) vergleichbaren Fahrzeugen (N57, Euro 5) sind auch im Übrigen nicht geeignet, übermäßige Stickoxid-Emission des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu begründen. Da die Messungen unter anderen Bedingungen erfolgten, ist die Überschreitung der Prüfstandsgrenzwerte zu erwarten (vgl. BGH, Beschluss vom 15.09.2021 – VII ZR 2/21 -, Rn. 30, juris). Die Messungen der DUH erfolgten ebenfalls unter anderen Bedingungen (RDE) und weisen für den (möglicherweise) in Betracht kommenden Vergleichstyp nur eine moderate Überschreitung unter Realbedingungen auf. Eine Abweichung zwischen Real- und Prüfstandbetrieb, die derart erheblich ist, dass sie für sich genommen schon als greifbarer Anhaltspunkt für die Existenz einer unzulässigen Abschalteinrichtung dienen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 25.11.2021 - III ZR 202/20 -: 9,7-fache Überschreitung), ist hier jedenfalls nicht ersichtlich. Die von Klägerseite vorgelegten Gutachten F… und B… betreffen den Motortyp N47 und stützen die Annahme des Klägers, dass erhöhte Emissionen im Realbetrieb auf eine Prüfstandserkennungssoftware hinweisen, gerade nicht.
Aus der Bekanntmachung der EU-Kommission vom 26.01.2017, die Hinweise für die Entdeckung von Abschalteinrichtungen enthält, lässt sich für den vorliegenden Rechtsstreit nichts herleiten, da nicht ersichtlich ist, dass der streitgegenständliche Motortyp die in der Bekanntmachung aufgeführten Grenzen überschreitet.
bb)
Der Rückruf von Fahrzeugen mit dem Motor N57 betrifft nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten nur einen kleinen Teil der Fahrzeuge, die mit diesem Motortyp ausgestattet sind. Dabei handelt es sich jedoch um andere Fahrzeugtypen (M550d und 750d) und eine andere Applikation des Motors (N57D30S1 statt N57D3000). Zudem sind die betroffenen Fahrzeuge – anders als das Fahrzeug des Klägers – mit einem NOx-Speicherkatalysator ausgestattet (und der Abgasnorm Euro 6 zuzuordnen). Das streitgegenständliche Fahrzeug war jedenfalls nicht von dem entsprechenden Rückruf betroffen. Da nur ein kleiner Teil der mit einem N57 ausgestatteten Fahrzeuge vom Rückruf betroffen war, kann der Rückruf nicht mit der Verwendung des Motors N57 (in der Applikation N57D3000) im Zusammenhang stehen (dann hätte u.a. auch das Fahrzeug des Klägers betroffen sein müssen). Daher kann der Rückruf nicht als Indiz für erhöhte NOx-Emissionen dienen.
cc)
Soweit der Kläger das Vorhandensein einer Prüfstandserkennungssoftware („Hard-Cycle-Beating“) behauptet, handelt es sich um eine unbeachtliche Behauptung ins Blaue hinein. Denn tatsächlich gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte für die Existenz einer solchen Software in dem streitgegenständlichen Fahrzeug. Der Kläger argumentiert im Kern, dass wegen der erhöhten Emissionen im Realbetrieb auch eine Prüfstandserkenungssoftware vorhanden sein muss. Dies ist in tatsächlicher Hinsicht jedoch unzutreffend. Eine Umschaltlogik, die – wie etwa bei den VW-Motoren EA 189 – die für die Grenzwerteinhaltung nötige Abgasrückführung außerhalb des Prüfstandes gezielt ausschaltet, existiert im streitgegenständlichen Fahrzeug nicht, jedenfalls gibt es dafür keine greifbaren Anhaltspunkte. Die vom Kläger ins Feld geführte Entscheidung des BGH (VIII ZR 57/19) betrifft den Fall eines Fahrzeugs, bei dem die gleiche Motorreihe einem (noch nicht rechtskräftigen) Rückruf des KBA unterliegt. So liegt der Fall hier jedoch nicht.
dd)
Auch der Sachvortrag des Klägers im Zusammenhang mit einer Präsentation der Bosch AG im Jahr 2015 zeigt die Existenz einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht auf. Es ist schon nicht feststellbar, dass der streitgegenständliche Motortyp betroffen ist. Im Übrigen ist auch nicht feststellbar, dass die genannten Steuerungen tatsächlich aktiviert sind und dass es sich bei den aufgeführten Regelgrößen überhaupt um (unzulässige) Abschalteinrichtung handelt. Dass die Software der Motorsteuerung prinzipiell die Möglichkeit bietet, einen Prüfstand zu erkennen, wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine solche Möglichkeit genutzt wird, um die Abgasrückführung spezifisch für die Prüfstandssituation zu programmieren. Dafür gibt es hier keinen konkreten Anhalt. Die Präsentation der Bosch AG zeigt lediglich das Bemühen, regulatorischen Vorgaben gerecht zu werden. Wie weiter unten ausgeführt (s.u. ff) ist nicht schon jede Steuerung der Abgasbehandlung anhand physikalischer Parameter, die zu einer Veränderung einzelner Emissionswerte (etwa bei NOx) führt, als Abschalteinrichtung zu qualifizieren.
ee)
Soweit der Kläger eine Funktion namens „Kaltstartheizen“ behauptet, gibt es keinen greifbaren Anhaltspunkt dafür, dass die von dem Gutachter beschriebene Funktion bei dem Fahrzeug des Klägers vorhanden, geschweige denn aktiviert, sein könnte. Der Gutachter stellt dar, dass er Binärdateien mit der beschriebenen Abschalteinrichtung in Fahrzeugen mit den Motortypen B37, B47 und N47 gefunden habe, nicht jedoch beim hier streitgegenständlichen Motortyp N57. Zudem beschränkt sich der Gutachter auf die Feststellung, dass Binärdateien mit der beschriebenen Funktion des Kaltstartheizens vorhanden seien. Ob und in welchen Fahrzeugen diese Funktion tatsächlich aktiv ist und welche Auswirkungen dies auf die Abgasnachbehandlung konkret hat, ist nicht Gegenstand des Gutachtens, dessen Feststellungen insbesondere nicht auf Abgasmessungen, sondern allein auf theoretischen Überlegungen beruhen. Wirkt sich die Funktion des Kaltstartheizens - wie vom Gutachter weiter beschrieben - zudem dahin aus, dass dadurch der Abgasstrang schneller erwärmt und damit ein NOx-Speicherkatalysator zu einem früheren Zeitpunkt wirksam wird, gibt es auch keinen Grund, weshalb die Beklagte diese Funktion in dem streitgegenständlichen Fahrzeug – wäre sie denn überhaupt vorhanden – aktiviert haben sollte, da das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig über einen solchen Katalysator nicht verfügt.
ff)
Der Kläger hat auch keinen hinreichend greifbaren Anhaltspunkt dafür dargetan, dass die Abgasrückführungsrate bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug abhängig von der Außentemperatur außerhalb eines Temperaturfensters von 17° bis 33° Celsius bis hin zur Abschaltung des Abgasrückführungssystems reduziert wird.
Die Beklagte hat bestritten, dass die Abgasrückführung durch die Außentemperatur gesteuert werde, ohne dass der Kläger dies zum Anlass genommen hätte, seinen Tatsachenvortrag durch greifbare tatsächliche Anhaltspunkte zu untermauern. Allein der Umstand, dass andere Fahrzeug(motoren)hersteller eine entsprechende Steuerung (auch) in Abhängigkeit von der Außentemperatur und ebenso ein sog. Abrampen außerhalb unterschiedlicher Temperaturfenster – anders als die Beklagte – nicht in Abrede stellen, reicht – auch unter Berücksichtigung geringer Darlegungsanforderungen angesichts des unterlegenen Wissensstandes des Klägers - bei einem derartig dezidierten Bestreiten der Beklagten schon auf der Vortragsebene für eine hinreichende Behauptung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in dem hier streitgegenständlichen Fahrzeug nicht aus. Auf das erst mit Schriftsatz vom 03.01.2023 durch die Beklagte vorgelegte Gutachten kommt es demnach nicht an.
Gibt es demnach im Vortrag des Klägers keinerlei greifbaren Anhaltspunkt dafür, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug überhaupt ein über die Außentemperatur gesteuertes Thermofenster verbaut ist, stellt sich eine Beweiserhebung über die Dimensionierung eines solchen Thermofensters als Ausforschungsbeweis dar.
Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nicht schon jede Steuerung der Abgasbehandlung anhand physikalischer Parameter, die zu einer Veränderung einzelner Emissionswerte (etwa bei NOx) führt, eine Abschalteinrichtung im Sinne der VO (EG) 715/2007 darstellt. Denn gemäß Art. 3 Nr. 10 der VO setzt eine Abschalteinrichtung voraus, dass damit unter Normalbedingungen die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems (insgesamt) verringert wird. Emissionen sind – wie sich aus Art. 3 Nr. 4-6 der VO ergibt – nicht nur Stickoxide, sondern auch Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe und (Ruß)partikel. Unstreitig kann es bei der Motorsteuerung im Hinblick auf die Reduktion der einzelnen Arten der Emissionen zu Zielkonflikten kommen, da keine Bedingungen existieren, für die sämtliche Emissionsarten zeitgleich minimal werden. Es muss daher im Rahmen der Motorsteuerung ein Ausgleich der Reduktionsziele vorgenommen werden, die notwendig nur über physikalische Parameter erfolgen kann. Die VO (EG) 715/2007 geht auch ersichtlich davon aus, etwa in Art. 5 Abs. 1, dass eine derartige Motorsteuerung stets existiert. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass allein die Steuerung des Motors anhand physikalischer Parameter für sich genommen unproblematisch ist und insbesondere kein Indiz für das Vorliegen einer Abschalteinrichtung darstellt.
gg)
Die Behauptung des Klägers, die Beklagte hätte die Existenz von Abschalteinrichtungen im Typgenehmigungsverfahren verschleiert, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Schon in tatsächlicher Hinsicht hat der Kläger lediglich pauschal behauptet, das KBA bzw. die irische Zulassungsbehörde NSAI seien von der Beklagten getäuscht worden. Einen Rückrufbescheid des KBA betreffend ein Fahrzeug mit dem Motor N57 gibt es unstreitig nicht; dies schließt die Möglichkeit des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung zwar nicht aus, begründet aber auch kein Indiz dafür (BGH, Beschluss vom 15.09.2021 - VII ZR 2/21 - Rn. 30, juris). Zudem ist nicht ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der hier relevanten Typgenehmigung (vor 2011) entsprechende Angaben erforderlich gewesen wären. Eine detaillierte Angabe zur Funktionsweise der Abgasrückführung ist vielmehr erst ab Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 646/2016 ab dem 10.05.2016 erforderlich. Erst seitdem muss der Typengenehmigungsbehörde detailliert dargestellt werden, welche Emissionsstrategien in dem zu genehmigenden Fahrzeugtyp zum Einsatz kommen (OLG Brandenburg, Urteil v. 25.02.2021 – 5 U 99/20 – Rn. 109; OLG Köln, Urteil v. 30.06.2021 –5 U 254/19 – Rn. 43; OLG Düsseldorf, Urteil v. 22.07.2021 – 22 U 97/20 – Rn. 125).
hh)
In Bezug auf das OBD-System ist ein Einwirken auf die abgasbeeinflussenden Systeme weder ersichtlich noch dargetan (so bereits Senatsurteile vom 12.05.2021 - 4 U 34/20 - Rn. 68 und vom 22.12.2021 - 4 U 19/21 - Rn 73, juris).
Dass die Beklagte ein Software-Update für das streitgegenständliche Fahrzeug angeboten oder durchgeführt hätte, ist nicht ersichtlich.
Aus der Behauptung, dass Fahrzeuge der Beklagten mit anderem Motortyp von Rückrufen betroffen gewesen seien, folgt für den vorliegenden Rechtsstreit nichts, da kein Erfahrungssatz existiert, wonach verschiedene Motortypen desselben Herstellers stets mit derselben Motorsteuerung ausgestattet sind. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die erfolgten Rückrufe mit der Abgasbehandlung im Zusammenhang stehen.
b)
Es fehlt auch an Vortrag zu den subjektiven Aspekten einer Haftung gemäß § 826 BGB.
Soweit es das vermeintlich vorhandene Thermofenster betrifft, führte allein die Existenz eines solchen nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung nicht zu der Annahme eines vorsätzlich sittenwidrigen Verhaltens des Motorenherstellers, und zwar selbst dann nicht, wenn das Thermofenster nach dem Maßstab der Auslegung durch den EuGH (Urteil vom 14.07.2022 - C-134/20 -) unzulässig ist. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Für ein solches Vorstellungsbild hat der Kläger keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen vorgetragen.
Ein größeres als ein exakt auf die normierten Temperaturbedingungen des NEFZ zugeschnittenes Thermofenster wäre nicht prüfstandsbezogen und könnte deshalb auch kein Indiz dafür begründen, dass die für die Beklagte handelnden Personen die Typengenehmigungsbehörde mit der Installation eines Thermofensters über die Einhaltung Grenzwerte für NOx-Emissionen täuschen wollten. Ein greifbarer Anhaltspunkt dafür, dass – unterstellt, es wäre überhaupt installiert – das Thermofenster tatsächlich genau auf die Temperaturbedingungen des NEFZ zugeschnitten ist, wird vom Kläger nicht vorgetragen; es handelt sich - wie bereits ausgeführt - vielmehr um eine Behauptung ins Blaue hinein.
Auch für die Behauptung, die Beklagte habe im Typengenehmigungsverfahren keine hinreichenden, den Anforderungen des Art. 3 Abs. 9 der VO (EG) Nr. 692/2008 genügenden Angaben gemacht, fehlt jeder konkrete Anhaltspunkt. Letztlich kann dies – wie der BGH inzwischen in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat – jedoch auch dahin stehen, weil die Beklagte bei nicht hinreichenden Angaben hätte erwarten dürfen, dass die Genehmigungsbehörde – insoweit gilt für die für die Prüfung des streitgegenständlichen Motors und dessen Steuerung zuständige irische Genehmigungsbehörde NSAI nichts anderes als für das KBA, da diese ebenfalls von Amts wegen alle Möglichkeiten zur Ermittlung der Umstände auszuschöpfen hat, von denen die Anwendung der gemeinschaftlichen Bestimmungen – hier der VO (EG) 715/2007 - im Einzelfall abhängt (vgl. EuGH, Urteil vom 21.09.1983 – C 205/82 - Rn. 35 „Deutsche Milchkontor“; Schneider in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: Juli 2020, § 24 VwVfG, Rn. 21; Senat, Urteil vom 22.12.2021 – 4 U 19/21 – Rn. 47; Urteil vom 16.03.2022 – 4 U 82/21 – Rn. 53) – entsprechende Angaben nachforderte.
Das erforderliche Bewusstsein der für die Beklagten handelnden Personen davon, mit einem Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, kann deshalb nicht festgestellt werden, weil die Frage, ob es sich bei dieser Einrichtung um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelte, zum Zeitpunkt der Erteilung der Typengenehmigung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp, die vor November 2011 erfolgt sein muss, unklar und streitig war (vgl. Bericht der Untersuchungskommission „Volkswagen“, S. 123; Führ, NVwZ 2017, 265; OLG Koblenz, Urteil vom 18.01.2021 - 12 U 569/20 - Rn. 32). Nicht umsonst ist im Hinblick auf die Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 a VO (EG) 715/2007 der EuGH angerufen worden der erst am 17.12.2020 entschieden hat, und war selbst danach die Zulässigkeit eines Thermofensters bis zur Entscheidung des EuGH vom 14.07.2022 noch weiterhin streitig.
Schließlich lässt sich zu den subjektiven Aspekten einer Haftung gemäß § 826 BGB auch nichts aus der gewählten Überschrift der Präsentation der Bosch AG aus dem Jahr 2015 herleiten. Die Präsentation steht zwar zeitlich im Zusammenhang mit der Aufdeckung des sogenannten „Abgasskandals“. Die Präsentation zeigt, dass die Bosch AG die Aufmerksamkeit auf die Funktionen legen wollte, die für unzulässige Motorsteuerungen missbraucht werden können. Zudem zeigt die Präsentation, dass die Fahrzeughersteller - dies ist auch unstreitig - die Möglichkeit hatten, unzulässige Motorsteuerungen zu implementieren. Daraus lässt sich jedoch nichts darüber ableiten, inwieweit ein Fahrzeughersteller eine solche Möglichkeit tatsächlich auch genutzt hat und einen entsprechenden Vorsatz hatte.
c)
Auch ein Vorsatz der Beklagten zur Schädigung des Klägers kann auf Grundlage seines Sachvortrags nicht festgestellt werden.
Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt beziehungsweise vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15 Rn. 25, NJW 2017, 250 m.w.N.). Allein aus einer - unterstellt - objektiven Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters folgt kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer. Im Hinblick auf die unsichere Rechtslage ist nicht dargetan, dass sich den für die Beklagte tätigen Personen die Gefahr einer Schädigung des Klägers hätte aufdrängen müssen.
2.
Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 VO (EG) 715/2007.
Wie der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden hat, liegt das – vom Kläger auch im vorliegenden Verfahren verfolgte – Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, weder im Aufgabenbereich der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV noch im Aufgabenbereich des Art. 5 VO 715/2007/EG (BGH, Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 5/20 - Rn. 11 ff., juris) – auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Gebots einer möglichst wirksamen Anwendung des Gemeinschaftsrechts (effet utile; BGH a.a.O. Rn. 14). Daran hat der Bundesgerichtshof auch angesichts des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof (C-100/21) ausdrücklich festgehalten (BGH, Beschluss vom 04.05.2022 - VII ZR 656/21 -).
Die Schlussanträge des Generalanwalts vom 02.06.2022 bieten keine Veranlassung, von der gefestigten Rechtsprechung zum Vorliegen eines „acte clair“ in Bezug auf das Nichtvorliegen eines auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichteten Schadenersatzanspruchs abzuweichen oder nunmehr eine Vorlage an den EuGH bzw. eine Aussetzung gemäß § 148 ZPO in Erwägung zu ziehen. Der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, die unmittelbar anwendbar ist, misst der Generalanwalt selbst keine Schutzwirkung zugunsten von Vermögensinteressen von Fahrzeugerwerbern zu (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 28.06.2022 - 24 U 115/22 -, BeckRS 2022, 16112, Rn. 78). Lediglich die – nicht unmittelbar anwendbare – Richtlinie 2007/46/EG schützt nach Ansicht des Generalanwalts (auch) das Interesse des individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeugs, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist. Dies gilt jedoch nicht bezogen auf die §§ 6, 27 EG-FGV (vgl. OLG Stuttgart a.a.O. Rn. 80 ff). Einer Einordnung der §§ 6, 27 EG-FGV als Schutzgesetze des § 823 Abs. 2 BGB bedarf es im Hinblick auf das Gebot des effet utile nicht, weil bereits das bestehende nationale Recht zahlreiche - abgestufte - Instrumente bereit hält, die das Interesse des Erwerbers schützen, z.B. das Gewährleistungsrecht mit der Möglichkeit des Rückgriffs auf den Hersteller gemäß § 445a BGB, deliktische Ansprüche aus § 826 BGB sowie die Schutz- und Bußgeldvorschriften in §§ 25, 37 EG-FGV (vgl. OLG Stuttgart a.a.O, Rn. 86 ff.). Selbst nach den Schlussanträgen des Generalanwalts stünde es den Mitgliedsstaaten weiterhin frei, einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen der Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts zu verneinen (vgl. OLG München, Beschluss vom 01.07.2022 - 8 U 1671/22).
Hiervon abgesehen ist nicht ersichtlich, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung, etwa in Gestalt eines Thermofensters, verbaut sein könnte. Wie bereits dargelegt, gibt es keine konkreten Anhaltspunkte dafür. Die verschiedenen Behauptungen des Klägers sind als ins Blaue hinein zu qualifizieren und daher unbeachtlich.
3.
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB scheidet aus den oben dargelegten Erwägungen mangels hinreichender Anknüpfungspunkte für den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung, zumal mit der Absicht, sich (oder einem Dritten) einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, aus. Im Übrigen fehlt es bei dem vorliegenden Erwerb eines Gebrauchtfahrzeuges an der erforderlichen Stoffgleichheit der etwaigen Vermögenseinbuße des Klägers durch den Abschluss des Kaufvertrages mit den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten (§ 31 BGB) für sich oder einen Dritten erstrebt haben könnte (BGH, Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 5/20 - Rn. 24).
4.
Liegen danach die Voraussetzungen für keinen der vorgenannten deliktischen Ansprüche vor, lässt sich eine Haftung der Beklagten auch nicht aus § 831 BGB herleiten.
5.
Ein Anspruch auf Deliktszinsen nach § 849 BGB scheidet aus. Im Übrigen steht einer Anwendung des § 849 BGB entgegen, dass der Kläger als Gegenleistung für die Hingabe des Kaufpreises ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhielt (vgl. hierzu BGH, Urteil v. 30.07.2020 - VI ZR 354/19, Rn. 17 ff.).
Einen Anspruch auf Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Annahmeverzug befand, hat der Kläger mangels Bestehens eines Hauptanspruchs nicht. Überdies hat er der Beklagten das Fahrzeug nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten. Die Forderung eines nicht nur unerheblich höheren als des geschuldeten Betrages schließt ein ordnungsgemäßes Angebot der Zug um Zug zu erbringenden Leistung aus; maßgeblich für die Beurteilung ist der Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz (BGH, Urteil v. 29.06.2021, VI ZR 130/20, Rn 16). Der Kläger hat auch in der Berufungsinstanz an seiner Forderung auf Zahlung von Deliktszinsen festgehalten. Überdies ist auch die in Ansatz gebrachte Nutzungsentschädigung zu gering, da von einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km bei dem streitgegenständlichen Motor auszugehen ist, statt der vom Kläger angenommenen 500.000 km.
Schließlich besteht mangels Hauptanspruchs auch kein Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten.
III.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Eine Revisionszulassung ist nicht veranlasst, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch die Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen ist (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Entscheidung orientiert sich an den gefestigten Grundsätzen der obergerichtlichen Rechtsprechung.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auf die Wertstufe bis 25.000 € festgesetzt.