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Entscheidung 6 W 74/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 6. Zivilsenat Entscheidungsdatum 07.02.2023
Aktenzeichen 6 W 74/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0207.6W74.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der den Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten vom 12.10.2022 zurückweisende Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Cottbus - Rechtspfleger - vom 21.11.2022, Az. 2 O 183/22, aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Landgericht Potsdam - Rechtspfleger - zurückverwiesen.

3. Der Gegenstandswert der Beschwerde wird auf 1.501,19 € festgesetzt.

Gründe

Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen gemäß §§ 569 ff. ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten führt zur Zurückverweisung der Sache an den zuständigen Rechtspfleger des Landgerichts.

1. Der für den vor Zustellung der Klage verstorbenen Beklagten - und nach Auferlegung der Kosten des Rechtsstreits gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO auf den Kläger - gestellte Kostenfestsetzungsantrag ist nicht unzulässig, sondern in der Sache zu bescheiden.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass eine nicht existente Partei in einem gegen sie angestrengten Prozess insoweit als parteifähig zu behandeln ist, als sie ihre Nichtexistenz geltend macht. Eine im Rechtsstreit als parteifähig fingierte Partei gilt auch im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren als parteifähig, ist mithin auch in diesem Verfahren als existent zu behandeln. Die Existenz der Partei ist im Kostenfestsetzungsverfahren daher insoweit zu fingieren, als in einem Rechtsstreit, in dem der nicht existenten Partei selbst oder einem für sie handelnden Dritten ein Kostenerstattungsanspruch zuerkannt wurde“ (BGH, Beschluss vom 14.05.2004 - XII ZB 226/03, juris Rn. 11). So liegt der Fall hier. Der Beklagte ist vor Zugang der Klageschrift verstorben und nach dem in der Klageerwiderung erhobenen Einwand der Nichtexistenz des Beklagten sowie nachfolgend erklärter Klagerücknahme ist mit Beschluss vom 11.10.2022 eine Kostengrundentscheidung des Landgerichts zugunsten des Beklagten nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO ergangen.

aa) Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt es dabei nicht darauf an, ob die nichtexistente Partei eine juristische Person oder eine natürliche Person war. Geht man davon aus, dass die Kostenfestsetzung zugunsten der nichtexistenten Partei selbst erfolgen kann, spielt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine für das Kostenfestsetzungsverfahren relevante Rolle, wer für die nichtexistente Person als Dritter den Einwand der Nichtexistenz erhoben respektive die sich für die beklagte Partei bestellenden Rechtsanwälte beauftragt hat.

(1) Richtig ist, dass in der Vergangenheit nur nach einer in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstrittenen Ansicht die nicht existente Partei eine Kostenfestsetzung zu ihren Gunsten verlangen konnte (OLGR Saarbrücken 2002, 259; OLG Koblenz, Beschluss vom 15.05.2001 - 14 W 332/01, juris; KG, AnwBl. BE 1995, 300), während nach anderer Ansicht vertreten wurde, für die nicht existente Partei könne nur Kostenerstattung zugunsten derjenigen (existenten) natürlichen oder juristischen Person beantragt werden, die für die nicht existente Partei gehandelt habe (OLGR Bamberg 2001, 223; OLG München, NJW-RR 1999, 1264, 1265; OLG Hamburg, MDR 1976, 846). In diesem Sinne hat auch das vom Landgericht für seine Auffassung zitierte Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 24.08.2016 entschieden (5 W 37/16, juris Rn. 18).

(2) Dabei ist außer Acht geblieben, dass der Bundesgerichtshof mit - vom Oberlandesgericht Düsseldorf wohl übersehenen - Beschluss vom 10.10.2007 (XII ZB 26/05, juris) bereits entschieden hat, ausdrücklich der Auffassung zu folgen, wonach die nicht mehr existente Partei als fingierte Partei zu ihren Gunsten die Festsetzung der im Streit über ihre Parteifähigkeit entstandenen Kosten verlangen kann.

Die klagende Partei habe dadurch, dass sie gegen eine nicht existente Partei Klage erhoben habe, Veranlassung dazu gegeben, die Frage der Existenz der beklagten Partei im Rechtsstreit klären zu lassen. Zur Klärung dieser Frage werde die Existenz der beklagten Partei fingiert. Die Entscheidung des Prozessgerichts, dass die beklagte Partei nicht existent und damit nicht parteifähig sei, lasse das fingierte Prozessrechtsverhältnis nicht entfallen. Entgegen anderer Auffassung sei es daher nicht widersprüchlich, sondern konsequent, die prozessrechtliche Fiktion der Existenz der beklagten Partei auch im Kostenfestsetzungsverfahren insoweit aufrecht zu erhalten, als es um die Durchsetzung von Kostenerstattungsansprüchen im Streit um deren Existenz gehe. Die Fiktion erstrecke sich nicht nur auf das Recht der nicht existenten Beklagten, die Kostenfestsetzung zu beantragen, sondern gelte auch für die Zuordnung des Kostenerstattungsanspruchs. Der nicht mehr existenten beklagten Partei, der gestattet werde, sich im Rechtsstreit mit ihrer Nichtexistenz zu verteidigen, könne, wenn sie mit diesem Einwand durchdringe und deshalb eine Kostenentscheidung zu ihren Gunsten erreiche, die Kostenerstattung zu ihren Gunsten nicht mit der Begründung versagt werden, ihr seien keine Kosten entstanden, weil sie nicht existiere. Vielmehr sei die einmal für den Streit um die Existenz fingierte Parteifähigkeit für den gesamten Streit hierüber einschließlich der dadurch entstandenen Kosten aufrechtzuerhalten (BGH, aaO, Rn. 16 ff.).

Vor diesem Hintergrund komme eine Erstattung zugunsten eines für die nicht mehr existente beklagte Partei handelnden Dritten im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens hingegen nicht in Betracht. Das Kostenfestsetzungsverfahren diene allein der Umsetzung der gerichtlichen Kostengrundentscheidung. Antrags- und ausgleichsberechtigt sei daher nur der im Titel genannte Kostengläubiger selbst und nicht ein hinter diesem stehender Dritter. Für Ermittlungen zur Feststellung des Dritten, der für die nicht mehr existente Partei gehandelt hat, sei das Kostenfestsetzungsverfahren zudem nicht geeignet (BGH, aaO Rn. 19).

bb) Dieser überzeugenden Begründung, die nach ihrem dogmatischen Ansatz für juristische wie natürliche Personen gleichermaßen zu gelten hat, folgt der Senat.

b) Soweit der Bundesgerichtshof bereits in seiner früheren Rechtsprechung entschieden hat, dass in Verfahren, in denen der nicht existenten Partei ein Kostenerstattungsanspruch zuerkannt wurde, die Kostenfestsetzung zur Voraussetzung hat, dass die beklagte Partei im Rechtsstreit vorrangig ihre mangelnde Existenz geltend gemacht und sich nicht hauptsächlich mit Einwendungen zur Sache verteidigt hat (BGH, Beschluss vom 12.05.2004 -XII ZB 226/03, juris Rn. 11), liegt auch diese Voraussetzung vor. Die Prozessbevollmächtigten des Beklagten haben in der Klageerwiderung vom 26.09.2022 allein die Nichtexistenz des Beklagten unter Beifügung der Sterbeurkunde geltend gemacht und die Abweisung der Klage als unzulässig beantragt. Dadurch sind dem Beklagten, dessen Parteifähigkeit (nur) für diesen Einwand zu fingieren war, die zur Kostenfestsetzung gestellten Rechtsanwaltskosten entstanden. Bei einer maßgeblich zur Sache erfolgenden Verteidigung bestünde hingegen kein ausreichender Grund, die - tatsächlich nicht bestehende - Existenz der beklagten Partei zur Ermöglichung dieser Verteidigung zu fingieren. Die Beauftragung eines Prozeßbevollmächtigten durch einen Dritten könnte ihr dann auch nicht fiktiv zugerechnet werden; es handelte sich vielmehr bei den Gebühren des Rechtsanwalts nicht um eigene Kosten der nicht existenten beklagten Partei, sondern um solche des wahren Auftraggebers (BGH, aaO), wie etwa des früheren Gesellschafters einer gelöschten juristischen Person oder des Erben einer verstorbenen natürlichen Person.

2. Nach allem ist die angefochtene Entscheidung auf die sofortige Beschwerde hin aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 572 Abs. 3 Satz 1 ZPO), das den Festsetzungsantrag nachträglich in der Sache zu bescheiden haben wird.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 574 ZPO mit Rücksicht auf die zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen hierfür nicht vorliegen.