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Entscheidung 3 W 60/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 3. Zivilsenat Entscheidungsdatum 14.02.2023
Aktenzeichen 3 W 60/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0214.3W60.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 5.1.2022 – 6 VI 45/11(2) aufgehoben.

Der Antrag des Beteiligten zu 1 vom 28.9.2021, einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben ausweist, wird zurückgewiesen.

Die Tatsachen, die zur Erteilung des von dem Beteiligten zu 2 beantragten Erbscheins erforderlich sind, werden als festgestellt erachtet.

Das Nachlassgericht wird angewiesen, dem Beteiligten zu 2 den beantragten Erbschein zu erteilen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beteiligten zu 1 auferlegt.

Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz: 283.000,00 €

1.

Gründe

I.

Die Erblasserin setzte mit Testament vom 1.4.1997 ihren Sohn, den Beteiligten zu 2, zu ihrem Alleinerben ein. Am 27.8.2000 errichtete sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Beteiligten zu 1, ein gemeinschaftliches Testament, in dem sich beide Ehegatten wechselseitig zu Erben einsetzten und zum Schlusserben ihren Sohn, den Beteiligten zu 2, bestimmten.

Der Beteiligte zu 2 beantragte am 21.1.2011 die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der beide Beteiligte als gesetzliche Erben zu jeweils ½ ausweisen sollte. Das Nachlassgericht erteilte auf diesen Antrag am 25.11.2011 einen Erbschein, der beide Beteiligte als gesetzliche Erben zu ½ auswies. Mit Beschluss vom 24.9.2021 zog das Nachlassgericht diesen Erbschein ein.

Am 12.1.2021 beantragte der Beteiligte zu 2 unter Vorlage des Testaments vom 1.4.1997 die Erteilung eines Erbscheins dahingehend, dass er die Erblasserin allein beerbt.

Am 26.3.2021 reichte der Beteiligte zu 1 das gemeinschaftliche Testament vom 27.8.2000 im Original bei dem Nachlassgericht ein und erklärte sogleich die Ausschlagung der angefallenen testamentarischen Erbfolge sowie die Annahme des gesetzlichen Erbes.

Mit notarieller Urkunde vom 28.9.2021 beantragte der Beteiligte zu 1 die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweisen sollte. Zur Begründung führte er an, dass seine Ausschlagung vom 26.3.2021 nicht wirksam gewesen sei.

Der Beteiligte zu 2 ist der Ansicht, er sei nach der wirksam erfolgten Ausschlagung des Beteiligten zu 1 Alleinerbe der Erblasserin geworden. Seine Einsetzung als Schlusserbe in dem Testament umfasse auch seine Einsetzung als Ersatzerbe.

Das Nachlassgericht hat in der angefochtenen Entscheidung unter Zurückweisung des Antrags des Beteiligten zu 2 festgestellt, der Beteiligte zu 1 sei Alleinerbe der Erblasserin. Zur Begründung hat das Nachlassgericht ausgeführt, die Ausschlagung des testamentarischen Erbes durch den Beteiligten zu 1 und die Annahme des gesetzlichen Erbes seien unwirksam.

Gegen diesen Beschluss, der der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2 am 12.1.2022 zugestellt worden ist, hat der Beteiligte zu 2 am 11.2.2022 Beschwerde eingelegt. Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 26.4.2022 nicht abgeholfen. Der Beteiligte zu 2 ist weiterhin der Ansicht, dass er zum Alleinerben der Erblasserin als Ersatzerbe berufen ist.

II.

1.

Das Verfahren war wegen des Todes des Beteiligten zu 1 nicht gemäß § 21 FamFG auszusetzen, weil der Beteiligte zu 1 anwaltlich vertreten war und die anwaltliche Vollmacht durch den Tod des Auftraggebers nicht berührt wird (§§ 11 Abs. 5 FamFG, 86 ZPO).

2.

Die gemäß §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Beteiligte zu 2 ist als Ersatzerbe zum Alleinerben der Erblasserin berufen, nachdem der Beteiligte zu 1 seine Berufung zum testamentarischen Erben ausgeschlagen hat. Aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 27.08.2000 war ursprünglich der Beteiligte zu 1 gewillkürter Alleinerbe der Erblasserin. Der Beteiligte zu 1 konnte seine Ausschlagung gemäß § 1948 Abs. 1 BGB auf das testamentarische Erbe beschränken. Die Beschränkung gemäß § 1948 BGB auf die Berufung als eingesetzter Erbe hat aber keine Auswirkung, weil die Erbfolge umfassend durch Testament geregelt ist und die gesetzliche Erbfolge deshalb nicht eintritt (vgl. OLG München, Beschluss vom 28. August 2006 – 31 Wx 45/06 –, juris).

a)

Die Ausschlagung erfolgte fristgerecht, weil die Ausschlagungsfrist gemäß § 1944 Abs. 2 S. 2 BGB nicht vor der Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen beginnt, wenn der Erbe – wie hier – durch Verfügung von Todes wegen zum Erben berufen ist. Der Beteiligte zu 1 hat die Ausschlagung schon vor der Bekanntgabe des Testaments gemäß § 348 FamFG erklärt; nämlich zugleich mit der Ablieferung des Testaments.

b)

Die Ausschlagung ist – anders als das Amtsgericht es in den Gründen des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat - nicht gemäß § 1950 BGB unwirksam.

§ 1950 BGB findet keine Anwendung für den Fall, dass der Erbe aus unterschiedlichen Berufungsgründen zum Erbe berufen ist und Gegenstand der Ausschlagung die testamentarische Erbeinsetzung ist (vgl. z.B. Ivo ZEV 2002, 145; NK-BGB/Malte Ivo BGB § 1950 Rn. 6, § 1948 Rn. 1, 2; BeckOK BGB/Siegmann/Höger BGB § 1950 Rn. 6; KG NJW-RR 2005, 592). Damit kann die Wirksamkeit der Ausschlagung nicht unter diesem Gesichtspunkt verneint werden.

c)

Welche Rechtsfolge die Ausschlagung der testamentarischen Erbeinsetzung bei einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament hat, ist streitig (vgl. dazu Keim, ZEV 2020, 393, Ziff.2.1.2.2.).

Teilweise wird wegen der Zielrichtung des Berliner Testaments, den überlebenden Ehegatten zu begünstigen, die Ausschlagung der testamentarischen Erbfolge und die Annahme des gesetzlichen Erbes als wirksam angesehen (vgl. MüKoBGB/Leipold BGB § 1948 Rn. 8 m.w.Nw.).

Nach anderer Ansicht wird eine stillschweigende Ersatzerbeneinsetzung der Schlusserben angenommen (Keim a.a.O. m.w.Nw; Uricher, Erbrecht 4. Auflage 2020, § 1 Rn. 12, 13; OLG Stuttgart Beschl. v. 16.3.1978 – 8 W 342/77; BeckRS 2013, 14911; OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 2.6.1954 – 1 Wx 18/54, BeckRS 9998, 122020). Der Senat gibt der letztgenannten Auffassung den Vorzug. Bei einer bindenden Schlusserbeneinsetzung wird im Regelfall die ergänzende Auslegung der letztwilligen Verfügung dazu führen, dass mit der Schlusserbeneinsetzung zugleich die Einsetzung der Kinder als Ersatzerben für den ersten Erbfall gewollt ist. Setzen Eltern in einem gemeinschaftlichen Testament ihre Kinder zu Schlusserben ein, so sollen die Kinder nach dem Willen der Eltern nach dem Tode des Längstlebenden das dann noch vorhandene Vermögen – auch, soweit es ursprünglich Vermögen des Erstversterbenden war - bekommen. Dem mutmaßlichen Willen der Ehegatten bei Testamentserrichtung entspricht es deshalb in der Regel, dass nach der von ihnen gewollten und im gemeinschaftlichen Testament zugrunde gelegten Nachlassplanung das Vermögen des Erstversterbenden auf jeden Fall an die Schlusserben fällt; auch bei einer Ausschlagung des länger Lebenden (vgl. Keim a,.a.O. m.w.Nw). Das wäre nicht gewährleistet, wenn der länger lebende Ehegatte sich über die Ausschlagung gemäß § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB von der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments löst und gemeinsam mit den Kindern gesetzlicher Erbe würde.

Dafür spricht auch die Auslegungsregel des § 2097 BGB. Danach ist derjenige, der für den Fall, dass er nicht Erbe sein kann, zum Ersatzerben eingesetzt ist, im Zweifel auch für den Fall eingesetzt, dass er nicht Erbe sein will. Die Bestimmung der Schlusserben in einem Berliner Testament kann man als Ersatzerbenbestimmung beider Ehegatten charakterisieren, von denen sich nur diejenige des länger Lebenden verwirklicht, da der primär zum Erben eingesetzte andere Ehegatte durch sein Vorversterben weggefallen ist (vgl. Keim a.a.O.; Keim ZEV 2018, 681).

Anhaltspunkte für einen anderslautenden Willen der Testierenden bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments sind nicht ersichtlich.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Der Geschäftswert der Beschwerdeinstanz bestimmt sich nach dem Wert des Nachlasses (§ 40 Abs. 1, 61 GNotKG) auf 283.000,00 €.