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Entscheidung AGH I 1/19


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 15.12.2022
Aktenzeichen AGH I 1/19 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:1215.AGH.I1.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 27.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2019 wird teilweise aufgehoben und in Ziffer 1 dahingehend abgeändert, dass die der Beigeladenen zu gewährende Vertretervergütung für den Zeitraum vom 21.02.2018 bis zum 20.03.2018 auf 16.968,15 EUR netto nebst 19 % Umsatzsteuer, mithin insgesamt 20.192,10 EUR, festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 95 % und die Beklagte zu 5 % zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre Kosten selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Ur-teils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 21.391,74 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten vom 27.11.2018, mit dem diese zugunsten der Beigeladenen eine Vertretervergütung in Höhe von 21.391,74 € festgesetzt hat.

Die Beteiligten sind dem Senat aus verschiedenen Verfahren bekannt. Gegen den Kläger war mit Beschluss des Anwaltsgerichts Brandenburg vom 11.12.2017 ein vorläufiges Berufsverbot angeordnet worden. Mit Bescheid vom 12.12.2017 bestellte die Beklagte die Beigeladene zur Vertreterin des Klägers. Der Kläger wandte sich jeweils mit einstweiligem Rechtsschutz und Hauptsacheklagen gegen die Vertreterbestellung und auch gegen die Vergütungsfestsetzungen der Beklagten. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 28.02.2018 die Vergütung für den Zeitraum vom 13.12.2017 bis zum 18.01.2018 und mit Bescheid vom 15.03.2018 die Vergütung für den Zeitraum vom 19.01.2018 bis zum 19.02.2018 festgesetzt. Die vom Kläger hiergegen erhobenen Widersprüche wies die Beklagte zurück, die erhobenen Klagen wies der Senat ab. Auf die Nichtzulassungsbeschwerden des Klägers gegen die Urteile des Senats ließ der BGH die Berufung zu und entschied mit Urteilen vom 28. Mai 2021 (AnwZ (Brfg) 52/19 und 53/19). Die Vergütungsfestsetzungen zugunsten der Beigeladen wurden teilweise aufgehoben.

Im vorliegenden Verfahren geht es um den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2018, mit dem die Beklagte die Vertretervergütung für den sich anschließenden Zeitraum vom 21.02.2018 bis zum 20.03.2018 in Höhe von 21.391,74 € festsetzte. Den dagegen fristgerecht erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 08.03.2019 zurück.

Der Kläger erhob dagegen am 14.03.2019 Klage. Mit ihr begehrt er die Aufhebung des angegriffenen Bescheid.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 27.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2019 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die erfolgte Festsetzung der Vertretervergütung. Insbesondere aufgrund der besonderen Schwierigkeiten und der Vielzahl der vom Kläger betreuten Verfahren sei diese angemessen.

Im Hinblick auf die beiden Berufungsverfahren beim BGH erklärten sich die Parteien zunächst mit einer Ruhendstellung des hiesigen Verfahrens einverstanden. Außergerichtlich bot die Beklagte dem Kläger nach den Entscheidungen des BGH vom 28.05.2021 an, die festgesetzte Vergütung im Vergleichswege auf 13.500 € zu reduzieren. Ein solcher Vergleich kam nicht zustande, so dass die Beklagte mit Schriftsatz vom 05.08.2021 das Verfahren wieder aufgenommen hat. Das Verfahren war daher durch den Senat entsprechend § 112 c Abs. 1 BRAO i.V.m. § 173 Abs 1 VwGO, §§ 251, 250 ZPO wiederaufzunehmen (SchochKoVwGO/Rudisile, 41. EL Juli 2021, VwGO § 94 Rn. 125).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, den übrigen Akteninhalt sowie auf die beiden Urteile des BGH – AnwZ (Brfg) 52/19 und 53/19 – vom 28.05.2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage gem. §§ 46a Abs. 2 Satz 3, 112a ff. BRAO i.V.m. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

1.1 Die Klage ist statthaft. Der Kläger wendet sich gegen den Festsetzungsbescheid der Beklagten vom 27.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2019, mit dem zugunsten der Beigeladenen eine Vertretervergütung in Höhe von 21.391,74 € festgesetzt wurde,und damit gegen einen ihn belastenden Verwaltungsakt.

1.2 Die Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO ist gewahrt. Der Widerspruchsbescheid vom 08.03.2019 ist dem Kläger am 14.03.2019 zugestellt worden. Die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO endete gemäß §§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 ZPO, 188 Abs. 1 BGB am Mittwoch, den 14.04.2019 um 24:00 Uhr. Die Klage ist am 14.03.2019 und damit fristgerecht eingegangen.

1.3 Auch im Übrigen ist die Klage zulässig, der Kläger insbesondere klagebefugt i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO.

2. Die Klage ist jedoch nur zum Teil begründet. Die Anfechtungsklage ist begründet, soweit der angefochtene Festsetzungsbescheid rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, § 112c BRAO in Verbindung mit § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das ist hier überwiegend nicht der Fall. Der Festsetzungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids erweist sich als überwiegend rechtmäßig. Aufzuheben ist er, soweit darin eine Vertretervergütung über einen Betrag von 20.219,86 € festgesetzt wird. Insoweit ist der Bescheid abzuändern.

2.1 Grundlage für die Festsetzung der Vertretervergütung durch die Beklagte war § 53 Abs. 10 Satz 5 BRAO a.F. Nach diesen Vorschriften setzt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer auf Antrag des Vertreters die Vergütung für die gemäß § 53 Abs. 9 BRAO für Rechnung des Vertretenen übernommene Vertretung fest, wenn sich die Beteiligten über die Vergütungshöhe - wie hier - nicht einigen. Gemäß § 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO a.F. ist eine angemessene Vergütung geschuldet.

Der Begriff der angemessenen Vergütung im Sinne von § 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO a.F. ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der Nachprüfung durch den Senat unterliegt. Für ihre Festsetzung sind im Wesentlichen der Zeitaufwand, den der Abwickler für die Bewältigung seiner Aufgabe benötigt, seine berufliche Erfahrung und Stellung sowie die Schwierigkeit und Dauer der Vertretung von Bedeutung. Anhaltspunkt für die Bemessung ist das Gehalt, das für einen Angestellten oder sogenannten freien Mitarbeiter in einer Anwaltspraxis bei Berücksichtigung regionaler Unterschiede bezahlt wird (BGH, Urteil vom 28. Mai 2021 – AnwZ (Brfg) 53/19 –, Rn. 19, juris)

2.2 Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 10 Satz 5 BRAO für die Festsetzung der Vertretervergütung liegen dem Grunde nach vor, was der BGH in den beiden Urteilen AnwZ (Brfg) 52/19 und 53/19 vom 28.05.2021 für die vorangegangenen Zeiträume auch bestätigt hat.

2.3 Der BGH ist jedoch den Berechnungen der Beklagten bzw. des Senats in den Entscheidungen zu den vorangegangenen Vertretungszeiträumen nicht in allen Punkten gefolgt. Er geht, wie auch der Senat in den vorangegangenen Verfahren, von einer anzusetzenden Monatspauschale für die Vertretervergütung aus, die sich am Gehalt eines angestellten Rechtsanwalts orientiert, und auf die bestimmte Aufschläge vorgenommen werden.

a) Der BGH legt - wie die Beklagte und der Senat im vorangegangenen Urteil – zunächst ein an der Entgeltgruppe E 13 des Tarifvertrages für den Öffentlichen Dienst der Länder für das Tarifgebiet Ost orientierte monatliche Gehalt von 3.821,96 EUR zugrunde. Dem folgt der Senat auch für den vorliegenden Vergütungszeitraum.

b) Wegen der Qualifikation der Beigeladenen als Fachanwältin für Sozialrecht ist, wie der Senat bereits entschieden hat eine Erhöhung um 100 % nicht zu beanstanden. Allerdings hat der BGH in den von ihm entschiedenen Fällen eine Erhöhung um nur 50 % als angemessen angesehen, da nicht sämtliche Arbeiten von der Beigeladenen als Vertreterin selbst ausgeführt worden seien, sondern teilweise auch von Unterbevollmächtigten, die nicht die Qualifikation als Fachanwalt für Sozialrecht hatten. Auch diesem Ansatz folgt der Senat dem Grunde nach, weicht der Höhe nach aber für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum davon ab.

Auch für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum hat die Beigeladene mit dem Antrag auf Festsetzung der Vertretervergütung eine Auflistung der erfassten Tätigkeitszeiten bei der Beklagten eingereicht. Diese Liste enthält zunächst 192 Minuten Tätigkeit der Rechtsanwältin Ka... W... in der Zeit vom 31.01.2018 bis zum 05.02.2018. Diese Zeit hat außer Acht zu bleiben, da sie bereits von den Pauschalen in den vom BGH entschiedenen Fällen mit abgedeckt ist, jedenfalls nur dort hätte Berücksichtigung finden können.

Von den danach angegebenen Zeiten entfallen auf:

-       

die Beigeladene

6.672 Minuten

79,1 %

-       

Rechtsanwältin Ka... W...

1.228 Minuten

14,6 %

-       

Rechtsanwalt A... W...

       297 Minuten

3,5 % 

-       

Rechtsanwalt C... K...

            240 Minuten

2,8 % 

Summe 

        

8.437 Minuten

100,0 %

Die Rechtsanwälte Ka... W..., A... W... und C... K... sind nicht Fachanwälte für Sozialrecht. Ihr Anteil am Gesamtaufwand der Vertretung im streitgegenständlichen Zeitraum beläuft sich auf 20,9 %. Der vorliegend genannte Betrag von 3.821,96 EUR kann daher um gerundet 80 % erhöht werden. Es ergibt sich somit ein Betrag von 6.879,53 EUR.

c) Der BGH hat sodann wegen des Umfangs und der Schwierigkeit der Vertretung in seinem den Zeitraum vom 13.12.2017 bis zum 18.01.2018 betreffenden Entscheidung (AnwZ (Brfg) 52/19) eine Erhöhung um 60 % auf den um den „Fachanwaltszuschlag" erhöhten Ausgangsbetrag vorgenommen. Insoweit hat der BGH berücksichtigt, dass in der ersten Hälfte dieses Zeitraums die besonderen Schwierigkeiten des Falls weitgehend vermieden werden konnten, weil die Beigeladene in erheblichem Umfang auf die technischen und insbesondere die personellen Mittel der Kanzlei des Klägers zurückgreifen konnte. In seinem den zweiten Zeitraum vom 19.01.2018 bis zum 19.02.2018 betreffenden Urteil (AnwZ (Brfg) 53/19) war dies hingegen durchgängig nicht mehr der Fall, so dass der BGH hier eine Erhöhung um 80 % für angemessen gehalten hat (BGH, Urteil vom 28. Mai 2021 – AnwZ (Brfg) 53/19 –, Rn. 37 ff., juris).).

Der Senat folgt insoweit dem BGH und nimmt gleichfalls eine Erhöhung um 80 % vor, da sich im hier zu beurteilenden Zeitraum die Schwierigkeiten nicht vermindert haben, jedenfalls dies weder vorgetragen noch sonst aus den Akten zu erkennen ist. Bei einer Erhöhung des vorgenannten Betrages von 6.879,53 EUR um 80 % ergibt sich ein Betrag von 12.383,15 EUR.

d) Was den Kanzleikostenanteil für die eigenen weiterlaufenden Kanzleikosten des Vertreters betrifft, hat die Beklagte aufgrund der früheren Rechtsprechung des Senats (Anwaltsgerichtshof Brandenburg, Urteil vom 29. November 2010 – AGH I 1/10 –, Rn. 44ff, juris) im angefochtenen Bescheid insoweit eine Pauschale von 35,00 EUR pro Stunde berücksichtigt (Seite 34 des Bescheides vom 27.11.2018).

aa) Der BGH hat sich dieser Rechtsprechung dem Grunde nach angeschlossen, allerdings unter Hinweis auf die seinerzeitige Begründung des Senats für die vorhergehenden Abrechnungszeiträume eine weitgehende Kürzung vorgenommen.

bb) Im Urteil vom 29.11.2010 – AGH 1 1/10 –, Rn. 44, juris, hatte der Senat ausgeführt, dass insoweit zu berücksichtigen sei, ob der Abwickler als angestellter Rechtsanwalt bzw. freier Mitarbeiter oder als selbstständiger Rechtsanwalt in eigener Kanzlei oder innerhalb einer Sozietät tätig sei. Ein angestellter Rechtsanwalt oder ein freier Mitarbeiter hätten aus ihrem Entgelt keine Kanzleikosten zu tragen. Das bezogene Entgelt entspreche vielmehr im Wesentlichen dem „Gewinn" aus seiner Tätigkeit. Ein in eigener Kanzlei selbstständiger Rechtsanwalt müsse hingegen aus seiner Vergütung nicht nur seinen Gewinn erwirtschaften, sondern auch die Kosten seiner Kanzlei tragen. Diese Kosten der eigenen Kanzlei müsse der selbstständige Rechtsanwalt auch während seiner Abwickler- bzw. Vertretertätigkeit aufbringen, ohne dass in diesem Zeitraum entsprechende Einnahmen erwirtschaftet werden können. Der Stundensatz bzw. monatliche Pauschalbetrag sei daher um die anteiligen Kanzleikosten zu erhöhen. Im dortigen Fall ging es um einen selbstständigen Rechtsanwalt und einen Zeitaufwand von etwa 6 Stunden.

cc) Der BGH hält dazu fest, dass der Ansatz eines Kanzleikostenanteils als zusätzlicher Bestandteil der gemäß § 53 Abs. 10 Satz 4 und 5 BRAO festzusetzenden angemessenen Vergütung gerechtfertigt erscheint, wenn ein selbständiger Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei zum Vertreter bestellt wird und eine Vertretungstätigkeit von erheblichem Umfang erforderlich ist. In einem solchen Fall können die Kosten der Kanzlei des als Vertreter bestellten selbständigen Rechtsanwalts aus einer auf der Grundlage eines Angestelltengehalts berechneten Vergütung regelmäßig nicht gedeckt werden. Er müsste im wirtschaftlichen Ergebnis die Vertretung vollständig oder weitgehend vergütungsfrei übernehmen, da er die festgesetzte Vergütung zur Deckung der Kosten der eigenen Kanzlei benötigt. Dies ist ihm nicht zumutbar. Eine seinen Interessen hinreichend Rechnung tragende Vergütung hat daher grundsätzlich neben einer - seine Tätigkeit unmittelbar abgeltenden - Vergütung im engeren Sinne auch einen Beitrag zum Ausgleich der ihm für den Betrieb der eigenen Kanzlei im Vertretungszeitraum entstehenden Kosten zu enthalten (BGH, Urteil vom 28. Mai 2021 – AnwZ (Brfg) 53/19 –, Rn. 58, juris).

dd) Soweit der BGH die Berücksichtigung eines Kanzleikostenanteils bei einem angestellten Rechtsanwalt bzw. angestellter Rechtsanwältin wie der Beigeladenen und Rechtsanwältin W... ablehnt, folgt der Senat dem nicht und hält insoweit auch nicht an seiner früheren Rechtsprechung fest.

(1) Nach Auffassung des BGH habe der bestellte Vertreter, wenn er angestellter Rechtsanwalt ohne eigene Kanzlei sei, keine Kosten einer Rechtsanwaltskanzlei zu tragen, so dass der Grund für den Ansatz eines Kanzleikostenanteils entfalle. Selbst wenn ein angestellter Rechtsanwalt als bestellter Vertreter persönliche und sachliche Mittel der Kanzlei, bei der er angestellt ist, in Anspruch nehme, und hierüber eine Entgeltvereinbarung mit den Inhabern der Kanzlei getroffen habe, könne dieses von ihm zu zahlende Entgelt nicht als Bestandteil der von der Rechtsanwaltskammer festzusetzenden Vergütung des Vertreters berücksichtigt werden. Hier stünde dem bestellten Vertreter vielmehr ausschließlich ein Erstattungsanspruch gem. § 53 Abs. 9 Satz 2 BRAO (ab 01.08.2021: § 54 Abs. 1 Satz 2 BRAO) i.V.m. § 670 BGB gegen den Vertretenen zu, der vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen ist (BGH, Urteil vom 28. Mai 2021 – AnwZ (Brfg) 53/19 –, Rn. 59, juris).

Dabei spiele es auch keine Rolle, ob es sich bei den in Anspruch genommenen personellen und sachlichen Mitteln um solche handele, die sich der bestellte Vertreter gleichsam von außen einkaufe oder ob er auf personelle und sachliche Mittel seiner eigenen Anwaltskanzlei oder – bei einem angestellten Rechtsanwalt als bestelltem Vertreter – aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber auf dessen Mitarbeiter und Sachmittel zugreife.

(2) Der BGH geht in seinen beiden Entscheidungen offenbar davon aus, dass die Vertretervergütung dem zum Vertreter bestellten angestellten Rechtsanwalt zusteht und dieser nicht mehr erhalten solle, wie ein angestellter Rechtsanwalt durchschnittlich erhält bzw. nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder, Entgeltgruppe E 13, Stufe 1, vorliegend im Bereich Tarifgebiet Ost, gezahlt wird.

Dies berücksichtigt aber nicht, dass ein angestellter Rechtsanwalt Vergütungen, die er aus seiner Anwaltstätigkeit erzielt, nicht für sich behalten kann, sondern analog § 667 Alt. 2 BGB an seinen Arbeitgeber herauszugeben hat. Das hat das Landesarbeitsgericht München mit Urteil vom 19.12.2018 – 8 Sa 219/17 – hinsichtlich des Vergütungsanspruchs eines zum Pflichtverteidiger bestellten angestellten Rechtsanwalts entschieden. Nichts anderes gilt hinsichtlich der Vergütung eines zum Vertreter bestellten angestellten Rechtsanwalts. Die anwaltlichen Mitglieder des Senats kennen auch keinen Fall, in dem dies in der Praxis anders gehandhabt wird, d.h. der angestellte Rechtsanwalt diese Vergütung behalten darf und im Gegenzug sein Gehalt um den Nettobetrag der Vergütung gekürzt wird. Ein angestellter Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger, bestellter Vertreter oder ähnliches ist – insoweit einem Kommissionär vergleichbar – zwar im eigenen Namen, aber wirtschaftlich für einen anderen, seinen Arbeitgeber, tätig. Das rechtfertigt aber, bei der Frage der Bemessung einer Vertretervergütung auf den gleichsam hinter dem zum Vertreter bestellten angestellten Rechtsanwalt stehenden Arbeitgeber, und damit auf einen selbstständigen Rechtsanwalt, abzustellen.

(3) Selbst wenn man aber nur auf den angestellten Rechtsanwalt abstellen wollte, ist zu berücksichtigen, dass ein angestellter Rechtsanwalt nicht allein sein Gehalt erwirtschaften muss. Er muss als ungeschriebene arbeitsvertragliche Nebenpflicht auch die anteiligen Kanzleikosten – die Kosten des/der für ihn tätigen Rechtsanwaltsfachangestellten, die Miete für das von ihm und das von dem/der ihm zugeordneten Rechtsanwaltsfachangestellten genutzte Büro sowie die sonstigen Sachkosten – mit erwirtschaften.

Mit Ausnahme der Anfangszeit eines Berufsanfängers wird es kein Arbeitgeber auf Dauer hinnehmen, dass ein angestellter Rechtsanwalt lediglich sein eigenes Gehalt, aber nicht die anteiligen Allgemeinkosten der Kanzlei des Arbeitgebers miterwirtschaftet. Im Gegenteil wird von einem angestellten Rechtsanwalt erwartet, dass er noch darüberhinausgehende Umsätze erwirtschaftet, die zu Gewinnen seines Arbeitgebers führen. Erwirtschaftet ein angestellter Rechtsanwalt, der nicht mehr Berufsanfänger ist, keinen Anteil zu den Allgemeinkosten der Kanzlei seines Arbeitgebers, ist sein Arbeitsverhältnis über kurz oder lang gefährdet.

Gerade der vorliegende Fall, in dem die Beigeladene während des Bestellungszeitraums mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit, für den vorliegenden Abrechnungszeitraum nach der von ihr vorgelegten Stundenerfassung ca. 65 % der monatlichen Arbeitszeit von ca. 173 Stunden, für die Abwicklung der Kanzlei des Klägers aufgewendet hat und darüber hinaus wegen des enormen Umfangs und der besonderen Schwierigkeiten auch noch andere angestellte Rechtsanwälte der Kanzlei ihres Arbeitgebers, wenn auch in deutlich geringerem Umfang, im Rahmen der Vertreterbestellung tätig waren, zeigt, dass durch die Nichtberücksichtigung eines Kanzleikostenanteils bei Bestellung eines angestellten Rechtsanwalts der Kostendruck auf seinen Arbeitgeber so steigen kann, dass er sich bei absehbar längeren Vertreterbestellungen von seinem angestellten Rechtsanwalt trennen könnte. Ebenso wenig, wie es der BGH bei einem selbstständigen Rechtsanwalt als bestelltem Vertreter als nicht zumutbar angesehen hat, dass dieser aus der an dem Gehalt eines angestellten Rechtsanwalts orientierten Vertretervergütung seine eigenen Mitarbeiter bezahlt und damit selbst vollständig oder weitgehend vergütungsfrei tätig ist, ist es nach Auffassung des Senats einem angestellten Rechtsanwalt nicht zumutbar, eine Vertretung oder Abwicklung zu übernehmen, durch die er seine arbeitsvertraglichen Nebenpflichten gegenüber seinem Arbeitgeber verletzt und womöglich die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses riskiert.

(4) Nach Auffassung des Senats ist daher auch bei einem angestellten Rechtsanwalt als bestelltem Vertreter bei der Bemessung der Vergütung ein Kanzleikostenanteil zu berücksichtigen. Es kann keinen Unterschied machen, ob die Vertretung oder Abwicklung durch einen selbstständigen oder einen angestellten Rechtsanwalt erfolgt.

Die Situation ist insoweit dem Fall der Drittschadensliquidation im Bereich des Schadensersatzrechts vergleichbar. Während dort aufgrund von Vertragsabschlüssen im Vorfeld einer schädigenden Handlung ein Schaden in der Person eines Dritten und nicht in der Person des Geschädigten entsteht, entstehen im Falle der Abwickler- bzw. Vertretervergütung aufgrund eines im Vorfeld von dem Vertreter bzw. Abwickler mit einem anderen Rechtsanwalt als Arbeitgeber abgeschlossenen Anstellungsvertrages Kanzleikosten für einen dem angestellten Rechtsanwalt zugeordneten Rechtsanwaltsfachangestellten, anteilige Büromiete für die von dem angestellten Rechtsanwalt und dem ihm zugeordneten Rechtsanwaltsfachangestellten genutzten Räume etc. in der Person des Arbeitgebers und nicht in der Person des Vertreters bzw. Abwicklers. Diese Kosten sind von dem Arbeitgeber-Rechtsanwalt auch dann zu tragen, wenn der angestellte Rechtsanwalt aufgrund einer umfangreichen Vertreter- oder Abwicklertätigkeit diese Kosten nicht erwirtschaften kann.

Wollte man hier einen Unterschied machen, käme es auch zu Ergebnissen, die nicht angemessen sind. Bei einem selbstständigen Rechtsanwalt als bestelltem Vertreter ginge der Kanzleikostenanteil zulasten des zu vertretenden bzw. abzuwickelnden Rechtsanwalts, bei einem angestellten Rechtsanwalt als bestelltem Vertreter ginge der Kanzleikostenanteil hingegen zulasten seines Arbeitgebers. Da die Rechtsanwaltskammer nach § 54 Abs. 4 Satz 4 BRAO (§ 53 Abs. 10 S. 7 BRAO aF) für die von ihr festgesetzte Vergütung wie ein Bürge haftet, könnte sie zur Verminderung ihres Haftungsrisikos geneigt sein, vornehmlich angestellte Rechtsanwälte zu Vertretern zu bestellen. Die Arbeitgeber eines angestellten Rechtsanwalts könnten wiederum geneigt sein, ihre angestellten Rechtsanwälte zu drängen, sich mit vorgeschobenen Gründen einer Bestellung zum Vertreter zu entziehen, was es der Rechtsanwaltskammer erschweren könnte, geeignete Vertreter zu finden. Das kann aber nicht im Interesse des mit einer Abwicklung bzw. Vertretung verfolgten Zweckes des Schutzes der Rechtssuchenden, nämlich der Mandanten eines verstorbenen Rechtsanwalts oder eines Rechtsanwalts, der aus welchen Gründen auch immer seine Zulassung verloren hat, liegen.

Wäre ein bestellter Vertreter bzw. Abwickler zum Zeitpunkt der Bestellung angestellter Rechtsanwalt und würde während einer längerdauernden Vertreterbestellung von seinem Arbeitgeber als Partner einer Anwaltsgesellschaft aufgenommen werden, würde ihm ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf einen Kanzleikostenanteil zustehen, davor aber nicht. Umgekehrt wäre bei einem zum Vertreter bestellten Partner einer Anwaltsgesellschaft dann, wenn dieser als Partner ausscheidet, aber noch als freier Mitarbeiter tätig ist, ab diesem Zeitpunkt ein Kanzleikostenanteil nicht mehr zu berücksichtigen. Für derartige Ergebnisse fehlt jede innere Begründung.

Da der BGH vorliegend bei den im Rahmen der Vertreterbestellung als Unterbevollmächtigten tätigen Kanzleiinhaber die Berücksichtigung eines Kanzleikostenanteils anerkannt hat, hätte es die Beigeladene sogar in der Hand gehabt, die Berücksichtigung eines Kanzleikostenanteils in größerem Umfang dadurch zu erreichen, dass sie ihren Arbeitgeber in größerem zeitlichen Umfang als Unterbevollmächtigten eingebunden hätte. Es kann aber nicht der Entscheidung des bestellten Vertreters überlassen werden, in welchem Umfang bei der Bemessung seiner Vertretervergütung ein Kanzleikostenanteil zu berücksichtigen ist.

(5) Der Berücksichtigung eines Kanzleikostenanteils stehen auch nicht die Ausführungen des BGH im Rahmen seiner Ausführungen zu einem Zuschlag wegen des besonderen Umfangs und der außerordentlichen Schwierigkeit der Vertretung in Rn. 33 ff. seines Urteils vom 28.05.1991 – AnwZ (Brfg) 53/19 – entgegen.

Dort hat der BGH in Rn. 41 zwar von ganz erheblichen Schwierigkeiten und einem besonderen Arbeitsaufwand für die Beigeladene, die von ihr unterbevollmächtigten Rechtsanwälte der Kanzlei K... & D... und „die von ihnen zur Unterstützung herangezogenen weiteren Mitarbeiter der Kanzlei K... & D...“ gesprochen. Auch in Rn. 43 führt der BGH aus, dass die besonderen Erschwernisse der Vertretung „sowohl bei Rechtsanwälten der Kanzlei K... & D... als auch bei deren Mitarbeitern“ zu einer großen Arbeitsbelastung und infolgedessen teilweise zu psychischen Problemen geführt haben. Die im Hinblick hierauf vorgenommene Erhöhung beträfe aber inhaltlich selbst dann, wenn sie sich auch auf die nichtanwaltlichen Mitarbeiter der Kanzlei K... & D... beziehen sollten, nicht deren laufende Gehälter, sondern allein psychische Mehrbelastungen aufgrund der besonderen Umstände des Falles. Im Übrigen hat der BGH aber in Rn. 55 klargestellt, dass die von ihm als berechtigt angesehene Erhöhung „den außergewöhnlichen Herausforderungen, denen sich die Beigeladene bei der Vertretung des Klägers gegenübersah, angemessen Rechnung“ tragen soll.

Einem Verständnis der zitierten Passagen dahingehend, dass mit dieser Erhöhung die fortlaufenden Gehaltszahlungen an eigene Mitarbeiter der Kanzlei des Vertreters erfasst sein sollten, widerspräche auch, dass der BGH, soweit der Kanzleimitinhaber A... W... im Rahmen der Vertretung tätig geworden ist, dann einen Anteil für fortlaufende eigene Kanzleikosten doppelt erfasst hätte. Der Zuschlag für den besonderen Umfang und die außerordentlichen Schwierigkeiten der Vertretung wurde nicht auf den allein auf die Beigeladene entfallenden Arbeitsaufwand beschränkt, sondern auch hinsichtlich des auf die als Unterbevollmächtigte eingeschalteten übrigen Rechtsanwälte der Kanzlei, ohne Unterschied, ob es sich um angestellte Rechtsanwälte oder Partner gehandelt hat, entfallenden Arbeitsaufwands anerkannt.

(ee) Der Senat ist, worauf der BGH in den zitierten Entscheidungen hinweist, in seinem Urteil vom 29.11.2010 – AGH I 1/10 – davon ausgegangen, dass ein Kanzleikostenanteil bei einem selbstständigen Rechtsanwalt als bestelltem Vertreter anzuerkennen ist, weil dieser aus seiner Vergütung nicht nur den Gewinn, sondern auch die Kosten seiner Kanzlei decken müsse. In dem dort entschiedenen Fall war ein selbstständiger Rechtsanwalt zum Vertreter bestellt worden. Die bis zu dieser Entscheidung nirgends problematisierte Frage der weiterlaufenden Kanzleikosten stellte sich damit gerade in diesem Fall. Der Senat hält aus den vorgenannten Gründen aber auch bei einem angestellten Rechtsanwalt als bestelltem Vertreter den Ansatz eines Kanzleikostenanteils für erforderlich.

(ff) Da der Kanzleikostenanteil die weiterlaufenden eigenen Kanzleikosten abdecken soll, ist zu berücksichtigen, dass nicht jeder zeitliche Aufwand im Rahmen einer Vertretung oder Abwicklung die Erwirtschaftung der eigenen Kanzleikosten beeinträchtigt. Der BGH hat daher in seinem Urteil vom 28.05.2021 – AnwZ (Brfg) 53/19, Rn. 66 – bei einem zeitlichen Einsatz von rund 6 Stunden pro Monat die Berücksichtigung eines Kanzleikostenanteils verneint. Der Senat schließt sich dem unter Aufgabe seiner insoweit im Urteil vom 29.11.2010 – AGH I 1/10 – geäußerten Rechtsauffassung, nach der auch bei geringfügigem Vertretungsaufwand – im dort entschiedenen Fall lediglich 5 Stunden 15 Minuten – ein Kanzleikostenanteil berücksichtigt wurde, an.

Allerdings hält es der Senat nicht für zutreffend, bei der Bemessung des Kanzleikostenanteils hinsichtlich jedes der – aus Sicht des Bestellungsbescheides – im Rahmen der Vertretung mit Untervollmacht tätig werdenden Rechtsanwalts der Kanzlei, in der der bestellte Vertreter tätig ist, einen solchen Zeitraum bei der Berücksichtigung des Kanzleikostenanteils in Abzug zu bringen. Das Urteil des BGH vom 28.05.2021 – AnwZ (Brfg) 53/19 – ist insoweit nicht ganz eindeutig. Während der BGH hinsichtlich des Kanzleimitinhabers A... W... einen Abzug nicht vornimmt, berücksichtigt er hinsichtlich des Kanzleimitinhabers C... K..., der rund sechs Stunden im Rahmen der Vertretung tätig war, einen Kanzleikostenanteil überhaupt nicht. Möglicherweise will der BGH einen Kanzleikostenanteil nur bei geringfügigen, sich im Rahmen üblicher Überstunden haltenden Vertretungen nicht berücksichtigen, bei Übersteigen dieser Grenze aber einen Kanzleikostenanteil hinsichtlich des gesamten Zeitaufwandes berücksichtigen.

Nach Auffassung des Senats ist ein Kanzleikostenanteil bis zur Höhe üblicher Überstunden nicht zu berücksichtigen. Dabei sieht der Senat 10 Überstunden pro Monat als Grenze an. Diese Grenze kann aber, auch wenn aus Sicht des Bestellungsbescheides die Beigeladene deshalb bestellt wurde, weil im Rahmen der Vertretung ihre Anwaltskollegen aus der Kanzlei mit Untervollmacht tätig werden können und im Hinblick auf den Umfang der Vertretung auch sollten, nicht dazu führen, dass je in Untervollmacht tätigem Kollegen ein solcher Zeitaufwand beim Kanzleikostenanteil zu berücksichtigen, d.h. abzuziehen ist. Denn dann hätte es wiederum die Beigeladene in der Hand gehabt, den Umfang der Stunden, für die ein Kanzleikostenanteil bei der Bemessung der Vergütung nicht zu berücksichtigen ist, zu beeinflussen. Hätte sie die im Rahmen der Vertretung anfallende Arbeit von Anfang an gleichmäßig auf alle Rechtsanwälte der Kanzlei verteilt, wären bei fünf in der Kanzlei tätigen Rechtsanwälten 50 Stunden nicht zu berücksichtigen gewesen. Hätte sie hingegen – was jedenfalls in dem hier zu beurteilenden Zeitraum und dem streitgegenständlichen Zeitaufwand möglich gewesen wäre – zunächst alle im Rahmen der Vertretung anfallenden Arbeiten selbst vorgenommen und wäre hinsichtlich eigener Mandatsbearbeitungen von ihren Kollegen entlastet worden, wären bei der Berücksichtigung des Kanzleikostenanteils nur zehn Stunden in Abzug gebracht worden. Der Umfang des bei der Bemessung des Kanzleikostenanteils nicht zu berücksichtigen Zeitaufwandes kann aber nicht vom Belieben der Beigeladenen abhängig sein.

(gg) Wenn der bestellte Vertreter eigene Mitarbeiter für Arbeiten im Rahmen der Vertretungstätigkeit einsetzt, steht ihm hinsichtlich des auf den zeitlichen Umfangs dieses Einsatzes entfallenden Gehalts der eingesetzten Mitarbeiter zuzüglich der hierauf entfallenden anteiligen Arbeitgebersozialversicherungsbeiträge ein Erstattungsanspruch nach § 54 Abs. 1 Satz 3 BRAO i.V.m. § 670 BGB gegen den zu Vertretenden zu. Im Umfang dieses Erstattungsanspruchs ist bei der Bemessung der Abwickler- bzw. Vertretervergütung der Kanzleikostenanteil zu kürzen, denn die Kosten der eigenen Mitarbeiter kann der bestellte Vertreter nicht einerseits über einen Erstattungsanspruch und andererseits über den Kanzleikostenanteil erhalten. Allerdings entfällt hinsichtlich des zeitlichen Umfangs des Einsatzes eigener Mitarbeiter der für den Kanzleikostenanteil zu berücksichtigende Betrag nicht vollständig. Denn der Kanzleikostenanteil deckt nicht nur die weiterlaufenden Kosten der eigenen Mitarbeiter, sondern auch die sonstigen weiterlaufenden Kosten der Kanzlei des Vertreters ab, wie zum Beispiel Mietzahlungen. Es ist vielmehr vom Kanzleikostenanteil ein Betrag in Höhe des Erstattungsanspruchs abzuziehen.

Vorliegend hat ein solcher Abzug nicht zu erfolgen. Zwar wurden wohl Mitarbeiter der Kanzlei, in der die Beigeladene angestellt ist, im Rahmen der Vertretungstätigkeit eingesetzt, nachdem der Kläger Anfang Januar 2018 seine sämtlichen Mitarbeiter gekündigt hat. Der Beigeladenen steht insoweit aber kein Erstattungsanspruch gegen den Kläger zu.

Die Beigeladene hat keine eigenen Mitarbeiter eingesetzt. Dass die Beigeladene mit ihrem Arbeitgeber eine Vereinbarung dahingehend getroffen hat, dass sie die Mitarbeiter ihres Arbeitgebers im Rahmen der Vertretung einsetzen kann und dafür ihrem Arbeitgeber ein Entgelt zu zahlen hat, ist nicht ersichtlich. Hiergegen spricht auch, dass die Beigeladene, wie oben ausgeführt, verpflichtet ist, die Vertretervergütung an ihren Arbeitgeber abzuführen. Nach Kenntnis der anwaltlichen Mitglieder des Senats ist es unüblich und wäre geradezu überraschend, wenn ein Arbeitgeber dann aber von seinem zum Vertreter bestellten angestellten Rechtsanwalt bei Einsatz sachlicher oder personeller Mittel des Arbeitgebers im Rahmen der Abwicklung ein Entgelt verlangen würde. Dem Arbeitgeber der Beigeladenen steht wiederum aus eigenem Recht kein Erstattungsanspruch gegen den Kläger zu. Zu einer doppelten Berücksichtigung der Kosten der eigenen Mitarbeiter der Kanzlei, in der die Beigeladene tätig ist, zu Lasten des Klägers kann es daher nicht kommen.

(hh) Das vom Kanzleiinhaber an den zum Vertreter bestellten angestellten Rechtsanwalt gezahlte Gehalt zuzüglich der darauf entfallenden Arbeitgebersozialversicherungsbeiträge ist allerdings Teil der weiterlaufenden Kanzleikosten. Es müsste daher theoretisch vom bei der Bemessung der Vergütung zu berücksichtigenden Kanzleikostenanteil abgezogen werden. Denn ansonsten würde auch dieses Gehalt bei der Bemessung der Vertretervergütung gleichsam doppelt berücksichtigt werden.

Insoweit ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Ermittlung der durchschnittlichen Kanzleikosten im Urteil des Senats vom 29.11.2010 – AGH I 1/10 –, auf die sich auch die Beklagte gestützt hat, und die der Senat für das Jahr 2007 mit rund 33,00 EUR ermittelt hatte und die Beklagte vorliegend für das Jahr 2017 moderat auf 35,00 EUR heraufgesetzt hat, was vom BGH auch nicht moniert wurde, auf durchschnittlichen Umsätzen und durchschnittlichen Kostenanteilen beruht. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass in jeder Kanzlei – und dies gilt insbesondere für kleinere und mittelgroße Kanzleien – in größerem Umfang auch angestellte Rechtsanwälte vorhanden sind und damit die durchschnittlichen Kosten von Rechtsanwaltskanzleien durch die Gehälter angestellter Rechtsanwälte wesentlich mitgeprägt sind. Es können daher von einem durchschnittlichen Kostenansatz auch nicht die auf einen zum Vertreter bestellten angestellten Rechtsanwalt entfallenden Kosten – sei es das tatsächlich gezahlte Gehalt oder der im Rahmen der Vergütungsberechnung anzusetzende Betrag – in Abzug gebracht werden.

Soweit das Gehalt eines angestellten Rechtsanwalts in den Kanzleikosten mit enthalten ist, stellt es neben den Gehältern der nichtanwaltlichen Mitarbeiter, Mietausgaben und anderen Ausgaben nur einen vergleichsweise geringen Anteil an den Gesamtkosten einer Rechtsanwaltskanzlei dar. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass bei einem angestellten Rechtsanwalt anders als bei einem selbstständigen Rechtsanwalt als bestelltem Vertreter auf das zugrunde zu legende durchschnittliche Gehalt eines angestellten Rechtsanwalts nicht noch ein Anteil für die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung heraufzurechnen ist (vgl. Senat, Urteil vom 29.11.2010 – AGH I 1/10). Im Interesse einer praktikablen Berechnung der Vertretervergütung bei zum Vertreter bestellten angestellten Rechtsanwälten einerseits und der Schwierigkeit, die andernfalls erforderlichen Berechnungsgrundlagen zu ermitteln, sieht es der Senat daher als vertretbar an, für das in den Kanzleikosten enthaltene Gehalt des zum Vertreter bestellten angestellten Rechtsanwalts keine Abzüge zu machen.

(ii) Der Senat geht zudem davon aus, dass ein Kanzleikostenanteil im vorliegenden Fall nicht nur für die Beigeladene, sondern auch für die gleichfalls als Angestellte bei der Kanzlei K... & D... tätige Rechtsanwältin W... anzusetzen ist. Wie der BGH ausgeführt hat, wurde zwar lediglich die Beigeladene und nicht die weiteren Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der Kanzlei als Vertreter des Klägers bestellt.

Die Bestellung der Beigeladenen wird in dem Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2017 (S. 4) jedoch ausdrücklich damit begründet, dass sie in Ansehung der Kanzleisituation und der Struktur der Gesamtsozietät K... & D... über deutlich höhere Kapazitäten zur Bewältigung der Mächtigkeit des aufzuarbeitenden Volumens verfügen könne als der vom Kläger als Vertreter vorgeschlagene Rechtsanwalt J... M... als Einzelanwalt. Damit zielte die Vertreterbestellung vom 12. Dezember 2017 von Anfang an auf eine Einbeziehung der weiteren Berufsträger der Kanzlei K... & D... - einschließlich ihrer Sozien - in die Vertretungstätigkeit der Beigeladenen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2021 – AnwZ (Brfg) 52/19 –, Rn. 66, juris).

Nach Auffassung des Senats ist daher für alle in die Vertretung durch die Beigeladene einbezogenen Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen der Kanzlei K... & D... einschließlich ihrer selbst ein entsprechender Kanzleikostenzuschlag von 35 EUR je Stunde vorzunehmen.

(kk) Legt man die von der Beigeladenen mit ihrer Abrechnung vorgelegten Tätigkeitszeiträume von 8.437 min (= gerundet 141 Stunden) für alle beteiligten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zugrunde und zieht davon die vom Senat als hinnehmbar angenommenen 10 Überstunden pro Monat ab, ergibt sich ein Kanzleikostenanteil von 4.585 EUR (131 Stunden *35 EUR/h).

2.5 Damit ergibt sich unter Hinzurechnung des bereits ermittelten Betrags von 12.383,15 EUR ein Gesamtbetrag von 16.968,15 EUR netto. Hinzuzurechnen ist die Umsatzsteuer von 19 %, d.h. 3.223,95 EUR, so dass sich ein Gesamtbetrag von 20.192,10 EUR ergibt. Das erachtet der Senat als angemessene Vergütung gemäß § 53 Abs. 10 S. 4 BRAO aF bzw. § 54 Abs. 4 S. 1 BRAO.

3. Der Senat lässt die Berufung gegen dieses Urteil nach § 112e BRAO wegen Abweichung von den Entscheidungen des BGH vom 28.05.2021 (AnwZ (Brfg) 52/19 und 53/19) zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, § 112a Abs. 1 Satz 1 BRAO). Wie ausgeführt, erachtet der Senat die Berücksichtigung eines Kanzleikostenanteils bei der Ermittlung der angemessenen Vertretervergütung auch für einen angestellten Rechtsanwalt bzw. eine angestellte Rechtsanwältin entgegen der Auffassung des BGH und auch entgegen seiner früheren eigenen Rechtsauffassung als zulässig und im vorliegenden Fall auch für geboten. Auf dieser Abweichung beruht das Urteil des Senats, da sich anderenfalls eine geringere Vertretervergütung ergeben würde und der angegriffene Bescheid vom 27.11.2018 in größerem Umfange abzuändern wäre.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 112c Abs. 1 BRAO i.V.m. § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Streitwert ist gemäß § 194 Abs. 1 BRAO i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG festgesetzt.