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Entscheidung 10 K 1622/20.A


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 10. Kammer Entscheidungsdatum 14.10.2022
Aktenzeichen 10 K 1622/20.A ECLI ECLI:DE:VGFRANK:2022:1014.10K1622.20.A.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG

Leitsatz

Es gibt in Kamerun ohne das Hinzutreten spezifischerer Merkmale keine bestimmte soziale Gruppe aller von Zwangsverheiratungen und häuslicher Gewalt betroffenen Frauen, da es an einer deutlich abgegrenzten Identität sowie daran fehlt, dass die Betroffenen durch die sie umgebende Gesellschaft als andersartig betrachtet werden.

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit es die Beteiligten in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens je zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Kostenschuldnerin kann eine Vollstreckung der jeweiligen Kostengläubigerin gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls die andere Seite nicht zuvor Sicherheit i.H.v. 110% des insgesamt zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt nach während des Klageverfahrens in Bezug auf ein nationales Abschiebungsverbot erfolgter Abhilfe weiter die Zuerkennung internationalen Schutzes wegen einer in Kamerun geschehenen Zwangsverheiratung samt häuslicher Gewalt.

Die nach eigenen unbelegten Angaben 1997 in Douala geborene Klägerin wurde im Wege der Seenotrettung am 29. Januar 2020 nach Italien ausgeschifft; Deutschland übernahm am 15. Oktober 2020 die asylrechtliche Zuständigkeit für sie. Am 26. Oktober 2020 stellte sie bei der Außenstelle Eisenhüttenstadt des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen unbeschränkten Asylantrag. Sie habe keine Angehörigen in Deutschland und Kamerun im Mai 2017 verlassen, um unter anderem über Nigeria und Algerien, wo sie sich ein Jahr lang aufgehalten habe, sowie Libyen, wo sie eineinhalb Jahre geblieben sei, nach Italien zu gelangen, um dann am 15. Oktober 2020 nach Deutschland einzureisen.

Anlässlich ihrer Anhörung gab sie gegenüber dem Bundesamt am 28. Oktober 2020 im Wesentlichen an, dem Stamm der Bassa anzugehören und zuletzt in Douala gelebt zu haben, von wo sie im Mai 2017 über Kumba ausgereist sei. Sie habe bei einem älteren Mann gelebt, an den sie fünf Jahre zuvor „verkauft“ worden sei. Sie habe ihren Vater nicht gekannt und die Mutter sei 2000 verstorben. Danach habe sie bei ihrer Tante gelebt, von der sie nicht wisse, wo diese heute wohne. 2011 habe die Tante sie zu jenem älteren Mann gebracht, von dem sie am 7. Mai 2012 einen Sohn bekommen habe. Dieser sei nunmehr acht Jahre alt und bei seinem Vater. Unmittelbar vor ihrer Ausreise habe sie einen Motorradunfall gehabt, als sie gemeinsam mit ihrem Sohn von zu Hause für einige Tage weggegangen sei. Nach dem Unfall habe sie sich im Krankenhaus wiedergefunden, wohin der ältere Mann gekommen sei und wo er ihr gedroht habe. Den Sohn habe er mitgenommen. Vom Krankenhaus aus sei sie dann geflohen.

Der ältere Mann habe sie oft geschlagen und vergewaltigt; bereits anlässlich seiner Besuche bei der Tante, als die Klägerin selbst noch ein Kind gewesen sei, habe er sie sexuell misshandelt. Auch nach der Geburt des Sohnes habe der Mann mit ihr so weitergemacht wie zuvor. Als sie zu ihm gekommen sei, habe sie gewusst, dass sie „in der Höhle der Löwen“ gelandet sei. Der Mann habe viel getrunken und sie immer stark geschlagen. Als sie dann im Krankenhaus gewesen sei, habe sie nicht zu ihm zurückkehren wollen. Alle Leute in der Umgebung hätten Angst vor ihm gehabt; er habe viel Geld gehabt. Sie sei in der Vergangenheit auch einmal auf Anraten einer Nachbarin bei der Polizei gewesen; der Mann habe daraufhin eine Vorladung bekommen, die er vor ihren Augen zerrissen habe. Sie sei seinerzeit 21 Jahre alt gewesen. Auch um den Sohn habe sich der Mann nicht gekümmert und ihn vielmehr ebenfalls geschlagen. Sie sei für den Mann so etwas wie eine Sklavin gewesen; wenn sie zurückkehren müsste, würde er sie überall finden. Während der Flucht habe sie in Algerien ihren jetzigen Partner, den Kläger des Verfahrens VG Potsdam 9 K 297/21.A, kennengelernt, dem sie von dem älteren Mann berichtet habe. Während sie in Algerien gewesen sei, habe sie als Haushaltshilfe gearbeitet und Essen verkauft.

Das Bundesamt lehnte den Asylantrag mit Bescheid vom 16. November 2020, zugestellt am 23. November 2020, hinsichtlich der Asylanerkennung (Ziffer 2), einer Flüchtlingsanerkennung (Ziffer 1), eines subsidiären Schutzes (Ziffer 3) sowie nationalen Abschiebungsschutzes (Ziffer 4) ab; es forderte die Klägerin unter Androhung der Abschiebung nach Kamerun zur Ausreise auf (Ziffer 5) und verfügte ein auf 30 Monate befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer 6). Die Klägerin habe keine staatlichen Verfolgungsgefahren geltend gemacht und sei nach Maßgabe ihres Vortrages auch nicht in einem asylrelevanten Persönlichkeitsmerkmal betroffen. Bezüglich eventueller Nachstellungen des älteren Mannes könne sie auf internen Schutz innerhalb Kameruns verwiesen werden, zumal auch ihr jetziger Partner Kameruner und arbeitsfähig sei.

Am 4. Dezember 2020 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung sie sich auf eine geschlechtsspezifische Verfolgung für „Frauen in der Situation der Klägerin“ als soziale Gruppe beruft. Der besagte ältere Mann habe jenen Motorradunfall herbeigeführt und sie sei mit ihm zwangsverheiratet worden. Staatlichen Schutz könne sie hiergegen nicht erlangen und es stehe auch kein interner Schutz zur Verfügung, da der ältere Mann über „hinreichenden Einfluss“ verfüge und nachdem er sie mit dem Motorrad verletzt habe. Als auf sich alleingestellte Frau finde sie in Kamerun keine Lebensgrundlage mehr.

Die Klägerin hat mit der Klage die Zuerkennung internationalen Schutzes, hilfsweise die Zuerkennung nationalen Abschiebungsschutzes beantragt. Mit Beschluss vom 19. Mai 2021 hat die Kammer den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Nachdem das vorliegende Klageverfahren auf den 8. September 2022 zur mündlichen Verhandlung geladen worden war, hat die Klägerin unter dem 31. August 2022 eine Fachärztliche Stellungnahme vom 16. August 2022 vorlegen lassen, wonach bei ihr eine komplexe PTBS sowie eine rezidivierende depressive Episode zu diagnostizieren seien. Daraufhin hat das Bundesamt mit Bescheid vom 2. September 2022 die Regelungen in Ziffern 4 bis 6 des Bescheides vom 16. November 2020 aufgehoben und der Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Kameruns zuerkannt, sowie den Rechtsstreit im Umfang der Abhilfe für erledigt erklärt. Nachdem sich die Klägerin nach Aufhebung der Terminierung hierzu nicht weiter verhalten hat, ist die Klage mit Gerichtsbescheid vom 9. September 2022, zugestellt am 14. September 2022, abgewiesen worden, wogegen die Klägerin am 27. September 2022 mündliche Verhandlung beantragt hat. In der mündlichen Verhandlung hat sie nunmehr ebenfalls im Umfang der Abhilfe Erledigung erklärt.

Die in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehörte Klägerin beantragt weiter,

die Beklagte insoweit unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 16. November 2020 zu verpflichten, ihr internationalen Schutz zuzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Aus der beigezogenen Asylakte des E… (VG Potsdam 9 K 297/21.A) ergibt sich, dass dieser im Februar 1997 in Douala geboren ist und mit der Klägerin zusammen über das Seenotrettungsprogramm in die asylrechtliche Zuständigkeit Deutschlands übernommen wurde, nachdem er in Italien angelandet war. Am 26. Oktober 2020 stellte er beim Bundesamt einen Asylantrag, zu dem er am 28. Oktober 2020 angehört wurde. Auch er gab an, kamerunischer Staatsangehöriger vom Stamm der Bassa zu sein und in Douala gewohnt zu haben. Er habe dort bei einem Onkel gelebt, der sehr reich gewesen sei und ihm alles vererbt habe, weshalb es nach dem Tod des Onkels zu Erbstreitigkeiten mit dessen Brüdern gekommen sei. Daher habe er Douala Anfang Juni 2016 verlassen, um nach Maroua zu einem älteren Halbbruder zu gehen. Dieser habe ihn mit einem Ingenieur bekannt gemacht, für den er weiter als Maurer gearbeitet habe, bis er mit anderen aus seinem Arbeitstrupp von Mitgliedern der Boko Haram entführt worden sei. Der Entführung habe er sich entziehen können, sodass er im Juni 2017 weiter über Niger nach Algerien und Libyen sowie schließlich nach Italien geflohen sei. Während seines Aufenthalts in Algerien habe er die Klägerin kennengelernt. Den Asylantrag lehnte das Bundesamt ebenfalls mit Bescheid vom 16. November 2020 umfassend ab; die hiergegen am 30. November 2020 erhobene Klage ist bei dem Verwaltungsgericht Potsdam nach wie vor anhängig.

Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakte und der Bundesamtsakte der Klägerin wie der einschlägigen Akten bezüglich des Partners der Klägerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht verhandelt und entscheidet mit Blick auf die entsprechende Belehrung in der rechtzeitig zugestellten Ladungsverfügung trotz Ausbleibens von Vertretern der Beklagten (§ 102 Abs. 2 VwGO), undzwar durch den Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG). Dabei gilt der Gerichtsbescheid vom 9. September 2022 wegen des gegen ihn gestellten Antrags auf mündliche Verhandlung als nicht ergangen, so dass zu verhandeln ist (vgl. § 84 Abs. 3 2. Hs. VwGO).

Das Verfahren ist wegen der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten in Ansehung der durch Bescheid vom 2. September 2022 in Bezug auf die Regelungen in Ziffern 4 bis 6 des Bescheides vom 16. November 2020 erfolgten Abhilfe klarstellend einzustellen (entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

Die nun noch hinsichtlich der Frage eines internationalen Schutzbedürfnisses (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 AsylG) in Bezug auf die ablehnenden Entscheidungen in Ziffern 2 und 3 des Bundesamtsbescheides vom 16. November 2020 aufrechterhaltene Klage - die Regelung in Ziffer 2 war und ist nicht angegriffen - ist innerhalb der einschlägigen Zweiwochenfrist des § 74 Abs. 1 1. Hs. AsylG rechtzeitig und mit statthaften Klageanträgen erhoben worden und auch im Übrigen zulässig.

Allerdings hat die Klage in der Sache keinen Erfolg; der noch verbliebene Bundesamtsbescheid erweist sich in Ansehung aller bei Schluss der mündlichen Verhandlung zu Tage liegenden Umstände (§ 77 Abs. 1 AsylG) als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kann die Klägerin jedenfalls deshalb nicht beanspruchen, weil die nach Lage der Dinge und laut eigenem Vorbringen einzig in Betracht kommende Verfolgungsgefahr in Anknüpfung an die Zugehörigkeit der Klägerin zu einer bestimmten sozialen Gruppe (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG) nicht vorliegt. Insoweit beruft sich die Klägerin auf die nach ihrem Vortrag in Kamerun erfolgte Zwangsverheiratung mit jenem älteren Mann und dessen (häuslichen) Übergriffe. Soweit dieser Kernvortrag der Klägerin als wahr unterstellt wird, lagen zwar eine Vorverfolgung grundsätzlich begründende Verfolgungshandlungen i.S.v. § 3a Abs. 1 Buchstabe a AsylG zweifelfrei vor; es fehlt indes an relevanten Verfolgungsgründen i.S.v. § 3b AsylG.

Die von der Klägerin konstruierte soziale Gruppe (aller) von Zwangsverheiratung und häuslicher Gewalt betroffenen Frauen ist weder bestimmt noch hat sie aufgrund einer Betrachtung ihrer umgebenden Gesellschaft als andersartig eine deutlich abgegrenzte Identität. Da die Mitglieder der Kammer des erkennenden Gerichts übereinstimmend von diesen Erfordernissen bei der Kennzeichnung des an das Geschlecht anknüpfenden bestimmten sozialen Gruppe i.S.v. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG ausgehen (vgl. Urteile vom 7. September 2022 - VG 10 K 286/20.A -; vom 16. März 2022 - VG 10 K 2623/17.A [Bezugnahme]; vom 23. August 2022 - VG 10 K 415/20.A -), bedarf es aus Anlass des vorliegenden Verfahrens nicht einer anlässlich der mündlichen Verhandlung erwogenen Rückübertragung der Sache auf die Kammer nach § 76 Abs. 3 Satz 1 AsylG.

Es fehlt nämlich die vom Flüchtlingsbegriff vorausgesetzte deutlich abgegrenzte Identität sowie Betrachtung als andersartig durch die sie umgebende Gesellschaft; nicht alle kamerunischen Frauen unterliegen einer an das Geschlecht anknüpfenden Verfolgung und nicht alle Frauen unterliegen in Kamerun der Gefahr einer von der Familie arrangierten Ehe bzw. häuslicher Gewalt, und es müssen zur Abgrenzbarkeit wie zur Ausgrenzung als andersartig weitere Merkmale hinzutreten, wie z.B. Alter, Familienstand, Ethnie bzw. Stammesgebräuche, die jeweilige familiäre bzw. soziale Umgebung oder die Schutzwilligkeit bzw. -fähigkeit der Familie oder Dritter (Urteil des erkennenden Gerichts vom 13. Oktober 2022 - VG 10 K 2549/17.A -, vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 27. September 2021 - 23 ZB 21.20121 - juris Rn. 7, 10 und OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. September 2022 - 4 B 14/21 - juris Rn. 48 ff.). Unabhängig von der Frage nach der abweichenden Beurteilung der maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen in § 3b AsylG vermag sich die Klägerin auf das den Herkunftsstaat Guinea mit den dort womöglich unterschiedlichen Lebensverhältnissen betreffende Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. September 2022 (VG 31 K 595.19.A) nicht mit Erfolg zu berufen.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Einklang mit der zum Begriff der „bestimmten sozialen Gruppe“ im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2011/95/EU ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt, dass die in den Buchstaben a und b des § 3b Abs. 1 Nr. 4 1. Hs. AsylG genannten Voraussetzungen für das Vorliegen einer „bestimmten sozialen Gruppe“ kumulativ erfüllt sein müssen (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. September 2022 - 4 B 14/21 - juris Rn. 48 ff.). Das selbstständige Erfordernis der „deutlich abgegrenzten Identität“ schließt eine Begriffsauslegung aus, nach der eine „bestimmte soziale Gruppe“ i.S.v. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG allein dadurch begründet wird, dass eine Mehr- oder Vielzahl von Personen in vergleichbarer Weise von als Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a Abs. 1 oder 2 AsylG zu qualifizierenden Maßnahmen betroffen wird (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Januar 2018 - C-473/16 - juris Rn. 30; BVerwG, Beschlüsse vom 19. Juni 2019 - 1 B 30.19 - juris Rn. 9 f. und vom 23. September 2019 - 1 B 54.19 - juris Rn. 8, jeweils m.w.N.). Auch eine allein an das Geschlecht anknüpfende Verfolgung i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 4. Hs. AsylG ist nur dann eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, wenn die Personengruppe, deren Mitglieder das gleiche Geschlecht haben, von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 9. Februar 2022 - 4 LA 74/20 - juris Rn. 4; OVG Münster, Beschluss vom 21. September 2020 - 19 A 1857/19.A - juris Rn. 114 ff. m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben bilden bereits zwangsverheiratete und/oder häuslicher Gewalt ausgesetzte Frauen oder solche, die vortragen, dass ihnen solches drohe, unter den kamerunischen Staatsangehörigen ohne weitere hinzutretende konkrete Umstände - wie insbesondere Ethnie, Lebensalter, familiäre oder andere soziale Verhältnisse - keine „bestimmte soziale Gruppe“ im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. Angesichts der Vielzahl unterschiedlichster Bräuche in der ethnisch sehr heterogenen Gesellschaft Kameruns mit teils archaischen Regeln über das Versprechen sogar künftiger Kinder für Ehezwecke bis hin zu den rechtlich unterschiedlichen staatlichen Gestaltungen von Eheschließungen z.B. als polygame oder monogame Ehe kann nicht davon ausgegangen werden, dass gegen ihren Willen verheiratete oder zu einer Lebenspartnerschaft gedungene Frauen (Mädchen) bzw. hiermit bedrohte Frauen (Mädchen) i.S.v. § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b AsylG von der kamerunischen Gesellschaft (schlechthin) als andersartig betrachtet werden und daher eine deutlich abgegrenzte Identität besitzen. Vielmehr spricht die allgemeine gesellschaftliche Gleichgültigkeit gegenüber einem Ritus oder Brauchtum folgenden oder auch nur rein kriminellen (Zwangs-) Verheiratungen gegen den Willen der weiblichen Betroffenen einschließlich des Umstandes, dass staatliche Stellen derlei Geschehen regelmäßig als Privatangelegenheit der Betroffenen hinnehmen, gegen die Möglichkeit, eine abgrenzbare soziale Gruppe identifizieren zu können, welcher die Eigenschaft einer Andersartigkeit zugeschrieben wird. Dasselbe gilt hinsichtlich des offenbar weit verbreiteten Phänomens häuslicher Gewalt, die keineswegs nur gegen weibliche Personen verübt wird, wenngleich diese wegen der beschriebenen gesellschaftlichen wie staatlichen Gleichgültigkeit sehr viel häufiger Opfer der hier in Rede stehenden Verfolgungshandlungen werden. Für die „Gruppe der Frauen“ kann nichts anderes gelten. Die von der Klägerin in Übereinstimmung mit den ins Verfahren eingeführten Erkenntnissen zur Situation in Kamerun vorgetragene Gleichgültigkeit staatlicher Stellen in Bezug auf innerfamiliäre Konflikte betrifft ebenfalls unterschiedslos alle kamerunischen Staatsangehörigen jeden Geschlechts und dies unabhängig von der Art der familiären Konflikte. Es ist nicht erkennbar, dass diejenigen, die von Zwangsverheiratung o.ä. und/oder häuslicher Gewalt in Kamerun betroffen sind, von der kamerunischen Gesellschaft als andersartig betrachtet würden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19. April 2018 - 1 C 29.17 - juris Rn. 32, 36).

Im Falle der Klägerin knüpften die von ihr geschilderten Übergriffe jenes älteren Mannes folglich nicht an eine relevante und das internationale Flüchtlingsschutzversprechen begründende Gruppenzugehörigkeit der Klägerin an; es handelte sich vielmehr um - auch nach kamerunischem Recht strafbare - kriminelle Handlungen gegen die Klägerin als Individuum.

Soweit die Klägerin geltend macht, ihre „Zwangsverheiratung“ mit jenem älteren Mann habe i.S.v. § 3b Abs. 1 Nr. 4 4. Hs. AsylG daran angeknüpft, dass sie als Mädchen dieser Zwangsverheiratung unterlegen habe, sind im Übrigen bereits die Hintergründe des an anderer Stelle als „Verkauf“ durch die Tante bezeichneten Vorgangs unklar geblieben. Dass eine Ehe geschlossen worden sei, hat die Klägerin selbst nicht angegeben, sondern ihre Situation so dargestellt, dass sie jenem Mann zur - auch sexuellen - Ausbeutung überlassen worden sei. Es ist mangels nachvollziehbarer Abgrenzbarkeit zu gleichartigen Situationen anderer (junger) Frauen nicht ersichtlich, dass und ggf. inwieweit die hier in Rede stehende Behandlung der Klägerin als bloßes Objekt der Begierde eines alten Mannes im Sinne der Bildung einer „bestimmten sozialen Gruppe“ verallgemeinerungsfähig sein könnte. Vielmehr liegt zur Überzeugung des Gerichts in Auslegung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen ein krimineller Einzelfall vor, auch wenn ähnliche Fälle in der kamerunischen Gesellschaft vorkommen.

Jedenfalls liegen aber inzwischen stichhaltige Gründe i.S.v. Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU vor, die dagegen sprechen, dass die Klägerin erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht ist. Denn sie ist längst nicht mehr das hilflose junge Mädchen, als das sie an jenen Mann „verkauft“ worden sei, und sie führt - wenngleich außerhalb ihres Herkunftslandes - seit mehreren Jahren eine Partnerschaft mit einem Landsmann derselben Ethnie, den sie ehelichen oder welcher ihr auch ohne Eheschließung zur Seite stehen kann. Damit verfügt sie inzwischen über einen sie auch in Bezug auf ihre Gemütsverfassung stabilisierenden Halt und über Unterstützung bei der trotz aller generellen Gleichgültigkeit kamerunischer Behörden gegenüber innerfamiliären Konflikten möglichen Inanspruchnahme staatlicher Hilfe. Denn trotz fehlender Strafvorschriften zu ehelichen Vergewaltigungen sowie zu häuslicher Gewalt sind derartige Übergriffe verboten und mit Haft und Geldstrafe bedroht; sexuelle Übergriffe stehen unter Strafandrohung und das gesetzliche Mindestalter für die Eheschließung liegt bei 18 Jahren (vgl. USDoS vom 12. April 2022 unter section 6). Dem Gericht ist aus den Vorträgen anderer kamerunischer Asylbewerberinnen zudem bekannt, dass einschlägige Täter mitunter inhaftiert und zu Gefängnisstrafen verurteilt werden. Dies lässt den Schluss zu, dass es für die Inanspruchnahme wirksamen staatlichen Schutzes eines entsprechend engagierten Handelns derjenigen bedarf, die den Schutz beanspruchen. Soweit sich die Klägerin aus nachvollziehbaren Gründen dazu früher nicht in der Lage gesehen haben mag und die Hilfe der besagten Nachbarin nicht ausgereicht hat, verhält es sich heute anders. Von daher kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass ihr kein wirksamer oder allenfalls nur vorübergehender Schutz (vgl. § 3d Abs. 2 AsylG) vor den Verfolgungshandlungen jenes Mannes zuteil wird.

Außerdem handelt es sich bei jenem älteren Mann offensichtlich nicht um einen verfolgungsmächtigen Akteur i.S.v. § 3c AsylG, weil er zwar reich und einflussreich sei, wie die Klägerin freilich ohne jegliche substanzielle Hintergrundinformation behauptet hat, keinesfalls aber kraft staatlicher Autorität gehandelt hat und weder den Staat noch wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrscht. Allein der Umstand, dass sich die seinerzeit junge und völlig unerfahrene Klägerin dem zwangsweisen Zugriff jenes Mannes nicht zu entziehen wusste und nur ein einziges Mal mit Unterstützung einer Nachbarin vergeblich polizeiliche Hilfe zu erwirken gesucht habe, verleiht dem Verfolger keine flüchtlingsschutzrechtlich bedeutsame Wirkungsmacht. Hieran ändert sich mit Blick auf die Regelung des § 3c Nr. 3 AsylG nichts deshalb, weil der kamerunische Staat Übergriffen im als privat erachteten familiären Bereich regelmäßig nicht (wirksam) entgegen tritt. Denn im Fall der Klägerin hatte es immerhin eine Vorladung des Mannes gegeben, was grundsätzlich staatliche Hilfe belegt. Hinsichtlich der Effektivität dieser Hilfe wird auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen. Im Übrigen kann der Klägerin der unter dem Eindruck des Klageverfahrens gesteigerte und widersprüchliche Vortrag zu dem angeblich von jenem Mann herbeigeführten Unfall nicht geglaubt werden. Soweit ihr die Legende aus der Bundesamtsanhörung abgenommen wird, wonach sie mit ihrem Sohn vor jenem Mann geflohen war, ist es nachvollziehbar, dass der Mann als Kontaktperson der Klägerin ins Krankenhaus gerufen worden war, da es landesüblich ist, dass Familienangehörige für die Verpflegung sowie die Kosten im Krankenhaus aufkommen. Nur insoweit ist es nachvollziehbar, dass jener Mann den gemeinsamen Sohn von dort zu sich nachhause mitnahm.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 AsylG), wobei hier nur ein Fall des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG in Gestalt einer der Klägerin drohenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Betracht kommt. Es lässt sich indes nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die Klägerin bei Wahrunterstellung des Kerns ihrer Verfolgungsgeschichte in Kamerun erneut von Übergriffen der von ihr geschilderten Art betroffen sein wird.

Für die Kriterien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist - wie bei § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK - nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 20. Mai 2020 - 1 C 11.19 - juris Rn. 10 ff.) aufgrund weitgehend identischer sachlicher Regelungsbereiche (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 36) auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 EMRK zurückzugreifen. Danach haben die sozioökonomischen und humanitären Bedingungen im Abschiebezielstaat weder notwendig noch ausschlaggebenden Einfluss auf die Frage, ob eine Person tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein (EGMR, Urteile vom 28. Juni 2011 - Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi - Rn. 278 und vom 29. Januar 2013 - Nr. 60367/10, S.H.H. - Rn. 74). Der Umstand, dass die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung im Fall einer Aufenthaltsbeendigung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK annehmen zu können. Denn die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Anderes gilt nach der Rechtsprechung des EGMR nur in besonderen Ausnahmefällen, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (EGMR, Urteile vom 27. Mai 2008 - Nr. 26565/05, N. - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42 und vom 28. Juni 2011 - Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi - Rn. 278; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 23, 25, und Beschluss vom 13. Februar 2019 - 1 B 2.19 - juris Rn. 6). Vielmehr muss eine den subsidiären Schutz begründende Gefahr eines ernsthaften Schadens in Form von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung nach § 4 Abs. 3 AsylG stets von einem Akteur i.S.d. § 3c AsylG ausgehen (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 29 und Beschluss vom 13. Februar 2019 - 1 B 2.19 - juris Rn. 6). In der Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass der mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG wortgleiche Art. 15 Buchst. b Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Richtlinie 2011/95/EU) dahingehend auszulegen ist, dass es einer direkten oder indirekten Aktion eines Akteurs bedarf, die die unmenschliche Lebenssituation im Sinne einer Zurechenbarkeit, die jenseits nicht intendierter Nebenfolgen ein auf die bewirkten Effekte gerichtetes Handeln oder gar Absicht erfordert, zu verantworten hat. Im Fall einer unzureichenden medizinischen Versorgung hat der EuGH mit Urteil vom 18. Dezember 2014 - C-542/13 [ECLI:EU:C:2014:2452] M'Bodj - (Rn. 35, 41) entschieden, dass der in Art. 15 Buchst. b Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Richtlinie 2011/95/EU) genannte ernsthafte Schaden nicht bloß die Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten des Gesundheitssystems des Herkunftslandes sein darf. Dies entnimmt der EuGH vor allem Art. 6 Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Richtlinie 2011/95/EU), der eine Liste der Akteure enthält, von denen ein ernsthafter Schaden ausgehen kann. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, stellen für sich genommen hingegen normalerweise keine individuelle Bedrohung dar, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre (Erwägungsgrund 26 der Richtlinie 2004/83/EG; inzwischen: Erwägungsgrund 35 der Richtlinie 2011/95/EU). Die Anerkennungsrichtlinie zielt darauf ab, die Schutzregelung für Flüchtlinge durch den subsidiären Schutz zu ergänzen und insoweit die Personen zu bestimmen, die tatsächlich internationalen Schutz benötigen; ihr Geltungsbereich erstreckt sich hingegen nicht auf Personen, die aus anderen - etwa familiären oder humanitären - Gründen in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten verbleiben dürfen (vgl. Erwägungsgrund 5, 6, 9 und 24 der Richtlinie 2004/83/EG; inzwischen: Erwägungsgrund 6, 12, 15 und 33 der Richtlinie 2011/95/EU). Der EuGH verneint infolgedessen das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. b Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Richtlinie 2011/95/EU), solange einem erkrankten Antragsteller bei Rückkehr die medizinische Versorgung nicht „absichtlich“ verweigert wird (EuGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 - C-542/13, M'Bodj - Rn. 41). Dies bekräftigend geht auch Generalanwalt B. davon aus, dass ein ernsthafter Schaden i.S.d. Art. 15 Buchst. b Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Richtlinie 2011/95/EU) durch direktes oder indirektes Behördenhandeln verursacht werden muss. Die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung müsse auf Faktoren beruhen, die den Behörden des Landes direkt oder indirekt anzulasten und ihnen stets bewusst seien, und zwar entweder weil die Behörden des Staates, dem der Betroffene angehöre, ihn persönlich bedrohten oder diese Bedrohung tolerierten, oder weil diese Bedrohung auf unabhängige Gruppen zurückgehe, vor denen die Behörden ihre Staatsangehörigen nicht wirksam schützen könnten (Schlussanträge des Generalanwalts B. vom 24. Oktober 2017 - C-353/16, M.P. - Rn. 30 ff.). Im Einklang damit führt der EuGH im Urteil vom 24. April 2018 - C-353/16 [ECLI:EU:C:2018:276], M.P. - (Rn. 51) aus, dass die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustandes eines an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen, die auf das Fehlen angemessener Behandlungsmöglichkeiten in seinem Herkunftsland zurückzuführen ist, ohne dass diesem Drittstaatsangehörigen die Versorgung „vorsätzlich“ verweigert würde, keine ausreichende Rechtfertigung dafür sein kann, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Dieser Rechtsprechung zufolge muss die schadenszufügende Handlung oder Unterlassung des Akteurs bewusst und zielgerichtet („absichtlich“ bzw. „vorsätzlich“) ausgeführt werden. Ähnlich wie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Feststellung einer Verfolgungshandlung im Rahmen der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 Asyl(Vf)G (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 - 10 C 52.07 - BVerwGE 133, 55 Rn. 24) bedarf es damit eines zielgerichteten Handelns bzw. Unterlassens eines Akteurs, das die schlechte humanitäre Lage hervorruft oder erheblich verstärkt (BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2019 - 1 B 2.19 - juris Rn. 13; s.a. Broscheit/Gormik, ZAR 2018, 302 <305 f., 307>). Dies gilt unter Berücksichtigung der vom EuGH allgemein hervorgehobenen Ziele der Richtlinie und der ausdrücklichen Bezugnahme auf Art. 6 Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Richtlinie 2011/95/EU) nicht nur, wenn der drohende Schaden auf allgemeine Unzulänglichkeiten des Gesundheitssystems im Herkunftsland zurückzuführen ist, sondern für alle von Art. 15 Buchst. b Richtlinie 2011/95/EG erfassten Fallkonstellationen einer im Herkunftsland drohenden unmenschlichen Lebenssituation (BVerwG vom 20. Mai 2020 a.a.O. Rn. 12).

Weder die (erneute) Zwangsverheiratung oder Zuführung zu jenem alten Mann und auch nicht eine drohende häusliche Gewalt gegenüber der Klägerin kann aber einem zielgerichteten Handeln bzw. Unterlassen flüchtlingsschutzrechtlich wirkungsmächtiger Akteure zugeordnet werden; auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. Abgesehen von ihrem inzwischen fortgeschritteneren Lebensalter und dem zu erwartenden Beistand ihres Lebenspartners als stichhaltige Hinweise darauf, dass die Klägerin nicht erneut von Übergriffen der von ihr geschilderten Art betroffen sein wird, spricht der Umstand der bereits erwähnten Gleichgültigkeit staatlicher Stellen in Kamerun gegenüber innerfamiliären Konflikten in Zusammenschau mit den einschlägigen Strafbestimmungen sowie gelegentlichen effektiven Maßnahmen gegenüber Tätern gegen ein absichtliches, vorsätzliches staatliches Handeln. Der kamerunische Staat unternimmt zwar kaum messbare Reformversuche im Bereich des Familienrechts und überlässt sich den traditionellen Regeln folgenden Bevölkerungsgruppen selbst (vgl. BFA vom 19. April 2021, S. 32 ff.). Im Fall der Klägerin ist freilich kein sonstiger Akteur i.S.v. § 3c AsylG erkennbar, der es zielgerichtet auf eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung der Klägerin abgesehen haben sollte. Selbst wenn die Klägerin an den von ihr angegebenen Herkunftsort, Douala, zurückkehren müsste, könnte sie in zumutbarer Weise um staatlichen Schutz gegenüber den behaupteten Übergriffen jenes alten Mannes nachsuchen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 2 Satz 1, 154 Abs. 1, 167 Abs. 1 VwGO; § 83b AsylG; §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Das Gericht bemisst das wirtschaftliche Interesse bei asylrechtlichen Klagen, die sowohl einen Asyl- oder internationalen wie hilfsweise einen nationalen Schutzanspruch umfassen, bezüglich eines Obsiegens nur mit dem Hilfsantrag - dem entspricht im vorliegenden Fall die Abhilfeentscheidung - angesichts des letztlich begehrten asylrechtlich begründeten Bleibeinteresses gegenüber dem Asyl- oder internationalen Schutzbegehren in ständiger Rechtsprechung mit der Hälfte.