Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 10 K 1047/17.A


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 10. Kammer Entscheidungsdatum 18.01.2023
Aktenzeichen 10 K 1047/17.A ECLI ECLI:DE:VGFRANK:2023:0118.10K1047.17.A.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens je zu 1/6.

Tatbestand

Die Kläger sind russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Die Kläger zu 1. – 5. verließen die Russische Föderation eigenen Angaben zufolge Ende Juni 2016 zunächst nach Weißrussland, wo sie sich etwa drei Monate in Brest aufhielten. Von dort reisten sie weiter nach Polen und von dort mit dem PKW am 11. Oktober 2016 nach Deutschland. Kurz nach der Einreise wurde die Klägerin zu 6. am 27. Oktober 2016 in Berlin geboren. Am 30. Dezember 2016 stellten die Kläger unbeschränkte Asylanträge. Ein weiteres Kind der Kläger zu 1. und 2., das nicht Kläger dieses Verfahrens ist, sondern beim Verwaltungsgericht Potsdam ein eigenes gerichtliches Verfahren (VG 6 K 851/20.A) betreibt, wurde am 30. Dezember 2019 in Potsdam geboren.

Am 23. Februar 2017 wurden die Kläger zu 1. und 2. jeweils beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) angehört.

Im Rahmen dieser Anhörung gab der Kläger zu 1. im Wesentlichen an, er habe bereits seit etwa zwei Jahren gesundheitliche Probleme in Form von Lähmungserscheinungen in der rechten Körperhälfte und leide außerdem an psychischen Problemen. Er habe sich in seinem Heimatland persönlich nicht politisch betätigt und sei auch nicht Mitglied in einer Partei gewesen. Nach der Hochzeit mit seiner Frau, der Klägerin zu 2., im Jahre 2010 habe er sich mit dieser ein Haus in G...gemietet, wo ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn entstanden sei. Sie hätten sich häufig getroffen und unterhalten. Zwei junge – vom Kläger namentlich benannte - Männer aus dieser Nachbarschaft hätten Arabisch gelernt und seien nach Ägypten gegangen. Seine Frau und er seien 2011 nach Moskau gezogen, wo er die beiden Nachbarn in einer Moschee wieder getroffen habe. Sie hätten ihm erzählt, dass sie gerade aus Ägypten gekommen seien, um Verwandte in Tschetschenien zu besuchen. Er habe ihnen etwas Gutes tun wollen und ihnen 20.000 Rubel gegeben; danach sei der Kontakt wieder abgebrochen. Erst im Sommer 2013 habe er wieder etwas von ihnen gehört, als sie sich über Bekannte, die er aus der Moschee gekannt habe, an ihn mit der Bitte um Hilfe bei der Wohnungsvermittlung gewandt hätten. Mit seiner Hilfe hätten die beiden Nachbarn schließlich eine Wohnung in Moskau gefunden und dort gelebt. Er habe sie nicht häufig gesehen und auch nicht gewusst, was sie machen. Im November 2015 habe er im Fernsehen gesehen, dass einer der beiden Nachbarn in Tschetschenien erschossen und der andere in Moskau festgenommen worden sei. Etwa zwei Wochen später seien Leute in Zivil und in Polizeiuniform gekommen und hätten ihn zu seiner Person ausgefragt; weitere zwei bis drei Tage später seien maskierte Männer in schwarzen Uniformen erschienen und hätten ihn mitgenommen. Sie hätten ihm konkrete Fragen gestellt, wer die Personen seien und in welchem Verhältnis er zu ihnen stehe. Er habe wahrheitsgemäß angegeben, dass er die beiden nur flüchtig kenne. Ihm sei vorgeworfen worden, dass er den Terrorismus unterstütze, weil er den Nachbarn Geld gegeben und sie mit einer Wohnung versorgt habe. Weiter sei er befragt worden, wo die anderen Bandenmitglieder seien, da sie vermutet hätten, dass die beiden Männer nicht alleine in Moskau gewesen seien. Er sei etwa 4-5 Tage festgehalten und während dieser Zeit immer und immer wieder geschlagen worden. Schließlich habe er Lähmungserscheinungen bekommen, woraufhin er mit dem Auftrag, sich gesund zu pflegen, und der Ankündigung, ihn erneut befragen zu wollen, entlassen worden sei. Etwa zwei bis drei Tage nach seiner Haftentlassung in Moskau sei er mit dem Zug nach Tschetschenien gefahren, wo er im leerstehenden Haus seines verstorbenen Onkels übernachtet habe. Nach etwa drei bis fünf Tagen seien Männer in Militäruniformen erschienen und hätten ihn mitgenommen. Er vermute, dass dies inoffiziell geschehen sei, weil er nicht in ein Revier oder eine Station, sondern in einen dunklen Keller gebracht worden sei. Dort sei er sieben bis acht Tage festgehalten und erst freigelassen worden, nachdem seine Frau mit geliehenem Lösegeld für ihn bezahlt habe. Etwa drei Tage nach seiner Freilassung sei er zurück nach Moskau gefahren. Dies sei im Dezember 2015 gewesen; danach habe er sich bis zu seiner Ausreise Ende Juni 2016 fast nur zu Hause aufgehalten und sich gesund gepflegt. Während dieser Zeit habe er keinen „Besuch“ mehr gehabt und es habe auch keine Zwischenfälle mehr gegeben. Gelebt hätten sie in dieser Zeit von der Produktion von Pelmeni, die sie in ihrer Wohnung hergestellt hätten und die die Klägerin zu 2. verkauft habe.

Etwa Anfang Mai 2016 habe sich die Lage schließlich zugespitzt, weil der örtliche Polizist von Moskau vorbeigekommen sei. Daraufhin hätten sie ihre Pässe beantragt, die sie Ende Juni erhalten hätten. Am 28. Juni 2016 seien sie schließlich ausgereist. Nach der Ausreise nach Weißrussland sei in seiner Wohnung in Moskau noch eine Vorladung für ihn eingetroffen, die ein Bekannter unbekannten Flüchtlingen mitgegeben habe und die ihm in Weißrussland übergeben worden sei. Er sei bereits zuvor einmal am 29. Mai 2015 vorgeladen worden; seinerzeit habe man ihn als Spitzel anwerben wollen.

Die Klägerin zu 2. gab im Rahmen ihrer Anhörung beim Bundesamt im Wesentlichen an, sie habe die Russische Föderation wegen der Probleme ihres Mannes verlassen. Ihr persönlich und ihren Kindern sei nichts passiert. Bei der ersten Verhaftung in Moskau sei ihr Mann von maskierten Männern mitgenommen worden, die sich nicht ausgewiesen hätten. Bei der zweiten Verhaftung in G...habe ein Verwandter ihr gesagt, dass es sich um Personen von einer übergeordneten Behörde gehandelt habe. Der Verwandte habe die Verhandlungen mit diesen Leuten geführt und auch das Lösegeld über seine Kontakte bezahlt. Es sei ihnen nicht möglich, in einem anderen Landesteil der Russischen Föderation Schutz zu suchen. Viele aus ihrer Verwandtschaft, auch ihr Vater und zwei Onkel, seien von diesen Strukturen getötet worden; man sei in Russland nirgendwo hundertprozentig sicher vor ihnen.

Mit Bescheid vom 2. März 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger auf nationale Asylanerkennung sowie auf Zuerkennung internationalen Schutzes ab (Ziff. 1, 2 und 3) ab. Es versagte nationalen Abschiebungsschutz (Ziff. 4), forderte die Kläger unter Androhung ihrer Abschiebung in die Russische Föderation zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen auf (Ziff. 5) und verfügte ein auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziff. 6). Zur Begründung heißt es im Bescheid im Wesentlichen, die vom Kläger zu 1. vorgetragenen Verhaftungen seien nicht asylrelevant. Bereits nach seinen eigenen Ausführungen sei er in Moskau verhaftet worden, weil man vermutet habe, dass er über Informationen über die vormaligen Nachbarn verfüge. Selbst wenn man dem Kläger zu 1. vorgeworfen habe, die tschetschenischen Rebellen unterstützt zu haben, führten einfache Unterstützungshandlungen nicht zwangsläufig dazu, landesweit ins Blickfeld der Sicherheitsbehörden zu geraten. Ebensowenig knüpfe die angebliche Festnahme in Tschetschenien an asylrelevante Merkmale an; vielmehr sei davon auszugehen, dass es sich dabei um eine unstatthafte, wenngleich nicht unübliche Geldbeschaffungsmaßnahme gehandelt habe. Es sei letztlich auch deshalb äußerst zweifelhaft, dass es staatlicherseits ein erhöhtes Interesse an dem Kläger zu 1. geben könnte, weil die Klägerin zu 2. kurz vor der Ausreise in der Lage gewesen sei, ohne Probleme neue Reisepässe für die Familie zu beantragen. Abgesehen davon, sei es den Klägern jedenfalls möglich, internen Schutz in der Russischen Föderation in Anspruch zu nehmen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes seien ebensowenig gegeben, wie die eines Abschiebungsverbots.

Hiergegen richtet sich die am 20. März 2017 erhobene Klage, zu deren Begründung die Kläger ergänzend vortragen, der Umstand, dass der Kläger zu 1. sich nach seiner Haftentlassung mehrere Monate lang einigermaßen unbehelligt in Moskau habe aufhalten können, lasse nicht den Schluss zu, dass er nicht zielgerichtet politisch verfolgt worden sei. Vielmehr sei klar, dass die Behörden nur abgewartet hätten, dass der Kläger zu 1. sich von den Folgen der erlittenen Folter erhole. Die Kläger seien allerdings während der gesamten Zeit nicht in der Lage gewesen, ein normales Leben zu führen, weshalb sie in der Wohnung Pelmeni produziert und die Klägerin zu 2. diese dann verkauft habe. Es müsse weiter davon ausgegangen werden, dass die Verhaftung in Moskau mit derjenigen in Tschetschenien insoweit im Zusammenhang stehe als die föderalen Behörden in Moskau denjenigen in Tschetschenien einen entsprechenden Auftrag erteilt hätten. Der Kläger zu 1. sei in seiner Heimat wegen des Verdachts der Unterstützung von Terroristen verfolgt worden. Abgesehen davon liege für den Kläger zu 1 wegen seiner Parkinson-Erkrankung sowie seiner psychischen Erkrankungen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG vor. Er sei jedenfalls nicht in der Lage, seine Familie bei einer Rückkehr nach Russland zu ernähren. Die Klägerin zu 2. sei ebenfalls psychisch krank und bereits heute mit der Sorge um ihren kranken Mann sowie der Versorgung der Kinder voll ausgelastet, so dass sie ebenfalls keine Möglichkeit haben werde, für den Unterhalt der Familie zu sorgen. Hierzu werden für den Kläger zu 1. ein Kurzarztbrief vom 29. Dezember 2022 sowie ein Attest vom 4. Januar 2023 sowie für die Klägerin zu 2. ein ärztlicher Befundbericht vom 29. Dezember 2022 vorgelegt.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte insoweit unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. März 2017 zu verpflichten, ihnen internationalen Schutz zuzuerkennen,

hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des genannten Bescheides zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots hinsichtlich der Russischen Föderation vorliegen.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid,

die Klage abzuweisen.

Ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde mit Beschluss der Kammer vom 12. Januar 2023 abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Bundesamtsakte sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zwar zulässig, insbesondere fristgerecht innerhalb zwei Wochen (§§ 74 Abs. 1 1. Hs., 38 Abs. 1 AsylG) erhoben worden; sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Der angegriffene Bundesamtsbescheid erweist sich in Ansehung aller im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu Tage liegenden Umstände (§ 77 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. AsylG) als rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, da sie die geltend gemachten Schutzansprüche nicht haben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Vielmehr steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Kläger Verfolgungsgefahren weder in Bezug auf den internationalen Schutz (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 AsylG) noch hinsichtlich eines nationalen Abschiebungsverbots (§ 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG) zu gewärtigen haben.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Zuerkennung internationalen Schutzes. Da die Kläger zu 2. bis 6. keine eigenen Verfolgungsgründe vorgetragen haben, könnte sich für sie allein ein von ihrem Ehemann bzw. ihrem Vater, dem Kläger zu 1., abgeleiteter Anspruch auf Familienasyl (§ 26 AsylG) ergeben. Die Voraussetzungen hierfür liegen aber nicht vor.

Der Kläger zu 1. hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Zwar will der Kläger nach seinem Vortrag im Rahmen der Bundesamtsanhörung im Jahr 2015 zweimal verhaftet worden sein, nachdem er zwei Nachbarn in den Jahren 2011 und 2013 mit kleinen Gefälligkeiten geholfen habe und sich schließlich herausgestellt habe, dass es sich bei den Nachbarn um Terroristen gehandelt habe. Bei diesen Verhaftungen handelt es sich nach Überzeugung der Kammer aber nicht um flüchtlingsschutzrechtlich relevante Übergriffe, weil jedenfalls die angebliche Verhaftung in Moskau – auch nach dem Vortrag des Klägers – erkennbar allein dem Zweck diente, weitere Informationen über die vormaligen Nachbarn zu erlangen und in keiner Weise an asylrelevante Persönlichkeitsmerkmale des Klägers zu 1. anknüpfte, der nach seinem eigenen Vorbringen selbst politisch weder aktiv noch sonst zuvor in irgendeiner Form in Erscheinung getreten war. Nur so erklärt es sich auch, dass der Kläger zu 1. nach etwa einer Woche ohne jedwede Einflussnahme von außen wieder aus der Haft entlassen worden sein will. Soweit der Kläger zu 1. nur wenige Wochen später in Tschetschenien erneut verhaftet worden sein will, ist ebenfalls aus seinem Vortrag nicht erkennbar, dass diese Verhaftung an ein asylrelevantes Persönlichkeitsmerkmal angeknüpft hätte. Vielmehr lässt der Umstand, dass der Kläger zu 1. nach dem von seiner Ehefrau, der Klägerin zu 2., bestätigten Vorbringen gegen eine Lösegeldzahlung wieder freigelassen worden ist, den auch vom Bundesamt gezogenen Schluss zu, dass der Kläger insoweit Opfer eines kriminellen Übergriffs geworden war. Anhaltspunkte dafür, dass diese Verhaftung im Zusammenhang mit einem gegen den Kläger zu 1. gehegten Terrorismusverdacht gestanden haben könnte, sind jedenfalls nicht ansatzweise erkennbar. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil der Kläger zu 1. von Dezember 2015 bis zu der Ausreise im Juni 2016 nach eigenen Angaben völlig unbehelligt von staatlichen Stellen in Moskau gelebt hat, um dann schließlich mit eigens hierfür beantragten Reisepässen gemeinsam mit der (mit der Klägerin zu 6.) schwangeren Klägerin zu 1. sowie den damals drei Kindern (den Klägern zu 3.-5.) unproblematisch aus der Russischen Föderation auszureisen. All dies lässt nicht ansatzweise den Schluss zu, dass staatliche Stellen ein asylrelevantes Interesse an der Person des Klägers zu 1. gehegt haben bzw. heute noch hegen könnten und ihm bei einer Rückkehr flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgung drohen könnte.

Ein Anspruch des Klägers zu 1. auf Zuerkennung subsidiären Schutzes besteht ebenfalls nicht. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).

Dem Kläger zu 1. droht in der Russischen Föderation nach Überzeugung der Kammer kein solcher ernsthafter Schaden.

Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger zu 1. in der Russischen Föderation die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG drohen könnte, bestehen nicht. Insbesondere ergeben sie sich nicht aus der vom Kläger zu 1. zu den Akten gereichten Kopie einer Vorladung. Abgesehen davon, dass an deren Echtheit bereits deshalb Zweifel bestehen, weil die Vorladung auf den 1. Juli 2016 datiert ist, der Kläger zu 1. darin aber aufgefordert wird, am 4. Mai 2016 zur Abgabe von Erklärungen zu erscheinen, ergibt sich daraus nicht, zu welchem Zweck der Kläger zu 1. vorgeladen worden sein will. Eine nahezu gleichlautende Vorladung aus dem Jahr 2015 war nach Angaben des Klägers zu 1. zu dem Zweck erfolgt, ihn als Spitzel zu gewinnen.

Ebensowenig droht ihm unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG, da ihm auch bei Wahrunterstellung seines eigenen Vorbringens nach Überzeugung der Kammer keine weitere Verhaftung droht. Auf die Ausführungen zum Flüchtlingsschutz wird verwiesen.

Die Ablehnung der Feststellung von Abschiebungsverboten ist im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ebenfalls rechtmäßig.

Insbesondere hat der Kläger zu 1. keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Nach § 60 Abs. 7 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht (Satz 1). Dabei liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vor (Satz 3). Dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist, ist nicht erforderlich (Satz 4). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (Satz 5).

Diese tatbestandlichen Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar ist der erst 51jährige Kläger zu 1. zwischenzeitlich schwer an einer ideopathischen Form von Parkinson erkrankt und infolgedessen dauerhaft arbeitsunfähig und in nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens hilflos und auf Pflege und Unterstützung angewiesen.

Schwere Krankheiten können in extremen Fällen von Lebensgefahr als obligatorische Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Allgemeinen jedoch nur anerkannt werden, wenn ein erkrankter Ausländer im Zielstaat die erforderliche medizinische Behandlung nicht erlangen kann, sei es, weil die notwendige Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Herkunftsstaat wegen des geringen Standards generell nicht verfügbar ist, sei es, weil diese Behandlung zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer aber individuell aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zur Verfügung steht. Für ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist erforderlich, dass sich die vorhandene schwerwiegende Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, das heißt, dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach Rückkehr des Ausländers droht. Von einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes kann nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes gesprochen werden, sondern nur bei außergewöhnlichen schweren physischen oder psychischen Schäden oder Zuständen.

Die geltend gemachten Erkrankungen des Klägers zu 1. erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Es ist weder vorgetragen noch sonst erkennbar, dass dem Kläger zu 1. die wesentliche Verschlechterung einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung alsbald nach einer Rückkehr in die Russische Föderation droht.

Ausweislich des zuletzt vom Kläger zu 1. vorgelegten Kurzarztbriefs vom 29. Dezember 2022 wird er derzeit wegen seiner ideopathischen Parkinson-Erkrankung mit den Wirkstoffen Levodopa/Carbidopa, Safinamid, L-Dopa/Benserazid und Opicapon behandelt. Levodopa/Carbidopa und L-Dopa/Benserazid sind ausweislich des Medizinischen Herkunftslands-Berichts der EUAA von September 2022 (Russian Federation - Medical Country of Origin Information Report, S. 170) in der Russischen Föderation verfügbar. Opicapon und Safinamid sind zwar nicht in der zitierten Liste der in der Russischen Föderation verfügbaren Wirkstoffe aufgeführt. Bei Safinamid handelt es sich aber um einen sogenannten MAO-Hemmer, der in Form des Wirkstoffs Rasagilin (a.a.O., S. 170) auf der Liste enthalten ist. Opicapon, ein sogenannter COMT-Hemmer, ist ebenfalls nicht auf der Liste enthalten, verfügbar ist danach aber der COMT-Hemmer Entacapon (a.a.O., S. 170), mit dem der Kläger bereits behandelt worden war und der im Verlauf der Therapie gegen Opicapon ersetzt worden ist. Dass ein erneuter Wechsel von Opicaon auf Entacapon sowie ein Wechsel von Safinamid auf Rasagilin nicht möglich sein sollte oder schwerwiegende Nachteile für den Kläger zu 1. auslösen könnte bzw. allein die Einnahme der verordneten Präparate medizinisch sinnvoll sein sollte, ergibt sich aus dem Kurzarztbrief nicht.

Dass die vom Kläger zu 1. benötigten Medikamente sowie die entsprechende fachärztliche Betreuung in der Russischen Föderation zwar allgemein zur Verfügung stehen, von ihm aber individuell tatsächlich nicht erlangt werden könnten, weil weder er noch seine durch die Betreuung der fünf teilweise noch sehr jungen Kinder beanspruchte Frau, die Klägerin zu 2., nicht in der Lage sein werden, eine Erwerbstätigkeit auszuführen, steht nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen nicht zu befürchten. Denn die neurologische Gesundheitsfürsorge ist in der Russischen Föderation im Rahmen der öffentlichen Krankenversicherung (OMS) kostenlos, bei zurückkehrenden russischen Staatsangehörigen tritt sie alsbald mit der Wohnanmeldung ein (Russian Federation - Medical Country of Origin Information Report, S. 158). In die Russische Föderation zurückkehrende russische Migranten sind demnach staatlich gesundheitsversichert; nicht erwerbsfähige und kranke Personen haben Anspruch auf freie Mindestversorgung. Patienten, die wie der Kläger zu 1., an Parkinson leiden, haben zudem Anspruch auf freie Medikation für diese Krankheit (a.a.O., S. 47).

Es ist weiter nicht ersichtlich, dass der Kläger zu 1. erhebliche zielstaatsbezogene Gefahren für Leib oder Leben wegen seiner weiter diagnostizierten psychischen Erkrankungen zu befürchten hätte. Ausweislich eines entsprechenden Attests vom 4. Januar 2023 leidet der Kläger zwar an einer Anpassungsstörung mit wechselnd depressiv-ängstlicher Symptomatik und Teilsymptomen einer früheren PTSD (ICD10 F43.2, Zustand nach 43.1). Die ursprünglich schwer ausgeprägte Symptomatik einer Posttraumatischen Belastungsstörung sei im Rahmen der Zunahme der körperlichen und geistig-kognitiven Krankheitssymptomatik jedoch allmählich in den Hintergrund getreten. Aktuell bestünden wechselnd depressive oder diffuse Angstsymptomatik bei Fortbestehen eines ausgeprägten Vermeidungsverhaltens gegenüber Beamten und Ämtern. Eine medikamentöse Behandlung sei mit Escitalopram und Quetiapin oder Melperon abends und bei Bedarf wegen negativer Interaktion mit den neurologischen Medikamenten nur eingeschränkt möglich. Die Wirkstoffe Escitalopram und Quetiapin sind in der Russischen Föderation verfügbar (a.a.O., S. 146 und 147) und auch die psychische Gesundheitsfürsorge ist im Rahmen der öffentlichen Krankenversicherung (OMS) in der Russischen Föderation kostenlos (a.a.O. 7.4.1., S. 140).

Außerdem kann der Kläger zu 1., der derzeit einen GdB 60 aufweist, als Schwerbehinderter bei Erwerbsunfähigkeit und Hilfsbedürftigkeit eine monatliche Schwerbehindertenrente beanspruchen (a.a.O. S. 54), so dass es dem Kläger zu 1. nach alledem angesonnen werden kann, die für ihn in der Russischen Föderation verfügbare Behandlung in Anspruch zu nehmen.

Die Frage, ob der Kläger zu 1. mit Blick auf seine krankheitsbedingten körperlichen Einschränkungen sowie den aktuell einzuhaltenden Medikamentenplan, der eine Einnahme von L-Dopa-Einzelgaben in zweistündigen Intervallen zur Vermeidung von schweren Off-Phasen erforderlich macht, reisefähig für eine etwaige Abschiebung ist, ist nicht bereits im Asylverfahren zu klären, sondern stellt sich erst unter ausländerrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen einer Vollstreckung der Abschiebungsandrohung.

Ebensowenig hat die Klägerin zu 2. bei einer Rückkehr in die Russische Föderation erhebliche Gefahren für Leib oder Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 AufenthG zu befürchten. Zwar leidet sie ausweislich des vorgelegten ärztlichen Befundberichts vom 29. Dezember 2022 an Angst und depressiver Störung, gemischt (ICD-10: F41.2). Dass diese sich durch eine Abschiebung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in der für die Annahme eines Abschiebungsverbots erforderlichen Weise verschlimmern würden, ist vorliegend aber ebenfalls weder dargetan noch sonst erkennbar. Insbesondere ist der der Klägerin zu 2. derzeit verordnete Wirkstoff (Escitalopram) in der Russischen Föderation verfügbar (a.a.O., S. 146) und – wie bereits ausgeführt - die psychische Gesundheitsfürsorge im Rahmen der öffentlichen Krankenversicherung (OMS) kostenlos (a.a.O. 7.4.1., S. 140), so dass es auch der Klägerin zu 2. möglich sein wird, ihre psychologische Behandlung in der Russischen Föderation fortzusetzen.

Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG steht den Klägern ebenfalls nicht zur Seite.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685 - EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Dieses Abschiebungsverbot betrifft in erster Linie in staatlicher Verantwortung liegende Gefahrenumstände. Eine Verletzung des Art. 3 EMRK kommt in besonderen Ausnahmefällen aber auch bei „nichtstaatlichen“ Gefahren aufgrund prekärer Lebensbedingungen in Betracht, bei denen ein „verfolgungsmächtiger Akteur“ (§ 3c AsylG) fehlt, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind mit Blick auf die allgemeine wirtschaftliche Lage und die Versorgungslage betreffend Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 45.18 - juris Rn. 12 m.w.N). Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen hierfür jedenfalls ein „Mindestmaß an Schwere“ (minimum level of severity) aufweisen (vgl. EGMR, Urteil vom 13. Dezember 2016 - Nr. 41738/10 - Paposhvili/Belgien juris Rn. 174; EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - C-578/16 - PPU, C.K. u.a. juris Rn. 68); es kann erreicht sein, wenn der Ausländer seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten kann (siehe auch BVerwG, Beschluss vom 8. August 2018 - 1 B 25.18 - juris Rn. 11). In seiner jüngeren Rechtsprechung stellt der Gerichtshof der Europäischen Union (Urteile vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. - Ibrahim juris Rn. 89 ff. und C-163/17 Jawo - juris Rn. 90 ff.) darauf ab, ob sich die betroffene Person „unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not“ befindet, „die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre“. Können extrem schlechte materielle Lebensverhältnisse, welche die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK begründen, somit durch eigene Handlungen (z.B. den Einsatz der eigenen Arbeitskraft) oder durch die Inanspruchnahme der Hilfe- oder Unterstützungsleistungen Dritter (seien es private Dritte, seien es nichtstaatliche Hilfs- oder Unterstützungsorganisationen) abgewendet werden, besteht schon nicht mehr die ernsthafte Gefahr einer Situation extremer materieller Not, die unter Umständen eine staatliche Schutzpflicht zu (ergänzenden) staatlichen Leistungen auslösen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 2022 - 1 C 10.21 - juris Rn. 17). Die Gefahr eines ernsthaften Schadenseintritts ist nicht schon dann gegeben, wenn zu einem beliebigen Zeitpunkt nach der Rückkehr in den Zielstaat eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Maßstab für die im Rahmen der Prüfung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK anzustellende Gefahrenprognose ist vielmehr grundsätzlich, ob der vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer nach seiner Rückkehr, gegebenenfalls durch ihm gewährte Rückkehrhilfen, in der Lage ist, seine elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen. Nicht entscheidend ist hingegen, ob das Existenzminimum eines Ausländers im Zielstaat nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 2022 - 1 C 10.21 - juris Rn. 25).

Hieran gemessen besteht nach Überzeugung der Kammer keine tatsächliche Gefahr, dass die Kläger zu 1. und 2. und ihre fünf Kinder (die Kläger zu 3.-6. sowie der im Jahr 2019 in Potsdam nachgeborene Sohn) im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation ihre elementarsten Bedürfnisse nicht mehr befriedigen könnten. Bei einer Rückkehr in die Russische Föderation wird ihnen der Zugang zu den bestehenden Sozialleistungen offenstehen; die Russische Föderation verfügt über ein reguläres Sozialversicherungs-, Wohlfahrts- und Pensionssystem; Leistungen hängen von der spezifischen Situation der Personen ab. Zum Kreis der schutzbedürftigen Personen zählen u.a. Familien mit mehr als drei Kindern und Menschen mit Beeinträchtigungen. Großfamilien erhalten unterschiedliche Zuschüsse und Beihilfen, außerdem gibt es eine Familienbeihilfe (vgl. BfA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Russische Föderation, Stand: 21. April 2022, Seite 98 f.).

Auch wenn der Kläger zu 1. wegen seiner Parkinson-Erkrankung sowie seiner psychischen Probleme mit Ämtern und Behörden körperlich und seelisch nicht in der Lage sein sollte, die für entsprechende Sozialleistungen erforderlich Anträge zu stellen, so ist dies jedoch der Klägerin zu 2. möglich, die auch derzeit ihre fünf Kinder quasi alleine versorgt und schon vor der Ausreise neben der Betreuung ihrer Kinder durch das Zubereiten von Speisen maßgeblich den Unterhalt der Familie bestritten hat. Außerdem können die Kläger nach Einlassung der Klägerin zu 2. in der mündlichen Verhandlung bei einer Rückkehr mit nichtstaatlicher Unterstützung rechnen. Sie selbst habe einen Verwandten in Moskau gehabt, der ihnen ihre Sachen aus der Wohnung nach Tschetschenien nachgeschickt habe. Ihr Mann, der Kläger zu 1. habe viele Angehörige und Freunde in Moskau gehabt; einer seiner Brüder, der zwischenzeitlich aber krank sei, lebe mit seiner Familie in G.... Ihre Mutter und zwei Brüder lebten in dem Dorf, in dem sie geboren worden sei. Ihre Mutter beziehe eine Rente, ihr jüngerer Bruder arbeite bei einer Behörde (SOBR). Der ältere Bruder sei aus Moskau in das Heimatdorf zurückgekehrt, weil er nicht in die Ukraine habe gehen wollen. Außerdem lebe dort ein entfernterer Verwandter von ihr, der seinerzeit für sie die Lösegeldverhandlungen anlässlich der Verhaftung ihres Mannes in G...geführt habe. Der Verwandte sei damals Abgeordneter in G...gewesen und habe K...nahegestanden.

Aus alledem ergibt sich, dass die Kläger sowohl in Moskau als auch in Tschetschenien über ein breit gefächertes, aus Familie und Freunden bestehendes soziales Netzwerk verfügen, das in der Lage sein wird, sie in Notsituationen aufzufangen und ihnen auch in der Anfangsphase Starthilfe, sei es etwa durch die Betreuung der noch kleinen Kinder während Behördengängen, der Verschaffung von Schlafmöglichkeiten oder Tipps zur Beantragung von Sozialleistungen geben können. Dies gilt vor allem für den Cousin des Vaters, der Abgeordneter in G...gewesen sei, sowie für den jüngeren Bruder, der derzeit für eine Behörde (S...) tätig sei. Selbst wenn diese Familienangehörigen und Freunde nicht in der Lage sein sollten, den Klägern finanzielle Unterstützung zu bieten, so steht ihnen jedenfalls praktische Hilfe zur Seite, die es ihnen ermöglichen wird, sich unter Inanspruchnahme der vorhandenen Sozialleistungen eine eigene Lebensgrundlage zu schaffen. Aus den Schilderungen der Kläger zu 1. und 2. sowohl in der Anhörung beim Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass derartige praktische Hilfeleistungen in ihrem sozialen Umfeld auch schon vor ihrer Ausreise, etwa durch das Zurverfügungstellen einer Wohnung, das Nachschicken von Möbeln oder das Führen der Verhandlungen bei der angeblichen zweiten Verhaftung des Klägers zu 1., üblich waren und es lebensfremd wäre anzunehmen, dass sie bei einer Rückkehr komplett auf sich allein gestellt wären.

Erweist sich demnach die Versagung nationalen Abschiebungsschutzes in Ziffer 4 des Bundesamtsbescheides vom 2. März 2017 als rechtmäßig, ist gegen die Folgeentscheidungen in Ziffern 5 und 6 des Bescheides rechtlich nichts zu erinnern, namentlich zeigen die Kläger keine schutzwürdigen Bindungen an Deutschland auf, die zu einer abweichenden Ermessensentscheidung hinsichtlich der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots Anlass geben könnten.

Das Gericht nimmt im Übrigen auf die Gründe des ablehnenden Bundesamtsbescheides Bezug.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO, § 100 ZPO; § 83b AsylG.