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Entscheidung 6 U 55/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 6. Zivilsenat Entscheidungsdatum 07.02.2023
Aktenzeichen 6 U 55/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0207.6U55.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 25.05.2022, Az. 2 O 88/22, und die Anschlussberufung werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer I.3. des Urteilstenors wie folgt neu gefasst wird:

Der Verfügungsbeklagten wird im Wege einsteiliger Verfügung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin, untersagt

1. im Rahmen von geschäftlichen Handlungen in der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit Unterstützungsangeboten für Fluggäste bei Unregelmäßigkeiten von gebuchten Flügen einen Service "F... FirstClass" zu bewerben und oder zu bewerben zu lassen, bei dem das "F... First-Class"-Mitglied im Falle der Inanspruchnahme einer der "F... First-Class"-Leistungen seine Ausgleichsansprüche nach Artikel 7 der Fluggastrechteverordnung (EG) 261/2004 an einen Dritten abtritt und/oder dieser verlustig geht, ohne zugleich auf diese Abtretung und/oder den Verlust der Ausgleichsansprüche hinzuweisen, wenn dies geschieht wie in Anlage ASt 3 und ASt 4 wiedergegeben.

Von den Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz tragen die Verfügungsbeklagte 63 % und die Verfügungsklägerin 37 %.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 135.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über wettbewerbliche Unterlassungsansprüche.

Die Verfügungsbeklagte, die sich gewerblich mit der Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen aus der Fluggastrechte-Verordnung (EG) 261/2004 befasst, bietet darüber hinaus einen Service „F... FirstClass“ zu einem jährlichen Mitgliedsbeitrag von 69 € an, bei dem Kunden im Falle von Flugstörungen gegen Abtretung der hieraus resultierenden Ansprüche gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen besondere Leistungen der Verfügungsbeklagten in Anspruch nehmen können. Die Verfügungsklägerin, ein Luftfahrtunternehmen, hat bestimmte Werbeaussagen und AGB-Klauseln im Zusammenhang mit diesem Service für unlauter bzw. irreführend gehalten.

Das Landgericht hat dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung überwiegend stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Verfügungsbeklagte mit ihrer Berufung. Die Verfügungsklägerin verfolgt mit einer Anschlussberufung ihr erstinstanzliches Begehren im Umfang der Zurückweisung weiter.

Von der weiteren Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird nach § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die statthafte Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt sowie gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO begründet worden, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Gleiches gilt für den Anschlussrechtsbehelf.

1.

Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung zu Recht erlassen. Die Anträge zu 1), 3) und 4) sind zulässig und begründet.

a)

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte am allgemeinen Gerichtsstand der Verfügungsbeklagten ergibt sich aus Artt. 1, 4 Abs. 1, 63 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO n.F.).

b)

Der Berufungseinwand der mangelnden Bevollmächtigung der Klägervertreter in erster Instanz greift im Ergebnis nicht durch.

Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die Verfügungsklägerin mit den nach dem erstinstanzlichen Verhandlungstermin vorgelegten Unterlagen ihre Vollmacht ausreichend nachgewiesen hat, und dass in der Erteilung dieser Vollmacht zugleich eine Genehmigung der bisherigen Prozessführung der Verfahrensbevollmächtigten zu erkennen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30.10.2013 – V ZB 9/13, NJW 2014, 1242, Rn. 6). Auf die betreffenden Ausführungen, die auch von der Berufung nicht infrage gestellt werden, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Danach ist für das Berufungsverfahren davon auszugehen, dass die Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsklägerin jedenfalls nunmehr ordnungsgemäß bevollmächtigt und deren erstinstanzliche Prozesshandlungen genehmigt sind. Denn die Genehmigung kann auch nach Schluss der mündlichen Verhandlung, selbst noch in der höheren Instanz, mit der Wirkung der Heilung des Vollmachtmangels erklärt werden, solange die Klage bzw. das Rechtsmittel in der Vorinstanz nicht wegen der fehlenden Vollmacht als unzulässig abgewiesen bzw. verworfen worden ist (BGH, Beschluss vom 30.10.2013 – V ZB 9/13, NJW 2014, 1242, Rn. 6).

Im Streitfall kann daher dahingestellt bleiben, ob die einstweilige Zulassung eines vollmachtlosen Vertreters nach § 89 Abs. 1 ZPO in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – wie von der Berufung vertreten wird – wegen der Besonderheiten dieser Verfahren von vornherein nicht in Betracht kommt (so OLG München, Urteil vom 22.01.1999 – 21 U 6698/98, NVwZ-RR 1999, 548; Piekenbrock, in: BeckOK ZPO, Stand: 01.12.2022, § 89 ZPO; a.A., allerdings ohne nähere Begründung, OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 02.02.2017 – 6 U 151/16, BeckRS 2017, 102814). Selbst wenn nämlich unterstellt wird, dass das Landgericht die Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsklägerin zu Unrecht gemäß § 89 Abs. 1 ZPO einstweilen zugelassen hatte, rechtfertigte dies keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung, da das Landgericht den Antrag nicht wegen der fehlenden Vollmacht als unzulässig abgewiesen hat und in dem für die hier zu treffende Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung der Verfügungsklägerin gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 07.03.2002 – VII ZR 193/01, NJW 2002, 1957).

c)

Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG.

aa)

Die Vorschriften des UWG sind anwendbar. Nach Art. 6 Abs. 1 VO (EG) 864/2007 vom 11.07.2007 (Rom-II-VO) kommt auf den Streitfall deutsches Recht zur Anwendung, weil die Wettbewerbsbeziehungen der Parteien durch die Werbung der Verfügungsbeklagten auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt werden.

bb)

Das Landgericht hat ferner zu Recht angenommen, dass die Verfügungsklägerin als Mitbewerberin der Verfügungsbeklagten zur Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche berechtigt ist, § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG in der bis zum 27.05.2022 geltenden Fassung (im Folgenden auch: UWG a.F.).

Die Eigenschaft als Mitbewerber gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG erfordert ein konkretes Wettbewerbsverhältnis i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG a.F. bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG. Ein solches ist jedenfalls gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, also im Absatz behindern oder stören kann (BGH, Urteil vom 13.07.2006 – I ZR 241/03 – Kontaktanzeigen, GRUR 2006, 1042, Rn. 14; BGH, Urteil vom 28.09.2011 – I ZR 92/09 – Sportwetten im Internet II, GRUR 2012, 193, Rn. 17). Da im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes grundsätzlich keine hohen Anforderungen an das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zu stellen sind, reicht es hierfür aus, dass sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt (BGH, Urteil vom 29.11.1984 – I ZR 158/82 – DIMPLE, GRUR 1985, 550; BGH, Urteil vom 10.04.2014 – I ZR 43/13 – nickelfrei, GRUR 2014, 1114, Rn. 32; Urteil vom 19.03.2015 – I ZR 94/13 – Hotelbewertungsportal, GRUR 2015, 1129, Rn. 19).

Bezogen auf das im Streit stehende Marktverhalten der Verfügungsbeklagten begründet sich ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien schon daraus, dass die Verfügungsbeklagte mit dem Angebot des Produkts „F... FirstClass“ unter bestimmten Voraussetzungen die Erbringung von Beförderungsdienstleistungen verspricht, nämlich „bei Ausfall, großer Verspätung & verpasstem Anschluss“ (Anlage ASt 3) neue Flüge, gegebenenfalls „auch auf eine andere Airline“ (Anlage ASt4, Seite 2), zu buchen. Der Fluggast, der wegen einer Nichtbeförderung oder einer Annullierung eines Fluges im Sinne von Art. 4 f. VO (EG) 261/2004 nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung von dem ausführenden Luftfahrtunternehmen die anderweitige Beförderung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. b) oder c) der Verordnung oder aber die Erstattung nach Abs. 1 lit. a) der Vorschrift beanspruchen kann, kann in letzterem Fall entscheiden, die Leistung der Verfügungsklägerin in Anspruch zu nehmen und für den von dieser gegebenenfalls vermittelten Flug – neben dem Preis von 69 € pro Jahr – den wegen des nicht durchgeführten Fluges entstandenen Erstattungsanspruch an die Verfügungsbeklagte abzutreten. Alternativ dazu besteht für ihn die Möglichkeit, sich selbst um eine anderweitige Beförderungsmöglichkeit zu bemühen und etwa einen Ersatzflug unmittelbar bei einer Fluggesellschaft zu buchen, und damit Inhaber des Ersatzanspruchs zu bleiben. Insofern besteht ein Substitutionswettbewerb zwischen der Verfügungsbeklagten einerseits und Fluggesellschaften im Allgemeinen andererseits.

Ein Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG besteht ferner im Hinblick darauf, dass die Buchung eines Alternativfluges nach Ziffer 5.3.b) der „Nutzungsbedingungen F... FirstClass“ (Anlage Ast 6, im Folgenden auch: AGB) unter anderem die Ablehnung bzw. Nichtausübung des Rechtes auf eine Ersatzbeförderung voraussetzt. Auch insofern besteht aus Sicht des Fluggastes daher eine Austauschbarkeit zwischen den Dienstleistungen der Verfügungsbeklagten einerseits und den Leistungen des ausführenden Luftfahrtunternehmens andererseits: Der Fluggast kann nämlich im Fall der Nichtbeförderung oder Annullierung seines Fluges entweder sein Wahlrecht gemäß Art. 8 Abs. 1 VO (EG) 261/2004 dahingehend ausüben, das Luftfahrtunternehmen auf eine anderweitige Beförderung in Anspruch zu nehmen, sodass der Erstattungsanspruch nicht entsteht; oder aber er lehnt die anderweitige Beförderung des ausführenden Luftfahrtunternehmens ab und lässt sich gegen Abtretung des damit entstandenen Erstattungsanspruchs von der Verfügungsbeklagten einen alternativen Flug buchen.

Der Einwand der Berufung, Leistungen des Angebots „F... FirstClass“ könnten nur in Anspruch genommen werden, wenn der Verfügungsklägerin kein Ersatzflug zur Verfügung stehe (Seite 3 des Schriftsatzes vom 23.01.2023), trifft demnach nicht zu. Vielmehr wird in der Berufungsbegründung selbst der Sache nach zutreffend ausgeführt, dass es „einem von einer Verspätung betroffenen Kunden unbenommen [bleibt], sich sowohl an R... als auch an F... zu wenden, um jeweils die Möglichkeiten einer alternativen Beförderung zu prüfen. Sofern R... selbst die attraktivste Alternativbeförderung anbieten kann, bleibt für das Angebot von F... kein Raum.“

Die Verfügungsbeklagte dringt auch nicht mit der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung durch, eine derartige Abwägung durch einen von einer Leistungsstörung betroffenen Fluggast sei in der Lebenswirklichkeit nicht zu erwarten. Abgesehen davon, dass sich die Verfügungsbeklagte damit in Widerspruch zu ihrem früheren Vorbringen setzt, ist dem auch in der Sache nicht beizutreten. Ein durchschnittlich informierter, verständiger und aufmerksamer Durchschnittsverbraucher (zu diesem Verbraucherleitbild s. etwa BGH, Urteil vom 17.01.2002 – I ZR 215/99 – Lottoschein, GRUR 2002, 828 m.w.N.) wird wegen des mit der Inanspruchnahme der Leistungen des Produktes „F... FirstClass“ einhergehenden Verlustes seiner Ausgleichs- und Erstattungsansprüche gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen die Möglichkeiten in Betracht ziehen, die anderweitige Beförderung des Luftfahrtunternehmens oder eine entsprechende Beförderungsleistung eines Dritten in Anspruch zu nehmen. Hiervon ist zumindest dann auszugehen, wenn der Fluggast von der Verfügungsbeklagten zuvor im gebotenen Umfang über den in ihren AGB vorgesehenen Anspruchsübergang aufgeklärt worden war. Fehlt es an einer solchen Aufklärung, begründet sich die Annahme der Mitbewerbereigenschaft der Parteien jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Behinderungswettbewerbs. Denn ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht auch dann, wenn zwischen den Vorteilen, die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann und die von den Parteien angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen wettbewerblichen Bezug zueinander aufweisen (BGH, Urteil vom 06.06.2019 – I ZR 67/18 – Erfolgshonorar für Versicherungsberater, GRUR 2019, 970, Rn. 23 m.w.N.). So liegt es hier, wenn der von einer Leistungsstörung betroffene Fluggast aufgrund einer unzureichenden Aufklärung über die Bedingungen des in Rede stehenden Produktes nicht erkennt, sich mit der Inanspruchnahme der Leistungen der Verfügungsbeklagten zugleich gegen eine Inanspruchnahme der Leistungen des ausführenden Luftfahrtunternehmens zu entscheiden.

Unbehelflich bleibt des Weiteren der Berufungseinwand, die im Streit stehenden Leistungen der Verfügungsbeklagten, insbesondere das Angebot der Vermittlung von Ersatzflügen bei qualifizierten Flugstörungen im Sinne von Ziffer 5.2 der AGB, stelle sich als bloße Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen der betroffenen Fluggäste dar. Denn die Vermittlung von Flügen gegen Abtretung von Erstattungs- und Ausgleichsansprüchen geht über die bloße Interessenvertretung bei der Durchsetzung derartiger Ansprüche deutlich hinaus. Von daher kommt es im Streitfall auch nicht darauf an, ob die Parteien im Hinblick auf die von der Verfügungsbeklagten betriebene Verfolgung von Entschädigungsansprüchen gegen Luftfahrtunternehmen im Wettbewerb stehen (bejahend Senat, Beschluss vom 21.07.2020 – 6 W 38/20, GRUR-RS 2020, 17764, und Beschluss vom 17.04.2020 – 6 W 31/20, GRUR-RR 2020, 315, a.A. OLG Düsseldorf, OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2021 – 20 U 239/20, GRUR-RR 2021, 278; LG Hamburg, Urteil vom 17.11.2022 – 312 U 26/20, Anlage BK3).

cc)

Der angegriffene Hinweis auf die Trustpilot-Bewertung ist unter dem Gesichtspunkt der Irreführung unlauter, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, 2 UWG, § 5 Abs. 1 UWG a.F.

Der Einsatz von Kundenbewertungen als Werbemittel stellt als ein auf die Förderung des eigenen Absatzes gerichtetes Verhalten eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG a.F. dar (Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, § 5 UWG, Rn. 2.153a).

Eine geschäftliche Handlung ist nach § 5 Abs. 1, 2 UWG bzw. § 5 Abs. 1 UWG a.F. unlauter, wenn sie unwahre Angaben beinhaltet oder sonst zur Täuschung über die in § 5 Abs. 2 UWG genannten Umstände geeignet ist, und hierdurch bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise eine irrige Vorstellung über das Angebot hervorgerufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise beeinflusst werden kann (vgl. Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 5, Rn. 1.19 und 1.171 m.w.N.). Zu den in § 5 Abs. 2 UWG genannten Umständen zählt die Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung, worunter sämtliche nach der Verkehrsauffassung für deren Wertschätzung bedeutsamen Merkmale zu verstehen sind (s. etwa Sosnitza, in: Ohly/ders., UWG, 7. Auflage 2016, § 5, Rn. 247). Der demnach weit zu verstehende Begriff der Beschaffenheit umfasst daher auch Bewertungen und Empfehlungen von Verbrauchern. Denn derartige Bewertungen stellen für Verbraucher eine wichtige Informationsquelle dar und können ihre Kaufentscheidung maßgeblich beeinflussen (vgl. Erwägungsgrund 47 der Richtlinie (EU) 2019/2161).

Ausgehend hiervon ist der vorliegend im Streit stehende Hinweis auf die Kundenbewertung in wettbewerblich relevanter Weise irreführend.

Die Werbung, wie sie aus den Anlagen ASt 3 und ASt 4, Seite 1, ersichtlich ist und unter Ziffer I.1 des Tenors des angefochtenen Urteils wiedergegeben wird, richtet sich an ein allgemeines Publikum. Weder die Verbreitung der Werbung über das Internet noch die Besonderheiten des beworbenen Produktes, welches auf gelegentlich bis häufiger Flugreisen zu privaten Zwecken unternehmende Personen zugeschnitten ist, lassen darauf schließen, dass hiervon vorrangig bestimmte Kundenkreise angesprochen werden, die über spezielle Vorkenntnisse verfügen. Auch die Mitglieder des Senats zählen daher zu dem angesprochenen Publikum, sodass der Senat selbst anhand der Erfahrungen und Anschauungen des täglichen Lebens beurteilen kann, wie die Werbeaussage von den in Betracht kommenden Verkehrskreisen aufgefasst wird.

Nach diesem Maßstab ist es zumindest überwiegend wahrscheinlich, dass die Mehrheit des angesprochenen Publikums den Hinweis auf eine hervorragende Bewertung auf das beworbene Produkt „F... FirstClass“ und nicht auf das Unternehmen der Verfügungsbeklagten insgesamt bezieht. Dieses Verständnis begründet sich daraus, dass die Mitteilung der Bewertung in unmittelbarer räumlicher Nähe zu der Werbung für das Produkt platziert ist und die Werbung keinerlei über das Produkt hinausgehende Angaben zum Unternehmen der Verfügungsbeklagten beinhaltet. Auch das in die Werbedarstellung eingebundene Lichtbild lässt keinen Bezug zum Unternehmen der Verfügungsbeklagten erkennen, sondern steht ersichtlich im Zusammenhang mit den hervorgehobenen Werbeaussagen „Bei Flugausfall neuen Flug erhalten“ und „Wir retten deine Reise – sofort!“. Hinzu kommt, dass die Mitteilung von Bewertungen, die Verbraucher über angebotene Waren und Dienstleistungen abgegeben haben, mittlerweile zu gängigen Werbemaßnahmen im Online-Handel zählt. Eine im Zusammenhang mit einem konkreten Produkt mitgeteilte Verbraucherbewertung legt daher nach den Gepflogenheiten des Online-Marketings ohne weiteres die Annahme einer produktbezogenen Bewertung nahe.

Umstände, aufgrund derer der überwiegende Teil des angesprochenen breiten Publikums hätte erkennen können, dass es sich dementgegen um eine Bewertung des Unternehmens der Verfügungsbeklagten handelt, lassen sich weder der Werbung selbst entnehmen noch darüber hinaus erkennen. Dass sich der Hinweis auf die Bewertung nicht nur im Zusammenhang mit dem hier in Rede stehenden Produkt, sondern auch an anderer Stelle des Online-Auftritts der Verfügungsbeklagten findet, genügt hierfür nicht. Nach dem Sach- und Streitstand des vorliegenden Verfahrens ist schon nicht erkennbar, dass dieser Hinweis nach Häufigkeit und Auffälligkeit in einer Art und Weise verwendet wird, dass die angesprochenen Verkehrskreise in der entsprechenden Aussage auf der Produktseite des Service „F... FirstClass“ die bloße Wiederholung einer bereits aus dem sonstigen Web-Auftritt bekannten Werbeaussage erkennt. Dagegen spricht vielmehr, dass die Hinweise unterschiedlich gestaltet sind, nämlich teilweise mit und teilweise ohne Angabe der der Vergabe von 4,5-Sternen zu Grunde liegenden Anzahl an Bewertungen.

Entgegen der von der Berufung vertretenen Auffassung ist nach allgemeiner Lebenserfahrung auch nicht anzunehmen, dass der größte Teil der angesprochenen Verkehrskreise Kenntnis davon hat, dass es sich bei Sterne-Bewertungen des Online-Portals Trustpilot nicht um Produktbewertungen handelt, wie sie dem Verbraucher aus einer Vielzahl von Online-Shops bekannt und vertraut sind, sondern dass sich diese Bewertungen ausschließlich auf Unternehmen beziehen. Selbst der Verbraucher, der sich in der Vergangenheit näher mit diesem Portal befasst hat, wird davon abgesehen nicht ausschließen können, dass das Unternehmen Trustpilot sein Angebot auf Produktbewertungen ausgeweitet hat. Deshalb greift auch der Berufungseinwand nicht durch, wonach die Bewertung von Unternehmen Standard für Unternehmensbewertungen sei. Denn nach dem Vorstehenden ist eben nicht davon auszugehen, dass ein Großteil des angesprochenen Publikums aus den in der Werbung getätigten Aussagen erkennen kann, ob es sich um eine Produkt- oder Unternehmensbewertung handelt.

Die mithin irreführende Werbung ist im Sinne des Vorstehenden wettbewerblich relevant. Der Hinweis auf die Bewertung und insbesondere darauf, dass dem 9.811 Einzelbewertungen zu Grunde lägen, erweckt bei den umworbenen Verkehrskreisen die irrige Vorstellung, der Service „F... FirstClass“ sei von mindestens 9.811 Kunden genutzt und dabei ganz überwiegend für „hervorragend“ gehalten worden.

Entgegen der Berufung bedarf es auch keiner Ergänzung des Unterlassungstenors dahingehend, dass die gewählte Darstellungsform nicht zu beanstanden sei, wenn durch einen ergänzenden Hinweis klargestellt werde, dass sich die Bewertungsergebnisse auf die Verfügungsbeklagte insgesamt und nicht lediglich auf die Bewertung des Produkts beziehen. Diese Begrenzung des tenorierten Verbotsinhaltes ergibt sich nämlich bereits aus der Inbezugnahme der konkreten Verletzungshandlung („wenn dies geschieht wie folgt: ...“).

dd)

Die Verwendung der Bestimmungen im letzten Satz der Ziffer 2.2 der AGB und im vorletzten Satz der Ziffer 5.3. der AGB, wonach eine rechtliche Verpflichtung zur Erbringung der zuvor genannten Leistungen jeweils nicht bestehe, ist nach § 3 Abs. 1, § 3a UWG i.V.m. § 307 Abs. 1 BGB unlauter.

Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass das Klauselverbot des § 307 Abs. 1, 2 BGB eine Marktverhaltensregelung im Interesse der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 31.05.2012 − I ZR 45/11 – Missbräuchliche Vertragsstrafe, GRUR 2012, 949, Rn. 46 ff.), deren Verletzung unter den weiteren Voraussetzungen des § 3a UWG den Vorwurf der Unlauterkeit begründet. Zutreffend ist ebenfalls, dass die beanstandeten Klauseln der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB unterliegen und sich danach als unwirksam erweisen, weil hierdurch die Leistungsversprechen vollständig relativiert werden, ohne den Kunden einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Dem dagegen von der Berufung vorgebrachten Einwand, die Klauseln seien nach § 307 Abs. 3 BGB von der Inhaltskontrolle ausgenommen, weil es sich um bloße Wiederholungen der Leistungsbeschreibung handele, ist nicht zu folgen.

Die Verfügungsbeklagte geht zwar im Ansatz zutreffend davon aus, dass nach § 307 Abs. 3 BGB nur Klauseln der Inhaltskontrolle unterliegen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder ergänzende Regelungen vereinbart werden. Klauseln, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen, also Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen, sind dagegen von der Inhaltskontrolle ausgenommen. Denn nach dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie ist es den Vertragsparteien im Allgemeinen freigestellt, Leistung und Gegenleistung zu bestimmen. Die Freistellung von der Inhaltskontrolle gilt aber nur für Abreden über den unmittelbaren Leistungsgegenstand. Regelungen, die die Leistungspflicht des Verwenders einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, sind dagegen inhaltlich zu kontrollieren. Für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung verbleibt also nur der Bereich von Regelungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (st. Rspr.; s. nur BGH, Urteil vom 11.07.2019 – VII ZR 266/17, NJW 2019, 2997 m.w.N.).

Nach diesem Maßstab sind die hier in Rede stehenden Klauseln nicht dem der Inhaltskontrolle entzogenen Bereich der Leistungsbeschreibung zuzurechnen. Denn sie betreffen nicht Art, Umfang und Güte der von dem Produkt „F... FirstClass“ umfassten Hauptleistungen der Verfügungsbeklagten, sondern deren Leistungspflicht als solche; gewissermaßen also nicht das „Wie“, sondern das „Ob“ der Leistungserbringung. Der Umstand, dass auf der das Angebot „F... FirstClass“ betreffenden Produktseite des Internetangebots der Verfügungsbeklagten (Anlage ASt 4, Seite 1) auf das Nichtbestehen einer rechtlichen Verpflichtung zur Erbringung der betreffenden Leistungen hingewiesen wird, ist nach dem Vorstehenden für die Frage der Einordnung der Klauseln als Leistungsbeschreibung nicht entscheidend.

Davon abgesehen gehen die angegriffenen Freizeichnungsklauseln in den AGB über den Hinweis auf der Produktseite hinaus. Dort heißt es nämlich: „Eine rechtliche Verpflichtung hierzu besteht jeweils nicht. Das gilt insbesondere, falls Flughäfen oder Lounges geschlossen werden.“ Bei der gebotenen Auslegung lässt sich dem entnehmen, dass eine Rechtspflicht der Verfügungsbeklagten zur Erbringung der beworbenen Leistungen nicht bestehen soll, soweit die Leistungserbringung objektiv unmöglich ist oder dem zumindest sachliche Gründe entgegenstehen. In den AGB-Klauseln findet sich ein entsprechender Zusatz indessen nicht, sodass die Verfügungsbeklagte danach berechtigt ist, die Erbringung der Leistungen nach Belieben zu verweigern. Dieses Verständnis der Klausel rechtfertigt sich jedenfalls aus der Auslegungsregel des § 305c Abs. 2 BGB, nach der im Streit über die Wirksamkeit einer mehrdeutigen Klausel von den möglichen Auslegungen diejenige zu Grunde zu legen ist, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt (vgl. BGH, Urteil vom 18.07.2012 – VIII ZR 337/11, NJW 2013, 291, Rn. 16 m.w.N.).

ee)

Zu Recht hat es das Landgericht des Weiteren als nach § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 1 UWG bzw. § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG a.F. unlauter angesehen, dass lediglich unter der Rubrik „Häufige Fragen“ der das Angebot „F... FirstClass“ betreffenden Produktseite des Internetangebots der Verfügungsbeklagten (Anlage ASt 4, Seite 17) und in den AGB darüber informiert wird, dass der Kunde mit der Inanspruchnahme der Leistungen der Verfügungsbeklagten sämtliche störungsbedingten Forderungen gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen an sie abtritt. Auch insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Die hiergegen von der Berufung vorgebrachten Einwände, die nicht über das erstinstanzliche Vorbringen hinausgehen, rechtfertigen keine andere Würdigung.

Die Auffassung der Verfügungsbeklagten, ihre Mitglieder gingen gar nicht davon aus, dass eine Entschädigungspflicht entstünde, da sie ihr Ziel pünktlich erreichten, ist schon in sachlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar. Insbesondere trifft es nicht zu, dass aus der Sicht eines betroffenen Fluggastes eine (nach den Regelungen der Fluggastrechteverordnung entschädigungspflichtige) Verspätung überhaupt nicht stattfinde, da eine alternative Beförderung mit einem Ersatzflug beschafft werde und es insofern aus Sicht des Mitglieds überhaupt nicht zu einem Sachverhalt komme, der eine Entschädigungspflicht auslösen würde. Denn nach Ziffer 5.2. der AGB setzt die Inanspruchnahme der Leistungen der Verfügungsbeklagten unter anderem eine qualifizierte Flugstörung, nämlich den Fall voraus, dass der Flug annulliert wurde, der Flug den Abflughafen mehr als drei Stunden nach der planmäßigen Abflugzeit verlassen hat, das rechtzeitig am Abfluggate eingetroffene Mitglied aufgrund einer Überbuchung des Fluges trotz gültigem Ticket nicht mit dem vertraglich vorgesehenen Flug befördert worden ist oder das Mitglied bei einer einheitlichen Buchung den Anschlussflug verpasst hat. Die Inanspruchnahme der Leistungen der Verfügungsbeklagten kommt demnach stets nur unter Umständen in Betracht, die der Fluggast als erhebliche Leistungsstörung wahrnimmt und die daher auf das Entstehen von Ersatz- bzw. Entschädigungsansprüchen gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen schließen lassen.

Ebenso wenig ist der Verfügungsbeklagten darin beizutreten, dass die angesprochenen Verkehrskreise schon deshalb von der Abtretung der störungsbedingten Forderungen gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen ausgehen müssen, weil das Produkt „F... FirstClass“ insoweit einem aus der Versicherungswirtschaft bekannten und vertrauten Prinzip folge. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob ein nennenswerter Teil des angesprochenen Publikums in dem Produkt eine inhaltlich einer Schadensversicherung verwandte Vertragsgestaltung erkennt und deshalb mit einer § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG entsprechenden Vertragsbestimmung rechnet. Diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, da die nach den AGB vorgesehene Abtretung über die von § 86 Abs. 1 VVG erfassten Ansprüche hinausgeht.

Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG gehen Ersatzansprüche auf den Versicherer über, die auf Ausgleich der die Leistung des Versicherers auslösenden Vermögenseinbuße durch Wiederherstellung des vor dem Schadensereignis bestehenden Zustandes gerichtet sind (BGH, Urteil vom 10.06.2021 – IX ZR 76/20, BeckRS 2021, 16096, Rn. 20). Übertragen auf das hier in Rede stehende Produkt beträfe dies den Erstattungsanspruch nach Art. 8 Abs. 1 lit. a) VO (EG) 261/2004, wenn der Fluggast statt der anderweitigen Beförderung durch das ausführende Luftfahrtunternehmen die Entschädigung wählt und sich einen Ersatzflug von der Verfügungsbeklagten buchen lässt. Die AGB der Verfügungsbeklagten sehen indessen einen darüber deutlich hinausgehenden Forderungsübergang vor. So ist in Ziffer 2.3 Satz 1 der AGB bestimmt, dass „im Gegenzug zur Erbringung der vorgenannten Leistungen“ die störungsbedingten Forderungen an die Verfügungsbeklagte abgetreten werden. Die unter Ziffer 2.2. der AGB vorgenannten Leistungen umfassen neben der Buchung einer alternativen Beförderung auch die kostenfreie Hotline und den kostenfreien Zugang zu weltweit bis zu 1.300 Lounges. Unter Störungsbedingten Forderungen sind nach Ziffer 2.1. der AGB u.a. Ausgleichs- und/oder Erstattungsansprüche des Fluggastes gegenüber der jeweiligen Fluggesellschaft auf Grundlage der EU-Fluggastrechteverordnung 261/2004 sowie aus dem Beförderungsvertrag mit der Airline zu verstehen. Wiederum ausgehend von der nach § 305c Abs. 2 BGB gebotenen Auslegung führen demnach bereits die Inanspruchnahme der Hotline und des Lounge-Zugangs zur Abtretung aller störungsbedingten Forderungen an die Verfügungsbeklagte, unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die Verfügungsbeklagte ihrem Mitglied weitere Leistungen erbracht, insbesondere einen Ersatzflug vermittelt hat. Ähnliche Erwägungen gelten für den von der Abtretung umfassten Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der Verordnung. Dieser zielt zentral auf die pauschale Wiedergutmachung von Unannehmlichkeiten wegen des sich aufgrund der Störung ergebenden irreversiblen Zeitverlustes (EuGH, Urteil vom 23.10.2012 – C-581/10, C-629/10, NJW 2010, 43, Rn. 46, 51), sodass er nach dem Rechtsgedanken des § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG nicht überginge, wenn bzw. soweit die Inanspruchnahme der Leistungen der Verfügungsbeklagten den Zeitverlust nicht zu verhindern vermochte. Eine dahin gehende Differenzierung ist in den AGB der Verfügungsbeklagten nicht vorgesehen.

Ein Vorenthalten der Information über die Abtretung der störungsbedingten Forderungen ist auch nicht im Hinblick auf die betreffenden Hinweise unter der Rubrik „Häufige Fragen“ der betreffenden Produktseite zu verneinen. Nach § 5a Abs. 2 Nr. 1 UWG bzw. § 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UWG a.F. gilt als Vorenthalten auch das Verheimlichen wesentlicher Informationen. Verheimlichen meint das Vereiteln oder Erschweren der Kenntnisnahme und erfasst damit den Fall, dass eine wesentliche Information derart inmitten anderer Informationen „versteckt“ wird, dass der Durchschnittsverbraucher sie nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten auffinden kann (vgl. Köhler, in: ders./Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, § 5a UWG, Rn. 2.30). Dies ist regelmäßig der Fall, wenn nur in einer „Frequently Asked Questions (FAQ)“ oder ähnlich benannten Rubrik auf wesentliche Umstände hingewiesen wird. In einer solchen Rubrik ist nämlich nicht mit wesentlichen Informationen zu rechnen, weshalb es Verbrauchern nicht zuzumuten ist, solche Informationen dort zu suchen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 10.06.2022 – 6 U 204/21, GRUR 2022, 1353, Rn. 53 m.w.N.). So verhält es sich auch hier. Denn nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass es für den überwiegenden Teil des angesprochenen Verkehrs nicht naheliegend ist, unter der Rubrik „Häufige Fragen“ danach zu recherchieren, ob die Inanspruchnahme der Leistungen des in Rede stehenden Produkts zu Gegenleistungen an die Verfügungsbeklagte verpflichtet, die über die beworbene Mitgliedsgebühr von 69 € pro Jahr hinausgehen.

Davon abgesehen bleibt der unter der Überschrift „Häufige Fragen“ erteilte Hinweis hinter den AGB zurück. In dem Hinweis heißt es im Wesentlichen: „Wenn du dich für einen alternativen Flug entscheidest, werden alle Forderungen in Bezug auf deine Tickets und Erstattungen nach EU261 an uns abgetreten (uns zugewiesen).“ Dass bei der gebotenen Auslegung der AGB nach dem Vorstehenden auch die Inanspruchnahme anderer Leistungen, nämlich schon die Nutzung der Hotline, zur Abtretung aller störungsbedingten Forderungen an die Verfügungsbeklagte führt, bleibt unerwähnt.

Der Senat hat allerdings von der nach § 938 ZPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Tenor vorsorglich dahingehend klarzustellen, dass ein Hinweis auf die Abtretung von Ausgleichsansprüchen nur geboten ist, soweit diese Rechtsfolge im dem Produkt „F... FirstClass“ vorgesehen ist. Da die Verfügungsklägerin keinen weitergehenden Verfügungsanspruch geltend gemacht hat und das angefochtene Urteil bei der gebotenen Auslegung auch nicht über dieses Begehren hinausgegangen ist, handelt es sich hierbei lediglich um eine Anpassung des Tenors an die geltend gemachte Rechtsverletzung.

d)

Ohne Erfolg bleibt die Berufung schließlich mit dem Einwand, die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG sei durch das Unterlassen der Vorlage der Originalvollmacht im Verhandlungstermin widerlegt.

Die Vermutung der Dringlichkeit ist widerlegt, wenn der Antragsteller durch sein Verhalten zu erkennen gibt, dass es „ihm nicht eilig ist“ (st. Rspr., s. etwa BGH, Beschluss vom 01.07.1999 – I ZB 7/99 – Späte Urteilsbegründung, GRUR 2000, 151). Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn nach einer Gesamtbetrachtung des prozessualen und vorprozessualen Verhaltens des Antragstellers davon auszugehen ist, dass er das Verfahren nicht mit dem nötigen Nachdruck verfolgt und damit sein Interesse an einer dringlichen Rechtsdurchsetzung in einem Eilverfahren nicht dokumentiert hat (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 21.03.2019 – 3 U 105/18, GRUR-RS 2019, 9190, Rn. 24; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.06.2017 – 15 U 4/17, BeckRS 2017, 117612, Rn. 14 m.w.N.). So liegt es hier aber nicht. Denn auch wenn das Unvermögen zur Vorlage der Prozessvollmacht im Verhandlungstermin vor dem Landgericht am 04.05.2022 als Nachlässigkeit bewertet wird, lässt die gebotene Gesamtbetrachtung des Verhaltens der Verfügungsklägerin nicht auf ein mangelndes Interesse an einer dringlichen Rechtsdurchsetzung schließen.

2.

Anderes gilt hingegen für den vom Landgericht zurückgewiesenen Verfügungsantrag zu 2), sodass die Anschlussberufung, mit der die Verfügungsklägerin diesen Antrag weiterverfolgt, bereits mangels Glaubhaftmachung der Eilbedürftigkeit unbegründet ist.

Dass die Verfügungsklägerin gegen die ihren Antrag zurückweisende Entscheidung nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist Berufung eingelegt, sondern erst nach Ablauf dieser Frist den Anschlussrechtsbehelf erhoben hat, lässt darauf schließen, dass sie zur Hinnahme der Abweisung des Antrags bereit gewesen ist, also kein Interesse mehr an einer dringlichen Durchsetzung des damit geltend gemachten Rechts hatte (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 17.01.2012 – 6 U 159/11, BeckRS 2012, 6910; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, § 12 UWG, Rn. 2.16; Drescher, a.a.O., § 935 ZPO, Rn. 22). Besondere Umstände, die vorliegend eine hiervon abweichende Würdigung zuließen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Auch ist der Verfügungsklägerin nicht darin zu folgen, dass dem Antragsteller im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung damit im Widerspruch zu § 524 ZPO das Rechtsmittel der Anschlussberufung verwehrt würde. Denn hier steht nicht die Statthaftigkeit bzw. Zulässigkeit der Anschlussberufung infrage; die aufgezeigten Erwägungen betreffen vielmehr die Frage, ob der Antragsteller durch sein Prozessverhalten zu erkennen gegeben hat, das begehrte umgehende Verbot tatsächlich nicht zu bedürfen. Dieser Schluss kann sich auch aus einem prozessordnungsgemäßen Verhalten rechtfertigen.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Quote von 63 % zu 37 % entspricht dem wertmäßigen Obsiegen und Unterliegen der Parteien nach Maßgabe der landgerichtlichen Streitwertfestsetzung auf insgesamt 135.000 €, der der Senat nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung folgt.

Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht angezeigt, da das Berufungsurteil mit seiner Verkündung Rechtskraft erlangt, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 51 Abs. 2, 4 GKG.